Ich weiß nicht mehr weiter ...

  • Hallo Lissaminka ,wie ist es dir ergangen in der Zwischenzeit? Ich hoffe du bist mit deinem Thema an die Öffentlichkeit gegangen aller Schwierigkeiten zum Trotz?

    Ich habe gerade einem Buch eine weitere Internet Adresse entnommen: Kompetenznetz Depression. Vielleicht ist das hilfreich?

    Das Buch ist ebenfalls sehr interessant, der Inhalt besteht aus Forenbeiträgen und jeweils fachliche Erklärung dazu.

    (Schattendasein- Das unverstandene Leiden Depression)

    Hätte nie gedacht dass dieses Thema derart umfassend ist.

    Es wird alles haarklein erläutert und was gut ist, dass man die Postings lesen kann ohne sich davon betroffen zu fühlen, aber sich dabei gleichzeitig verstanden fühlt.

    Ich kann übrigens nicht zum Arzt gehen, weil ich dort vor der anderen Person komplett zu mache, aber unverbindliche Gespräche oder eben die Info und Erklärungen darüber helfen viel mehr.

    "Persönlich" vor jemandem zu sitzen, wenn es dabei auch noch um meine Person geht, geht halt überhaupt nicht klar irgendwie.

    Ich hoffe du findest etwas für dich hilfreiches. Je früher desto besser.

  • "Persönlich" vor jemandem zu sitzen, wenn es dabei auch noch um meine Person geht, geht halt überhaupt nicht klar irgendwie.

    Wo ein Wille, auch ein Weg.

    Wenn der Therapeut bereit ist, würde sich schon was finden. Sei es zuerst telefonisch, zum Rantasten.

    In der heutigen Internetzeit, gibt's eigentlich sehr viele Möglichkeiten.


    Aber ich versteh das. Finde das auch ultra anstrengend.

    Es lebe die Freiheit, die Meinungsäußerung und der Respekt anderen gegenüber.


    Will man einen Menschen genauer beurteilen, so muß man die Geschichte seiner Kinder- und Jugendjahre kennen.

    - August Bebel

  • Wo ein Wille, auch ein Weg.

    Wenn der Therapeut bereit ist, würde sich schon was finden. Sei es zuerst telefonisch, zum Rantasten.

    In der heutigen Internetzeit, gibt's eigentlich sehr viele Möglichkeiten.


    Aber ich versteh das. Finde das auch ultra anstrengend.

    Das war nur ein Beispiel. Es geht hier ja nicht um mich. Aber telefonische Beratung hat mir auch erstmal geholfen, das stimmt und ist ne Möglichkeit.

    Auch dass man die Erkrankung immer wieder kleinredet stimmt. Sie ist eben gesellschaftlich geächtet und zu unverstanden weil, ich denke, das Spektrum sehr groß ist.

    Mit einer Diagnose Depression kann man auch erstmal nichts anfangen, aber dabei bleibt es aus Schilderungen der Betroffenen leider oft.

    Selber reicht oftmals die Kraft auch nicht aus am Ball zu bleiben, wenn sämtliche andere alltägliche Dinge einen bereits erschöpfen.

    Ist eben ein langer Weg manchmal, deswegen sagte ich, je früher desto besser.

  • @Miriam Es ist nett, dass du fragst.

    Ich danke dir für die Buchempfehlung, da werde ich drüber schauen. Ich kann deine Barriere übrigens sehr gut nachempfinden. Es ist viel schwieriger, zu sprechen als seine Gedanken klar und direkt in ein Textfeld zu transformieren (abgesehen davon, dass diese manchmal nicht zu erfassen oder in Worte zu kloppen sind, da kommt bei mir häufig die Lyrik ins Spiel). Besonders bei der vollkommenen Anwesenheit, sowie Aufmerksamkeit eines Gegenübers, hält mich etwas davon ab, zu reden. Gesagtes hat selten die gleiche Intensität wie Geschriebenes, obwohl das wohlgemerkt allgemeingeltend für Sender und Empfänger ist. Möglicherweise nimmt man sich auch mehr Zeit, es gewünscht zu artikulieren.

    Ich schweife vorbei, für dich war die Problematik, sich in der Präsenz anderer zu öffnen.


