So, da ich nur noch 22 Schultage vor mir habe und ich heute wahrscheinlich zum letzten Mal körperlich in einer "Schülerratssitzung" anwesend war, muss ich auch dazu noch ein paar Worte loswerden, also ganz viel Vergnügen damit:
Stufen- oder Klassensprecher zu sein ist die verlogenste und heuchlerischste Scheiße überhaupt, die jemals von der Schule erfunden wurde. Es wäre mir auch im Traum nicht eingefallen, früher mal Klassensprecher zu werden, denn das würde ja Verantwortung bedeuten, die oben drauf zu überhaupt nichts führt. In der Oberstufe gibt es nur noch Stufensprecher und -vertreter, und davon gleich mehrere. Und der Posten heißt immerhin nichts weiter, als die freiwillige Teilnahme an besagten Schülerratssitzungen zu Unterrichtszeiten mit ein paar großmäuligen Lehrern und der Schulleitung. Man sitzt rum, schwänzt Unterricht, darf mitschwatzen oder die Klappe halten. Das konnte ich mir mit Anbruch der Oberstufe natürlich nicht entgehen lassen.
Seither stelle ich mit jeder Sitzung allerdings erneut fest, dass der gewöhnliche Unterricht vielleicht weniger mentalen Schaden bei mir anrichten würde, als dieser "Bundestag auf Schulebene" (den Vergleich hat die Schulleitung heute gezogen).
Ach, ich kaue mit euch einfach mal die heutigen Programmpunkte durch, um die ganze Kacke aufzuarbeiten.
Beginnen wir mit dem wunderschönen "Sicherheitskonzept", zu dessen Erarbeitung das Land NRW alle Schulen neuerdings aufgefordert hat, wegen der zunehmenden Gewalt an den Schulen und so, von welcher hier leider noch nicht viel zu sehen ist. Es gab ein wenig ödes Betroffenheits-Blabla, woraufhin fast schon feierlich die Maßnahme verkündet wurde: Eine anonyme Umfrage an alle Schüler unserer Schule! ... die ... mit etwas Glück ... irgendwann im Juni fertig werden könnte, um sie dann durchzuführen.
Ja, nur zu, das wird uns beim nächsten Mal ganz sicher davor bewahren, dass ein frustrierter Schüler mit bleistiftverfasster Amokdrohnung aufm Klo die ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzen kann - glaubt ihr nicht??
Nächster Punkt: Das neue, geniale "Fahrtenkonzept". Der ÖPNV ist teuer geworden, sie hielt einen mehrminütigen Vortrag über die Inflation, weil das an der Schule auch mal endlich anzukommen scheint, nach den unzähligen Beschwerden seitens der Schüler und Eltern über die Preise der Schulwegtickets - was tun also? Genau: einfach eine weitere Klassenfahrt streichen und diese Idee den Schülern als Genialität auf den Tisch servieren!
Diese Fahrten sind aber auch arschteuer geworden. Für die Abschlussfahrt nach Dresden mussten wir so viel bezahlen wie die anderen Leistungskurse für Kopenhagen und Bristol. Es war teurer als die Klassenfahrt nach London damals in der neunten Klasse gewesen wäre (und von den schäbigen Verhältnissen auf dieser Schiffsherberge fange ich besser gar nicht erst an), die coronabedingt zusammen mit dem geplanten Israel-Austausch über Bord gegangen war. *schnief*
Da fällt mir noch ein, dass die das damals durch eine kleine Wanderung an der frischen Luft zum nächstgelegenen See ersetzen wollten, aber das hat die Stadt nicht genehmigt, weil wir 30+ Schüler im engen Klassenraum natürlich besser vor dem gefährlichen Virus aufgehoben waren.
Dann waren ein paar bemitleidende Floskeln an die Oberstufe gerichtet, weil sie es im neuen Oberstufengebäude, ehemals Hauptschule, nicht geschafft haben, eine Cafeteria organisiert zu kriegen, die das mit dem Verkauf länger als genau eine Woche durchgehalten hat. Aber jetzt wurden ja überteuerte Snackautomaten aufgestellt! ... die die meiste Zeit außer Betrieb sind.
Weiter ging's mit dem "Sponsorenlauf". Dass die Schule arm ist und sich ständig unkreative Wege sucht, den Eltern und deren Familien das Geld aus der Tasche zu ziehen, ist keine Neuigkeit. Dieser Lauf funktioniert so, dass man seine Familienmitglieder und Nachbarn erst mal damit belästigt, daran teilzunehmen, also sich als Spender zu beteiligen. Sie dürfen für die Zukunft einen bestimmten Betrag pro gelaufene Runde "setzen", aber wissen auch nicht, wie viele Runden am Ende gelaufen werden. Dann wird das Kind so lange auf dem zubetonierten Schulhof im Kreis herumgescheucht, bis die Zeit abläuft. Die Anzahl der gelaufenen Runden zahlen dann die, die sich vorher freiwillig eintragen ließen.
