Liebe und Weisheit

  • Was wir brauchen, ist Liebe und Weisheit. Jeder Einzelne braucht mehr davon... und die Gesellschaft, die nur Abbild des geistigen/seelischen Zustandes ihrer Mitglieder ist, ebenso.


    LIEBE - Liebe macht einen solchen fundamentalen Unterschied. Es mag kitschig klingen, was ich nun schreibe... doch alles wird anders durch Liebe. Dinge, die uns nerven oder frustrieren, unser ganzes Dasein... alles erstrahlt in einem angenehmeren Licht, wenn da Liebe in unserem Leben ist. Wenn wir das Gefühl haben, nein, wenn wir wissen, dass wir geliebt werden von jemandem, und wir auch lieben.

    Und ich glaube, erst, wenn wir dieses Gefühl erleben, und uns Liebe durchströmt, sind wir wirklich angekommen in diesem Leben. Denn Liebe heißt ja nicht nur, einen Menschen zu haben, mit dem man Zärtlichkeiten austauschen kann. Liebe heißt vor allem auch, zu wissen, dass man richtig ist, dass man gewollt ist.

    Wie viele Kinder haben dieses Gefühl verlernt im Lauf des Erwachsenwerdens? Das Gefühl, gewollt zu sein, in einer Welt, die einem beständig nur entgegenzurufen scheint: "Du bist nichts! Du hast keine Ahnung! Du bist nur ein Sklave von Millionen!"

    Wie viele geben diesem und jenem die Schuld an ihrer Misere und landen im Hass? Hass auf den politischen Gegner, Hass auf irgendwelche Sündenböcke, Hass auf alles, von dem man glaubt, dass es dafür verantwortlich ist, dass wir uns so ungewollt und verloren fühlen?

    Hass spaltet unsere Gesellschaft. Hass frisst die Seele auf (bzw. den Rest, der davon noch übrig ist.)

    Wenn wir hingegen Liebe empfinden, sind wir ausgeglichener und zufriedener. Wir ziehen nicht mehr gegen alles und jeden in den Krieg, weil wir einen Platz haben, an den wir gehören, und den wir nicht verlassen möchten. Wir kümmern uns nicht mehr so viel um die Meinung anderer Leute, wir wollen nicht immer mehr und noch mehr. Denn Liebe ist bereits perfekt, es gibt keine Steigerungsform davon. Wenn wir sie haben, wissen wir, dass wir am Ziel einer langen Reise angekommen sind, und wir wünschen jedem anderen Menschen auch diesen inneren Frieden, dieses Gefühl, angekommen zu sein und loslassen zu können.
    Nun mag man vielleicht einwenden: Fast jeder ist doch mit irgendwem in einer Beziehung und liebt jemanden. Die Welt ist voller Paare und Familien. Warum ist dann trotzdem alles so abgefuckt?

    Zum einen liegt dies natürlich an den gesellschaftlichen Begebenheiten, die die Menschen von kleinauf im Würgegriff halten.

    Der ständige Druck und Zwang, sich beweisen zu müssen. Geld zu verdienen. Gute Noten zu schreiben. All das hält uns auf Trab. Lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Macht uns irre im Kopf. Und wer so irre ist, der erkennt die Liebe oft gar nicht, ist gar nicht in der Lage, sie zu geben oder zuzulassen. Oder hat schlicht nicht genügend Zeit dafür... Zeit, die man braucht, um einen anderen Menschen wirklich kennenzulernen, und nicht nur dessen Avatar. So kommt es, dass viele Menschen in einer Beziehung leben, aber dennoch nicht wirklich viel Liebe erfahren, und an den Andersartigen, die sie vielleicht wirklich lieben könnten, nur achtlos vorübergehen.


    WEISHEIT - Weisheit entsteht durch Abstand. Beobachten und darüber nachdenken, was man sieht. Das, was ich schon immer predige, von Anfang an, seit dieses Forum existiert.

