Überstimulierende Kinderserien

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    Aber vielleicht ist es auch ein bisschen eine Generationenfrage, und TikTok spricht mit der Art, wie es funktioniert, eben so ein bisschen die Neugier oder schnelle Begeisterungsfähigkeit junger Menschen an... vor allem von jenen, die eigentlich eh keinen Plan haben und gar nicht wissen, was sie sich anschauen wollen, und die sich dafür begeistern können, irgendwelche random Menschen irgendwelche krassen Dinge tun zu sehen.

    Den besten und desaströsten Effekt hat es also gerade auf die angepeilte Zielgruppe dieser App, welche aus Jugendlichen und Kindern besteht die sich am leichtesten davon verführen lassen. Ich denke wir hatten einfach Glück dass es in der Lebensphase wo wir selbst am Empfänglichsten dafür gewesen sind solche Dinge noch nicht gab. Ich bin da doch etwas skeptisch bezüglich der Hybris sich als so eine Besonderheit zu betrachten und zu glauben von der manipulativen Sogwirkung dieser Dinge gänzlich ausgenommen zu sein und als Kind oder Jugendlicher dafür aus irgendwelchen Gründen nicht empfänglich gewesen sein. Klar ist nicht jeder gleich beeinflussbar, manche haben da etwas stärkere Abwehrkräfte, aber es hat denke ich auch viel mit den persönlichen Umständen zu tun und den ganzen Einflüssen denen wir seit unserer Geburt ununterbrochen ausgesetzt waren. Auf Babys sollen ja bereits die kleinsten Abweichungen einen großen Einfluss in der späteren Entwicklung haben, etwa wie viel Köperkontakt mit der Mutter bestand und wie viel Aufmerksamkeit man bekam etc.

    Ich denke ich selbst bin da gerade noch mal unversehrt davon gekommen, da ich in einer Zeit jung war als es diese Dinge noch nicht gab. Heute wachsen viele Kids bereits von Anfang an wie selbstverständlich damit auf und bekommen teilweise schon von ihren Eltern mit 8 ein Smarthone in die Hand gedrückt, um es ruhig zu stellen und damit die Eltern ihre Ruhe haben. Ich bin ja sogar verhältnismäßig spät erst mit dem Internet in Kontakt gekommen, da meine Eltern nicht genug Geld dafür hatten und diese Dinge für sie natürlich auch absolutes Neuland waren. Ich glaube Internet hatte ich erst zwischen 15 und 16 zum ersten Mal, ich kenne aber auch gleichaltrige die schon mit 10 allein das Internet durchstreift haben. Aber in der Hauptschule gab es damals generell wenig Kinder mit einem PC daheim, geschweige denn eines mit Internet.


    Ich war ja auch damals ein Rebell und bin es bis heute geblieben. Als die ersten Klapphandys kamen hat es auch an der Hauptschule kaum einen gegeben der nicht nach und nach sich eines zugelegt hat, nur ich habe bis zuletzt keines gewollt. Erst sehr viel später als ich schon Volljährig war habe ich mir ein fast schon antikes Teil zugelegt, weil meine Mutter darauf bestand dass ich erreichbar sein müsse. Ein Smarthone habe ich jedoch bis heute noch nie besessen und habe auch zukünftig nicht vor damit anzufangen, außer es wird irgendwann zur totalen Pflicht. Aber damit bin ich in der heutigen Zeit mit Anfang 30 echt schon eine Rarität, ich kenne tatsächlich niemanden außer meinen Eltern der ebenfalls noch nie ein Smartphone besessen hat.

    Wenn Wissenschaftler irgendwann verzweifelt nach Teilnehmern für Studien suchen die noch nie den Einflüssen von Smartphones ausgesetzt waren, werde ich dafür etwa so eine begehrte Seltenheit sein wie heutige Ureinwohner die noch nie einem Menschen begegnet sind. :-D

    ''Everyone around me, they feel connected to something. Connected to something, I'm not.''
    Motoko Kusanagi

  • Der einzige Grund, warum ich auf Tik Tok gehen würde, wäre, um da was Neues vom Drachenlord Himself zu sehen, also falls er dort nicht auch schon komplett gebannt sein sollte...


    Ne im Ernst, ich sehe diese ganze Entwicklung als zielgerichtet, nicht mal erst bei den Teletubbies angefangen, bis heute und darüber hinaus. Irgendwann als youtube gerade im Kommen war und ich ausgezogen, also so 2008 rum, gab ich aus Neugier alles Mögliche an Suchbegriffen ein, teilweise bloß Buchstabensalat, das war noch echt bereichernd, da fand man sogar noch Homevideos, heute werden nur noch 5 Videos oder so zu einem Suchbegriff angezeigt und dann ähnliche Videos.


