Meinungsfreiheit im Internet (Twitter und Elon Musk, etc.)

  • Ich halte Elon Musk ja für einen arroganten Arsch mit leichter Tendenz zum Größenwahn...

    Aber dass er jetzt versucht, für etwas mehr Meinungsfreiheit bei Twitter zu sorgen und diesen ganzen Political Correctness-Mainstream-Idioten mal den Stinkefinger entgegenstreckt, finde ich schon ganz sympathisch.

    Allein schon, wenn man sieht, wie kritisch das fast überall von den Mainstream-Medien gesehen wird, und wie es viele Journalisten als total schlimm anprangern, wenn man versucht, im Internet wieder eine etwas lockere Haltung zu diesen Dingen durchzusetzen (wie sie noch vor 10 oder 15 Jahren völlig selbstverständlich war)... dann muss einem doch auffallen, wie sich die öffentliche Meinung und das Internet in den letzten Jahren verändert haben. Und wie sich dabei eben vor allem die Hardliner mit ihren Ansichten durchgesetzt haben, die schon vor zwanzig Jahren das Internet nicht als "rechtsfreien Raum" sehen wollten, sondern es genauso kontrollieren und überwachen wollten wie den ganzen Rest unserer Gesellschaft.

    Und das waren damals übrigens noch hauptsächlich Leute von der CDU und CSU. Die Konservativen.

    Mittlerweile wird die Meinungsfreiheit im Netz aber auch zunehmend von links bedroht, und von allen möglichen "Aktivisten", die ihre politische Agenda aus der realen Welt auch unbedingt im virtuellen Raum durchsetzen wollen und kein Problem mit Zensur haben, so lange die Zensur nur die Meinung des jeweiligen politischen Gegners betrifft. Bösartige Kommentare, die nunmal zum Internet dazugehören, werden von Menschen, die das Internet nie verstanden haben, als "Hassbotschaften" bezeichnet... mittlerweile nennen sie es selbst "Hassposting", wenn jemand sich über einen dicken Politiker lustig macht oder einen frauenfeindlichen Spruch raushaut. Und in diesem Zuge ist es eben auch bei den Mainstream-Medien und den (hauptsächlich mitte-links-orientierten) Journalisten dazu gekommen, dass man eine restriktivere Kontrolle und strafrechtliche Verfolgung von Meinungsäußerungen im Internet regelrecht bejubelt. Weil man sich eben auch immer moralisch schön auf der richtigen Seite wähnt.


    Das ist der Status Quo, den wir heute haben. Dass eigentlich aufgeklärte, humanistisch denkende Menschen die Argumente von konservativen, menschenfeindlichen Hardlinern übernommen haben, und teilweise auch schon deren Weltbild ("Wir brauchen einen starken Staat, eine strenge Justiz, etc. Die Menschen müssen vor sich selbst geschützt werden, weil sonst Chaos und Anarchie herrschen würde, bla bla")

    Viele von denen merken vielleicht nicht einmal, wie sie sich gedreht haben im Lauf ihres Erwachsenwerdens, und wie sie nun selber ein Weltbild vertreten, für das sie irgendwelche CSU-Innenminister in ihrer rebellischen Jugendphase vielleicht noch verachtet haben.

    Natürlich muss man andererseits auch sagen, dass das Netz von heute einen anderen Stellenwert hat als vor 20 Jahren. Dass heute damit Wahlen entschieden werden, und dass leider Gottes auch so dermaßen viele Vollidioten im Internet unterwegs sind, die jeden noch so grottenschlecht gelogenen Lügenmist glauben, dass man sich schon manchmal fragt: Müssen die Menschen vielleicht doch wie kleine Kinder vor Lügen und Fake-News geschützt werden, weil sie schlicht zu dumm dafür sind, um sowas selber erkennen zu können?

    Aber mit derselben Argumentation können wir dann auch gleich Bücher verbrennen, die unwahre Behauptungen enthalten, und am besten auch noch den Kopp-Verlag verbieten und alle sonstigen Medien, in denen politisch unerwünschte Dinge geäußert werden. Nicht wenigen würde diese Vorstellung vermutlich sogar gefallen... und genau da sehe ich eben auch das Problem. (welches viele leider nicht zu sehen scheinen)

    Es gibt keine "gute" Zensur. Viele Jahrhunderte lang wird schon zensiert, und eigentlich immer im Namen von Moral und Sitte. Und immer mit den gleichen Argumenten, wie auch heute noch: "Wir müssen die dummen Menschen vor unmoralischen Dingen schützen, sonst ist der gesellschaftliche Frieden bedroht." Nur was Moral ist, und was die richtigen Sitten sind, das verändert sich nunmal mit dem Zeitgeist. Und zu jeder Zeit waren die Menschen felsenfest davon überzeugt, dass ihre Moralvorstellungen die einzig wahren sind, für die es sich zu zensieren und zu unterdrücken lohnt. Mindestens genauso, wie heute eben der Mainstream wieder felsenfest davon überzeugt ist, dass die heutige Moral so perfekt ausgereift und fehlerfrei ist, dass man in ihrem Namen gern alle Andersdenkenden mundtot machen darf.


    Und nur um das klarzustellen: Es geht mir nicht darum, dass jeder Idiot überall nach Lust und Laune andere User belästigen darf. Ich bin durchaus ein Freund davon, dass es eine gewisse Netiquette gibt, und dass User, die sich zu sehr daneben benehmen, auch mal vor die Türe gesetzt werden, etwa in Diskussionsforen wie unserem hier. Das ist ganz selbstverständlich, auch in der realen Welt. Wer sich unbeliebt macht und anderen Menschen ständig auf den Sack geht, der kriegt irgendwann einen Arschtritt verpasst.

