Der Emanzenthread oder: Wörter, die Dian nicht kennt

  • Hier mal ein interessanterer Begriff aus der feministischen Kulturtheorie: das 'Woman in the fridge' (Frau in der Tiefkühltruhe) -Motiv. Findet man eher in englischsprachigen Texten und bezieht sich auf eine Szene in Green Lantern, in der der Held seine tote Freundin in der Tiefkühltruhe findet.

    Gemeint ist, dass Frauen in Filmen und Serien häufig nur als 'plot device' fungieren und nicht als eigenständige Charaktere. Sie sollen z.B. den Rachefeldzug des Mannes motivieren. Schon in der klassischen Literatur wird deutlich, dass hier fast immer aus rein männlicher Perspektive geschrieben wurde. Die Frau ist das Unerreichbare und Verehrungswürdige (Minnesang) oder das Sinnbild männlicher Sehnsucht (Sturm und Drang).

    Natürlich hat sich das im modernen Kino und Fernsehen geändert, aber man kann schon historisch nachverfolgen, wie lange es gedauert hat, bis Frauen zu eigenständigen Charakteren wurden. Oft wird auch unterstellt, dass Frauen in älteren Filmen nur 'weibliche Körper' in Männerrollen gewesen seien (z.B. Ripley in Alien). Als moderne genuine weibliche Heldin wird dann z.B. Katniss Everdeem aus den Panem-Filmen genannt.

    In Bezug auf einige meiner Lieblingsfilme ist da schon was Wahres dran. In Taxi Driver gibt es zwei weibliche Archetypen: die Hure und die Heilige. In Fight Club ist die Frau der (rettende?) Gegenpol zu männlichem Gewaltkult und (Selbst-)Zerstörung. 'Supernatural' wird zwar im Verlauf der Serie diverser, bleibt aber letztlich eine Erzählung über zwei Brüder und typische Männerfiguren, die alle Frauen in ihrem Leben verlieren.

    Es ist interessant, sich unter diesen Gesichtspunkten anzuschauen, was einen so geprägt hat. Bei mir waren es schon typische Männerfilme und -serien, ohne dass ich dies immer so wahrgenommen habe. Im Fall von Taxi Driver war dieser kritische Blick auf Männlichkeit laut Scorsese auch beabsichtigt, während Palahniuk bei Fight Club nicht die Männlichkeit im Vordergrund sehen will, sondern die generelle Entfremdung des Individuums.

    • Offizieller Beitrag

    Ich denke, bis in die 80er-Jahre war das schon sehr auffällig, und wenn man sich alte Filme anschaut (Western oder sowas), ist es schon krass, wie eindimensional viele Frauenrollen sind, und dass deren einziger Daseinszweck oft wirklich darin besteht, ein bisschen Romantik reinzubringen und vom Helden beschützt zu werden.

    Ob dahinter eine patriarchalische Agenda stand, glaube ich nichtmal. Filmstudios geht es letztlich ums Geldverdienen, und gedreht wird das, von dem die Bosse glauben, dass die Zuschauer das sehen wollen. Und sehr lange galt einfach der Grundsatz "Frauen die sich untypisch oder männlich verhalten, sowas will doch keiner sehen!" Man glaubte, Frauen würden sich mit solchen Frauen nicht identifizieren können, und Männer wollen auch lieber schwache Frauen sehen statt irgendwelche Kampf-Amazonen.

    Es gab aber natürlich auch ein paar Ausnahmen in den 80ern und 90ern, die angesprochene Ripley etwa, oder Red Sonja, Nikita und Xena. Dadurch haben eben auch die Filmstudios irgendwann gemerkt, dass das sehr wohl Leute sehen wollen, und dadurch ist es dann auch langsam, aber sicher etwas besser geworden.

    Heute haben wir ein ähnliches Denken im Bezug auf homosexuelle Helden. Da sagen die Filmstudios auch wieder "Sowas will kaum einer sehen, und damit würden wir viel zu viele potenzielle Zuschauer vergraulen."