    Liebe benötigt Weisheit. Naja, vielleicht nicht unbedingt... auch dumme Menschen oder Tiere können Liebe empfinden oder zulassen. Sagen wir also besser: Liebe benötigt, dass wir nicht von falschen Gedanken geleitet werden. Und das ist letztlich ja auch irgendwie Weisheit... sich nicht von falschen Gedanken, die einem nicht gut tun, von den Dingen abbringen zu lassen, die im Leben wirklich zählen.

    Weisheit kann man auch haben, ohne je ein Buch gelesen zu haben. Es hilft einem aber natürlich dabei, weise zu sein und die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn man die Mechanismen der Welt studiert hat und über ein breitgefächertes Wissen verfügt.

    Und wenn ich dann sehe, was jungen Menschen in der Schule heutzutage so beigebracht wird... das hat mit Weisheit nichts zu tun. Vermutlich war es schon immer so. Aber es ist mir eben gerade wieder bewusst geworden, wenn man sieht, was Schüler für ne Scheiße machen müssen. Die bekommen zumindest in der Oberstufe nur noch einen Text nach dem anderen vorgelegt, und den sollen sie dann nach dem immer gleichen Muster "analysieren". Was in der Praxis bedeutet, wie ein seelenloser Roboter den Inhalt wiederzukäuen. Wenn du zu kreativ bist, kriegst du einen Rüffel vom Lehrer, weil du die formalen Kriterien nicht erfüllt hast.

    Weisheit ist von dieser Art von "Schule" so weit entfernt, wie sie nur sein kann.

    Warum lernt man zum Beispiel nichts über Liebe in der Schule? Was man dabei beachten sollte... wie man verhindert, dass man an die falschen Menschen gerät... wie man sich selbst lieben und annehmen kann. Solche Dinge eben, die von essentieller Bedeutung sind, gerade, weil ich ja vorhin ausgeführt habe, wie fundamental wichtig Liebe ist. Aber wir entlassen die Kinder nach teilweise 13 Jahre Schule in die Welt als völlige Analphabeten, was Liebe angeht, was Freundschaft angeht, was einfach so ziemlich alles angeht, auf das es im Leben wirklich ankommt. Hauptsache, sie können eine Kurvendiskussion führen und jeden noch so uninteressanten Text nach den formal richtigen Gesichtspunkten analysieren und mit eigenen Worten wiedergeben, was sie eigentlich gar nicht interessiert und für ihr weiteres Leben ohne jeden Belang ist.

    Und dann beklagen sich die Verantwortlichen unseres Systems darüber, dass die Populisten so viel Zulauf erhalten... dass es wieder verstärkt zu Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit kommt.

    All das ist das Resultat mangelnder Weisheit, und mangelnder Liebe.

    Ein Mensch, der wirklich gelernt hat, die Dinge zu hinterfragen und auf sein Herz zu hören, würde nie auf irgendwelche Rattenfänger hereinfallen. Er würde aber vielleicht auch das heutige System nicht mehr haben wollen, mit diesen ganzen Zwängen und autoritären Regeln, die man einhalten muss, obwohl man nie gefragt wurde, ob man überhaupt damit einverstanden ist. Wer weise ist und Liebe und Mitgefühl für andere Menschen empfindet, muss eigentlich Anarchist sein. Zumindest wird ihm klar sein, was Zwang und Angst in den Menschen anrichten, und das ein System, dass mit diesen Methoden der schwarzen Pädagogik arbeitet, niemals Frieden finden kann.

    So gesehen ist es kein Wunder, dass das System ein großes Interesse daran hat, dass junge Menschen nur "gebildet" werden, aber nicht weise, und dass sie auch nicht zu viel über Liebe und Freundschaft und echte Solidarität erfahren. (Höchstens diese geheuchelte Solidarität, die darauf hinaus läuft, sich in die Herde zu integrieren und sich darin selbst zu verlieren.)


    LIEBE UND WEISHEIT - Das ist es, was wir brauchen... und was diese Welt braucht.