    Es geht mir um Seiten wie Youtube, Facebook, Twitter und Co. Es ist krass, was mittlerweile auf Youtube alles gelöscht wird. Von Facebook und Twitter hab ich keine Ahnung, interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht. Aber ich bin einfach dafür, dass das Internet ein Ort bleibt, an dem man nicht zweimal nachdenken muss, was man sagen darf, sondern wo es etwas direkter und ehrlicher zugeht. ("ehrlicher" in dem Sinn, dass man sich so geben kann wie man ist. Und wenn man ein verlogenes Stück Scheiße ist... tja, meinetwegen, dann soll man so sein dürfen im Internet. Zumindest auf seinem eigenen Twitter-Profil. Selbst wenn man Donald Trump heißt.)


    Was denkt ihr? Brauchen wir Regeln im Internet? Wie viele Regeln brauchen wir? Wer soll das festlegen?

    Und würde wirklich die Welt untergehen, wenn das Netz heute wieder so unreguliert wäre wie zu seiner Anfangszeit?

  • Eine schwierige Frage bzw. Problematik, die nicht so einfach und allgemein zu beantworten ist. Das Problem besteht ja darin, dass es einen Haufen an Personen und Gruppen gibt, die unter dem Deckmantel der 'Meinungsfreiheit' gezielt auf eine Gesellschaft hinarbeiten, die tatsächlich für viele Menschen, nicht 'nur' Minderheiten, wesentlich unfreier sein wird. Und die sozialen Medien spielen hier eine wesentliche Rolle. Andererseits stellt sich die Frage, inwieweit Reglementierungen überhaupt zielführend sind bzw. inwiefern unliebsame Meinungen überhaupt 'unsichtbar' gemacht werden können. Steisand-Effekt: Das Verbot verstärkt erst das Interesse. Vor allem im digitalen Zeitalter lässt sich Zensur noch schwerer realisieren, weil die Zensierten auf andere Kanäle ausweichen.

    Ich würde mir wünschen, dass wir tiefgreifender über Begriffe wie 'Freiheit' diskutieren. In Corona-Zeiten haben es sich viele, gerade unter den sogenannten Progressiven, relativ leicht gemacht und häufig Rufe nach Freiheit als Egoismus denunziert. Ich denke, die Tragweite des Anspruchs, dass das Individuelle hinterm dem Kollektivwohl zurückzutreten hat, wurde von vielen nicht erkannt. Dabei wird gerade diese Frage immer essenzieller werden, auch in Zeiten des Krieges.

    Auf der anderen Seite wird, wie oben erwähnt, der Begriff der '(Meinungs-)Freiheit heute stark von denen okkupiert, die ihrerseits anderen die Freiheit nehmen wollen. Die Konservativen und ihre Wählerschaft in den USA, die sich als Freiheitskämpfer sehen, aber z. B. Frauen das Recht auf Abtreibung nehmen wollen, sind das beste Beispiel hierfür.

    Die Linke wiederum schafft es meist nicht, die individuelle Freiheit abseits von der Auslebung wirtschaftlicher Privilegien zu denken. 'Freiheit' wird hier als Instrument bzw Privileg von wenigen gedacht, der Begriff mieft nach 'Bürgertum'. Und die ganzen identitätspolitischen Debatten, in denen sich Menschen für ihre Gruppenzugehörigkeit rechtfertigen sollen und nicht mehr als Individuen wahrgenommen werden, tragen zu dieser Erosion der 'individuellen Souveränität' bei.

    Lange Rede kurzer Sinn: Wer Meinungsfreiheit fordert, soll sich der Problematik in ihrer Gänze stellen. Es wird entscheidend sein, was am Ende rauskommt: eine freiere oder eine unfreiere Gesellschaft, und diese bemisst sich nicht nur daran, wer was auf Twitter oder Youtube posten darf.

  • Ich denke damit Meinungsfreiheit funktionieren kann müssten die Menschen sich zunächst davon frei machen ihre eigenen Meinungen und die der Anderen zu ernst zu nehmen. Eine größere Distanz zu Meinungen und der Wichtignahme mit der ihnen üblicherweise begegnet wird wäre sicher nicht verkehrt und würde einen lockereren Umgang damit ermöglichen.


    Was heute gemeinhin als Meinungsfreiheit bezeichnet wird ist in gewisser Weise doch das genaue Gegenteil davon, gemeint ist nicht die Freiheit von Meinungen, sondern lediglich die freiheit der Wahl an welche Meinung man sich binden und wie ein Sklave in Ketten legen lassen möchte. Es ist der Irrglaube anzunehmen es bestünde irgendeine großartige Freiheit darin sich an jegliche Meinung binden und diese ungehindert ausdrücken und gegen alle andere verteidigen zu dürfen/müssen. Somit wird die Meinung anderer nur dahingehend tolleriert oder geduldet, da schließlich eine gewisse Übereinkunft darin besteht, dass man nur dann Raum für das Zurschaustellen der eigenen Meinung erhällt, wenn man im gleichen Umfang auch anderen diesen Freiraum gewährt, aber dabei enden die Gemeinsamkeiten dann auch. Man gibt sich also nach außen hin offen für freie Meinungsäußerung, was aber nicht bedeutet die Meinungen der anderen auch wirklich zulassen zu können und zu akzeptieren und diese als der eigenen gleichwertig anzusehen.


    Denn wer noch an eigenen Meinungen, Wertvorstellungen und Urteilen anhaftet gerät dadurch automatisch immer auch in Konflikt mit den Meinungen anderer, die der eigenen wiedersprechen. Diesen Wiederspruch zu akzeptieren würde gleichsam jedoch auch bedeuten die eigene Fehlbarkeit akzeptieren zu müssen und diese als Tatsache zu begreifen und somit würde sich automatisch auch der Griff lockern den die eigenen Meinungen über einen ausüben. Stattdessen ist der Mensch der mit Meinungen und Vorstellungen beladen ist nicht in der Lage die Meinungen anderer auch wirklich so wie sie sind stehen zu lassen. Denn die allgemeine Vorstellung von Meinungsfreiheit behinhaltet nicht, die Meinungen die der eigenen Wiedersprechen so wie sie sind dastehen zu lassen. Es meint lediglich dem Anderen zu gestatten diese zu äußern, dabei möchte man es aber nicht belassen. Den Anderen frei seine Meinung äußern zu lassen gibt einem lediglich die erhoffte Möglichkeit ihn dafür anschließend kritisieren und zurechtweisen zu können, was nämlich allzu häufig das ist worum es in Wirklichkeit geht. Statt einem freien und ergebnisoffenen Austausch von Meinungen, mit dem Ziel vom Anderen wenn möglich auch etwas annehmen und lernen zu können, um somit der Warhheit etwas näher zu kommen und persöhnlich zu wachsen, geht es doch den Meisten nur darum Recht zu behalten und am eigenen Standpunkt festzuhalten den man ohnehin schon hat.