Abgesehen davon, dass dieses gesamte Konzept völlig bescheuert ist und all die Jahr bislang nur freiwillig war (außer in der Grundschule), so scheint es ab dem nächsten Mal verpflichtend für alle zu werden, weil sich die Schule eine neue Cafeteria-Terrasse nicht leisten kann. Die Schulleiterin gab sich echt große Mühe, das auf eine konkrete Rückfrage hin schwammig durchschimmern zu lassen. Am Ende wurde aber deutlich, dass sie die Frage nach der Verpflichtung für alle bejahte. Gott sei Dank bin ich bald fort von diesem Knast.
Diese ... inspirierenden Formulierungen der verantwortlichen Webseite sind doch völlig fürn Arsch!
Zitat von https://www.das-macht-schule.net/sponsorenlauf/
So ein Sponsorenlauf ist ein einzigartiges emotionales Erlebnis für die gesamte Schulgemeinschaft und schafft eine echte Erfahrung von Zugehörigkeit und Wir-Gefühl.
Jeder kann seinen Beitrag zum Gelingen des großen Ganzen leisten. Das stärkt Selbstbewusstsein und Identifikation. Es entsteht ein festes Fundament für eine Schulentwicklung, an der alle beteiligt sind.
Der Erlös schafft finanzielle Spielräume für Wünsche, die sonst nicht verwirklicht werden könnten. Die Beziehungen zu den Eltern und zu Unternehmen im Umfeld der Schule werden gestärkt. Und oft gibt es schöne Presse-Berichte.
Nicht einmal ICH habe so eine fragile Persönlichkeit, dass ich mich mit einer Spendenlaufveranstaltung oder ... ihgitt ... mit dem Gemeinschaftsgefühl für meine Schule identifizieren muss! (Und das sind nicht einmal schlechte Ausreden dafür, dass ich Lauch einfach überhaupt keine Ausdauer habe.)
Letzter wesentlicher Punkt, zu dem ich ausführlicher werden möchte, weil der mich am meisten angekotzt hat: Vandalismus auf den Toiletten. Es geht mir nicht um dieses an Schulen so unfassbar unerwartetes Phänomen an sich, sondern vielmehr über Diskussionen, die die Maßnahmen betreffen. Am Hauptstandort der Schule, für die Mittelstufe, sah und sieht es eben immer aus wie sau. Zu "meiner Zeit" in der fünften Klasse waren die schon so bekloppt, dass es eine Schlüsselregel gab. Wenn man während des Unterrichts auf Toilette wollte, musste man sich im Sekretariat den Toilettenschlüssel ausleihen und seinen Schülerausweis als Pfand dalassen. Die Lehrer, die Pausenaufsicht hatten, mussten die Toiletten in den Pausen aufschließen, was zu ellenlangen Warteschlangen vor dem Gebäude führte. Zuverlässig war das auch nicht, manche Lehrer hatten das nämlich einfach vergessen oder tauchten gar nicht auf, sodass die Schüler den Schlüssel wieder selbst holen mussten. Irgendwann wurde das glücklicherweise wieder aufgehoben, aber nun denken sie über die Wiedereinführung nach und überlegen, welche weiteren Möglichkeiten es noch gibt. Eigentlich darf mir das ruhig am Arsch vorbeigehen, weil ich mich zum einen nicht mehr oft in diesem Gebäude aufhalte und zum anderen bald für immer fertig damit bin.
Ich fand ja nicht nur die Überlegungen der Schulleitung total absurd, sondern vor allem die Vorschläge, die seitens der Schüler aller Altersgruppen kamen, und wie das kurz darauf darin endete, Aktionen der eigenen Mitleidenden zu verpfeifen. Von jung bis alt kamen Ideen wie Protokolle mit Namen und Uhrzeiten zu führen, einen Aufsichtsdienst zu schaffen, Kameras im Waschbeckenbereich zu installieren und schließlich wurden Sachen erzählt, wie, dass sich Schüler alleine die ganze Pause lang auf der Toilette einschließen und damit die Kabine besetzen - teilweise geschieht das in Gruppen, die sich in eine Kabine einschließen und dort am Handy sind und laut TikToks gucken. Dann stiegen die vernünftigen Oberstüfler ein und exposten sich selbst, indem sie anfingen, von den Rauchern und Vapern erzählen und das Problem auch auf das Oberstufengebäude "auszuweiten", weil Schüler sich gezielt regelmäßig übers Handy während des Unterrichts verabreden, um aufm Klo ein paar Züge zu ziehen. Als ob zehn Toiletten je Geschlecht für zwei Jahrgänge nicht genug wären, meine Güte. Und auch dagegen muss man ja so dringend vorgehen.
Zum einen ist das alles reine Symptombekämpfung und zum anderen wird man moralisch ja nur dazu ermutigt, den Satz "leben und leben lassen" aktiv NICHT auszuleben. Ist schließlich auch gar nicht im deutschen Sinne. Natürlich sehe ich mich gewissermaßen auch persönlich angegriffen, weil ich die achte, neunte Klasse niemals ohne meine ruhige Toilettenkabine überlebt hätte, in der ich dann immer Bücher auf meinem Handy gelesen habe ( Dian Heroic Bloodshed war mitunter auch dabei, das war ja das erste, was ich von dir gelesen habe Hach. Das werde ich für immer mit diesem hochromantischen Schultoilettenflair verbinden).
Ich habe den Wahnsinn bald hinter mir. Mir tun die Schüler von morgen leid.