Ein kleiner (frustrierender) Ausflug in die Politik

  • Ich habe in den letzten Monaten ein Versuch unternommen, den vielleicht ein paar andere eher zynischere Menschen hier im Forum schon im vorhinein, als zwecklos betrachtet hätten. Nämlich das Politische Engagement. Politisch ist das Forum ja dann schon, auch wenn sich das eher auf das einseitige Abkotzen über irgendwelche Trendigen Themen beschränkt, und es eher selten um aktive Politik jenseits von Wahlen geht.


    In den letzten Monaten war das bei mir mal anders denn ich war an einer Politischen Bewegung beteiligt, bzw. bin es immer noch und genau genommen nicht irgendwelche Politik sondern es ging um Arbeitskampf. Denn als Tutor an einer Universität habe ich mich dafür eingesetzt das die Studentischen Beschäftigten in den Tarifvertrag der Länder (TV-L), mit aufgenommen werden und insgesamt mich für bessere Bezahlung und längere Vertragslaufzeiten eingesetzt die im Idealfall in einem Tarifvertrag für uns festgeschrieben werden. Dafür hab ich Streiks organisiert mit vielen anderen studentisch Beschäftigten gesprochen, sie versucht zu organisieren und dazu zu bringen sich an den Streiks zu beteiligen. Unter anderem bin ich auch in andere Städte gefahren und so weiter und so fort, ich hab da schon viel Zeit und Energie neben meinem Studium reingesteckt. Insgesamt war das auch eigentlich schön, ich hab viele neue Leute kennengelernt, aus anderen Städten aber auch in meiner Stadt, die wirklich super kompetent sind, was organisation von solchen Dingen angeht. Das war wirklich etwas schönes.


    Aber im Gegensatz zu anderen politischen Unternehmungen ging es bei uns nicht darum irgendwelche abstrakten Wünsche auf Demos abzulassen sondern ganz Konkret um die Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen und daran kann man jetzt auch unseren Erfolg bzw. Misserfolg messen. Denn wir hatten eben ganz konkrete Forderungen und da vor ein paar Tagen die letzte Verhandlungsrunde war ist es jetzt Vorbei und ich muss mich nun mit dem Ergebnis abfinden. Zu den positiven dingen wir haben jetzt eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr erkämpft und das ist wirklich gut. Zu den negativen Dingen, wir haben kein Tarifvertrag und sonnst auch nichts. Im Prinzip wurden wir auf 2025 vertröstet, da dort dann die nächsten Verhandlungen sind und man da dann noch mal gucken kann wie das mit dem Tarifvertrag aussieht. Es ist auf jeden Fall eine Verbesserung mit den Mindesvertragslaufzeiten aber insgesamt wirkt es so als ob wir mit dem Minimum abgespeist wurden. Und das ist frustrierend. Unsere Bewegung hat wirklich viel gemacht innerhalb der TV-L Verhandlungen und von seiten Ver.di haben wir Verbal viel dank bekommen für unser Engagement, leider fühlt es sich so an als ob es dabei geblieben und in den Verhandlungen uns ein paar Zugeständnisse gemacht wurden, weil man uns ja nicht komplett lehr ausgehen lassen konnte, es dabei aber belassen wurde, weil wir denen am ende dann vielleicht doch nicht so wichtig waren wie sie es uns gesagt haben oder man sich eben dachte dass man so mit uns umgehen kann. Deshalb bin ich frustriert.


    Es gibt aber deutlich mehr von denen ich enttäuscht bin. Vor allem sind da die Finanzminister der Länder mit denen wir Verhandelt haben. Was ich da von den Verhandlungen gehört hab war echt böse. Angebote um uns von den normal TV-L beschäftigten zu Spalten, super freche Aussagen und Angebote an uns und so weiter. Und natürlich waren die ganzen Finanzminister der einzelnen Bundesländer im vorhinein total für einen Tarifvertrag für uns. Denn 11 Landesregierungen haben sich im Koalitionsvertrag eigentlich dafür ausgesprochen. Dann in den Verhandlungen haben die sich wie ein Wunder dann doch um entschieden und Geschlossen sich gegen einen Tarifvertrag für uns positioniert... Aber da ist es halt auch wieder so dass die halt eben unsere Feinde sind deshalb sollte man da sowieso wenig Erwarten und deren Haltung war im Vorhinein auch abzusehen.


    Und dann sind natürlich die anderen Beschäftigten. Einmal die Opfer die eigentlich ganz zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen sind. Dann die, die das prinzipiell gut finden, teilweise sogar auch zu Streiks zugesagt haben dann aber im letzten Moment dann doch kein Bock hatten, als es darauf ankam. Diese Opfer haben es natürlich nicht anders verdient aber leider bin ich auch davon betroffen...


    Also Fazit, irgendwas hat es gebracht, die Mindestvertragslaufzeit ist wirklich echt gut für mich, also es hat sich gelohnt aber im Moment bin ich trotzdem sehr frustriert.