    innerlich stößt einen solchen Menschen jede Meinung ab die den eigenen Ansichten zuwiderläuft. Man wird wütend und verachtet und verurteilt die Meinung des Anderen und das will man diese Person mit der konträren Meinung auch wissen lassen. In aller Regel beschränkt sich diese Verachtung ab einem gewissen Punkt auch nicht mehr bloß auf die Meinung des anderen sondern springt darüber hinaus auch auf die Person selbst über, die mit der Meinung gleichgesetzt wird. Man möchte diese innere Abscheu nun auch äußerlich zum Ausdruck bringen und den anderen spüren lassen was man von ihm und seiner Meinung hält.


    Dies geschieht mitunter gar nicht böswillig, sondern mit lauter guten Absichten den anderen zu bekehren. Nur steckt in diesem Missionierungseifer immer auch etwas feindseeliges und gewalttätiges. Man möchte die Meinung des anderen unterdrücken und ihre existenz im Keim ersticken, indem man seine Kontrahenten davon zu überzeugen sucht den glauben an die eigene Überzeugung anzunehmen. Meistens stößt der Wunsch sein Gegeüber von der ''frohen Botschaft'' zu überzeugen allerdings auf eine ablehnende Haltung.

    Am Ende gehen in aller Regel alle beteiligten völlig unversöhnlich auseinander, ohne auch nur die geringste Verständigung und somit auch ohne ein Verständnis für die Positionen des jeweils anderen entwickelt zu haben. Denn dazu müsste man sich zunächst, ohne die eigenen Ansichten und Meinungen wie einen schützenden Schild vor sich her zu tragen, völlig ergebnisoffen und frei auf den anderen zubewegen können. Man muss zudem bereit sein echte Zugeständnisse zu machen und sich wirklich um Verständnis für die Sichtweisen des Gesprächspartners bemühen und ihm somit zu ermöglichen seine schützende Rüstung der Meinungen ebenfalls abzulegen und sein Arsenal an reaktiven Verteidigungsmustern zu entschärfen. Erst wenn es zu völliger offenheit auf beiden Seiten gekommen ist, kann es eine echte Verständigung und ein wirklichkes Verständnis in der Beziehung zu sich selbst und zu anderen Menschen geben.


    Die derzeitige Krönung dieses Irrsinns ist sogar noch absurder als die Absurdität der falsch verstandenen Meinungsfreiheit. Es ist die völlige Negierung von anderen Meinungen, indem nicht mal mehr ihre bloße Äußerung mehr zugelassen wird. Dies äußert sich in Form der rigorosen Cancel Culture, welche alle von den eigenen Meinungen abweichenden Vorstellungen von vornherein als so schädlich für den Fortbestand des eigenen Weltbildes und für das Aufrechterhalten der inneren gedanklichen Konstruktion des illusorischen Egos betrachtet mit welchem man sich identifiziert.

    Alle Ansichten welche dieses Selbstbild in irgendeiner Form gefährden oder dessen verbleib als vermeitlicher Garant für Sicherheit in unserer durch und durch unbeständigen und ungewissen Welt zu bedrohen scheint, muss für den sich in ängstlicher Panik vor einem solchen Szenario befindlichen Menschen um jeden Preis verhindert und zur Not sogar mit allen zur verfügung stehenden Mitteln gestoppt werden! Es ist eine extrem gefährliche Ausprägung innerer Wahnhaftigkeit, welche durch und durch neurotisch ist und in ihrer Wirkweise absolut verheerende und zerstörerische auswirkungen hervorbringen kann.


    Diese Wahnhaftigkeit scheint zudem zunhemend kein bloßes Randphäanomen der äußersten Extreme mehr zu sein, sondern nimmt ein kollektives und gesellschaftsübergreifendes Außmaß an, welche alle sozialen Schichten und politischen Lager zu erfassen scheint. Eine solche kollektive Wahnvorstellung wird sich sofern sie sich nicht noch irgendwie aufhalten oder umkehren lässt zu katastrophalen Folgen führen, welche die Schrecken der beiden Weltkriege noch übertreffen könnte...


    Wie soll auch noch ein echter offener Austausch und wirkliche Verständigung zwischen Menschen stattfinden können. Wenn niemand mehr in der Lage ist sich von den Zwängen der eigenen beschränkten Ansichten zu lösen. Insbesondere wenn darüber hinaus sogar bereits das bloße Vorhandensein von Vorstellungen als absolut unerträglich betrachtet wird und sie daher mit allen zur verfügung stehenden Mitteln bekämpft und vernichtet werden, weil man fürchtet das andernfalls bedrohliche Risse in der Fassade sichtbar werden könnten hinter welcher sich das Ego versteckt hält und um zu verhindern dass die gesamte Illusion wie ein Kartenhaus in sich zusammen fällt? Frieden könnte es nach dieser Logik erst dann geben wenn alle der gleichen Überzeugung wären und niemandes Vorstellung mehr von denen der anderen Abweicht. So etwas ist aber völlig absurd und unmöglich zu verwirklichen. Und selbst wenn es möglich werden würde und es der Wissenschaft gelänge die Gedanken der Menschen dahingehend zu steuern oder zu manipulieren, dass alle im Gleischschritt denken und fühlen und niemand mehr aus der Reihe tanzt, dann wäre das was dabei entstehen würde nur noch eine Scheinsimulation echten Lebens und nicht im geringsten lebenswert.


