Um hier mal wieder ein bisschen Leben reinzubringen... Ich dachte, ich provoziere mal wieder ein bisschen.
Nein, nicht, indem ich FCKAFD schreibe. Aber diesen Schriftzug hab ich gerade vorhin, als ich abseits der Wege über die Wiesen gestiefelt bin, auf eine Scheune gesprüht gesehen. (Wohlgemerkt, an der dem Weg abgewandten Seite der Scheune, die man nur zu Gesicht bekommt, wenn man so wie ich durchs Unterholz stiefelt. Was vermutlich außer dem Besitzer der Scheune und der anliegenden Grundstücke niemand jemals in Erwägung ziehen würde.)
Jedenfalls stand da halt FCKAFD, und ich dachte mir nur: Wow, was für super-alternative Helden! Gegen eine Partei zu sein, gegen die so ziemlich jeder Politiker von jeder anderen Partei und die komplette gleichgeschaltete Medienmischpoke hetzt, und die vom Verfassungsschutz beobachtet wird... Das ist in etwa so alternativ, wie wenn man im Dritten Reich FCKKAISERWILHELM an die Wand einer Synagoge gesprüht hätte.
Ich meine, was hat die AFD denn konkret bisher für schlimme Dinge getan, außer Scheiße zu reden? Welche Bürger hat sie mit ihrer Politik in den Ruin oder in den Selbstmord getrieben? Wen hat sie in den Knast sperren lassen? Ich glaube, jede andere große Partei hat bisher mehr Unheil angerichtet, weil die alle schon an der Regierung beteiligt waren.
Es geht mir nicht darum, die AFD zu verteidigen. Ganz sicher nicht. Deren neoliberale wirtschaftspolitischen Ansichten sind zum Kotzen, und diese ganze Anti-Schwulen-Wirhabennixgegenschwuleaberdiesollengefälligstdieschnauzehaltenundunsichtbarbleiben-Scheiße und ihre konservative Familienverherrlichung geht mir auch total auf den Sack. Aber hin und wieder haben sie auch paar vernünftige Ideen, die keine andere Partei hat (Stichwort: GEZ-Gebühren abschaffen). Also es ist halt ne Partei, die andere Ansichten hat als andere Parteien. Das, was eigentlich ja der Sinn von Parteien in einer Demokratie sein sollte. Aber sie wird verteufelt als das ultimative Böse.
Da finde ich den italienischen Ansatz irgendwie sympathischer. Vorhin lief so eine Doku im Fernsehen, wo es darum ging, wie die Italiener dazu stehen, dass sie jetzt eine rechte Regierung haben. Und hauptsächlich war eigentlich der Tenor der, dass es einige gut finden und andere nicht, aber dass es letztlich den meisten nicht so wichtig ist, wer gerade an der Regierung ist, weil die bei denen sowieso fast jedes Jahr wechselt. Und dass die halt lockerer mit ihrer Vergangenheit umgehen und da auch Mussolini-T-Shirts verkauft werden dürfen, auch wenn das nicht jeder gut findet. (man stelle sich das mal in Deutschland mit Hitler-T-Shirts vor...)
Ich finde das irgendwie cool, diesen unverkrampften Umgang. Man muss es nicht gut finden, aber die Vergangenheit wird auch nicht so fanatisch dämonisiert wie bei uns. Natürlich kann man auch sagen, die haben Defizite in ihrer Vergangenheitsbewältigung. Und klar, es gibt den Spruch: Wer nichts aus der Geschichte lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Andererseits, wenn man einfach nur aus der Geschichte lernt, dass der Staat nichts für einen tut und man sich daher auch nicht mit ihm identifiziert sondern eher versucht, an sich selbst zu denken und ihn zu bescheißen, wo immer es geht, dann hat man vielleicht mehr aus der Geschichte gelernt, als wenn man glaubt, nur weil irgendwann in der Vergangenheit mal eine rechtsgerichtete Regierung schlimme Verbrechen verübt hat, sind alle anderen Politiker keine Verbrecher.
Ich glaube, die Deutschen sind einfach geistesgestört. Zuerst macht man den ultimativen Faschismus, um die Welt von allen Juden zu säubern, und 90 Jahre später plagt einen ein geradezu wahnhaftes schlechtes Gewissen, weil die Urgroßeltern so viel Unheil angerichtet haben, und man will nun den ultimativen Antifaschismus und am liebsten die Welt von allen Nazis säubern.
Vielleicht bin ich ja etwas zu oldschool. Aber diese ganze Antifa-Scheiße fing doch im Grunde erst in den 90er-Jahren mit der Wiedervereinigung an. Als die ersten Asylantenheime brannten, weil irgendwelche Assis aus Sachsen noch nie einen Neger gesehen hatten und sich ganz furchtbar erschrocken haben.
Davor, in den 70ern und selbst noch in den 80ern... da war man als Linker ganz selbstverständlich gegen den Staat. Gegen das System. Gegen die Bullen. Gegen die USA. Das war immer der Hauptfeind gewesen.
Die Rechten, die es natürlich damals auch gab, die hat man zwar wahrgenommen, aber man hat in ihnen bei Weitem nicht das Hauptproblem gesehen. (man möge mich korrigieren, wenn irgendwer meint, dass ich hier falsch liege...)
Und heute? Heute scheint so eine Art klassenübergreifender Konsens zu bestehen: Linksradikale, die Regierung, der Verfassungsschutz, die Kirche und die Medien sind sich darin einig, dass Parteien vom rechten Rand wie die AFD die größte Gefahr für unsere Gesellschaft darstellen.
Also entweder, die Linken früher waren alle dumm und hatten Scheuklappen auf den Augen, so dass sie den wahren Feind nicht erkennen konnten. Oder die Linken von heute sind alle dumm und haben Scheuklappen auf den Augen, so dass sie den wahren Feind nicht erkennen können.
Ich persönlich würde mir einfach wünschen, wieder mehr Fuck the System und weniger Fuck AFD an den Wänden zu sehen. Mir erscheint es logischer, dass das dringendste Problem immer diejenigen sind, die über einen bestimmen, und nicht jene, die gern über einen bestimmen wollen würden, wenn sie denn irgendwann mal an die Macht kommen sollten.