    Wie sieht es denn bei euch aus? Habt ihr euch schon mal politisch für irgendwas eingesetzt und hat es geklappt? Wie steht ihr zu Gewerkschaften? Seit ihr Mitglieder und ward auch schon mal bei Streiks beteiligt? Oder bekommt ihr darüber was mit? Habt ihr was von dem TV-L-Streiks was mitbekommen? Vielleicht auch spezifisch von den Streiks der studentisch beschäftigten? Und wie steht ihr zu Streiks? Gut oder eher tendenziell neutral bis die paar Jahre in denen die GDL mal wieder die Züge lahmlegt und ihr euch dann ein bisschen da rüber echauffiert, wie es sein kann dass die Lokführer euren Arsch nicht von A nach B bringen.

    Wald, Hochwald, Holzfällen - Thomas Bernhard

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  • Am Ende meiner Studienzeit habe ich mich an den Protesten gegen die neuen Studiengebühren in Bayern beteiligt, inklusive Besetzungen von Uni-Gebäuden und, nun ja, einer Autobahn (letzteres war zumindest für mich spontan und eher nicht die Aktionsform, die ich persönlich wählen würde, wenn ich zu den Organisatoren gehören würde. Aber es war zumindest mal eine 'Erfahrung'). Nun wurden die Gebühren im Rahmen eines Volksentscheids nach dem Ende meines Studiums wieder abgeschafft, und sicherlich haben die Proteste ihren Teil dazu beigetragen. Ich muss allerdings sagen, dass mich die kleinkarierte Mentalität vieler Studis eher frustriert hat. Einem großen Teil ging es ums reine Handaufhalten und ich hatte eher den größeren Zusammenhang im Blick, der eine Solidarisierung mit anderen sozialen Kämpfen miteinschloss - die 'soziale Revolution' eben. Ich denke, diese Fixierung auf die eigene Situation ist ein durchgehendes Problem. Denn erst wenn es gelingt, Kämpfe zu verbinden, können wir anfangen, tatsächliche Alternativen zum Bestehenden zu entwickeln. Die Bereitschaft dazu sehe ich eher weniger - hinzu kommt, dass es nun einfach zu tiefgreifende Bruchlinien gibt, die eine Spaltung von linken bzw generell kapitalismuskritischen Strömungen bedeuten.

    Eher in der Zuschauerrolle war ich in Bezug auf die Krisenproteste in Griechenland in den Jahren ab 2009. Hier haben wir das absehbare Scheitern des Linksreformismus erlebt, und in den Jahren nach meiner Zeit dort auch die massive Repressionswelle gegen Anarchisten und Anti-Autoritäre. Dennoch war es eine sehr intensive, erfahrungsreiche Zeit, die im Grunde alles relativiert hat, das ich beispielsweise in Deutschland erlebt habe.

    Zum Thema Antifaschismus könnte ich sehr viel sagen (bzw hab es ja schon in früheren Beiträgen). Ich würde an dieser Stelle nur speziell 2015 hervorheben, ein Jahr, in dem wir es regional doch geschafft haben, rechte Mobilmachungen gegen Flüchtlinge massiv zu sabotieren. Wer nun einwenden mag, dass sich diverse Befürchtungen bewahrheitet haben, dem würde ich entgegnen, dass es hierum zunächst mal nicht ging. Das Erstarken rechter Gruppen muss so oder so verhindert werden, und das ist in dem konkreten Kontext auch gelungen. Den Aufstieg der AfD in den kommenden Jahren muss man multikausal betrachten, hier stießen kleinere antifaschistische Zusammenhänge an ihre Grenzen. Ich will eigentlich an dieser Stelle nicht viel mehr zu dem durchgekauten Thema sagen. Konkrete Beteiligung an Streiks gibt es von meiner Seite aus nicht, da die persönliche Betroffenheit nicht gegeben war als Einzelkämpfer auf dem freien Markt.

  • Also Fazit, irgendwas hat es gebracht, die Mindestvertragslaufzeit ist wirklich echt gut für mich, also es hat sich gelohnt aber im Moment bin ich trotzdem sehr frustriert.

    Diesen Frust haben in der langen Geschichte des Arbeitskampfes vermutlich schon sehr viele Menschen verspürt, die sich für etwas engagiert haben.

    Tröste dich halt damit, dass auch diese kleinen Fortschritte wichtig sind, damit sich zumindest irgendwas bewegt, und dass du mit dazu beigetragen hast, vielen anderen denen es auch so geht wie dir, eine Stimme zu geben und sie etwas sichtbarer zu machen.

    Viel mehr ist vermutlich nicht drin gewesen. Dafür fehlt eben auch so ein richtig gutes Druckmittel, wie es z.B. die Lokführer haben oder die Fluglotsen. Wenn die mal einen Tag die Arbeit niederlegen, ist es fast schon eine volkswirtschaftliche Katastrophe. Wenn der Tutor nicht kommt, fällt halt eine Vorlesung aus und die Studenten freuen sich über den freien Tag. ;) (jetzt natürlich etwas überspitzt formuliert...)