    Es wäre nur der irrsinnige Versuch den durch sein zutiefst neurotisches und kontrollsüchtiges Verlangen nach immer neuer Sicherheit und Beständigkeit außer Kontrolle geratenen Menschen, der in einer Welt die ihrem ureigensten Wesen nach niemals gewiss und beständig sein kann und daher auch niemals der Kontrolle des Menschen unterworfen sein kann, nun durch noch mehr Kontrolle und das ausschalten jeglicher Freiheit endgültig in den Griff zu bekommen.

    Zum einen glaube ich nicht das dies jemals gelingen wird. Zum anderen wird man den zerstörerischen Auswrikungen von zwanghafter Kontrolle und anderen ursächlichen Begebenheiten niemals dadurch habhaft werden können, indem man sich der gleichen Methoden bedient, welche die Probleme die man zu beheben versucht überhaupt erst hervorgebracht haben. Es gibt nur einen Ausweg aus dieser Misere, nämlich das völlige Loslassen von allen festgefahrenen Dogmen und Überzeugungen des Verstandes und der Identifikation damit. Erst durch die Freiheit von gewohnten Vorstellungen und allen zwanghaften und neurotischen Verhaltensmustern die einem doch bloß ein trügerisches Gefühl von Sicherheit vorgaukeln können, kann das leben wieder freudsam, unbeschwert und frei von inneren und äußeren Konflikten sein.

    ''Everyone around me, they feel connected to something. Connected to something, I'm not.''
    Motoko Kusanagi

    Einmal editiert, zuletzt von Shinobi ()

  • Denn die allgemeine Vorstellung von Meinungsfreiheit behinhaltet nicht, die Meinungen die der eigenen Wiedersprechen so wie sie sind dastehen zu lassen. Es meint lediglich dem Anderen zu gestatten diese zu äußern, dabei möchte man es aber nicht belassen.

    Hat man ja auch vor ein paar Monaten prima hier im Forum gesehen (falls du das mitbekommen hast mit Unmensch und SeeBee und Co... )
    Es ist vielen Menschen einfach nicht möglich, die Meinung des anderen einfach mal stehen zu lassen, auch wenn sie der eigenen widerspricht. Jede Meinungsäußerung des Gegenübers wird gleich als feindselige Provokation, als Angriff auf das eigene Wertesystem, empfunden, auf den man sofort und geradezu zwanghaft reagieren muss, weil man sonst das Gefühl hat, seine heiligen Werte zu verraten.
    Das sehen wir im Internet, genau wie in der Politik. Die von Merkel geprägte "Alternativlosigkeit" beinhaltet genau das...

    Merkel hat gesagt, dass es alternativlos ist, auf die Flüchtlingskrise so zu reagieren, wie sie es tat. Dabei war es ja objektiv betrachtet nie alternativlos... man hätte definitiv auch anders reagieren können. Nur für sie, die in ihrem Wertesystem gefangen war, erschien es vielleicht wirklich so, dass sie nicht anders handeln konnte. Aber andere Menschen mit anderen Wertmaßstäben hätten vielleicht anders gehandelt.

    In der Corona-Politik dann später genau das gleiche. Wieder hieß es "Wir müssen das so machen, es gibt keine Alternative". Natürlich hätte es Alternativen gegeben. Man wollte sie aber gar nicht hören. Jetzt im Nachhinein rudern manche zurück und sagen: "Ach ja, man hätte dieses und jenes sicher auch anders lösen können."

    Doch in dem Moment: Alternativlos. Wer es auch nur gewagt hat, dagegen zu argumentieren, war schnell der "herzlose Menschenfeind", der nur an seine individuelle Freiheit denkt und den es nicht kümmert, wenn die Alten und Schwachen alle sterben werden.

    Es gibt nur noch "Entweder du bist mit uns, oder du bist gegen uns... und wenn du gegen uns bist, dann bist du auf der Seite der Unmenschlichkeit/der Nazis/der Lügenpresse oder was auch immer, und wir müssen dich bekämpfen, weil deine Meinung sowas von falsch ist!"

    Da sehe ich gerade dann auch das wahre Problem für die Gesellschaft in den nächsten Jahren...

    Die zunehmende Zementierung von Weltbildern. Jede Gruppe versucht nur noch, ihre Weltanschauung durchzusetzen, andere niederzubrüllen, andere auszuschließen.

    Aber weil es so viele gegensätzliche Ansichten gibt, wird nie eine Gruppe den endgültigen Sieg davontragen (auch wenn es alle noch so erbittert versuchen).

    Es muss einen anderen Weg geben. Ich bin mir oft auch nicht mehr sicher, teile ich nun die Argumente der einen Seite... vielleicht die der radikalen Umweltschützer... oder doch die der anderen, die das System an sich kritisieren und sich nicht bevormunden lassen wollen von einer Regierung?

    Was ist schon Wahrheit? In jeder Ansicht steckt irgendwo eine subjektive Wahrheit, und jede Seite hat ein paar gute Argumente. Ich weiß nur eins: Wenn in den Lösungen, die uns die verschiedenen Interessens-Gruppen anbieten, nicht der Gedanke von "Leben und leben lassen" vorkommt, dann ist es nicht meine Lösung, und nicht meine Wahrheit.

    Denn ohne eine gute Portion "Leben und leben lassen" wird es nicht funktionieren.

    Dies geschieht mitunter gar nicht böswillig, sondern mit lauter guten Absichten den anderen zu bekehren.

    Sehe ich auch so. Ich will auch den ganzen Woke-Aktivisten nicht ihren guten Willen absprechen.

    Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung sind ja auch wirklich Probleme, die man nicht unter den Teppich kehren sollte.

    Nur die Mittel, wie sie es teilweise durchsetzen wollen (Cancel-Culture, Kampf gegen "Kulturelle Aneignung", als ob es keine wichtigeren Probleme auf der Welt gäbe, etc.) sind einfach nicht die richtigen.