    Es hat sich in der Zwischenzeit bei mir nicht wirklich viel ins Positive geändert und auch „die Öffentlichkeit” hat weiterhin nicht den blassen Schimmer von dem, was in meinem Kopf vorgeht. Ich bin weiterhin bei der Online-Beratung, investiere Kraft in diese Antworten, doch was kann ich schon erwarten? Die Antworten, die ich erhalte, sind bemitleidend, sie erklärt wie oder warum sie das nun schreibt, stellt fragen und wünscht mir einen schönen Tag. Möchte es nicht schlechtreden, ich sollte Dankbarkeit empfinden. Und doch ist mein erster Gedanke nach jeder ihrer Antworten ein „Ok ... und nun?”. Ich bin mir durchaus dessen bewusst, dass mir niemand helfen kann, insofern ich selber nichts unternehme. Selbstverständlich benötige ich eine andere Umgebung, sonst ist das hier meine Endstation (ich wünschte, so wäre es jetzt einfach). Ich kann es noch unzählige Male wiederholen und mache trotzdem weiter, setze diesen Alltag fort, quäle mich eben weiterhin dazu, aufzustehen, die Schule abzuhocken, zu Hause auf die Nacht und auf den Schlaf zu warten, um diesen vor dem nächsten Tag hinauszuzögern. Innerlich permanent jeden dieser Orte zu verfluchen und mir dabei auszumalen, wie viel geistigen Schaden mein Abgang für Umstehende tatsächlich anrichten würde.

    Ich fühle mich an meinen Alltag gebunden. Die Vorstellung, diesen planmäßig auf einen Schlag ewig zu ändern, macht mich handlungsunfähig. Die Reaktion meiner Eltern kann ich mir nicht ausmalen. Die meiner Oma wäre negativ. Meinen kleinen Bruder alleine zu hinterlassen mit diesen Leuten wäre nichts als grenzwertig.

    Nein, meine eigene Feigheit ist grenzwertig. Es ist erbärmlich. Zu feige, mich zu stellen, zu feige, mir selbst zu helfen, zu feige, es zu beenden. Allerdings betrifft Letzteres nur akute Situationen, in denen meine Gleichgültigkeit den Pegel erreicht, dass ich mir nur einen Ruck geben könnte. Nur noch einen hauchfeinen Ruck und es wäre vorbei. Alles so hypothetisch. So leichtsinnig. So hautnah, dass es zu einem persönlichen Anteil von mir verschmilzt und nun aus dem Inneren heraus expandiert. Und doch ist es so weit entfernt ...

    Wovor fliehe ich?


    Auch die scheinbare Hilfe befindet sich in unmittelbarer Nähe. Es ist nur einen Atemzug entfernt, einen halben Herzschlag, wenn überhaupt. Ich könnte zum Lehrer gehen, meine Gedanken rausposaunen, für wahnsinnig erklärt und eingeliefert werden. Ich könnte es der Beratungsstelle schreiben, weil sie aus Eigenschutz verpflichtet dazu sind, einzugreifen. Ich könnte den Notruf wählen, sagen, dass ich mir etwas antue oder einem X-beliebigen Bürger das gleiche andrehen, sodass er den Anruf für mich übernimmt. Das stelle ich mir gerade unheimlich witzig vor.


    Es wäre obsolet, mich für wahnsinnig zu erklären, denn das kann ich offenbar auch sehr gut selber. Oder, @mi san thrope, hast du häufiger zitiert. Albert Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.” Eigentlich erwarte ich überhaupt keine Ergebnisse mehr.

    Den verbleibenden wahren Lebenswillen saugt mir die Derealisation aus, verzerrt meine Wahrnehmung stets in diese künstlich wirkende Realität, welche ich fast anzweifeln muss. Es ist mittlerweile noch viel stärker geworden und lässt jede Intensität in der Wahrnehmung und Natur gänzlich blassen und verschwimmen. Draußen fühle ich mich wie benebelt, alles dumpf, entfremdet und ich habe den Eindruck, dass die Realität, nein, mein Bewusstsein abschweift, was mich in diesen Augenblicken häufig zur Panik verleitet. Habe das Bedürfnis, während ich unterwegs bin, die Augen zu schließen und einzuschlafen oder mich an Ort und Stelle belanglos hinzulegen.


    Eine recht amüsant zu betrachtende Endlosschleife, die dich jedoch mitzerrt bis du an dieser zähen Masse elendlich erstickst. Auch wenn es dich immer einholt, sobald du Luft holst und du erneut Schmerzen ertragen musst - diese Gleichgültigkeit hat was. Auch der Leichtsinn, nicht zu beschreiben, es vermittelt mir ein Stück weit das Gefühl von dieser undefinierbaren Freiheit und Traumwelt. An diesen Tagen bleibe ich von der quälenden Unterträglichkeit unangetastet und habe sogar ausreichend Kraft zur Kommunikation mit ein paar Buchstaben mehr.


    Was soll's. So sieht es gerade aus.

