Beiträge von Shinobi

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    Bin das nur ich oder haben die Amokläufe in Russland in den letzten Jahren noch mal stark zugenommen? Auch von Suiziden lese ich sehr häufig, beziehungsweise sehe es in Videos die es dazu gibt. Ich möchte gar nicht in der Haut von jungen Russen stecken, gerade wo dieser ganze Patriotismus ins unermessliche getrieben wird.


    Ich meine verglichen mit so einem Müll ist die Schule in Deutschland vielleicht gar nicht so schlecht :facepalm2:

    From the UkraineWarVideoReport community on Reddit: Poor students of Russian school listens to inspiring musing
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    Naja, ich denke, dafür braucht man aber auch erstmal ein ordentlich gefestigtes Selbstbewusstsein, und muss mehr oder weniger drauf scheißen, was andere von einem denken, und irgendwie über den Dingen stehen. In gewisser Weise ja das, worüber wir in anderem Zusammenhang erst neulich gesprochen haben... dass du alles etwas lockerer und mit mehr Abstand sehen solltest.

    Ich frage mich halt nur wie das damit zusammen passt sich gleichsam so sehr für das System zu verbiegen und sich für die Punktbewertungen des Lehrers sogar bei ihm extra beliebt machen zu wollen und dafür sogar bei seinen Klassenkameraden unbeliebt zu machen welche man als Konkurrenten betrachtet gegen die man sich durchsetzen muss. Ich war auch nie Hochbegabt vielleicht liegt es daran und ich hatte halt nie wirkliche Ziele für mein späteres Leben gehabt, mir waren die Noten daher gleichgültig. Ich zerknüllte mal einen Test, stand auf und warf ihn unausgefüllt in den Mülleimer, bevor ich wortlos die Klasse verließ und Heim ging. Es ging mir nicht darum Eindruck zu schinden und damit als cooler Badass vor meinen Mitschülern zu dazustehen, ich hatte einfach bloß keinen Bock auf den Mist und sah keinen Nutzen darin sinnlos irgendwelche Zettel auszufüllen und mir von den Benotungen des Lehrers die Sporen geben zu lassen oder mir wie ein Esel zur Motivation eine Karotte vor die Nase halten zu lassen. Ein paar mal weigerte ich mich in Mathe auch nach vorne an die Tafel zu kommen um dort an der Tafel etwas vorzurechnen, nachdem mich der Lehrer dazu zweimal aufgefordert hatte und kassierte dafür willentlich eine 6 wegen verweigerter Mitarbeit. Aber ich wusste auch einfach nicht die Antwort und sah es nicht ein mich vor versammelter Klasse zum Affen machen und mich vom Lehrer erniedrigen zu lassen, nur um wenigstens fügsam der Aufforderung des Lehrers nachgekommen zu sein. Meine Mitschüler gingen auch dann an die Tafel wenn sie die Lösung nicht wussten, nur um dann anschließen wieder auf ihren Platz zurück geschickt zu werden, das erschien mir aber komplett sinnlos und unnötig zu sein und ich empfand so ein unterwürfiges Verhalten als demütigend.

    Ich kam mir damals auch sehr Klug vor, auch wenn ich jetzt nicht gerade ein gelangweiltes Genie war welches sich lediglich unterfordert fühlte. Aber ich dachte halt ich hätte das System mehr durchschaut als meine Mitschüler, da ich mich nicht wie sie von irgendwelchen Noten kontrollieren ließ, weder durch Belohnung noch durch Sanktion ließ ich mich zur Mitarbeit bewegen. Klar sie konnten mich im Zweifelsfall mit Polizeigewallt in die Schule bringen oder in Ersatzhaft stecken oder meine Eltern in Geiselhaft dafür nehmen dass ich die Schule schwänze, aber sie konnten mich halt nicht dazu zwingen im Unterricht mitzumachen und mir Mühe zu geben.


    Hätte ich damals irgendwelche Träume gehabt oder Ziele für mein späteres Leben und eingesehen, dass ich zur Verwirklichung dieser Pläne im weiteren Verlauf auch nicht um einen guten Schulabschluss herumkommen würde, hätte ich mir womöglich auch mehr den Hintern dafür aufgerissen. Aber zu dieser Zeit sah ich einfach keinen Sinn darin irgendeine Karriere im System anzustreben. Es gab da halt auch einfach nichts was mein Interesse geweckt hätte, ich war komplett desillusioniert und bin es Teilweise noch heute und in der Hinsicht genauso Planlos wie damals.

    Aber ich mache heute nicht mehr den Fehler von mir auf andere zu schließen und irgendwelche übereilten Urteile über meine Mitschüler oder generell über andere Menschen zu fällen. Damals hielt ich mich für etwas besonderes und kam mir ganz clever in meiner Verweigerungshaltung vor. Ich kam mir vor wie ein tragischer Held, mitunter fühlte ich mich fast schon vor wie ein Märtyrer und meine Klassenkameraden wirkten auf mich wie gehirngewaschene feige Mitläufer ohne echtes Rückgrat. Mit dem heutigen Vokabular hätte ich sie vermutlich als NPCs bezeichnet und mich als jemanden betrachtet der die rote Pille geschluckt hat. Sicher lag ich auch nicht gänzlich falsch in meiner damaligen Einschätzung, aber aus heutiger Sicht war es schon auch äußerst überheblich von mir und sehr kurzsichtig so zu denken. Was wusste ich denn schon über das Leben meiner Mitschüler oder darüber was in ihnen vor sich ging, ich war lediglich ein anmaßender Idiot. Viel schlimmer als Dummheit ist im Grunde dummes Verhalten, denn davon ist absolut niemand gefeit, selbst die begnadetsten Genies glaubten außerhalb ihrer Spezialgebiete häufig auch an die absurdesten Dinge und konnten sich im Alltag ziemlich inkompetent anstellen.