    Das ganze Konzept, die Menschheit "erziehen" zu wollen mithilfe der Medien oder des Staates und seiner Gesetze, ist einfach zum Scheitern verurteilt. Wir sollten froh sein, wenn der Staat keine Kontrolle mehr über die Gehirne der Menschen ausübt. Wir sollten froh sein, dass wir davon ein Stück weggekommen sind im Lauf der letzten 70 Jahre, dass der Staat oder irgendwelche Politiker den Menschen erklären, wie sie zu leben, zu denken und zu fühlen haben...

    Und die neutrale Berichterstattung in den Medien, wie wir sie früher hatten (in den 80ern in der Tagesschau und so, wo ganz emotionslos über die Krisen auf der Welt gesprochen wurde) war eigentlich eine gute, positive Errungenschaft, verglichen mit der Hetze früherer Jahre. Wäre besser gewesen, die Medien wären dabei geblieben, anstatt alles zu emotionalisieren und zu dramatisieren. Denn heute ernten wir die "Früchte" dieser Emotionalisierung: Aufgepeitschte, aufgehetzte und rastlose Menschen, die für ihre Ansichten bereit sind, über Leichen zu gehen, weil sie von der unfehlbaren Richtigkeit ihrer Emotionen und ihrer Werte überzeugt sind. Und dabei sehen sie gar nicht, wie sie andere Menschen, die sich von ihnen bedroht fühlen, ebenfalls fanatisieren. Und am Ende kloppen alle aufeinander ein und vergeuden ihre Kraft dafür, den jeweiligen politischen Gegner in die Pfanne zu hauen. Was auf der Strecke bleibt, ist die eigentliche gute Absicht, und zu großen Teilen auch die Menschlichkeit, selbst von denjenigen, die im Namen der Menschlichkeit zu kämpfen glauben.

  • Sehe ich auch so. Ich will auch den ganzen Woke-Aktivisten nicht ihren guten Willen absprechen.

    Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung sind ja auch wirklich Probleme, die man nicht unter den Teppich kehren sollte.

    Nur die Mittel, wie sie es teilweise durchsetzen wollen (Cancel-Culture, Kampf gegen "Kulturelle Aneignung", als ob es keine wichtigeren Probleme auf der Welt gäbe, etc.) sind einfach nicht die richtigen.


    Es ist die (verfehlte) Hoffnung, dass die Diskriminierung und die Gewalt endlich aufhören, wenn endlich alle Grenzen verschwimmen und alle so ticken wie man selbst, was z. B. radikalere Queer-Aktivisten dazu bringt, die Geschlechter als solche abschaffen zu wollen, damit niemand mehr wegen seiner Geschlechtsidentität benachteiligt wird. Natürlich hat diese Form des 'Educatens' bzw. der Umerziehung selbst etwas Totalitäres an sich. Aber dennoch stört es mich, dass wir bzw. du hier größtenteils über die böse Cancel-Culture der 'Generation Woke' herziehen. Mich erinnert das schon ein Stückweit an die US-amerikanische Debatte bzw. die ganzen Jordan-Peterson-Fans. Oder, um in Deutschland zu bleiben, an diejenigen, die sich jetzt über klebende Klimaaktivisten aufregen und die Gelegenheit bewusst oder unbewusst nutzen, um vom eigentlichen Problem abzulenken. Nur weil viele kontraproduktiv gegen Missstände vorgehen, sollten wir nicht so tun, als wären diese Missstände nicht vorhanden oder 'nicht so schlimm'. Wie in meinem ersten Post schon erwähnt, gibt es eben eine fanatisierte und extrem gewaltbereite reaktionäre Gegenbewegung, die gegen jeden kleinsten Fortschritt zu Felde zieht, seien es Frauen- oder LGBTQ-Rechte, Verbesserung der Situation von Arbeitslosen oder Umweltschutz. Nur weil uns 'Wokies' auf den Sack gehen, sollten wir nicht vergessen, wo die wahren Feinde sitzen. Die USA könnten sich durchaus in den nächsten Jahren zum rechtsreaktionären Regime entwickeln, mit dramatischen Folgen für uns alle in Europa. Und auch wenn es in Deutschland momentan etwas 'ruhiger' wirkt als von manchen befürchtet, stehen auch hier die Faschisten schon längst in den Startlöchern, um die Uhr zurückzudrehen und die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umzuformen. Wir leben in Zeiten, in denen die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Ich verstehe deinen Wunsch nach Kompromissen und Harmonie, aber ich bin mir nicht sicher, ob und wie das mit dem genannten Klientel möglich sein wird. Wer allen Ernstes fordert, dass vergewaltigte Jugendliche ihr Kind austragen müssen, wer Arbeitslose zur Zwangsarbeit abkommandieren will, wer an die europäischen Außengrenzen reist, um dort mit rechten Milizen Jagd auf Flüchtlinge zu machen, mit dem können wir keinen Kompromiss finden. Und das sind eben nicht nur verstrahlte 'Ränder', sondern Personen, die in Parlamenten sitzen und dort Politik mitgestalten. Insofern würde ich den Wunsch nach 'gegenseitigem Zuhören' und 'Meinungen aushalten' doch stark relativieren.

  • Oder, um in Deutschland zu bleiben, an diejenigen, die sich jetzt über klebende Klimaaktivisten aufregen und die Gelegenheit bewusst oder unbewusst nutzen, um vom eigentlichen Problem abzulenken.

    Naja, das sind eben diese Schein-Debatten, die niemanden weiterbringen... hauptsache man hat was, worüber man schimpfen kann. Egal, ob man sich nun über demonstrierende Klimaaktivisten aufregt, oder über Gaffer die einen Unfall beobachten, oder über Weiße, die sich als Schwarze verkleiden... Das sind alles Dingen, an denen die Welt ganz sicher nicht zu Grunde gehen wird. Und dieses Phänomen gibt es eben in allen Schichten der Gesellschaft, nicht nur am linken oder rechten Rand.