    Die Frage ist nur: Wir bringt man das an die Menschen ran? So lange die Schule so ist, wie sie ist. So lange wir das System nicht ändern können, das die Menschen am lieben und am weise werden hindert.

    Ich sehe eigentlich nur die Möglichkeit, es vorzuleben. Und anderen davon zu erzählen... natürlich, ohne penetrant oder all zu aufklärerisch aufzutreten und mit seiner Weisheit hausieren zu gehen. Wer wirklich weise ist, erkennt auch, wann er seinen Mitmenschen auf den Sack geht und lieber die Schnauze hält.

    Wir bräuchten im Grunde eine Kultur, in der immer mehr Menschen sich zu diesen Werten bekennen, sie leben und andere inspirieren. Eine Kultur, in der junge Menschen es als erstrebenswert betrachten, Weisheit zu erlangen und Liebe zu finden und zu geben, anstatt irgendwelchen materiellen Zielen oder dem Zeitgeist hinterherzulaufen.

    Mancher mag jetzt vielleicht denken: So etwas ähnliches gibt es doch schon. Nennt sich Christentum. Zumindest die, die es damit ernst meinen und die Botschaft von Jesus wirklich verstanden haben, versuchen ja auch, so in der Art zu leben, anderen ein Vorbild zu sein, Liebe zu geben, verantwortungsbewusst zu handeln, etc. Ich will das auch mal gar nicht komplett ins Lächerliche ziehen an dieser Stelle, wie es mein Alter Ego Gunnar Mageddon in "Traumwandler" getan hat.

    Es gibt unter Christen durchaus auch Aufrichtigkeit und Weisheit, und den Wunsch, die Welt zu einem besseren, lebenswerteren Ort zu machen. Unter Muslimen und Budhisten natürlich auch.

    Nur erscheint es mir eben etwas mühsam, diese Werte anhand eines zweitausend Jahre alten Buches mit den immer gleichen Geschichten zu vermitteln.

    Ich denke, wir bräuchten mehr Geschichten. Neue Geschichten vor allem. Vielseitigere Geschichten.

    Die Bibel dieser neuen Bewegung, die sich der Liebe und der Weisheit verschrieben hat, müsste viel vielfältiger sein. Es dürfte im Grunde gar nicht eine einzige Bibel geben, sondern die Bibeln dieser Bewegung müssten aus allen klugen Büchern und Geschichten bestehen, die in den letzten zweitausend Jahren geschrieben worden sind.

    Meine Romane würden sicher ebenfalls ein kleiner Teil davon sein. Doch eben nur ein ganz kleiner, bescheidener... denn es gibt ja so viel mehr gute Literatur da draußen... so viele große Werke, die uns etwas lehren können über Menschlichkeit, über Liebe, über den Sinn des Lebens. Es gibt nahezu unendliche Quellen an Weisheit. Doch sie vermodern in Bücherschränken, weil sie nicht, wie die Bibel, jeden Tag gepredigt und gelehrt werden, sondern weil sie veralten, vergessen werden... weil sie keine Botschafter haben, keine "Zeugen Jehovas", die sie in die Welt hinaus tragen und dafür sorgen, dass diese Worte zum Leben erwachen und gelebt werden, anstatt dass sich nur irgendwelche vertrockneten Literaturliebhaber einen darauf runterholen, wie gebildet sie doch sind, weil sie so viele Werke der Weltliteratur in ihrem Regal stehen haben.


    Was wir bräuchten, wäre eine Gruppe Jedi-Ritter, die im Namen von Weisheit und Liebe ausschwärmen, durch die Lande ziehen, für das Gute kämpfen, ihr Leben leben, und anderen Menschen dadurch ein Vorbild sind... sie dazu inspirieren, es ihnen gleich zu tun. Eine Art neue "Religion" oder "Ideologie", auch wenn es mir fast körperliche Schmerzen bereitet, diese Worte auch nur auszusprechen, weil Religionen und Ideologien schon so viele negative Dinge hervorgebracht haben und für Dogmatismus und Gleichschaltung stehen. Sagen wir daher lieber, eine Wertegemeinschaft... eine Bewegung unorganisierter, ähnlich denkender Gleichgesinnter. Man muss es nicht Unity nennen. ;)

