Aufgrund der offensichtlichen Faktenlage bin ich mir schon seit langer Zeit sicher, dass es keinen Gott gibt, nicht den einen und auch keinen der anderen 5000. Allerdings befand ich mich lange Zeit in einer Grauzone, in der man mich weder als Atheist oder Theist zuordnen konnte.
Was heißt das genau? Ein Theist und dazu gehört auch der Agnostiker glaubt daran, dass es einen Gott gibt oder geben könnte. Ein Atheist ist sich sicher, dass es keinen Gott gibt. Aber ich habe lange Zeit an einem "Proxy-Gott" festgehalten, also ich habe mir absichtlich einen Gott eingebildet, weil es mir ein gutes Gefühl verschafft hat, so wie ein Kind sich vielleicht eine imaginären Freund erfindet. Ich wurde teilweise religös erzogen, also man ging in die Kirche und betete und es war Konsens, dass es Gott und ein Leben nach dem Tod gibt. Aber als ich älter wurde und damit rational und kritisch denkender, wollte ich mich selber nicht belügen und an etwas "glauben" was es offensichtlich nicht gibt. Ich würde ja auch nicht an Einhörner glauben, nur weil es alle täten, ich glaube ja auch nicht mehr an das Recht des Stärkeren nur, weil es alle tun.
Aber ich wollte auch nicht das gemütliche Gefühl verlieren, dass es da etwas Höheres gibt, dass uns seine Beachtung schenkt, und einen Sinn vorgibt. Denn der Atheist muss sich ja gewiss sein, dass er nur ein zufällig entstandener Biohaufen auf einem Stein ist, der durch einen dunkles Universum fliegt.
Aber in den letzten Tag habe ich mich mit dieser Vorstellung immer mehr angefreundet und meinem anderen imaginären Freund den Rücken gekehrt. Ich habe früher tatsächlich täglich kurz zu meinem Gott gebetet, als Ritual, um jemandem für alles, was passiert und was nicht passiert ist, zu danken.
In der letzen Woche habe ich mein Mindset geändert und nach einer für mich völlig neuen Maxime gelebt, dass tatsächlich nichts Höheres existiert. Vielleicht erscheint der Unterschied zwischen der Einbildung eines Gottes und dem puren Atheismus nicht mehr so groß, aber es hat für mich schon einen großen Unterschied gemacht. Vor allem hat es meine eigene Wertschätzung stark verschoben. Ich als vergänglicher Biohaufen fühle mich mehr wert, als mit einer unsterblichen Seele.
Ich hatte zwischendurch kurz mal das Gefühl, dass da was nun fehlt, aber vielleicht lag das nur daran, dass ich mir mein Gebetsritual abgewöhnt habe, oder was eigentlich viel erschreckender ist, ich habe ein schlechtes Gewissen bekommen, ich habe fast sowas wie Angst gefühlt, "Was wenn es Gott doch gibt, was wenn er mich straft." Würde ich heute die Treppe runterfallen, würde ich das garantiert als Zeichen deuten. Und das ist doch total krass! Was ist das für eine soziale Programierung, die mich so denken lässt, obwohl ich doch rational denken kann?
Ich glaube aber doch, dass mein Leben sich verbessern wird, dass ich mich von diesen Vorstellung endgültig gelöst habe. Obwohl es mir um meinen langjährigen Freund doch schon leid tut.
Mir gefällt die Vorstellung eines Tages tot zu sein immer mehr, es hilft mir mich mehr auf das Jetzt zu konzentrieren.
"Aber was passiert, wenn Du stirbst?" "Das selbe wie vor meiner Geburt."