    Eine gewisse Lockerheit im Umgang mit Dingen, die vielleicht moralisch nicht ganz ok sind, aber an denen die Welt ganz sicher nicht zu Grunde gehen wird, wäre mal der erste Schritt, um überhaupt zu einer allgemeinen Entspanntheit und besseren Dialog-Grundlage zu finden. Aber manchmal glaube ich, das den Leuten zu vermitteln ist ein Ding der Unmöglichkeit.... da müsste man eigentlich schon in der Schule ansetzen. Gechilltheit und eine gewisse Resistenz dagegen, auf jeden Reiz sofort anzuspringen wie ein sabbernder Kampfhund, ist meines Erachtens eine esenzielle zivilisatorische Fähigkeit. Die natürlich auch nicht dazu führen sollte, dass man sich alles gefallen läst, klar. Es ist ein Balance-Akt. Aber niemand bringt den Menschen das Balancieren bei.

    Wer allen Ernstes fordert, dass vergewaltigte Jugendliche ihr Kind austragen müssen, wer Arbeitslose zur Zwangsarbeit abkommandieren will, wer an die europäischen Außengrenzen reist, um dort mit rechten Milizen Jagd auf Flüchtlinge zu machen, mit dem können wir keinen Kompromiss finden.

    Ich denke, es geht nicht darum, den Fanatikern das Gestalten der Gesellschaft zu überlassen. Aber vielleicht ihre Meinung anzuhören und mal einfach so stehen zu lassen, auch wenn es unerträglich erscheint, und nicht gleich aus Reflex heraus auf sie zuzustürmen und sie mit Weihwasser zu bespritzen, als ob sie das personifizierte Böse wären.

    Denn dieses sich gegenseitig angiften führt eben nur dazu, dass sich die Fronten immer weiter verhärten. Es kann so keine Entspannung stattfinden. Einen Kompromiss für die Gestaltung der Gesellschaft zu finden, wäre ohnehin erst der übernächste Schritt. Zunächst geht es doch darum, dass eine Entspannung sicher nichts schadet.

    Das heißt ja nicht, dass ich dem dann alles durchgehen lasse, was er TUT, nur weil ich ihm alles durchgehen lasse, was er SAGT.
    Du hast es doch im Grunde selbst verlinkt neulich... in dem Video von diesem Obi-Wan Kenobi-Typ, der über die Konfliktlösung gesagt hat, wie wichtig es ist, dem Gegenüber in einem Streit das Gefühl zu geben, dass man sich erstmal wertungsfrei anhört, was er zu sagen hat, und dass man seine Gefühle und Ängste nachempfinden kann, anstatt gleich zu verurteilen.

    Genau in diesem Sinne meine ich das. Und nun übertrag das mal auf die Situation auf Twitter oder Facebook (oder hier im Forum). Könnte man dort auf dieselbe Weise nicht auch viel Gift und Aggression aus der Debatte nehmen, wenn man einfach erstmal anders miteinander umgehen würde anstatt dem anderen sofort für seine Meinung ins Gesicht zu springen?

  • Es ist die (verfehlte) Hoffnung, dass die Diskriminierung und die Gewalt endlich aufhören, wenn endlich alle Grenzen verschwimmen und alle so ticken wie man selbst, was z. B. radikalere Queer-Aktivisten dazu bringt, die Geschlechter als solche abschaffen zu wollen, damit niemand mehr wegen seiner Geschlechtsidentität benachteiligt wird. Natürlich hat diese Form des 'Educatens' bzw. der Umerziehung selbst etwas Totalitäres an sich. Aber dennoch stört es mich, dass wir bzw. du hier größtenteils über die böse Cancel-Culture der 'Generation Woke' herziehen.

    Letztendlich sorgen die Wokisten mit ihren umstrittenen Aktionen wie der Cancel Culture ja gerade selbst dafür diese negative Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. So wie man in den Wald hineinruft so schallt es eben zurück und hier wird halt nicht mehr bloß in den Wald gerufen sondern versucht so laut zu schreien dass nichts anderes mehr gehört werden kann als dieses Geschrei. Demgemäß bekommt man auch eine entsprechend entnervte Rückmeldung von überall her, von Leuten denen dieses dauer Geschrei irgendwann auf den Sack geht. Man macht es der Gegenseite zudem auch leicht, wenn man ihnen totalitäre Absichten vorwirft und bei dem Versuch sie zu bekämpfen dann selbst auf totalitäre Mittel zurückgreift. Zu glauben den Gegner in seinem eigenen Spiel schlagen zu können indem er selbst ungeschlagen ist halte ich ohnehin für einen katastrophalen Trugschluss und selbst wenn es gelingt läuft man dabei gefahr zu genau dem zu werden was man ursprünglich bekämpfen wollte.


    Ich bin einfach kein Freund von dem Ansatz ''der Zweck heiligt die Mittel''. Viele die sich jetzt in der Frage um das Recht auf Abtreibung wieder auf den alten Grundsatz ''my body my choice'' besinnen, wonach jeder über seinen eigenen Körper selbst verfügen sollte, waren bis vor kurzem noch für Zwangsimpfungen. Sobald es ins politische Weltbild passt wechseln viele ihre Überzeugungen wie ihre Unterwäsche. Wenn man wirklich etwas von freiheitlichkeit hält, dann kann man sich nicht bloß darauf beschränken dort wo es einem passt freiheitlich zu sein und da wo es einem nicht mehr passt die Menschen durch Zensur und Cancel Culture mundtod machen und ihnen gegen ihren Willen zwangsweise irgendwelche Ansichten aufzwingen.

    Wer für Vielfalt ist muss auch akzeptieren dass es innerhalb dieser Vielfalt Menschen gibt die nicht zu dieser Vielfalt passen und den eigenen Werten gegeüber eine ablehnende Haltung aufweisen oder sogar aktiv die Vielfalt bekämpfen wollen. Wenn man nach und nach alle Leute aus der Vielfalt auszuschließen versucht die einem nicht passen oder die man für schädlich hält, muss man sich natürlich die Frage gefallen lassen ob das was dabei raus kommt am Ende überhaupt noch Vielfalt genannt werden kann. Aber natürlich kann man auch keine Vielfalt haben wenn es diesen Leuten gelingt sie abzuschaffen, da befindet man sich gewissermaßen in einem Dilemma.