  • Den verbleibenden wahren Lebenswillen saugt mir die Derealisation aus, verzerrt meine Wahrnehmung stets in diese künstlich wirkende Realität, welche ich fast anzweifeln muss.

    Die DR ist schon eine Tragödie.

    Ich weiß noch, als es bei mir anfing, es war reinstes Chaos, es war ermüdend und alles war immer so dramatisch endgültig.


    Ich habe bewusst die DR nicht als Teil von mir gesehen, quasi "die Krankheit" ist Schuld, sie macht das. Und jetzt habe ich den Salat, die Krankheit bin schlussendlich auch ich. Sie ist ein Teil von mir und hat genauso eine Berechtigung da zu sein. Auch wenn es nicht immer logisch erscheint. Oder der Zweck eigentlich schon erfüllt wurde.

    Aber weggehen will es nicht. Vielleicht will ich es auch nicht?

    Zu groß die ungreifbare Angst, was dann noch übrig bleibt, nach so vielen Jahren damit...


    Gibt es Dinge, die es abschwächen bei Dir? Reize, Hobbys, Musik?

    Was ich auch in Gruppen (von Betroffenen) lese, ist, dass es hilft, die Dinge trotzdem zu tun, die man tun will.

    Also sich nicht einschränken lassen dadurch, sonst entsteht ein Teufelskreis.


    Aber ich schätze, Du bist auch bei dem Punkt angelangt, wo Du das Gefühl hast, nichts zu Wollen. Einfach nur, dass es aufhört. Einfach nur schlafen, weil nicht-wach-zu-sein besser ist als diese verkorkste plastische "Realität".

    Ich wünschte, ich könnte Dir einen goldenen Rat geben. Aber ich habe selber keine Lösung gefunden und schwimme mit den Auf und Abs der Launen.

    Was ich aber weiß, sofern das bei Dir geht: Nimm Dich und Deine Gefühle (die Du spürst) ernst. Aber nicht zu ernst.

    Oft sind Gefühle Reaktionen auf etwas Altes/Vergangenes. Die Kunst ist, zu lernen, dass zu unterscheiden und mit beiden Ergebnissen umgehen zu lernen.

    Es lebe die Freiheit, die Meinungsäußerung und der Respekt anderen gegenüber.


    Will man einen Menschen genauer beurteilen, so muß man die Geschichte seiner Kinder- und Jugendjahre kennen.

    - August Bebel

  • Es tut mir sehr leid, dass auch du dich damit herumschlagen musst. Die Frage kommt mir ein wenig bekannt vor, was überhaupt noch verbleibt, wenn es genauso plötzlich aufhört wie es angefangen hat. Der Alltag würde vermutlich regunglos fortsetzen, Menschen sind anpassungsfähig, nur eine Sorge weniger.

    Im Grunde genommen ist die DR natürlich belastend (und es gibt nichts, was es tatsächlich abschwächt, ich kann die Situation lediglich hinnehmen, um besser mit der Lage umgehen zu können), aber es ist nichts weiter als ein ergänzender Anteil der Mühen und verhältnismäßig bedeutungslos.


    Ansonsten lege ich eh keinen Wert mehr auf diesen weinerlichen Mist, der Rest ist nur Kopfsache, ich treibe mich mit meinen Gedanken eigenständig in diesen Wahnsinn. Meinetwegen kann sich die Menschheit heute auslöschen und die Welt morgen untergehen.:minigun: :lol_gif:

    Einfach nur schlafen, weil nicht-wach-zu-sein besser ist als diese verkorkste plastische "Realität".

    Das trifft es gut, allerdings ist die DR nicht der entgültige Auslöser. Für mich sehe ich keinen weiterführenden Sinn als meinem Pflichtbewusstsein nachzugehen und aus Gewissensgründen für andere nicht hinzuschmeißen.

  • Für mich sehe ich keinen weiterführenden Sinn als meinem Pflichtbewusstsein nachzugehen und aus Gewissensgründen für andere nicht hinzuschmeißen.

    Und genau das verschafft dir Zeit.

    Im Laufe des Lebens deintensiviert sich alles. In dem Fall ist das sogar mal eine gute Entwicklung. Spätestens wenn du volljährig bist, gibt es dir neuen Schub, da du elementare Lebensentscheidungen selbst treffen und deinem Wohlbefinden eigene Prioritäten einräumen kannst. Bis dahin, wie du schon richtig erkannt hast: durchhalten, aushalten, die Veränderung herbeisehnen.