    Also damals oder so um den Dreh, vielleicht auch erst 2009 und inspiriert durch den Englischunterricht, fand ich ein Interview mit Neil Postman, einem Medienwissenschaftler oder so, von Anfang der 90er, wo es um Medienkompetenz allgemein und im speziellen um eine Art Vorhersehung seinerzeit für die Zukunft ging, wie die menschen in Zukunft mit Medien zugeballert werden würden und immer mehr ihren Fokus verlieren würden.


    Ich fand das bemerkenswert, weil das alles lange vor dem modern(d)en Internet und sowieso social media etc war, also das Interview und da dachte ich mir , zumal ich großer Fan von Kraftwerk war (und immer noch bin), dass die früheren Generationen, die eben auch die Grundlagen geschaffen haben für die heutigen technischen Möglichkeiten, durchaus , zumindest in Einzelfällen, völlig geistesgegenwärtig waren und 1 und 1 zusammenzählen konnten, fair und transparent. Neil Postman hat das modern(d)e Internet selbst gar nicht mehr erlebt, soweit ich mich erinnere.


    Für mich war meine Kindheit in den 90ern bis Anfang der 2000er so: Kinderserien und -Filme aller Couleur (von Sesamstraße bis zu Teletubbies war alles dabei, wobei ich, als die Kackbratzen rauskamen, schon älteres Kind war und diese stupide Kacke, die mir da von meinem Vater vorgesetzt wurde, wenn ich alle zwei Wochen am Wochenende bei ihm war, nicht mehr annehmen würde, kurze Zeit später war meine Kindheit dann ja eh auch vorbei, als mein Vater den Kontakt abbrach und ich in der Schule, 6. Klasse, wo ich durchaus mit einer der besten Schüler leistungstechnisch war bis hin zum Abitur (mich aber nie identifizieren, sprich wohl fühlen konnte mit dem Druck und den Abwertungen durch Noten und ja, ich habe auch mal eine 6 bekommen), bei einer 1 minus, also einem Fehler im Vokabeltest mich heulend auf der Toilette einschloss, weil ich nicht damit leben wollte, einen Fehler gemacht zu haben. Ich kam dann auch noch im Zeitraum der 6. Klasse in die Kinder- und Jugendpsychiatrie, weil gar nix mehr ging zu hause und ich auch, naja, nicht mehr wollte.


    Wenn ich heute Kinder-Serien-Intros aus der Zeit schaue/höre, in der ich noch Kind war (oder auch Filme, die berühmte Disney-Renaissance von Ariel bis zu Tarzan bzw Mulan und so), krache ich schnell mal ab und obwohl so viele tolle Sachen dabei waren (Winnie Puh, Chip und Chap, die Dinos, ja selbst Powerrangers, Sailormoon und, of course, Dragonball Z und Pokémon), mache ich diese ganze Kinderunterhaltungsindustrie entscheidend mit dafür verantwortlich, was aus mir geworden ist. Als Gegenpol zu meiner sozial irritierten realen Welt, in der ich kaum Freunde hatte, und wenn, waren sie entweder auch gestört, sind weggezogen oder waren eben Tiere (Budden und Tebel mal ausgenommen), also da meine Wirklichkeit war, ein Spielball zwischen ahnungslosen, verwirrten, verirrten Erwachsenen zu sein, vermittelten mir diese imposanten Geschichten von Helden, Gold-Werten wie Freundschaft und Tapferkeit, tiefer Emotion, toller Musik und übernatürlichen Aktionen und Verständnis-Ebenen zwischen Menschen, Tieren, MOnstern,was weiß ich für Materie alles, ein so entzückendes und verheißungsvolles Falschbild von der Realität, dass ich mein Leben lang gefangen geblieben bin in einer Zwischenwelt, die mir eine heile Welt vorgaukelt, die ich tatsächlich nie hatte. U.a. spiele ich bis heute Pokémon, aber nur die älteren Editionen, weil ich den Bezug dazu einfach brauche.