    Wo immer man Zwang einsetzt erzeugt man das genaue Gegenteil von dem was erreicht werden soll. Wer meint mit Cancel Culture, Verboten und Zensur ließen sich erfolgreich reaktionäre Kräfte aufhalten, der scheint mir doch selbst noch etwas rückschrittlich in seinem Denken zu sein. Alles was damit bewirkt wird ist das genaue Gegenteil, mit jedem weiteren Versuch seinen Willen zwangsweise allen die anders Denken aufs Auge zu drücken wird die Gegenseite gestärkt und man bekommt immer mehr Gegenwehr, schließlich auch von jenen die Anfangs mal ähnliche Ideale hatten aber mit der Vorgehensweise nicht mehr länger einverstanden sind.

    Die Klimaaktivisten können sich gerne weiter auf die Straße kleben, aber dadurch werden nur immer mehr Menschen genervt sein von der lästigen Penetranz mit welcher sie ihrenProtest betreiben und schließlich werden immer mehr die Gedult mit ihnen verlieren und schließlich Parteien wählen die versprechen etwas dagegen zu unternehmen, diese Parteien werden aber die gleichen sein die dem Klimazielen der Protesten noch stärker eine Abfuhr erteilen werden. Durch aufdringlichen Protest erreicht man meines Erachtens in der Regel eher das Gegenteil von dem was man beabsichtigt.


    Warum bekommt denn die rechte Seite immer mehr Aufwind und kann sich medial so perfekt als Opfer in Szene setzen? Weil es ihnen so verdammt einfach gemacht wird und sie dabei ja noch nicht mal lügen müssen, sie werden ja tatsächlich überall von großen Konzernen mundtod gemacht, von allen möglichen Plattformen gekickt, bekommen ihre Bankkonten gesperrt und werden poltisch und medial ins Abseits gedrängt.

    Würde man ihnen dagegen mehr Gelegenheiten geben um sich ins eigene Fleisch zu schneiden, indem man ihnen erlaubt sich despektierlich über Minderheiten zu äußern und dabei in ein Fettnäpfchen nach dem anderen zu treten könnte man sie hervorragend auflaufen lassen, dann würde man ermöglichen dass sie sich von ganz alleine selbst zerstören. Im Grunde genau so wie es momentan die Ampel in der Regierung macht.

    Ich tendiere halt diesbezüglich eher zu der Sichtweise alter taoistischer Philosophen, welche sich für eine stärkere Nichteinmischung in den natürlichen Lauf der Dinge ausgesprochen haben und welche für das Konzept des Wu Wei standen. Ich glaube nicht das der Kampf mit dem politischen Gegner jemals von Erfolg gekrönt sein wird. Denn dabei handelt es sich um eine Sisyphusaufgabe, genausogut könnte man gegen Windmühlen kämpfen. Es kann das Eine nicht ohne das Andere existieren, beide bedingen einander und sind voneinander untrennbar. Ohne Rechts kein Links, ohne Böse kein Gut, ohne Kollektivismus keinen Individualismus etc. Je stärker ein Pedel in eine bestimmte Richtung ausschlägt um so kräftiger wird es im Anschluss in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen. Alles im Leben basiert auf ähnlichen zyklischen Begebenheiten. Der Versuch seine Kinder streng traditionalistisch zu erziehen brachte die 68er hervor, der Versuch dieser Generation ihre Kinder ebenfalls im Geist der 68er zu erziehen schlug ebenfalls fehl. Es ist wie mit den Gezeiten, auf Ebbe folgt Flut.


    Was wenn es keinen äußeren Feind mehr gibt den man bekämpfen kann, dann erscheint er einem in den eigenen Reihen und schließlich in sich selbst, eine ewige Zersplitterung und Aufspaltung in immer neue Fraktionen. Es ist ein immerwährendes erneutes auftauchen von universellen Gegensätzen in neuem Gewand. Es ist wie wenn man versucht einen mit Luft gefüllten Ball unter Wasser zu drücken, er kommt immer wieder an die Oberfläche.


    Harmonie kann es nur geben in einem ausgewogenen Gleichgewicht der Gegensätze. Wenn eine Seite zu Stark wird, wird automatisch als Ausgleich die andere Seite gestärkt werden und umgekehrt, das passiert egal ob mit oder ohne unser Zutun. Daher müssen wir lernen zu Akzeptieren, dass es zu jeder Vorderseite eine entsprechende Rückseite geben muss welche untrennbar miteinander verbunden sind. Ohne Schatten kein Licht.

    Ich denke es ist ratsam die Dinge differenzierter zu betrachten. Dafür benötigt man eine größere Distanz zu den Dingen und eine gewisse innere Leere. Solange man noch zu sehr in konzeptionellen Vorstellungen des Verstandes verhaftet ist und ihnen eine zu große Wichtigkeit beimisst befindet man sich in einer Abhängigkeit und dann ist es nicht möglich gelassen mit den Meinungen anderer umzugehen.


    Obwohl gerade dieser Nominalismus ein Erkennungsmerkmal des fortschrittlichen Denkens ist, welche auch immer starker Bestandteil des progressiven und liberalistischen Individualismus waren, scheint mir das in der heutigen Zeit etwas abhanden gekommen zu sein. Auch hier muss eine natürliche Balance gewahrt bleiben. Zügeloser und unbegrenzter Individualismus wird letztendlich selbst zum hinderniss für Fortschritt und Freiheit werden. Alles hat immer auch das Potenzial sich in sein Gegenteil zu wandeln. Hier muss man vorsichtig sein, sonst geht man an seinen eigenen Idealen zugrunde.

    Traditionalismus und kollektive Identität auf der einen Seite und Individualismus, Progressivität und globaler Liberalismus auf der anderen Seite. Ich finde das beste ist immer noch eine gesunde Mischung aus beiden Welten. Ein zu viel von beidem ist niemals gut und wird immer wieder dazu führen die Gegenseite stärker auf den Plan zu rufen.