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    Man kann sich aus der Schulzeit das mitnehmen, was für einen wichtig ist, besonders natürlich, wenn man eh hochbegabt ist und sich so vorkommt, als würde man über allem schweben, ABER, und da mache ich keine Gefangenen, egal wie alt oder wie scheiße alles ist für einen: Es kommt einem höchstens so vor, als wäre man der Überflieger, man fliegt jedoch nicht. Man ist und bleibt am Boden, genau wie alle anderen. So behindert das ganze System auch ist, es sind immer einzelne Menschen darin und einige davon sind auch gut, dass sieht man vielleicht nicht, wenn man so im Rage-Mode ist, aber es ist so. Wer glaubt zu fliegen, muss erstens auch irgendwann wieder landen oder unweigerlich abstürzen.

    Alles so aus einer vermeintlich höheren Warte abzukanzeln, ist überheblich und unfair. Das kann man machen und irgendwie ist das auch eine Jugendsünde, die man einem verzeihen kann, es scheint in der Natur der Sache zu liegen, dass bei Veranlagung zu vielen und stark ausgeprägten Fähigkeiten ein gewisses Potenzial besteht, auf die eine oder andere Art eine Art "Misfit" zu sein. Das liegt auch oft an den anderen und deren Veranlagung und was sie daraus machen, aber ohne differenzierte Betrachtung, nuancierte Betrachtung, wird man da nicht weiterkommen für sich.

    Das kann ich echt nur unterstreichen! Die Realität holt einen früher oder später wieder ein und schleudert einen zurück auf den Boden der Tatsachen.

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    Vorhin bin ich im Wald einem alten Mann begegnet, der sich auf sein Gehwägelchen gestützt hatte und kaum voran kam. Er wirkte aber nicht verbittert, sondern schien froh zu sein, überhaupt noch raus zu können.

    Das wirkt doch erst mal ziemlich erbaulich auf mich. Er ist der Beweis dafür dass man selbst im hohen Alter und mit dieser Gebrechlichkeit sich noch an seinem Leben und den kleinen Dingen erfreuen kann ohne daran zu verbittern und sich selbst aufzugeben, wie die vielen die abgeschoben von ihren Verwandten und versteckt vor den Augen der Öffentlichkeit in irgendwelchen freudlosen Altersheimen auf ihren baldigen Tod warten.

    Ich denke wenn man selbst das Alter erreicht hat werden sich viele der negativen Ansichten ohnehin bereits wieder von selbst relativiert haben. Vieles von dem was einem in jungen Jahren noch alles bedeutet hat und einem unentbehrlich erschien verliert im Alter zunehmend an Bedeutung und Dinge mit denen man als junger Mensch noch überhaupt nichts anfangen konnte erlangen dann einen ganz anderen Stellenwert. Man sorgt sich immer darum was mal wird, aber wenn es dann soweit ist stellt man meist verblüfft fest, dass es überhaupt nichts besonderes ist und sich alles ganz natürlich ergeben hat.


    Man gewöhnt sich doch irgendwie an alles. Das altern läuft langsam genug ab um sich nach und nach an die Veränderungen zu gewöhnen, würde es schlagartig passieren wäre es natürlich ein großer Schock. Wenn ich wählen könnte 75% Prozent meines Lebens auf dem absoluten Zenit meiner Jugend, mit voller Kraft, Schönheit und Vitalität verbringen zu können, aber dann schlagartig von jetzt auf gleich mein absolutes Alter einsetzen würde und ich damit dann direkt und ohne Eingewöhnungszeit klar kommen müsste, um die restlichen 25% meiner noch verbleibenden Lebenszeit zu ende leben zu müssen, wüsste ich nicht ob ich mich darauf wirklich einlassen wollen würde. Man sieht einen alten Menschen und es schaudert einem bei dem Gedanken selbst mal so zu enden, aber man vergisst dabei, dass man nicht irgendwann plötzlich aufwachen wird und von heute auf morgen graue Haare hat und eine Gehhilfe benötigt. Ich glaube das Alter schleicht sich so langsam in unserer Leben, dass man für diese sanftmütige und behutsame Vorgehensweise schon auch irgendwo dankbar sein kann. Und natürlich wüssten wir die Jugend doch gar nicht mehr zu schätzen wenn sie kein Ende hätte, vielleicht würdest du wenn du unendlich lange Jung bleiben würdest irgendwann überhaupt nicht mehr durch den Wald spazieren wollen, weil es irgendwann Langweilig geworden ist und weil du dazu ja noch eine ganze Ewigkeit die Gelegenheit hättest und daher auch kein zeitlicher Handlungsbedarf mehr bestünde, weil du auch genauso gut in 1000 Jahren noch fit durch die Landschaft spazieren könntest wie heute und es sich daher auch beliebig lange aufschieben ließe.

    Ich denke es hat schon alles seine Sinnhaftigkeit, inklusive des unbehaglichen Gefühls welches einem bei dem Gedanken ans Altern ereilt, weil erst dadurch fangen wir an die Jugend als kostbares Gut wertzuschätzen und diese Zeit zu nutzen. Man sollte aber wenn möglich vielleicht nicht gleich wieder den Fehler machen lauter hohe Ansprüche und Erwartungen an seine Jugendzeit zu entwickeln und sich dann damit abmühen allen möglichen Hirngespinsten hinterherzujagen und dabei das Wichtigste aus den Augen zu verlieren. Oder sich im Nachhinein über ungenutzte Chancen und vergangenes zu wehklagen.