    Generell denke ich mir, dass politisches Engagment auf den unteren Ebenen vermutlich eine ziemliche Sisyphusarbeit ist und es mitunter recht frustrierend sein kann, wenn man realisiert, dass der Einfluss eines Einzelnen eben begrenzt ist im großen Weltgetriebe. Mir selbst würde auch komplett die soziale Kompetenz für sowas fehlen. Aber vielleicht ist ja auch manchmal der Weg das Ziel, die Kontakte, die man dabei knüpft, und die Erfahrungen, die man währenddessen sammelt.

  • Ich muss allerdings sagen, dass mich die kleinkarierte Mentalität vieler Studis eher frustriert hat. Einem großen Teil ging es ums reine Handaufhalten und ich hatte eher den größeren Zusammenhang im Blick, der eine Solidarisierung mit anderen sozialen Kämpfen miteinschloss - die 'soziale Revolution' eben. Ich denke, diese Fixierung auf die eigene Situation ist ein durchgehendes Problem. Denn erst wenn es gelingt, Kämpfe zu verbinden, können wir anfangen, tatsächliche Alternativen zum Bestehenden zu entwickeln

    Ich versteh dein Punkt aber um es mal ganz Stumpf zu sagen, ich wäre deutlich glücklicher wenn es mehr von diesen kleinkarierten Menschen gegeben hätte. Die meisten die ich tatsächlich zum Streik bringen konnte waren eben solche die Kurz vor ihrem Ende des Studium sind. Also die die das vor allem ideell Unterstützt haben und nicht weil sie noch zwei Jahre als studentisch Beschäftigte arbeiten.

    Also mehr Konsquenz in deren Kleinkariertheit hätte mir eigentlich eher geholfen.

    Wald, Hochwald, Holzfällen - Thomas Bernhard

  • Tröste dich halt damit, dass auch diese kleinen Fortschritte wichtig sind, damit sich zumindest irgendwas bewegt, und dass du mit dazu beigetragen hast, vielen anderen denen es auch so geht wie dir, eine Stimme zu geben und sie etwas sichtbarer zu machen.

    Viel mehr ist vermutlich nicht drin gewesen.

    Ja klar am ende bleibt einem ja auch nichts anderes übrig. Wir haben mittlerweile auch darüber geredet und jetzt auch hier an meiner Uni beschlossen wie wir weiter machen wollen, denn uns ist natürlich klar, dass das nicht das Ende sein kann. Die nächsten Verhandlungen sind leider erst in zwei Jahren aber bis dahin müssen wir natürlich versuchen unsere Orga-Strukturen zu erhalten, damit 2025 ein neuer Versuch gestartet werden kann. Wir haben auf jeden Fall alle viel gelernt, was man ja auch nicht vergessen darf, war das dieses Jahr das erste mal, an dem bei uns an der Uni gestreikt wurde. Der Anfang ist natürlich schwierig. Vor allem war es bei uns auch lange überhaupt nicht klar ob wir Thema der Verhandlungen aus diesem Jahr sein würden. Und diese Hürde haben wir für 2025 jetzt schon geschafft.

    Um mal tatsächlich was positives mit rauszunehmen, ich denke schon dass wir eine gute Grundlage für 2025 geschaffen haben. Es ist natürlich scheiße dass die nächsten Verhandlungen erst 2025 stattfinden aber das ist halt jetzt so.

    Wir versuchen deshalb die Zeit zu nutzen, um einmal unsere Strukturen zu erneuern, möglichst mit Personen die 2025 noch dabei sind, denn viele bei uns wechseln bis dahin die Uni oder sind fertig mit ihrem Studium. So findet dann im Idealfall ein Wissenstransfer statt.


    Gleichzeitig gibt es natürlich hier an der Uni auch was zu tun, einmal müssen wir uns jetzt mit dem Personalrat an der Uni vernetzen damit der guckt, dass die erkämpften Mindesvertragslaufzeiten auch eingehalten werden und wir versuchen eine Politische Kampagne zu starten um das Hochschulgesetzt zu erneuern, für einen eigenen Personalrat der direkt die studentische Beschäftigten vertritt. Denn bis jetzt gibt es in NRW dazu kein recht und das wollen wir ändern. Jetzt ist aber erst einmal Weihnachtspause :D

    Generell denke ich mir, dass politisches Engagment auf den unteren Ebenen vermutlich eine ziemliche Sisyphusarbeit ist und es mitunter recht frustrierend sein kann, wenn man realisiert, dass der Einfluss eines Einzelnen eben begrenzt ist im großen Weltgetriebe.

    Das stimmt vielleicht. Der vorteil aber an Gewerkschaftlicher Jugendarbeit ist immerhin das die viel Geld haben. Das ist schon angenehm wenn die Gewerkschaft einem richtige Hotels zahlt oder bei Tagungen ein vernünftiges Catering existiert. Jetzt für die Ver.di Jugend Weihnachtsfeier geht es zum Beispiel in ein Restaurant. Also die Mitgliedsbeiträge hab ich schon mehrere Male wieder rein bekommen :D irgendwann wollten die uns auch noch als dank für unser Engagement zum Pizza essen einladen, nächstes Jahr.

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