    Mit anderen Worten: Ich weiß nicht, was sich die Macher von "Löwenzahn", Don Bluth, Michael Ende oder die Tabaluga-Leute dabei gedacht haben, als sie ihre Art von "Kinder-Unterhaltung" gemacht haben oder was die, die nach ihnen kamen (etwa Pixar, wo ich anfangs noch mitging, das Große Krabbeln vor allem) und später diese Toggo-Schwammkopf-Leute und schließlich die Entwickler dieser seelenlosen,bisweilen widerwärtigen Grütze von heutzutage (wo auch vieles in Sachen Frühsexualisierung geht, lieblos animiert und ohne irgendeine Tiefe), aber ich weiß, dass das alles ein entscheidender Prozess in der Entwicklung unserer Gesellschaft und der Menschheit an sich ist und in so kurzer Zeit vonstatten ging bzw geht, dass es faktisch nicht viel schlimmer noch werden kann.


    Es schreit alles förmlich nach einer Rückbesinnung auf alte Werte undTugenden, web vom Materialismus, hin zum Spiritualismus abseits vorgefertigter "Werte und Normen" der alten Religionen und neuartiger Grusel-Sekten. Das wird noch ganz schön wild werden, wenn erstmal die Smartphones überwunden werden müssen, um nur die allerste Spitze des Eisberg zu nennen...

  • *gähn*, mit China und dem Datenklau mache ich ein anderes Mal weiter ...


    Das Video bietet einen groben und guten Einblick in das Problem mit China, falls wer Lust auf eine melodramatisch aufbereitete Dokumentation hat. Auch die Gründe für den Suchtfaktor der App werden hier nochmal erklärt. Inwiefern dabei wirklich jedes Detail stimmt, kann ich nicht beurteilen. Zum Beispiel habe ich keine brauchbare Quelle dazu gefunden, die sein Statement belegt, dass Sun Tzus Klassiker "Die Kunst des Krieges" jetzt eine Pflichtlektüre an chinesischen Schulen geworden sein soll ...

  • Das musst du näher erklären. Influencer werben ja nicht nur, sondern präsentieren sich einfach bei jedem Scheiß, oder ist mir etwas entgangen? Natürlich gibt es mittlerweile viele gesponserte Inhalte, aber Werbung ist meines Erachtens immer noch störend und ... übergriffig.

    Vielleicht ist das für dich übergriffig. Aber wenn man sich das mal anguckt, die ganzen Hauls und so weiter. Die grenze zwischen Inhalt und Werbung verschwimmt eben immer weiter. Diese gesponsorten Inhalte sind ja eben genau das, die Werbung wird immer weiter in den Inhalt integriert und bei Hauls eben haben sie ihn komplett ersetzt. Wenn man sich aber China anguckt dann ist das teilweise noch krasser, da gibt es einkauf streams, also twitch nur das dort nichts anderes gemacht wird als einzukaufen. In dem sinne habe ich auch den Eindruck das China uns da auch voraus ist in dem Überhandnehmen der Werbung.


    Und das schauen sich ja eben viele an. Diese Tiktok livestreams kann man ja in der tat als Kuriosität auffassen, die die Abgründe unserer Gesellschaft aufzeigt aber immerhin sind es eben noch die Abgründe. Viele finden diese bescheuerten livestreams eben noch bescheuert während die normalen Influencer komplett Mainstream sind. Und die sind been größtenteils nur Teleshopping und wofür die auch geguckt werden. Da ist kein Kern an Inhalt sonder nur eine Leere, während an der Oberfläche eigentlich nur Konsum ist und was dann alles mit ein bisschen simulierter unbeschwerter Soziale Interaktion zusammengehalten wird.

    Wald, Hochwald, Holzfällen - Thomas Bernhard

  • Diese gesponsorten Inhalte sind ja eben genau das, die Werbung wird immer weiter in den Inhalt integriert und bei Hauls eben haben sie ihn komplett ersetzt.

    Ok, Influencer wissen zumindest, wie man die Anzeigen tatsächlich ansprechend für die Masse gestaltet. Solange die gesponserten Inhalte jedoch als solche gekennzeichnet werden, kann ich damit leben. Auch wenn es vermutlich so ist, dass die Kennzeichnung schleichend verschwinden wird, wenn es das wirksamer macht ... Dummerweise ist es dadurch nicht leichter, überhaupt wahrzunehmen, wenn bezahlte Werbung dahintersteckt, solange nicht gerade offensichtlich mit Beauty-Produkten in die Kamera gewedelt wird.

    Das mit den Shopping-Streams war mir bislang unbekannt, allerdings erinnert mich das Konzept an eine modernisierte Version des Teleshoppings. Auf Twitch und nicht im TV! Voll innovativ!