    Ich habe neulich in einer Unterhaltung mit jemandem ein kleines Gedankenexperiment anregen wollen und in den Raum geworfen, dass der Slogan des WEF, welcher für so einen enormen Aufschrei gesorgt hat, gar nicht mal so unzutreffend sei, unabhängig davon wie man es nun interpretieren möchte. Ich bezog mich dabei natürlich auf diese Aussage wonach wir nichts mehr besitzen und glücklich sein würden. Ich argumentierte damit dass Glück eben nicht von äußeren Faktoren und materiellem Besitz abhängig sei und deshalb nichts und niemand außer uns selbst über unser Glück bestimmen kann, auch wenn natürlich die essentiellen Grundbedürfnisse schon irgendwo gedeckt sein sollten.

    Mir wurde dann direkt reflexartig vorgeworfen ich könne nur deshalb so denken weil ich Geld vom Staat bekomme und daher ein sorgenfreies Leben hätte. Woraufhin ich erwiderte dass doch genau das der Punkt sei, egal wie gut es einem geht und wie man lebt, es wird immer welche geben die mit blankem Horror darauf blicken und andere die es mit Neid erfüllt. Jene die sich am meisten vor dem Great Reset und Schwabs Proklamationen fürchten, denken dabei doch nicht an Obdachlosigkeit oder bittere Armut, daran nichts zu Essen zu haben und Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert zu sein. Es geht ihnen nicht darum unter das Niveau von Sozialhilfe zu rutschen und keinen Zugang zu lebensnotwendigen Dingen mehr zu haben. Wenn sie nachts schweißgebadet aus einem ihrer Albträume erwachen, haben sie vielleicht gerade von so einem Leben mit Sozialhilfe geträumt, welches mir von meinem Bekannten zum Vorwurf gemacht wurde, weil es aus seiner Sicht zu Sorgenfrei und Gemütlich sei um diese Ängste nachvollziehen zu können.


    Wenn man meint ein Eigenheim oder ein eigenes Auto zu benötigen und im Jahr drei mal in Urlaub fliegen zu können seinen essentielle Grundvoraussetzungen um glücklich zu sein und mehr Besitz würde automatisch auch zu mehr Zufriedenheit führen, dann müsste ich ja im Umkehrschluss eigentlich Tod unglücklich sein wenn ich all diese Dinge nicht besitze und daher total unzufrieden mit meinem Leben sein. Wenn man dann noch in einem der vielen Foren mitließt in denen sich frustrierte und teils suizidale Incels austauschen und ihrer enttäuschten Verbitterung Luft machen, dann müsste ich als ewiger Single doch eigentlich genauso Verbittert sein wie sie und ohne eine Partnerin an meiner Seite ebenfalls keinen Grund zum Weiterleben mehr sehen. Allerdings bin ich alles andere als verbittert und hasserfüllt, ich würde mich als glücklich und zufrieden beschreiben und ich erfreue mich an meinem Leben zu sehr um es beenden zu wollen. Obwohl mein Leben objektiv betrachtet durchaus sehr minimalistisch, karg und ereignislos ist, sowohl was materielle Dinge betrifft, aber auch im Hinblick auf mein kaum existentes Sozialleben und in Abwesenheit jeglichem romantischen Erlebens. Auch ist mein Leben generell äußerst ereignislos und es passiert relativ wenig was nicht in ähnlicher Weise an jedem beliebigen anderen Tag auch passiert.

    Aber ich habe erkannt, dass Zufriedenheit bloß eine Frage der Perspektive ist und sich nicht zwangsläufig dieser lähmende Pessimismus breit machen muss, wenn man die Dinge ins rechte Licht rückt und sich für die kleinen Freuden des Alltags öffnet entdeckt man eine unerschütterliche Gelassenheit und eine tiefe innere Freude, welche einem immer und zu jeder Zeit offen steht. Aber es erfordert auch etwas Übung. Egal ob Alter, Armut oder soziale Isolation, die kleinen Freuden des Alltags sind immer Gegenwärtig, wenn man dem Blick für sie schärft wird es irgendwann schwer sie nicht mehr zu erkennen. Es ist wie ein Muskel den man anfangs noch mühsam trainieren muss, aber irgendwann wird es so selbstverständlich wie das Atmen. Ich glaube wenn mehr Menschen eine tiefe Ebene unbedingter Zufriedenheit erlangen würden, hätten wir viele der Probleme welche die Menschheit heute plagen gar nicht.

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    Aber vielleicht ist es auch ein bisschen eine Generationenfrage, und TikTok spricht mit der Art, wie es funktioniert, eben so ein bisschen die Neugier oder schnelle Begeisterungsfähigkeit junger Menschen an... vor allem von jenen, die eigentlich eh keinen Plan haben und gar nicht wissen, was sie sich anschauen wollen, und die sich dafür begeistern können, irgendwelche random Menschen irgendwelche krassen Dinge tun zu sehen.

