Graswurzeln oder Strohfeuer?

  • Lasst die Kinder frei
    Provided to YouTube by Believe SASLasst die Kinder frei · Kilez MoreAlchemist℗ Kilez MoreReleased on: 2017-06-02Author: Kilez MoreComposer: Kilez MoreAuto-ge...
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    Ist das Gras auf der anderen Seite auch grün oder nur angesprüht?

    Wenn ich mir manche Songs der Querdenker anhöre, dann finde ich sie gut, weil sie anarchistische Tendenzen enthalten, z. B. beim oben verlinkten Beispiel von Kilez more.

    Allerdings gibt es, wenn man andere Lieder oder Videos anschaut auch persönliche Differenzen. So finde ich zum Beispiel die Verbindung zu Daniel Ganser seltsam.

    Hört ihr solche Lieder trotzdem oder ist es euch unangenehm bzw. peinlich, von anderen als potentieller Querdenker wahrgenommen zu werden?

    Mir ist das mittlerweile ziemlich egal, wo ich eingeordnet werde. Ich habe meinen eigenen inneren Kompass, an den ich mich halte.

  • Wenn ich mir manche Songs der Querdenker anhöre, dann finde ich sie gut, weil sie anarchistische Tendenzen enthalten, z. B. beim oben verlinkten Beispiel von Kilez more.

    Interessant, dass du das Thema eröffnest, obwohl es für dich doch eigentlich keine Rolle spielt.


    Da Songs mit anarchistischen Tendenzen kein allzu knappes Gut sind im Internets, bevorzuge ich jedenfalls immer die schwurbelfreie Variante.

    Ich meine: wenn die Verknappung da ist, würde ich vielleicht auch die Kartoffeln mit den schwarzen Stellen essen, aber die Frage stellt sich einfach nicht. Und ich bin auch nicht davon abhängig, dass mir noch irgendwer etwas vom Zustand der Welt vorsingt. Dann halt nicht. Zumindest nicht unter diesen Umständen. Ehrlich gesagt, kommen dabei ohnehin nicht so viele neue Erkenntnisse bei rüber. Im Grunde ist Musik ziemlich redundant, weil man sich inhaltlich immer nur für das interessiert, was man eh schon weiß bzw. gutfindet.


    Die Erfahrung zeigt zudem, dass die Vermischung mit fein gestreuten Schwurbeleien bei ansonsten guten Aussagen, im Laufe der Zeit stark zunehmen kann. Wäre halt blöd, wenn du dich dann an die Fersen von jemanden geheftet hast, und durch die Sympathie es nicht mehr mitbekommst, wie du selbst abdriftest, weil ja immer schon ein wenig "verbotenes Risiko" mitschwang. Und wenn man das erst mal verinnerlicht hat, blendet man das beim Hören irgendwann gänzlich aus und verliert den kritischen Bezug. Das war ja damals auch die Taktik der Rechten mit ihren Schulhof-CDs: Die Inhalte in den Alltag transportierten und dann nach und nach bei der Radikalisierung zuschauen. Ich hätte echt keinen Bock auf solche eine unterschwellige Beeinflussung. Und dann noch in meiner Freizeit beim eigentlichen entspannten Genuss von Musik und Kunst.

  • @Unmensch Das Thema hab ich eröffnet, weil ich ja andere Sichtweisen kennenlernen und nicht im eigenen Dunstkreis verbleiben möchte. Ansonsten kann man ja auch Selbstgespräche führen.


    Gerade bei anarchistischen Texten finde ich es auch interessant, wie unterschiedlich sie künstlerisch aufgearbeitet sind.

  • Gerade bei anarchistischen Texten finde ich es auch interessant, wie unterschiedlich sie künstlerisch aufgearbeitet sind.

    Wodurch unterscheiden sie sich denn? Ich kenne es als Aufzeigen vom Fehlentwicklungen, aber auch ein Malen von Utopien. Gibt es noch etwas dazwischen?