    Aber ich könnte mir vorstellen, dass es durchaus funktionieren würde, wenn es gut gemacht wäre und nicht zu verkrampft als politische Doktrin, sondern eben als was ganz natürliches. Und wenn es einmal funktionieren würde, würde es auch imitiert werden und sich irgendwann etablieren können. Nur muss halt mal jemand den ersten Schritt gehen.


    Ähnliches war auch bei Videospielen der Fall. Jahrelang galt es als uncool, ein weibliches Wesen zu steuern, weil sich die (üblicherweise männlichen) Gamer damit angeblich nicht identifizieren konnten. Dann kam Lara Croft, und ein paar Jahre später hatte gefühlt jedes zweite Videospiel eine weibliche Hauptfigur. Wenn es auch meistens Frauen mit großer Oberweite und viel nackter Haut waren, weil man glaubte, dass das die Gamer alle so haben wollen, und dass es sich anders nicht gut verkaufen würde.

    Aber spätestens seit Last Of Us 2 hat sich das auch geändert. Da gab es auf einmal glaubwürdige Frauenrollen ohne übertriebene Oberweite, und sogar eine lesbische Heldin. Und das Game ist trotzdem, oder gerade deswegen, eines der erfolgreichsten Spiele aller Zeiten geworden.

    Was ich damit sagen will: Lamentieren und sich aufregen bringt garnix. Aber wenn man den Menschen ein gutes Vorbild gibt und als Künstler einfach seine Vision durchsetzt, anstatt sich darum zu kümmern, was die anderen machen, dann kann man etwas verändern. Es scheitert eben nur leider oft an der Finanzierung. Nicht so sehr, weil die Filmstudios alle von notgeilen Böcken wie Harvey Weinstein geleitet werden, die Frauen aus Prinzip nicht nach oben kommen lassen wollen (früher war das vermutlich noch eher ein Problem), sondern hauptsächlich deshalb, weil der Mut zum Risiko fehlt und man lieber auf Nummer sicher geht.

  • Heute haben wir ein ähnliches Denken im Bezug auf homosexuelle Helden.

    Davon gibt's inzwischen auch schon viele Filme und Serien.

    Immer wieder ist mal ein Schwuler oder ein Lesbe, gern auch mal Pärchen dabei.

    Sogar im bekannten "Greys Anatomy" ist es dabei.

    Da tut sich schon was und ich glaube, dass die Filmemacher inzwischen auch deutlich wagemutiger geworden sind.


    Vielleicht liegt das aber auch am Wettbewerb durch die Streamingdienste.

    Da versucht der eine den anderen zu übertrumpfen.

    Die Frage ist, ab wann es nach hinten los geht.

    Es lebe die Freiheit, die Meinungsäußerung und der Respekt anderen gegenüber.


    Will man einen Menschen genauer beurteilen, so muß man die Geschichte seiner Kinder- und Jugendjahre kennen.

    - August Bebel

  • Ich glaube, dass das heutige Problem an der Frau im Kühlschrank die Tatsache ist, dass Frauen auch heute noch auffällig häufig als plot device zur Motivation eines wie auch immer agierenden männlichen Helden dienen. Das ist bei älteren Beispielen extrem auffällig, aber heute auch immer noch feststellbar.


    Umgekehrt gibt's das eigentlich nicht.


    In Videospielen ist's halt anders und extremer. Es ist ja schon 'ne Verzerrung, dass vor allem Männer Gamer sind. Vielleicht spielen ein paar Prozent mehr Männer, aber es waren/sind eben vor allem Männer, die für andere Männer Videospiele machen. Die Branche ändert sich da wohl nur sehr langsam, obwohl das natürlich inzwischen durchaus besser geworden ist.

  • Ich glaube, dass das heutige Problem an der Frau im Kühlschrank die Tatsache ist, dass Frauen auch heute noch auffällig häufig als plot device zur Motivation eines wie auch immer agierenden männlichen Helden dienen. Das ist bei älteren Beispielen extrem auffällig, aber heute auch immer noch feststellbar.


    Umgekehrt gibt's das eigentlich nicht.

