Nun ist es ziemlich genau 10 Jahre her (den konkreten Tag weiß ich nicht mehr), dass ich mit dem Schwabenrevoluzzer zusammentraf und wir bei einem längeren Spaziergang beschlossen haben, gemeinsam ein bisschen Musik zu machen.
Getroffen hatte ich ihn ursprünglich nur, weil ich es eben einen interessanten Zufall fand, dass da in der Nachbargemeinde im spießigen Remstal noch jemand sitzt, der auf Youtube über die Gesellschaft abkotzt, und weil ich seine Videos als "Schwabenrevoluzzer" oder "Der Misanthrop" (wie er sich davor auf Youtube nannte) eben sehr unterhaltsam fand. Und bei unserem Treffen stellte sich dann eben heraus, dass er als Musikproduzent tätig ist und in seinem Keller ein schickes Studio eingerichtet hat.
Ich hingegen hatte keine wirkliche musikalische Erfahrung, außer dass ich halt ganz gut Keyboard und Klavier spielen konnte und schon seit ein paar Jahren den Gedanken im Kopf hatte, dass ich ja theoretisch auch mal versuchen könnte, einen Song zu schreiben. Lyrics hatte ich schon ein paar angesammelt zu dem Zeitpunkt, aber für die Umsetzung fehlte mir das nötige Fachwissen, welche Software man dafür braucht und wie man das überhaupt macht, damit es halbwegs nach was klingt und nicht nach mir, wenn ich auf meinem Keyboard rumklimpere.
Der Schwabenrevoluzzer fand die Idee, eine elektronische Anarcho-Band zu gründen und mal ein bisschen musikalisch über die Gesellschaft abzukotzen, auch ganz witzig. Und so kam es dann eben, dass wir uns wenige Tage später zu viert bei ihm im Studio einfanden. Mit von der Partie waren noch Shinobi (Novator) und K. Antares (der hier im Forum u.a. auch als "Killing Joke" und "12950 B.C." bekannt ist).
K.Antares war wie ich großer Synthpop-Fan, hat aber ansonsten keinen musikalischen Background, und Shinobi war ein ziemlicher Fachmann, was so etwas geistreicheren, antikommerziellen Deutschrap anging, aber auch nur passiv als Hörer, ohne selber je gerappt zu haben.
Und so saßen wir dann eben da als totale Anfänger, laberten in lockerer Atmosphäre miteinander.... ich legte meine Lyrics vor, die schon vorher weitestgehend fertig waren, und dann entstand ganz klassisch, durch ausprobieren und gemeinsamen Ideenaustausch, ohne dass jemand vorher eine konkrete Melodie im Kopf gehabt hätte, unser erster Song.
Für das Video habe ich mir vom Schwabenrevoluzzer dessen Gasmaske geliehen, die er noch aus seiner Zeit bei der Bundeswehr hatte, und wir sind irgendwo in die Weinberge gefahren zu so einem alten Steinbruch, um mein Monopoly-Spiel abzufackeln.
Und weil das alles ziemlich viel Spaß gemacht hat, haben wir beschlossen, gleich den nächsten Song aufzunehmen, zu dem ich immerhin schon eine gute Melodie im Kopf hatte.
Auch das Arbeiten am zweiten Song und der darauf folgende Videodreh auf dem Stuttgarter Waldfriedhof mit anschließendem Besuch am Grab der ermorde... äh... durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen RAF-Kämpfer war ein ziemlich cooles Erlebnis.
Und so folgte mit "Emotionen-Overkill" Song Nr. 3, und dann irgendwann Song Nr. 4... und spätestens da kam uns die Idee, dass man ja, wenn schon, denn schon, auch gleich ein ganzes Album machen könnte.
So verbrachten wir dann die kommenden Monate um den Jahreswechsel 2012/13 herum damit, viel im Studio zu hocken und neue Songs aufzunehmen, bis das erste Album S.A.A.R.T. fertig war.