    Interessant wird es nämlich gerade dann, wenn es darum geht, konkreter zu werden. Also wenn man zwar die Freiheit der Kinder besingt, dann sich aber rausstellt, dass auch die Familie einen immensen Stellenwert hat, der im Zweifel über den Kindern liegt und sie Vater und Mutter zu ehren haben.

    Auch Länderkonstrukte können künstlerisch in Frage gestellt werden, nur irgendwann wundert man sich vielleicht, warum sich der Künstler so detailliert auf den Konflikt Israel und Palästina beschränkt.

    Meist wird man nicht grundlos zum Schwurbler, sondern weil im Hinterstübchen so einige Dinge nicht ganz rund laufen. Dass Kinder frei sein sollen und niemand selbst von einer Waffe bedroht werden möchte, damit kann sich im Grunde ja jeder auf diesem Planeten anfreunden.

  • Warum denn immer dieses Schubladendenken?

    "Die Schwurbler", "die Rechten", "die Linken", "die Christen" oder was auch immer...

    Ich versuche eigentlich, nicht in diesen Kategorien zu denken, wenn ich Kunst konsumieren, sonst muss ich mir irgendwann ernsthaft Gedanken machen, ob ich noch Braveheart schauen darf, obwohl Mel Gibson doch ein schwurbelndes Arschloch ist und einige rechte Ansichten vertritt. Und der Film Braveheart ist ja dann vermutlich ohnehin auch nur ein Propaganda-Machwerk, ähnlich wie die Schulhof-CD's der Nazis, um unschuldige Bürger für den "nationalistischen Freiheitskampf" zu begeistern.

    Soll ich mir also lieber als politisch korrekter Mensch nur noch Historienfilme anschauen von Regisseuren, die "vernünftige" und unbedenkliche politische Ansichten haben? Und ist es noch ok, Filme mit Johnny Depp zu schauen, oder gar Klaus Kinski gut zu finden?


    Ich finde es ehrlich gesagt etwas engstirnig, alles so wie Unmensch es scheinbar tut zu unterteilen in ungute und gute Künstler.
    Klar, was nun Kilez More angeht, sind die natürlich sehr politisch und machen nicht nur "Kunst", sondern es riecht oft auch etwas nach "Propaganda". Aber darf Kunst nicht auch politisch sein? Sollte sie es nicht vielleicht sogar? Und wenn wir von vornherein sagen, wir konsumieren nur Kunst, mit deren politischer Aussage wir konform gehen... sind wir dann nicht auch nur gefangen in unserer Filterblase, genau wie die Schwurbler eben auch nur in ihrer eigenen Filterblase leben? :hmm:

    Dass Kinder frei sein sollen und niemand selbst von einer Waffe bedroht werden möchte, damit kann sich im Grunde ja jeder auf diesem Planeten anfreunden.

    Naja, letzteres vermutlich schon, aber was die Aussage mit den Kindern angeht, denke ich nicht, dass es da draußen so viele Songs gibt, die sich gegen Schulzwang und das heutige Schulsystem aussprechen. Mir fällt da spontan noch "Im Namen der Kinder" der Anarchonauten ein, was teilweise in eine ganz ähnliche Richtung geht.

    Daher ist mir der oben verlinkte Song von Kilez More auch eigentlich recht sympathisch.

    Ob sie die Hörer damit bewusst "anfixen" wollen, damit man später auch ihre israelkritischen Songs konsumiert und dadurch zum Judenhasser wird, glaube ich jetzt mal eher nicht. Sie haben eben ihre Ansichten, und mir sind Künstler mit eigenen Ansichten, die ich vielleicht nicht alle teile, immer noch lieber als Künstler ohne eigene Ansichten, denn die sind oftmals komplett austauschbar.

  • Hört ihr solche Lieder trotzdem oder ist es euch unangenehm bzw. peinlich, von anderen als potentieller Querdenker wahrgenommen zu werden?