    Den besten und desaströsten Effekt hat es also gerade auf die angepeilte Zielgruppe dieser App, welche aus Jugendlichen und Kindern besteht die sich am leichtesten davon verführen lassen. Ich denke wir hatten einfach Glück dass es in der Lebensphase wo wir selbst am Empfänglichsten dafür gewesen sind solche Dinge noch nicht gab. Ich bin da doch etwas skeptisch bezüglich der Hybris sich als so eine Besonderheit zu betrachten und zu glauben von der manipulativen Sogwirkung dieser Dinge gänzlich ausgenommen zu sein und als Kind oder Jugendlicher dafür aus irgendwelchen Gründen nicht empfänglich gewesen sein. Klar ist nicht jeder gleich beeinflussbar, manche haben da etwas stärkere Abwehrkräfte, aber es hat denke ich auch viel mit den persönlichen Umständen zu tun und den ganzen Einflüssen denen wir seit unserer Geburt ununterbrochen ausgesetzt waren. Auf Babys sollen ja bereits die kleinsten Abweichungen einen großen Einfluss in der späteren Entwicklung haben, etwa wie viel Köperkontakt mit der Mutter bestand und wie viel Aufmerksamkeit man bekam etc.

    Ich denke ich selbst bin da gerade noch mal unversehrt davon gekommen, da ich in einer Zeit jung war als es diese Dinge noch nicht gab. Heute wachsen viele Kids bereits von Anfang an wie selbstverständlich damit auf und bekommen teilweise schon von ihren Eltern mit 8 ein Smarthone in die Hand gedrückt, um es ruhig zu stellen und damit die Eltern ihre Ruhe haben. Ich bin ja sogar verhältnismäßig spät erst mit dem Internet in Kontakt gekommen, da meine Eltern nicht genug Geld dafür hatten und diese Dinge für sie natürlich auch absolutes Neuland waren. Ich glaube Internet hatte ich erst zwischen 15 und 16 zum ersten Mal, ich kenne aber auch gleichaltrige die schon mit 10 allein das Internet durchstreift haben. Aber in der Hauptschule gab es damals generell wenig Kinder mit einem PC daheim, geschweige denn eines mit Internet.


    Ich war ja auch damals ein Rebell und bin es bis heute geblieben. Als die ersten Klapphandys kamen hat es auch an der Hauptschule kaum einen gegeben der nicht nach und nach sich eines zugelegt hat, nur ich habe bis zuletzt keines gewollt. Erst sehr viel später als ich schon Volljährig war habe ich mir ein fast schon antikes Teil zugelegt, weil meine Mutter darauf bestand dass ich erreichbar sein müsse. Ein Smarthone habe ich jedoch bis heute noch nie besessen und habe auch zukünftig nicht vor damit anzufangen, außer es wird irgendwann zur totalen Pflicht. Aber damit bin ich in der heutigen Zeit mit Anfang 30 echt schon eine Rarität, ich kenne tatsächlich niemanden außer meinen Eltern der ebenfalls noch nie ein Smartphone besessen hat.

    Wenn Wissenschaftler irgendwann verzweifelt nach Teilnehmern für Studien suchen die noch nie den Einflüssen von Smartphones ausgesetzt waren, werde ich dafür etwa so eine begehrte Seltenheit sein wie heutige Ureinwohner die noch nie einem Menschen begegnet sind. :-D

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    Ein buddhistischer Meister hat es auch mal als "Aufs Klogehen fürs Hirn bezeichnet" :D

    Den werde ich mir mal merken, gefällt mir. :thumb_up4:

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    Ich glaube, es kommt ganz drauf an, wie stark das Ego beim jeweiligen Menschen ausgeprägt ist.

    Vom nahezu fehlenden Ego z.B. nach Traumatisierungen oder harter Egozentrismus ist die Spannbreite groß.

    Vielleicht muss bei einem sogar eher das Ego aufgebaut werden, damit dieser sich nicht weiter selbst zerstört oder ungesunden Situationen aussetzt.

    Keine Ahnung, ich bin keine Psychologe und habe keine wirkliche Erfahrung mit solchen Traumatisierungen. Es geht ja auch immer darum einen Mittelweg zu finden, also eine gesunde Balance. Ich glaube nirgendwo im Taoismus oder Buddhismus wird behauptet man solle sich bewusst selbstschädigenden Situationen aussetzen oder in seinem Leid verharren. Ich verwende den Begriff Ego eigentlich eher ungerne, weil dann immer gleich eine Verbindung zu Egoismus hergestellt wird und der Eindruck entsteht ohne ein Ego müsste man komplett wehrlos alles über sich ergehen lassen, zu allem ja und amen sagen und der ganzen Welt seine Wange hinhalten.

    Stattdessen habe ich die Beobachtung gemacht, dass mit der Aufweichung des Egos auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wächst und mehr Selbstbewusstsein entsteht. Man entwickelt auch eine stärkere Resilienz und wird nicht mehr so leicht umgeworfen in Zeiten die sehr Turbulent sind.


    In dem Zusammenhang finde ich das Konzept der acht weltlichen Wind im Buddhismus sehr interessant:


    Auch hier gibt es wieder eine passende Stelle im TTC, wieder aus Kapitel 13 aus dem ich schon im vorherigen Beitrag einen Auszug eingefügt hatte:

    Das Ego besteht ja aus diesen ganzen Überzeugungen, Urteilen und Vorstellungen die man über sich selbst hat. Man redet sich in Gedanken ein wie schwach und schlecht man ist, oder man bekommt es von anderen eingeredet. Viele wiederholen das dann wie ein Mantra immer aufs neue in ihren Gedanken und rufen sich dabei zusätzlich noch bestimmte Erinnerungen ins Gedächtnis welche diese Annahmen zu bestätigen scheinen und so festigt sich das eigene Selbstbild immer mehr in unserem Kopf und wird damit zu einer gelebten Realität. Diese Überzeugungen werden zu selbsterfüllenden Prophezeiungen und eine Rückkopplungsschleife entsteht bei der einem genau die Dinge widerfahren die man sich zuvor eingeredet hat, weil sich unbewusst die inneren Überzeugung auf unser Verhalten auswirkt und damit genau die Erfahrungen begünstigt werden welche diesen Teufelskreislauf aufrecht erhalten.