(ich beschleunige jetzt mal ein wenig das Erzähltempo, sonst könnte das ein seeehr langer Text werden...)
Wir machten also das Album fertig, und verabschiedeten uns für unbestimmte Zeit, mit der Option, irgendwann vielleicht nochmal was zusammen zu machen.
Anderthalb Jahre später kontaktierte ich den Schwabenrevoluzzer wieder, und wir vereinbarten, ein zweites Album aufzunehmen. Die Stimmung war während der Produktion aber nicht mehr ganz so gut und unbeschwert wie beim ersten Album. Es gab ein paar Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Mitgliedern. Ich übernahm mehr und mehr die musikalische Kontrolle, weil ich es jetzt einfach besser drauf hatte, und komponierte die Songs mehr oder weniger im Alleingang, was den Schwabenrevoluzzer vielleicht nicht direkt störte, aber es führte eben auch dazu, dass er sich nicht mehr so ganz total mit der Band identifizieren konnte, und generell war er etwas schlecht drauf manchmal und es kam zu paar unnötigen Sticheleien im Studio. Shinobi war zu der Zeit auch nicht mehr so ganz glücklich hier und schon auf dem Sprung zu gehen. K.Antares wiederum hatte extrem viel Stress mit seiner Ausbildung und irgendwann keine Lust mehr, sich vom Schwabenrevoluzzer dumm anlabern zu lassen, so dass er gar nicht mehr ins Studio wollte und wir seine Parts dann bei mir zuhause aufnahmen und später zusammenfügten.
Also es waren alles nur Kleinigkeiten, aber es lief eben auch nicht ganz optimal beim zweiten Album. Trotzdem bekamen wir es irgendwann fertig... aber danach war auch klar, dass es das jetzt dann gewesen ist, und wir im Grunde ja auch längst viel mehr gemacht hatten, als ursprünglich geplant war.
In den folgenden Jahren bastelte ich zwischendurch immer mal wieder zuhause an neuen Songs, da ich mir mittlerweile die nötigen Programme besorgt hatte, um ähnliche Möglichkeiten zu haben wie beim Schwabenrevoluzzer im Studio, und nahm gelegentlich mit anderen Künstlern wie Dub De Rippa oder Anarchy X etwas auf.
2019 hatten sich dann so viele Songs auf meiner Festplatte angesammelt, dass es für ein drittes Album reichen würde, und ich kontaktierte noch einmal den Schwabenrevoluzzer, um ihn zu fragen, ob er zumindest noch ein bisschen seine Stimme für ein paar Songs zur Verfügung stellen würde, um der alten Zeiten willen. Er hatte gerade halbwegs gute Laune (für seine Verhältnisse) und stimmte zu. Und so entstand dann eben "Werk 3".
Und wieder war danach eigentlich für mich klar, dass jetzt erstmal sehr lange Zeit nichts mehr von den Anarchonauten kommen wird... da ich ja auch noch einen Roman fertig zu schreiben hatte, und ohnehin das Gefühl hatte, dass jetzt erstmal alles gesagt war, was ich loswerden wollte.
Aber nur ein Jahr später ging Corona los, und ich konnte gar nicht anders, als das ganze musikalisch zu verarbeiten. Die Arbeit am neuen Roman inspirierte mich zusätzlich noch zum Nestor Machno-Song, und als ich mich mit Tom von Totstörung (bzw. Dub De Rippa) unterhielt, der gerade mit alten Synthesizern experimentierte, kamen wir auf die Idee, dass man doch einmal ein paar Songs im NDW-Stil zusammen machen könnte.
Und ehe ich mich versah, war dann eben auch genug Material für ein viertes Album da... diesmal ganz ohne den Schwabenrevoluzzer, aber mit Tom als adäquaten Ersatz in dem einen oder anderen Song, der dann auch musikalisch ein paar neue Einflüsse mit reinbrachte.
Und nun sind es also 10 Jahre...