    Ich denke, das ist genreabhängig. Mittlerweile gibt's ja auch eine Menge 'Frauenfilme' und -serien. Da sind dann auch Männer plot device, z.B. der nervige Exfreund, der neue Stecher etc. Vigilante-Movies gibt's ja mittlerweile auch mit weiblichen Protagonisten, da sind dann eben die ermordeten Männer die Motivation für den Rachefeldzug der Heldin (z.B. bei Peppermint).

    Letztlich ist das auch ein Stück weit Interpretations- bzw. Geschmacksache, ob man oder frau einen weiblichen Charakter für überzeugend hält. Wie gesagt, Ripley wird auch von manchen Feministinnen eher als zu 'männlich' wahrgenommen.


    Das Problem mit 'plot devices' besteht natürlich auch darin, dass Filme und Serien ihres möglichen Tiefgangs beraubt werden. Bei Supernatural sind die tote Freundin und die tote Mutter der Jungs am Anfang reine plot divices. Man hätte das schon noch interessanter gestalten können, in dem beide z.B. durch mehr Rückblenden deutlicher als eigenständige Charaktere gezeichnet worden wären.

    • Offizieller Beitrag

    Da bin ich aber froh, dass in meinem neuen Roman eine weibliche Heldin den Tod ihres Bruders aufzuklären und zu rächen versucht. Dian The Saint ist endlich im neuen Jahrtausend angekommen! :welcome:

    Bin schonmal gespannt, wie meine weibliche Protagonistin aufgenommen wird, und ob ihre Wandlung zur Actionheldin im weiteren Verlauf der Story für Feministinnen ok ist, oder ob ich da in das eine oder andere Fettnäpfchen getreten bin, weil man vermutlich grundsätzlich immer was falsch macht, wenn man sich als männlicher Künstler eine weibliche Heldin ausdenkt. Entweder ist sie zu maskulin, oder zu feminin, oder zu sexualisiert, oder ihre weiblichen Probleme werden nicht einfühlsam genug geschildert... Aber ist vermutlich alles besser als in meinen ersten Romanen, wo Frauen eigentlich nur als absolute Randfiguren aufgetreten sind. (In Unity 1 gibt es gerade mal drei weibliche Charaktere, und zwei davon werden von den männlichen Helden exekutiert. Ich bin so böse. :pardon: )

  • Ich denke, das ist genreabhängig. Mittlerweile gibt's ja auch eine Menge 'Frauenfilme' und -serien. Da sind dann auch Männer plot device, z.B. der nervige Exfreund, der neue Stecher etc. Vigilante-Movies gibt's ja mittlerweile auch mit weiblichen Protagonisten, da sind dann eben die ermordeten Männer die Motivation für den Rachefeldzug der Heldin (z.B. bei Peppermint).

    Letztlich ist das auch ein Stück weit Interpretations- bzw. Geschmacksache, ob man oder frau einen weiblichen Charakter für überzeugend hält. Wie gesagt, Ripley wird auch von manchen Feministinnen eher als zu 'männlich' wahrgenommen.


    Das Problem mit 'plot devices' besteht natürlich auch darin, dass Filme und Serien ihres möglichen Tiefgangs beraubt werden. Bei Supernatural sind die tote Freundin und die tote Mutter der Jungs am Anfang reine plot divices. Man hätte das schon noch interessanter gestalten können, in dem beide z.B. durch mehr Rückblenden deutlicher als eigenständige Charaktere gezeichnet worden wären.

    Klar, aber ich glaube nicht, dass jetzt das Kühlschrank-Motiv häufig in guten Filmen/Serien umgekehrt zum Einsatz kommt. Und in Filmen/Serien mit vielen Frauen sind die Männer ja nicht unbedingt bloß plot devices im beschriebenen Sinne sondern halt keine Hauptfiguren ... das heißt aber nicht, dass sie jetzt keinen Tiefgang haben können.

    Und, klar, Genre-Filme, die jetzt den männlichen Helden durch eine Frau austauschen, kopieren den plot device nur. Das ist einer der Gründe, warum das meistens nur begrenzt gute bzw. wenig überraschende Filme sind ;-).