    Aufgabe ist nur dann angebracht, wenn der Moment gekommen ist. Und das sind immer wenige Sekunden vor dem finalen Ende. Nie sollte man der Aufgabe schon Jahrzehnte zuvor Raum geben, sonst redet man sich wie nach einer intensiver Werbebeschaltung ein, dass man das jetzt unbedingt haben muss. Die Folgen wären dieselben: nach einem befriedigten Kaufimpuls kommt die komplette Leere. Ich hoffe inständig, dass du nicht als Berieselungsopfer von diesem Planeten gehen wirst, sondern allen vermeintlich unschlagbaren Sonderangeboten den Weg in den Papierkorb weist.

  • Ansonsten lege ich eh keinen Wert mehr auf diesen weinerlichen Mist, der Rest ist nur Kopfsache, ich treibe mich mit meinen Gedanken eigenständig in diesen Wahnsinn.

    Verstehe ich nicht ganz. Welcher "weinerliche Mist"?

    Kopfsache - Gefühlssache - Körpersache.

    Der Kopf (Verstand) lebt nicht. Es funktioniert. Was lebt sind Gefühle - Gefühle schaffen Lebendigkeit und Lebenswille/Lebensfreude. Und der Körper ermöglicht beides.


    Dank DP/DR bin ich auch von den Gefühlen abgeschnitten. Ich kann also sehr gut nachvollziehen, wie trostlos alles erscheint.

    Und ich würde lügen, würde ich es nicht oft genauso sehen:

    Meinetwegen kann sich die Menschheit heute auslöschen und die Welt morgen untergehen. :minigun::lol_gif:

    So sehen es aber garantiert viele.

    Das trifft es gut, allerdings ist die DR nicht der entgültige Auslöser.

    Ist es auch nicht. Im Gegenteil. Die DP/DR ist das Hilfsmittel um das tatsächliche Leid erst ertragen zu können. Es "deckelt" quasi das Unaushaltbare und macht es erschwerend, aber aushaltbar.

    Nie sollte man der Aufgabe schon Jahrzehnte zuvor Raum geben, sonst redet man sich wie nach einer intensiver Werbebeschaltung ein, dass man das jetzt unbedingt haben muss.

    Das hätte ich auch gern vor 7 Jahren gewusst.

    Lissaminka , ich weiß, wie ultra schwer das ist, aber versuch bitte nicht, die Lösung im Tod zu sehen.

    Menschen sind sehr zäh. Man überlebt ultra viel - aber hinterher hat man dann die Probleme, dass es eigentlich gut sein soll, aber immer noch alte Laster nagen.

    Das mit dem Todsein-wollen, ist schon mein Begleiter seit 7-8 Jahren. Es ist wie eine Schallplatte, die im Hintergrund mitläuft und (man glaubt es nicht), vieles beeinflusst. Vieles gar nicht möglich werden lässt und alles dreimal so schwer macht. Es ist wie eine Ausrede, zu welcher man nie müde wird. Als wäre es ein Teil der Persönlichkeit ohne die man gar nicht existieren kann. Die bloße Vorstellung, dass ich jemals nicht sterben wollen würde, ist so absurd für mich, wie die Technik von heute für die Menschen um 1900 sein müsste.


    Ich kann Dir nicht helfen. Ich kann Dir nur mutmachen, nicht alles zu verteufeln, trotzdem offen zu sein - Ja vielleicht sogar etwas neugierig auf die Menschen. Auf die Natur, auf Tiere oder auf das Leben. Versuch Dir, gern auch auf verrückte Arten etwas Lebensfreude künstlich zu erschaffen. Momente zu 'feiern', die für andere Alltag sind und Ausschau halten, für Dinge, die so klein aber bezaubernd sind, dass sie untergehen.

    Dazu gibts einen schönen aber auch traurigen Film: "Sechzehn Stunden Ewigkeit" (The Map of tiny perfect things).

    Es lebe die Freiheit, die Meinungsäußerung und der Respekt anderen gegenüber.


    Will man einen Menschen genauer beurteilen, so muß man die Geschichte seiner Kinder- und Jugendjahre kennen.

    - August Bebel

  • Die bloße Vorstellung, dass ich jemals nicht sterben wollen würde, ist so absurd für mich, wie die Technik von heute für die Menschen um 1900 sein müsste.

    Und doch stellt sich manchmal selbst für jene eine Klarheit ein, die so am Ende waren, dass sie die Hürde der Brückenabsperrung überwunden haben.

    Ich glaube es war die Golden Gate Bridge, von der ein Mann gesprungen ist, weil er so verzweifelt war. Doch noch im freien Fall wünschte er sich nichts sehnlicheres, als dass er nicht stirbt.

    Er überlebte.