Ist irgendwie ein seltsames Gefühl, wenn man sich daran zurückerinnert, wie klein es einst begonnen hat... nur mit der spontanen Idee, mal "irgendwas" musikalisches zusammen zu machen, und mal ein oder zwei Songs aufzunehmen. Inzwischen sind es knapp 50 geworden, mehr als manch andere Band vorzuweisen hat.
Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen, ich habe aber bereits ein paar Ideen und Pläne für ein mögliches fünftes Album, was aber definitiv nicht vor 2024 produziert werden wird. Aber so in zwei, drei Jahren könnte ich es mir durchaus vorstellen, das halte ich für eine realistische Zeitspanne.
Natürlich sollte man zu so einem Jubiläum auch irgendetwas machen, wie etwa ein Best Of-Album rausbringen, oder einen neuen Song.
Das hat sich irgendwie nicht ergeben... aber zumindest habe ich es zum Anlass genommen, unseren Song "Kein Volk, kein Reich, kein Führer" vom dritten Album noch ein wenig zu optimieren.
Der sollte damals nämlich einen Chor enthalten, der auch damals bereits aufgenommen worden ist... doch aus, äh, produktionstechnischen Gründen, oder nennen wir es meine Unerfahrenheit, habe ich es zur Fertigstellung des Albums nicht hinbekommen, den Chor vernünftig in den Song einzubauen. Irgendwie hat er sich mit den anderen Tönen nicht vertragen und es klang einfach furchtbar, weshalb wir uns dann entschieden haben, ihn ganz zu streichen.
Mittlerweile hab ich das Abmischen aber etwas besser im Griff, und daher habe ich den Chor im Refrain wieder eingefügt, so dass der Song nun endlich so klingt, wie er schon 2019 eigentlich hätte klingen sollen.
Dazu habe ich dann noch ein kleines Video für Youtube gemacht, um auch die Leute dort auf das Jubiläum hinzuweisen.
Und wenn Unmensch nicht vorher schon entdeckt hätte, dass es die Anarchonauten nun auch auf Spotify gibt, wäre das nun ebenfalls noch hier an dieser Stelle feierlich von mir verkündet worden.
Mittlerweile sind übrigens alle Alben dort verfügbar, auch bei Deezer, Apple Music, Soundcloud und einigen anderen Diensten... also schaut doch bei Gelegenheit einfach mal rein, wenn ihr dort gelegentlich Musik hört, und empfehlt die Anarchonauten weiter oder nehmt sie in eure Playlists auf.
Als letzte Jubiläums-Idee kam mir dann noch der Gedanke, die verbliebenen Anarchonauten-Songs, die noch kein eigenes Video erhalten haben, zumindest mit irgendeinem Symbolbild zu versehen und auf Youtube hochzuladen, so dass auch dort dann alle Lieder der Anarchonauten verfügbar sind. Habe aber gerade gesehen, dass dies nun offenbar automatisch bereits geschehen ist, von Seiten des Distributors, der uns auch auf Spotify und Co. gebracht hat.
So gesehen kann ich mir die Mühe ja eigentlich sparen... oder würde es Sinn machen, die Songs trotzdem auf dem offiziellen Kanal auch nochmal hochzuladen? Bin mir da gerade etwas unschlüssig.
Jedenfalls gibt es inzwischen einiges zu hören, wenn man unseren speziellen Sound mag (was nur eben nicht all zu viele tun... )
Und ich lehne mich jetzt einfach mal entspannt zurück und genieße die Erinnerung an alles, was sich so in den letzten 10 Jahren mit und um die Anarchonauten herum ereignet hat...
War eine nette, manchmal auch leicht chaotische Zeit... und einfach ein cooles Erlebnis, dabei gewesen zu sein und es miterleben zu können, wie sich so etwas entwickelt aus dem Nichts heraus, und ohne dass irgendein kluger Master-Plan die Richtung vorgegeben hätte.