    Aus meiner eigenen Erfahrung führt effektiv aus dieser Ohnmacht meist nur ein Weg, nämlich die irrigen Selbstbilder als unwahr zu durchschauen und zu erkennen das die eigenen Wurzeln viel tiefer reichen als unser beschränktes Ego. Viel hängt halt auch damit zusammen ob und wie sehr wir uns am subjektiven Erfolg anderer messen, wir fühlen uns ungenügend weil wir im Vergleich mit Anderen den Eindruck gewinnen sie seien irgendwie besser oder hätten etwas was uns fehlt. Wir sorgen somit selbst für unsere eigene Unzufriedenheit, weil wir dazu tendieren uns und unser Leben permanent mit dem zu vergleichen was wir über das Leben anderer Menschen zu wissen glauben, obwohl die Realität oftmals weit weniger freudvoll und glamourös ist als es uns in unserer Vorstellung erscheint. Ist dieses Vergleichen dann noch an die Vorstellung gekoppelt unser Selbstwert und das persönliches Glück wären davon abhängig wie wir bei diesen Vergleichen abschneiden und ob wir den gewünschten äußeren Erfolg erzielen oder die erhoffte Bestätigung und Anerkennung durch andere Menschen erlangen, dann ist das Disaster eigentlich schon vorprogrammiert. Wir werden zum Spielball äußerer Umstände über die wir keine Kontrolle haben. Führt nicht gerade das zu einem Gefühl innerer Ohnmacht und zum ausgeliefert sein an die Umstände? Und wird nicht gerade das vom Ego begünstigt?

    Zitat

    "Haben wir nicht alle den Instinkt räuberischer Tiere? Kann das zerfetzte und blutige Opfer das blutverschmierte Maul lieben, das ihm Stück für Stück seine Gliedmaßen abreißt?

    Ist es nicht unser natürlicher Selbsterhaltungstrieb, der geweckt wird, wenn uns jemand Leid zufügt und wir so zornig werden, dass wir uns vor einem weiteren Angriff schützen?"

    Schwer zu sagen, es kommt sicherlich auch auf die Situation an. Ich habe tatsächlich schon Situationen erlebt wo ich mit Aggressoren zu tun hatte die lediglich auf Krawall gebürstet waren und auch nicht für Deeskalation meinerseits empfänglich waren. Zum Glück waren diese Personen häufig äußerst stark betrunken und daher kein großes Risiko, von jemanden der sich selbst kaum auf den Beinen halten und gerade laufen kann geht nun mal keine sonderlich große Bedrohung aus. :-D

    In den meisten Fällen wo nicht irgendwelche Substanzen im Spiel waren die dem Aggressor zu sehr zu Kopf gestiegen sind und seinen Verstand vernebelt haben, hängt es meistens eher mit dem eigenen verletzten Stolz zusammen ob man sich in Gefahr bringt und damit ob man auf die Provokationen eines Aggressors eingeht und diese ihr Ziel erreichen können oder ob man diese unbeeindruckt an sich abprallen lässt und sie somit wirkungslos bleiben und an einem verpuffen. Ist man anfällig dafür sich in seinem übergroßen Ego leicht kränken zu lassen und lässt sich dann zu unüberlegten Handlungen hinreißen weil man nur allzu bereitwillig auf die Provokationen der Gegenseite einsteigt um seine Ehre wieder rein zu waschen, gibt man damit dem Provokateur genau den erhofften Vorwand der ihm noch gefehlt hat um von der verbalen Ebene in eine Körperliche Auseinandersetzung zu wechseln.


    Es gibt leider auch Menschen die auch ganz ohne Alkohol zu grundloser Aggression fähig sind und daher auch keine grobmotorischen Gleichgewichtsstörungen und eine verminderte Reaktionszeit aufweisen. Wenn man auf so jemanden trifft und merkt, dass diese Person überhaupt nicht für Beschwichtigungen und Deeskalationsversuche empfänglich ist, sollte man sich tunlichst umgehend aus dem Staub machen oder darauf einstellen alle einem zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen um den Aggressor effektiv und kompromisslos kampfunfähig zu machen. Aber keinesfalls würde ich da den Helden spielen und unnötige Risiken eingehen, es kann jederzeit eine Waffe oder ähnliches ins Spiel kommen. Leider hatte ich auch mit solchen Situationen schon zu tun. Ich bin recht schnell und habe eine gute Ausdauer, daher ist tatsächlich die Flucht mein Mittel der Wahl und ich schäme mich auch nicht dafür oder empfinde eine solche Flucht als Feige. Allerdings bietet sich auch nicht immer eine Gelegenheit zur Flucht, daher trage ich immer auch ein Pfefferspray bei mir und ein Seil an dem eine große Mutter aus Metal befestigt ist, die ich zur Not als Waffe einsetzen kann.