    Das soll natürlich kein Freibrief dafür sein despotische Unterdrücker, totalitäre Despoten, Faschisten und ähnliches ungehindert gewähren zu lassen. Für jede Handlung gibt es den richtigen Zeitpunkt und die passende Vorgehensweise, wer dagegen überstürzt und unausgewogen vorgeht zieht sich womöglich stärkere Verluste zu und stärkt obendrein noch die Gegenseite.

    Aber ja, so richtig habe ich auch noch kein Patentrezept auf die großen Konflikte und Probleme unserer Zeit gefunden, aber manchmal ist es besser sich zurückzunehmen statt durch falsche Handlungen mehr schaden als nutzen anzurichten.

    ''Everyone around me, they feel connected to something. Connected to something, I'm not.''
    Motoko Kusanagi

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  • "Das heißt ja nicht, dass ich dem dann alles durchgehen lasse, was er TUT, nur weil ich ihm alles durchgehen lasse, was er SAGT."


    Das ist wohl der Knackpunkt. Viele werden - mit Recht - behaupten, dass es vom Reden zum Tun nur ein kleiner Schritt ist. Allerdings entwickeln wir uns dann tatsächlich in Richtung einer Gesellschaft, in der es das reine Wort, der Diskurs, schwer haben wird. Wenn jemand der Auffassung ist, dass die Ansichten von J.K. Rowling oder von irgendwelchen Uni-Dozentinnen automatisch zu Gewalt oder Benachteiligung von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen führen, ist das mir tatsächlich zu weit gegriffen. Anders verhält es sich mit politischer Agitation von Organisationen, da es hier weniger um Meinungsfreiheit als vielmehr um Raumnahme geht. Das kann einfach die angestrebte Durchsetzung physischer Präsenz sein (z. B. rechte Demonstrationen) oder auch die Markierung von Menschen als Zielscheiben (das, was dann als Aufrufe zu Gewalt, Volksverhetzung etc. strafbar wird). Insofern würde ich schon noch Grenzen ziehen zwischen Dingen, die gesagt werden dürfen, und Aussagen, die im Kontext von politischer Organisierung sanktioniert werden sollten.


    Zur generellen Frage, ob man es den Rechten 'leicht macht': Ich denke, wir sollten differenziert betrachten, wieso welche rechten Strömungen stärker werden oder wieso sich Menschen für rechte Alternative entscheiden. Die Gründe hierfür variieren in Deutschland, Frankreich, Schweden, Brasilien oder den USA durchaus. Man geht dem rechten Narrativ ein Stückweit auf den Leim, wenn man hier eine homogene Entwicklung bzw. Motivation unterstellt (nach dem Motto 'Die Menschen überall auf der Welt wachen endlich auf!', 'Man kann uns nicht mundtot machen'!). Gerade das Argument mit dem 'Mundtotmachen' ist amüsant, hinter rechten Bewegungen stehen milliardenschwere Unternehmen und Medien, siehe die Republikaner in den USA. Auch Bolsonaros Erfolg bei den Armen in der Vergangenheit hängt mit massiven großen Desinformationskampagnen zusammen ('Die Linken werden eure Kirchen schließen' etc.).


    Dass in Deutschland auf den ersten Blick rechte Positionen im öffentlichen Diskurs geächteter sind als anderswo, sollte nicht dazu verleiten, im 'Underdog-Motiv' die eigentliche Triebkraft hinter rechten Bewegungen zu sehen - und gar zu fordern, man solle Rechte bekämpfen, indem man sie 'demystifiziert' bzw stärker zu Wort kommen lässt. Dieser Ansatz ist immer ins Gegenteil umgeschlagen, z.B. bei der 'integrativen Jugendarbeit' in Ostdeutschland. Insofern würde ich dabei blieben, dass Ausgrenzung gegen Rechts absolut notwendig ist, es hat uns zumindest momentan dazu geführt, dass Koalitionen unter Beteiligung der AFD trotz deren starker Wahlbeteiligungen momentan eher auszuschließen sind.


    Das soll nicht heißen, dass wir bestimmte Themenbereiche stigmatisieren sollten, nur um nicht 'den Rechten in die Hände zu spielen'. Beispiel Islamismus und Gewalt durch Zuwanderer. Hier ist es natürlich verfehlt, die Rassismuskarte zu ziehen, wenn (!) mit korrekten Daten bzw. Fakten gearbeitet wird. Schweden und die dortige Bandenkriminalität ist ein aktuelles Beispiel, das in dem Kontext auch das Erstarken der Rechten befeuert hat. In den USA hingegen ist auch der Frust über die Coronamaßnahmen und die Furcht über den daraus resultierenden sozialen Abstieg zu nennen, was eben auch Schwarze und Hispanics dazu gebracht hat, rechts zu wählen. In Italien scheint die Frustration über die etalierte politische Landschaft ausschlaggebend zu sein. So oder so sehen wir immer eine Verengung auf bestimmte Reizthemen und den Wunsch, 'das Eigene' zu bewahren. Das logische Gegengift gegen rechtes Denken wäre also eine glaubhafte Diversität ohne Ausblenden der dunklen Flecke, eine Erweiterung des Blickfeldes und Wahrnehmungsradius. Und dazu kann bzw muss sicher auch gehören, bestimmte Themen aus mehr Blickwinkeln zu debattieren, anstatt 'gut gemeint' die Menschen auf eine bestimmte Art, sich zu verhalten, einzuschwören.

  • Das logische Gegengift gegen rechtes Denken wäre also eine glaubhafte Diversität ohne Ausblenden der dunklen Flecke, eine Erweiterung des Blickfeldes und Wahrnehmungsradius. Und dazu kann bzw muss sicher auch gehören, bestimmte Themen aus mehr Blickwinkeln zu debattieren, anstatt 'gut gemeint' die Menschen auf eine bestimmte Art, sich zu verhalten, einzuschwören.

    Das wäre denke ich ein großer Schritt in die richtige Richtung!

    ''Everyone around me, they feel connected to something. Connected to something, I'm not.''
    Motoko Kusanagi