    Wenn mir ein Lied richtig gut gefällt, hör ich das einfach unabhängig von solchen Fragen. Aber wenn es darum geht, einen Künstler aktiv zu unterstützen, z.b. indem ich seine Alben kaufe oder seine Shirts trage, schau ich schon genauer hin. Ich hör zum Beispiel gern mal Burzum, was manch einer unmöglich findet. Die Tracks sind unpolitisch, aber der Künstler dahinter ist ein verurteiler Mörder und labert auf seinem Youtubekanal gern rechten/völkischen Stuß, mit dem ich nichts zu tun haben will. Ich würde zum Beispiel nicht mit Burzum-Shirt rumlaufen, stehe aber dazu, dass ich seine Musik von früher gerne höre. Was du da verlinkt hast, finde ich inhaltlich z.b. okay, aber das gibts halt anderswo bestimmt auch zu hören, nur ohne Verschwörungsgedöns. Da wüsste ich jetzt keinen Grund, mich großartig weiter mit dem Künstler zu beschäftigen, weil mir solche Themen halt grundsätzlich zu blöd sind. Etwas vergleichbar geiles wie Burzum zu finden, halte ich dagegen schon für schwieriger :miffy:

    Ich such mir meine Musik jedenfalls vorrangig nach den Gefühlen aus, die sie auslöst und nicht weil mich gesellschaftskritische/politische Aspekte ansprechen. Die stoßen mich generell eher ab, aber manchmal passt halt auch beides. Wenn man nen Song vom übelsten Querdenker als extrem geil empfindet, soll man ihn halt hören, es wird schon gute Gründe dafür geben und solang man deshalb nicht gleich mit ein paar Vollidioten den Reichstag stürmt, juckt das doch keinen ,was man sich auf die Ohren gibt.

    Gegen die Sinnlosigkeit des Lebens kommt man nicht an, aber man kann drüber lachen und dem Universum stolz den ausgestreckten Mittelfinger zeigen.

  • Ob sie die Hörer damit bewusst "anfixen" wollen, damit man später auch ihre israelkritischen Songs konsumiert und dadurch zum Judenhasser wird, glaube ich jetzt mal eher nicht.

    Nein, diesen stumpfen Kurs fahren eher die Nazis. Was ich meinte, hatte ich anders beschrieben: Man hört jemanden, weil man gut findet, wie er sich für eine Sache ausspricht. Bei genauer Betrachtung ist das aber lediglich etwas, dem jeder auf dem Planten irgendwie zustimmen kann. Trotzdem ist der Einstieg geschafft. Später wird es dann komplexer - nicht weil der Künstler damit einen Verführungsplan beabsichtigt, sondern weil es weitere Anliegen gibt, die ihm am Herzen liegen. Und genau deshalb ist er auch viel tiefer im Stoff drin als der Hörer. Plötzlich kommt irgendwas mit Israel und einem Grenzgebiet. "Hm Ja, keine Ahnung, worum es da geht, aber der Refrain geht echt mächtig ins Ohr. Direkt mal mitsingen und meinen Freunden zeigen."


    Ich hätte einfach keine Lust, bei jedem Song im Unterbewusstsein zu zweifeln, ob ich hier gerade irgend einen Schwachsinn abfeiere, von dem ich sogar weiß, dass der Künstler diesem Thema nahesteht und höchst fragwürdige Positionen hat.


    Filme sind da eher ein schlechtes Beispiel. Überträgt man das auf die Musik, dann ist es mir tatsächlich recht egal, ob der Toningenieur irgendwelchen Dreck am Stecken hat. Er ist lediglich ausführendes Glied - wie beim Film der Schauspieler. Auch ein Regisseur macht nichts anderes, als den Stoff eines Drehbuchautoren umzusetzen. Aber wenn dieser Autor schon Huldigungsdokus über Hitlers stolze Wehrmacht produziert hat, dann wird er einfach nicht auf meiner Watchlist landen. Ganz einfach.


    Im Grunde könnte man den Thread direkt ummünzen auf die Frage, wer hier freundschaftliche Kontakte zu Nazis unterhält.

    Klar, der Ingo zweifelt am Holocaust und findet, dass es in Deutschland wieder einen gnadenlosen Reichskanzler braucht, aber der zweifelt eben auch an der staatlichen Schulpflicht und findet, dass es in Deutschland wieder so gesittet zugehen soll wie vor der Zeit, als der Turbokapitalismus uns alle gegeneinander hat konkurrieren lassen.