    Ich finde Ripley bzw. gerade 'Alien' eigentlich eher progressiv für die Zeit, da das Setting eigentlich eher den Fokus auf den beschissenen Job der Crew legt und sich nicht so sehr mit Geschlechterfragen aufhält.


    'Supernatural' wäre ein klassisches Beispiel für so einen plot device - das wird ja auch später krass zugegeben, als sich Jessica als Vehikel entpuppt, um Sam auf seine Rolle vorzubereiten.

    Da bin ich aber froh, dass in meinem neuen Roman eine weibliche Heldin den Tod ihres Bruders aufzuklären und zu rächen versucht. Dian The Saint ist endlich im neuen Jahrtausend angekommen! :welcome:

    Bin schonmal gespannt, wie meine weibliche Protagonistin aufgenommen wird, und ob ihre Wandlung zur Actionheldin im weiteren Verlauf der Story für Feministinnen ok ist, oder ob ich da in das eine oder andere Fettnäpfchen getreten bin, weil man vermutlich grundsätzlich immer was falsch macht, wenn man sich als männlicher Künstler eine weibliche Heldin ausdenkt. Entweder ist sie zu maskulin, oder zu feminin, oder zu sexualisiert, oder ihre weiblichen Probleme werden nicht einfühlsam genug geschildert... Aber ist vermutlich alles besser als in meinen ersten Romanen, wo Frauen eigentlich nur als absolute Randfiguren aufgetreten sind. (In Unity 1 gibt es gerade mal drei weibliche Charaktere, und zwei davon werden von den männlichen Helden exekutiert. Ich bin so böse. :pardon: )

    Wenn du die Frau als normalen Menschen beschreibst, sollte das eigentlich gut funktionieren.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn du die Frau als normalen Menschen beschreibst, sollte das eigentlich gut funktionieren.

    Denke schon, dass ich das tue. Ich hab ja jetzt auch nicht deshalb einen weiblichen Charakter genommen, weil ich damit irgendwelche sexuellen Gefühle ausleben oder beim Leser stimulieren will, und auch nicht aus Gründen von Männer- oder Frauenhass, oder um ne Quote zu erfüllen Es hat sich eben einfach so ergeben. Genau, wie es sich bei den alten Romanen eben einfach so ergeben hat, dass es fast nur männliche Protagonisten gab. Da hab ich beim Schreiben damals keine Sekunde drüber nachgedacht, um ehrlich zu sein.

    Letztlich sind meine Helden aber üblicherweise sowieso immer kaputte Außenseiter und Individualisten, die nicht so recht in diese Gesellschaft und deren althergebrachte Schubladen und Konventionen passen wollen. Das ist das, worauf es mir eigentlich ankommt, und das gilt natürlich auch im selben Maße für meine weiblichen Helden.

  • Noch eine Kleinigkeit, die Dian vielleicht noch nicht kennt und auf die mensch online mittlerweile insbesondere bei Vertreter*innen der woken Generation Z häufig stößt, ist die Angabe des Pronomens hinter dem Namen, auch wenn letzterer für uns Old Schooler auf den ersten Blick eigentlich eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden kann, z. B. "Tobias (he/his)" oder "Cindy (she/her)". Die geschlechtsneutrale korrekte Formulierung wäre dementsprechend "they/them". Ein absichtliches oder versehentliches 'Missgendern' einer Person brandmarkt den oder die Sprecher*in (in der Regel ein Boomer oder eine terf, die das Patriarchat internalisiert hat) als transphobes Stück Scheiße und setzt ihn oder sie dem Zorn der Gerechten aus.

    Für Dian, der ja aufgrund seines Nicks auch schon als weiblich gelesen missgendert wurde, empfehle ich daher aus Gründen der Eindeutigkeit, sich in Zukunft wie folgt zu schreiben: "Dian (he/his)" :hammer:

  • Es gibt eine Menge genderneutrale Pronomen, u.a. xier, xie, nin, sier, sif, es, per oder dey.

    Die sagen / schreiben dann ernsthaft: Xie hat sich ein Bier gekauft. Nin hat seinen Vater geschlagen. Dey war kacken.


    Dian, kommentieren Sie, bitte!