    Aber in aller Regel bekommt man keinen Stress wenn man ihn nicht aktiv sucht und auf sinnlose Provokationen nicht eingeht. Natürlich sollte auch ein gewisses selbstbewusstes Auftreten dazu gehören, da jedes Zeichen von Schwäche direkt erschnüffelt werden kann. Allerdings empfinde ich es als Fragwürdig dass der Mensch seiner Natur nach wirklich bloß so eine triebgesteuerte gewalttätige Bestie ist, wenn doch meist wie von mir beschrieben erst eine gehörige Portion Alkohol oder sich hochschaukelnde Provokationen und andere Vorwände benötigt werden um zum Angriff überzugehen. Auch im Krieg muss immer erst die Gegenseite durch Propaganda, Übertreibungen und Lügen entmenschlicht werden ehe man sich dazu durchringen kann die Waffe auf jemanden zu richten. Ich glaube es sind weniger unsere Triebe oder Gene als viel mehr der ganze Müll in unseren Köpfen der dafür verantwortlich ist. (;


    Zitat

    "Tu anderen, was sie Dir tun, denn wenn Du anderen tust, was Du gern hättest, dass sie Dir tun und sie Dich daraufhin schlecht behandeln, so ist es wider die menschliche Natur, weiterhin rücksichtsvoll zu ihnen zu sein."

    Naja, man muss ja nicht unbedingt das Gleiche tun, sondern kann sie auch einfach zukünftig komplett stehenlassen und ignorieren. ^^

    Wie du siehst bin ich eher an Anhänger von der zweiten Option, sofern die Situation es zulässt versteht sich. Alles andere entspringt wieder bloß den Torheiten unseres rachsüchtigen und streitlustigen Egos. Hass wird immer nur neuen Hass nach sich ziehen, genauso wie der unnötige Einsatz von Gewalt zum Zweck der Rache und für unsere persönliche Genugtuung niemals eine nachhaltige Lösung dieses Dilemmas zulassen wird. Denn auch Vergeltung führt immer nur zu neuer Vergeltung und so wird dieser Kreislauf halt nie durchbrochen.

    Zitat von Ghandi

    "Auge um Auge und die ganze Welt wird blind sein"


    Zitat

    Generell finde ich diese östlichen Philosophien ja schon ansprechend, wenn es darum geht, Ruhe ins eigene Herz zu bringen und eine gewisse Gelassenheit zu entwickeln. Ich fürchte nur manchmal, sie haben auch einen sehr sedierenden Einfluss auf die asiatischen Gesellschaften... was dann dazu führt, dass sich die Chinesen von ihrem Staat komplett unterdrücken lassen, und sich Menschen in Südkorea oder Japan sprichwörtlich zu Tode arbeiten, weil man die Dinge ja so nehmen muss, wie sie sind.

    Besonders förderlich scheint es für gesellschaftliche Umwälzungen jedenfalls nicht zu sein. (Aber gut, ähnliches lässt sich vermutlich auch über das Christentum und den Islam sagen...)

    Oder würdest du es eher so sehen, dass das falsch verstandener Taoismus ist, wenn man aus Angst vor gesellschaftlichem Gesichtsverlust oder Strafen ein Leben führt, das man eigentlich gar nicht möchte?

    Ich würde sagen es handelt sich dabei überhaupt nicht um Taoismus. Taoismus ist eigentlich sowas wie die fernöstliche Version von Anarchie. Nur mit dem Unterschied dass man die Abwesenheit von Zwängen und hierarchischen Strukturen noch viel weiter ausdehnt auf die Gesamtheit unserer Geistesaktivitäten und dabei die innere Unabhängigkeit von unseren Gedanken und Gefühlen stärker in den Vordergrund stellt. Es geht ihnen vermehrt darum die geistigen Ketten unseres Verstandes zu überwinden und der Fokus liegt daher auch weniger auf auf der Bekämpfung äußerer Umstände, auf die man ohnehin nur wenig Einfluss nehmen kann. Man geht davon aus dass es ohne eine innere Freiwerdung auch keine äußere Freiheit geben kann und wir daher zunächst bei uns selbst ansetzen müssen, bevor wir in die Welt hinaus ziehen um allen unsere persönliche Vorstellung von Rechtschaffenheit aufs Auge drücken zu wollen.

    Man versucht möglichst keine unnötigen inneren und äußeren Konflikte entstehen zu lassen und sich dabei seinen Weg ähnlich des Wassers durch die Stromschnellen des Lebens zu bahnen und Hindernisse eher zu umfließen statt sich mit ihnen anzulegen. Ziel ist es ungestört dahinzufließen, ohne dabei ein konkretes Ziel zu benötigen oder auf ein bestimmtes Ergebnis zu hoffen. Verpflichtet ist man dabei wenn überhaupt nur seiner wahren Natur, mit der man versucht sich im Einklang zu befinden und somit auch mit der umgebenden Welt besser zu harmonisieren. Es ist nicht so als müsse man dabei bewusst Verzicht üben oder seine eigenen Gefühle, Wünsche oder das Ego unterdrücken und sich dabei nach irgendwelchen dogmatischen Vorgaben ausrichten. Vielmehr lässt man bestimmte Überzeugungen, Begierden, Wiederstände und Bestrebungen einfach deshalb fallen, weil man erkannt hat, dass ein festhalten an ihnen nur zu weiterem Leid und stärkerer Unfreiheit führt.