    Wieso sollte so jemand nicht mein bester Freund sein, mit dem ich alles teile? Wie wahrscheinlich kann es sein, dass wir uns bald gehörig in die Haare bekommen und er dann sein wahres Gesicht zeigt (was eigentlich schon längst passiert ist, ich mich aber habe einlullen lassen ob seiner Themen von Anti-capitalism und freien Kindern... und jetzt schwadroniert er, in die afd einzutreten und sich dort für völkische Lerngruppen einsetzen zu wollen).


    Wehret den Anfängen.

  • @Unmensch Also ich kann durchaus differenzieren. Mein Hirn ist nicht so beschränkt, dass ich, wenn ich ein Lied gut finde, dann ausnahmslos alles glaube oder alles weitere toll finde, was der Künstler sonst noch so fabriziert.


    Und ich habe mittlerweile kein Problem damit, mich mit allen Menschen zu unterhalten und schäme mich dafür nicht. Wenn jemand extrem krasse Ansichten vertritt und dabei bleibt, werden wir halt keine Freunde und es wird eher nicht zu einem zweiten Kontakt kommen, aber Vorurteile finde ich ziemlich uncool. Es gab ja auch schon einige Beispiele in der Geschichte, in denen Anarchisten selbst Faschisten durch Kontakt und Dialoge zum Umdenken gebracht haben. Zwar bin ich auf keinem Missionierungskurs unterwegs und meide eher den Kontakt zu Hardlinern, aber ich will mich auch nicht wie ein 10-jähriges Kind verhalten und meine Augen zuhalten und dadurch denken, dass der andere jetzt weg sei, wenn ich das tue. :)


  • Ich würde mir das verlinkte Lied nicht freiwillig anhören, weil es nicht meine Musik ist ;)


    Ansonsten sehe ich das ähnlich wie Ya, wobei ich derzeit mit Burzum nicht mehr so viel anfangen kann. Hab ich aber früher ganz gerne gehört. Auf politische Botschaften in Songs kann ich ehrlich gesagt genauso gut verzichten wie auf politische Slogans auf T-Shirts. In der Musik suche ich Emotionen, Eskapismus, Nostalgie, Lebensgefühl etc, und weniger irgendwelche Botschaften.

    Wenn mir eine Person extrem unsympathisch ist, kann ich dies zudem nur schwer ausblenden und mir ihre Musik anhören. Kommt aber immer auf den Einzelfall an. Dissection und Mgla laufen auch bei mir, wenngleich die Personen dahinter wohl fragwürdig sind. Ich kenne viele Leute, die sehr viel Aufmerksamkeit für die Grauzone-Debatte aufbringen. Teilweise wird hier ziemlich über's Ziel hinausgeschossen und die falschen Bands werden gecancelt. Ich versteh gut, dass man bestimmte Tendenzen nicht unterstützen will. Ich hab mich selbst lange Zeit z.B. von Black-Metal-Konzerten ferngehalten. Es ist letztlich eine Abwägungssache, die nicht immer eindeutig ist. Dennoch gibt es für mich sicherlich bedeutendere Dinge, als sich auf irgendwelche Künstler zu fokussieren. Bands von der Setlist kicken und Typen mit den falschen Patches nachstellen, aber das Maul halten, wenn Islamisten Menschen töten - das ist nicht mein Verständnis von Antifaschismus, wird aber leider von vielen so praktiziert.

  • Ich glaube, ich brauch mich dazu nicht äussern :D


    Ich nehme aber wahr, wie einerseits Leute dazu übergehen, politische Botschaften in Form von Kunst zu verpacken, weil man sie anders noch viel weniger äussern kann, ohne auf der Abschlussliste zu stehen.


    Zum anderen ist es in dem Kontext natürlich nicht verwunderlich, dass Regime früher oder später immer auch Künstler verfolgt haben.


    Nachtrag: Und zum dritten nehme ich natürlich auch eine entpolitisierung samt duckmäusertum auch in der Kunstszene wahr.