Ausgegliedert aus dem Thread Die weiße Rose und der Nationalsozialismus, damit es dort nicht zu off-topic wird:
Ein wichtiger Punkt, auf den hin man auch sich selbst immer überprüfen sollte: Der faschistische Rechtsphilosoph Carl Schmitt hat die Auffassung vertreten, dass alle 'echten' (also seiner Vorstellung entsprechenden) politischen Theorien immer von einem 'schlechten' Menschen ausgehen. Er bezog sich auch auf den absolutistischen Philosophen Thomas Hobbes: 'Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf' , was bedeutet, dass es einen absolutistischen Herrscher braucht, der darüber wacht, dass sich die Menschen in der Gesellschaft nicht die Köpfe einschlagen. In der modernen Auffassung Schmitts ist das der autoritäre Staat.
Es fällt auch auf, dass viele pessimistische Denker und Dichter mit solchen autoritären Gesellschaftsauffassungen sympathisiert haben. Ich erwähne das deshalb, da auch hier in der Unity oft eine starke Tendenz hin zu einer sehr negativen Auffassung von Gesellschaft vertreten wird. Wer aber die Menschen für dumm, egoistisch, 'Lemminge' etc. hält, wird womöglich in der praktischen Umsetzung nicht unbedingt zu einer Gesellschaftsform kommen, die besser oder freier ist als die bestehende. Zumindest nicht, wenn die Auffassung vertreten wird, dass die 'Schlechtigkeit des Menschen' für die Verhältnisse verantwortlich ist, und nicht etwa die Institutionen, die erst solche Menschen hervorbringen. Das ist tatsächlich ein großer Unterschied zwischen 'rechten' und 'linken' bzw. 'anarchistischen' Ideen. Wenn das Vertrauen in die Menschen schwindet und der Zynismus siegt, ist man vielleicht besser damit beraten, von der 'Weltverbesserung' abzusehen und zunächst lieber an sich selbst und der Art und Weise, wie man mit seiner Umwelt umgeht bzw. diese wahrnimmt, zu arbeiten.
Eine jede autoritär strukturierte Gesellschaft (und dazu zähle ich ausdrücklich auch die heutige, angeblich "demokratische") braucht natürlich eine Rechtfertigung dafür, wieso manche Menschen in ihr mehr Macht und Entscheidungsgewalt haben als andere.
Ich fände es ja sogar aufrichtig und ehrlich, wenn sie sich dann wenigstens vor ihr Volk hinstellen und ganz offen sagen würden: "Wir halten euch für blöd (oder für wilde Tiere), und deshalb müssen wir in eurem Namen für euch regieren."
Aber so wirklich zugeben tun das ja die wenigsten. In der heutigen Zeit schonmal gar nicht. Das konnte man vielleicht noch zu Zeiten des Absolutismus machen.
Heute ist die offizielle Lehrmeinung zu dem Thema doch eher die, dass der Mensch ein ziemlich unmündiges, leicht beeinflussbares, aber eigentlich gutes Wesen ist, und daher vor negativen Einflüssen beschützt werden muss. Man geht offiziell auch nicht von einem schlechten Menschen aus, sondern davon, dass einige wenige schlechte Menschen genügen, um überall Chaos und Unruhe zu stiften, so dass man diese Menschen durch Zwang dazu bringen muss, die Regeln einzuhalten.
Sieht man ja auch daran, wie aktuell die Corona-Maßnahmen begründet werden. Der Staat sagt nicht: "Ihr seid alle Vollidioten, weil ihr nicht freiwillig auf uns hört, und deshalb müssen wir euch jetzt durch Strafen zu eurem Glück zwingen." Sondern man sagt eher sowas wie: "Leider gibt es einige unter euch, die sich nicht freiwillig an unsere Regeln halten, und deshalb machen wir jetzt strengere Maßnahmen, um die vernünftigen Menschen vor diesen verantwortungslosen Asozialen zu schützen."
Haben die Nazis es wirklich so viel anders gemacht? Hatten die ein grundsätzlich negatives Menschenbild?
Genaugenommen haben sie das deutsche Volk doch für wertvoller gehalten als andere Völker, und somit ihre Herrschaft auch dadurch legitimiert, dass man die (deutschen) Menschen vor den negativen, fremden Einflüssen schützen muss. Aber dass der Deutsche an sich edel und gut ist, und nur von Juden oder anderen minderwertigen Gruppen verdorben wird, daran haben sie doch eigentlich kaum einen Zweifel gelassen.
So gesehen ist das Menschenbild, mit dem die meisten modernen autoritären Gesellschaften ihr System rechtfertigen, doch eher "Die Mehrheit der Menschen ist gut, aber eine Minderheit (oder eine böse Macht von außerhalb) ist schlecht, und deshalb müssen wir die gute Mehrheit durch Zwangsmaßnahmen schützen und bewahren"
Ich sehe jetzt nicht so sehr einen Zusammenhang zwischen pessimistischem Menschenbild und einer Neigung zu autoritären Positionen. Jedenfalls nicht, wenn man es mal rein logisch zu Ende denkt. Wenn man konsequent davon ausgeht, dass der Mensch von Grund auf schlecht (oder blöd) ist, dann muss man ja auch davon ausgehen, dass er durch seine Verdorbenheit jedes System korrumpiert, und dass sich auch bei jedem noch so demokratischen Auswahlprozess nicht die geeignetsten Kandidaten durchsetzen werden, sondern immer die skrupellosesten und falschesten, die das Dummvolk am besten manipulieren können.
Und der Versuch, durch Bildung und harte Selektion eine Elite heranzuzüchten, die dann reifer ist als andere und dadurch die besseren Entscheidungen trifft, hat in der Vergangenheit meist auch nicht besonders gut funktioniert, sondern immer nur noch mehr Korruption und noch schlimmere Katastrophen hervorgebracht. Daher würde ich eher sagen: Wer die Geschichte der Menschheit kennt, hat vielleicht gute Gründe, zum Misanthropen zu werden... aber er kann eigentlich nicht ernsthaft daran glauben, dass es zu etwas Gutem führt, Menschen Macht über andere Menschen zu geben.