    Beim Taoismus geht es primär immer um Freiheit, es ist eigentlich das genaue Gegenteil von der Angepasstheit an gesellschaftliche Konventionen und soziale Normen wie du sie hier beschreibst. Das ist eigentlich nicht so sehr auf dem Mist von Taoismus gewachsen sondern auf andere Einflüsse des altertümlichen China zurückzuführen. Da die Prinzipien des Taoismus auch damals schon nicht so wirklich Massenkompatibel gewesen sein dürften und andere philosophische Strömungen auf das Selbstverständnis der Chinesen und anderer ostasiatischer Kulturen einen sehr viel stärkeren Einfluss hatten als die Taoisten.

    besonders prägend waren dabei wohl Konfuzius und Mozi, deren Denkschulen sich womöglich noch am ehesten mit dem Kommunismus vergleichen lassen. Beim Konfuzianismus und beim Mohismus wurde im Gegensatz zum Taoismus nämlich das Gemeinwohl als höchstes Gut betrachtet welchem sich das Individuum unterordnen müsste. Gehorsam gegenüber Autoritäten, dem Alter und das unterordnen in festen Hierarchien gehörte dabei ebenfalls mit dazu, genauso wie ein striktes Einhalten von Sittlichkeit und das befolgen moralischer Tugenden. Wenn Kommunismus die Herrschaft des Proletariats ist, dann handelt es sich bei Konfuzianismus und Mohismus eher um die Herrschaft der Tugend und Moral, wohingegen Taoismus auf Herrschaft komplett verzichtet. Und dann gab es da noch den Legalismus, der wohl noch am ehesten dem späteren chinesischen Sozialismus entsprach. So sehr sogar dass die KP Chinas womöglich sogar als direkter Erbnachfolger dieser Denkrichtung betrachtet werden kann, die auch gewisse faschistische Züge aufweist.


    Hier findest sich eine kleine Übersicht der verschiedenen philosophischen Denkschulen des damaligen Chinas, Taoismus fällt hier eher die Rolle eines rebellischen Underdogs zu, der auch sicher nicht der Liebling von den Herrschern jener Zeit gewesen sein dürfte.

    Chinesische Staatsphilosophie – Wikipedia

    Die Beschreibung vom Konfuzianismus hört sich hier zunächst vielleicht gar nicht so schlecht an, fast wie ein gut getarnter Taoismus, aber der Schein trügt. Beim Taoismus vertraut man darauf dass die Menschen sich ihrer eigenen wahren Natur gemäß von selbst tugendvoll verhalten würden wenn man sie nur ließe, bein Konfuzianismus traut man ihnen dies jedoch nicht zu und glaubt den Menschen aktiv und mit Nachdruck auf die Sprünge helfen zu müssen, um ihnen somit zu ihrer Tugendhaftigkeit zu verhelfen und setzt dabei wenn nötig auch auf Kontrolle und Zwang.


    Der Unterschied ob die Lehre des Taoismus nun begünstigt sich von Machthabern und Konzernen unterdrücken und ausbeuten zu lassen oder eher dazu führt sich aus der Umklammerung von jedweden Zwängen zu lösen, ist vielleicht bloß eine Frage der Perspektive. In dem Video wird das ganz gut aufgezeigt. Nur gefällt mir persönlich nicht wie viel Gewichtung in diesem Beispiel der Erwähnung des wirtschaftlichen Erfolgs der beiden zukommt. Das ist halt so typische Spiritualität die Unternehmer ansprechen soll. Ich würde halt noch einen dritten hinzufügen der sich komplett aus dem Wirtschaftskreislauf verabschiedet hat und zum bloßen Selbstversorger wurde. Aber wenn man von diesem Detail absieht steckt da eigentlich schon einiges an Wahrheit drin. :thumbsup:


    Zitat

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Video verstanden habe.

    Dort wurde gesagt, dass man aus der wahren Natur handeln sollte, in Einklang mit dem Universum.

    Aber was ist die wahre Natur?

    Ich finde du stellst da durchaus berechtigte Fragen. Ich denke mal ich habe einen Teil davon bereits in meiner Antwort an Dian beantwortet, aber ich versuche dennoch noch etwas genauer darauf einzugehen. Unsere wahre Natur und das Tao, welches ja bekanntlich das Hauptmotiv im Taoismus ist, sind im Grunde ein und dasselbe. Wenn man nun beschreiben möchte was mit diesem Tao gemeint ist, gerät man direkt wieder in die Bredouille etwas mit Worten erklären zu müssen was sich unseren begrenzten dualistischen Definitionen entzieht. Meistens versucht man sich bei der Annäherung an dieses Etwas was nicht mit Worten beschrieben werden kann aller positiven Beschreibungen zu enthalten und wählt stattdessen einen negativen Ansatz, bei dem man durch das Weglassen aller konzeptuellen Vorstellungen über die Eigenschaften und Qualitäten einer solchen Sache, welche als unzutreffend erachtet werden können, dem Wesenskern jener Sache möglichst Nahe zu kommen, ohne sich dabei in irrigen Falschannahmen zu verstricken.

    Zitat

    „Laotse“ sieht im Dao die höchste Wirklichkeit, das Absolute, das Unberührte und die ursprüngliche Einheit. Das Dao ist der Ursprung aller Dinge (wörtlich: „zehntausend Dinge“) und zugleich die Ordnung jener Dinge. Es vereint in sich alle (scheinbaren) Gegensätze und ist daher nicht definierbar. Man könnte es maximal als ein kontinuierliches Paradoxon kennzeichnen. Aus der philosophischen Perspektive ist das Dao ein Begriff für die Begriffslosigkeit. Es ist Sein und Nicht-Sein zugleich; eine Abstraktion für ein tiefergehendes Weltenverständnis. Jeder Versuch, das Dao zu definieren, ist zum Scheitern verurteilt, da jede Definition eine Festlegung, eine Begrenzung, wäre.


    Zitat

    Vielleicht ist es ja irgendwie doch auch Teil des Menschen und stellt auch einen gewissen Schutz dar?


