Alles anzeigenNicht mehr in dem Maße wie in den Neunzigern. Und natürlich auch nicht bezogen auf die Vorstellung, dass Männer/Frauen heiraten können. Für die Generation, die um 2000 geboren wurde, ist das total normal. Die Dinge ändern sich eben.
Welcher Humor heute noch akzeptabel ist, ändert sich schon auf breiterer Ebene. Hab letztens mal wieder alte Tarantinos geschaut, und die die Neger- und Schlitzaugenwitze, die's in 'Reservoir Dogs' und 'Pulp Fiction' gibt, sind heute z.B. nicht mehr so machbar. Als wir jung waren, war 'Neger' in unserer Ecke die Standardbezeichung für Schwarze. Das hat sich später sehr gedreht. In Amerika früher und stärker als hier, aber dass das nicht mehr geht, hat inzwischen ja sogar Joachim Herrmann gemerkt - sollte man zumindest hoffen.
Die Partei war nie irgendwie linksradikal. Da gab's manche gute Gags, aber eigentlich brandmarken die doch Politik als Spiel bzw. Show und delegitimieren die dadurch. Da geht es darum, absurd und überdreht zu erscheinen, und so 'echte politische Forderungen' lächerlich zu machen. Manches ist da gut, anderes ziemlicher Mist. Und gerade Sonneborn macht das gerne aus der Perspektive des alten weißen Mannes, der sich schon gerne am kolonialen Klischeebaukasten bedient. Und das ist halt inzwischen überkommener Humor.
Bei dir sieht man da schon einen recht konservativen Abwehrreflex - du findest es halt nicht so geil, dass sich die Dinge ändern und Sachen mehr in den Vordergrund kommen, mit denen du nichts anfangen kannst oder willst. Aber es ist doch nicht wirklich schwierig, nicht mehr 'Negerkuss' zu sagen, oder sich zumindest rudimentär mit gewissen Gender-Aspekten vertraut zu machen.
Das geht da doch nicht um PC. Das ist ein rechter Kampfbegriff. Die Linke hat sich meiner Erinnerung zufolge nie für political correctness eingesetzt oder auch nur das Wort verwendet. Das würde ja implizieren, dass sie irgendwann einmal 'das Establishment' war, das entscheiden konnte, was angemessen ist und was nicht. Und das in Deutschland definitiv nie der Fall.
Es geht darum, dass bestimmter Humor Rassismen transportiert und es vielleicht nicht so geil ist, das gut zu finden und dabei mitzumachen.
Ich weiß ja, was du lustig findest - aber Humor ist nicht (nur) der pubertäre Tabubruch oder das Herumhacken auf Minderheiten aus weiß-männlicher Perspektive, sondern kann auch etwas komplexer sein.
Nun, ich als konservativer, alter weißer Hetero-Mann, der zu Uni-Zeiten, wie du weißt, mehr Jünger und Heidegger als Marx und Brecht gelesen hat, kann ohnehin auf Kunst mit erzieherischem Charakter verzichten Aber ich verstehe gut, wieso das für viele andere wichtig ist. 'Die Partei' ist auch ein Vehikel, um bestimmte Inhalte zu transportieren. Dass (dir) das nicht so offen auffällt, ist gut und Teil des Plans
Wenn dir der Begriff 'PC' nicht gefällt, dann nutze einen anderen. Es geht schlicht um Sprachhygiene bzw. darum, ob man überhaupt noch Witze machen darf oder sollte, die irgendjemanden verletzen. Wenn du diese Frage verneinst, bist du auch schnell wieder beim Gotteslästerungsparagraphen. Was ist mit Charlie Hebdo bzw. Mohammed-Karikaturen im Allgemeinen? Ich denke, was die Verletzung religiöser Gefühle angeht, bist du vermutlich etwas flexibler.
'Konservative Abwehrreflexe' mag ich haben, ich würde aber eher sagen, dass ich vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen bestimmte Entwicklungen hin zur Erhöhung von Befindlichkeiten kritisch sehe, wie auch im Falle des 'Critical Whiteness'-Konstrukts. Wir sind dahin gekommen, dass in einigen Zusammenhängen Gruppen von Blockwarten auf die falschen Feindbilder einprügeln. Das Resultat ist noch mehr Spaltung und die Kultivierung von sprachlich gereinigten Wohlfühlblasen. Man muss die überspitzte Darstellung der Problematik nicht teilen, aber die Kritik an 'Identity Politics' würde ich schon ernst nehmen. Ich will nicht verschiedene Anliegen gegeneinander ausspielen, aber wenn der Eindruck entsteht, dass sich Linke nur noch auf Minderheitenanliegen fokussieren, dann ist das ein großes Problem.