    Und auch nicht Anarchismus, weil Anarchismus zwar viele Elemente dieser Gedanken enthält... wie gesagt, wer wirklich weise ist und Liebe und Mitgefühl empfindet, kann eigentlich kaum Hierarchien und ein bürokratisches System, das auf Strafen und Einschüchterung von Abweichlern basiert, für das Maß aller Dinge halten... und doch ist Anarchismus nur ein Teilstück vom Ganzen, denn ohne Weisheit und Liebe kann es theoretisch zwar auch eine anarchistische Gesellschaftsordnung geben, aber sie würde nie funktionieren, so lang nicht ein Großteil der Menschen in dieser Gesellschaft es begriffen hat und es auch wirklich lebt, was ich hier über Weisheit und Liebe zu vermitteln versuche.

    Ich mag jedenfalls den Gedanken daran, dass es irgendwann so kommen könnte. Dass es eine solche Bewegung geben wird, deren Mitglieder im Namen dieser Werte durch die Lande ziehen und die Menschen unterrichten, und vielleicht auch irgendein unauffälliges Erkennungsmerkmal haben, damit sie sich untereinander erkennen können. Und dass es in jeder Stadt Anlaufstellen gibt, Treffpunkte, ein Clubhaus... Versammlungsstätten dieser Bewegung, auch in der realen Welt.

    Realistisch betrachtet fürchte ich aber, eine solche Bewegung würde jede Menge Spott auf sich ziehen, gerade im Internet, und dass alles längst viel zu verkommen und zynisch geworden ist, als dass man mit irgendwelchen edlen Rittern noch etwas reparieren könnte. Aber wer weiß, vielleicht ja irgendwann später einmal, aus den Ruinen unserer modernen Zivilisation heraus...


    Das alles sind Gedanken, wie ich sie auch schon vor zwanzig Jahren hatte, als dieses Forum noch ganz frisch war. Im Grunde hat sich gar nicht so viel geändert an meiner Einstellung seit damals.

    Doch ohne Liebe... ohne diese gewissen magischen Momente im Leben... ohne ein erkennbares Licht am Ende des Tunnels... neigt man irgendwann dazu, der Misanthropie zu verfallen und nur noch das Hässliche in den Menschen und dieser Welt zu sehen.

    Momentan fühle ich wieder diese Magie in meinem Leben, die ich so lange vermisst habe, und sehe manches in einem anderen Licht... vielleicht in einem ähnlichen wie damals, nur ohne den Idealismus der Jugend (und die zuweilen damit einhergehende Arroganz...). Das soll jetzt aber nicht bedeuten, dass ich in absehbarer Zeit wieder der Schaffenswut verfalle. Diese Schaffenswut war oft auch nur kanalisierte Verzweiflung, die ich eben irgendwie in Kreativität umgewandelt habe... es ist also nicht zwangsweise so, dass ich wenn ich besser drauf bin auch wieder mehr in die Öffentlichkeit dränge und mehr Mitteilungsbedürfnis habe. Vielleicht ist es sogar eher umgekehrt. Dem Forum werde ich aber natürlich so oder so treu bleiben. Und wenn es hier mal wieder etwas mehr Aktivität geben sollte, werde ich höchstwahrscheinlich da sein und mich auch wieder ein bisschen mehr daran beteiligen.

    Mir kamen heute einfach diese Gedanken, als ich etwas länger durch den herbstlichen, bunten Wald gelaufen bin, und dachte mir, das wäre doch mal wieder einen längeren Beitrag im Forum wert. Auch in Erinnerung an die gute alte Zeit, als ich solche Beiträge noch regelmäßig verfasst habe.

  • „Wisdom tells me I am nothing. Love tells me I am everything. And between the two my life flows.“ Nisargadatta Maharaj




    ''Everyone around me, they feel connected to something. Connected to something, I'm not.''
    Motoko Kusanagi