    Brauchen wir diesen Schutz denn überhaupt oder handelt es sich dabei auch bloß um eine Schutzbehauptung des Ego selbst? Ohne diese Vorstellung eines separaten Selbst welches sich als getrennt betrachtet und sich in ständiger Opposition zu allem befindet was es glaubt nicht zu sein, hätten wir eigentlich keinen Grund uns zu fürchten, da wäre auch niemand mehr der sich bedroht fühlen könnte. Es geht darum zu erkennen, dass wir viel mehr sind als unser kleines beschränktes Ego uns glauben lässt. Wenn wir statt uns mit dem Ego zu identifizieren, uns als Teil des großen Ganzen betrachten verliert das Leben seinen Schrecken.


    Das wird ganz gut in den Kapiteln 13 und 16 des Tao Te Ching zum Ausdruck gebracht:

    Zitat

    What does it mean that hope is as hollow as fear?

    Hope and fear are both phantoms

    that arise from thinking of the self.

    When we don’t see the self as self,

    what do we have to fear?



    Zitat

    Warum gibt es Religionen, die diesen Aspekt des Menschseins künstlich "loswerden" wollen?

    Vielleicht aus dem gleichen Grund aus dem es auch das Ego selbst gibt. Dieses loswerden wollen ist ja auch bloß wieder ein Verlangen und somit Teil des Egos, alles was wir kontrollieren wollen erhält Kontrolle über uns. Der Wunsch sich auf diese Weise vom Ego zu befreien wäre wie der Versuch seinem eigenen Schatten zu entkommen. Wer ist es der diesen Wunsch tätigt? Wer soll da befreit werden und wovon überhaupt? Im Taoismus greift man gerne auf Metaphern zurück, wie den unbehauenen Stein. Das Ego ist hier alles was erst nachträglich in diesen Stein hineingehauen wurde. Gemeint sind damit unsere Konditionierungen und unsere Sozialisierung sowie die Summe unserer Erfahrungen und Urteile etc. Im Grunde alles was wir fälschlicherweise für unser Selbst halten und womit wir uns identifizieren, obwohl wir schon waren bevor all diese Dinge und Konzepte in unser Leben traten. Der natürliche Zustand ist mit diesem unbehauenen Stein oder einem unbeschriebenen Blatt zu vergleichen, in einem solchen Zustand steht uns noch jede wählbare Option uneingeschränkt zu Verfügung ohne künstliche Limitierungen.

    Vielleicht ist das mit dem Stein ein schlecht gewähltes Beispiel weil es den Anschein erwecken könnte als handle es sich bei dem was bereits in diesen Stein graviert wurde um etwas permanentes das nicht mehr rückgängig zu machen sei. Ein besseres Beispiel wäre wohl eine Tafel die man Vollschreiben kann, die sich aber auch jederzeit wieder leerwischen und von neuem beschriften lässt. Nur eine leere Tafel enthält noch das gesamte Spektrum an Möglichkeiten die auf ihr zum Ausdruck gebracht werden können, wohingegen eine Tafel die bereits bemalt wurde keinen Platz mehr bietet für etwas neues. Auf uns bezogen würde das bedeuten, dass wir zu sehr in unseren festgefahrenen Mustern und Sichtweisen verhaftet sind und keine anderen Option mehr sehen oder zulassen können als jene mit denen wir uns gewohnheitsmäßig identifizieren und die wir für uns Selbst halten.


    Eine weitere beliebte Metapher ist ein Trinkgefäß welches bereits mit einer Flüssigkeit gefüllt ist. Ein solches Gefäß welches bereits voll ist, kann nichts neues mehr zusätzlich in sich aufnehmen, erst müssen wir es leeren bevor es wieder von Nutzen sein kann. Und wenn man Tee in eine Tasse schüttet die noch zur hälfte mit Kaffee befüllt ist, kann man am Ende auch beide Flüssigkeiten nicht mehr klar voneinander unterscheiden. Die Realität verschwimmt mit unserer Meinung und wir können nicht mehr klar sehen. Unser Ego ist im Grunde genau das, wir sind meist total voll von uns Selbst und meinen über alles bescheid zu wissen. Das führt zu Überheblichkeit, Starrsinn und Konflikten, im Egozustand verengt sich unsere Wahrnehmung und es fehlt uns an Weite und Offenheit um die Dinge klar und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten zu können. Hier könnte ich jetzt noch ewig weiter lamentieren und zusätzliche Beispiele anfügen, aber ich denke es wird klar worauf ich hinaus will.

    Natürlich behalten wir unsere Erfahrungen und unseren Verstand bei, diese Dinge können schließlich sehr Praktisch sein und sind unentbehrlich für unser Überleben. Es wird zwar auch oft davon gesprochen wieder zu werden wie ein Kind, aber damit ist eben nicht gemeint dass wir unseren Verstand zu resetten und wieder verlernen zu sprechen oder zu laufen und all die praktischen Fähigkeiten aufgeben die wir im Laufe unseres Lebens erlernt haben und die ja auch ihre Sinnhaftigkeit haben. Der Verstand ist ein hervorragendes Werkzeug, aber wenn wir uns stattdessen von unserem Verstand beherrschen lassen werden wir zum Werkzeug unseres Verstandes, statt umgekehrt unseren Verstand zu nutzen werden wir umgekehrt von unserem Verstand benutzt.


    Wenn ich Taoismus mit einem einzigen Wort beschreiben müsste dann wäre es das ''Lassen''. Gemeint ist damit nicht nur das Loslassen sondern auch das Zulassen und der Zustand der damit erreicht werden kann wäre dann die Gelassenheit, alles so zu nehmen wie es ist, ohne sich Probleme zu schaffen wo es gar keine gibt oder sich irgendwelchen Zwängen zu unterwerfen.