Social Justice Warriors / Gutmenschentum

  • Ich stelle es mir aber etwas schwer vor, gerade den spirituellen Part im Unterricht zu vermitteln, da es sich hier schon um sehr individuelle, längere Prozesse handelt.


    Ja, man kann einen Anfang machen.

    Zitat

    Stellen wir uns mal eine Bilderbuch-Situation vor: Eine Gruppe von armen Landarbeitern wird über mehrere Generationen hinweg von einem Großgrundbesitzer quasi in Leibeigenschaft gehalten. Im Zuge einer anarchistischen Revolution begehren sie nun gegen ihre Herrscher auf, was auch dazu führt, dass sie den Großgrundbesitzer am nächsten Baum aufknüpfen. Ist das jetzt ein Akt der Gewalt oder der Herrschaft? (letzteres sehe ich eher institutionell verankert, Gewalt hingegen kann ja auch ein einmaliger, voluntaristischer Akt sein).


    Leibeigenschaft konnte vieles bedeuten. Nach manchen Regeln waren die Leibeigenen frei zu gehen, hatten dann aber keinen Boden mehr, den sie bewirtschaften konnten. Nach manchen durften sie nicht weggehen und konnten sogar wieder ausgeliefert werden, wenn sie irgendwo anders aufgegriffen werden konnten. Stadtluft machte trotzdem mitunter frei. Leibeigenschaft war im Prinzip ein gegenseitiges Verpflichtungsverhältnis, teils ähnlich heutigen Beschäftigungsverhältnissen, in denen der Lohnzahler auch Fürsorgepflichten besitzt, z.B. Saatgut zur Verfügung zu stellen. Je nachdem um welche Zeit es ging konnte das durchaus ein relativ vorteilhaftes Leben sein, weswegen immer wieder Menschen "freiwillig" Leibeigene wurde. Es gab auch andere Gründe dafür:

    Zitat

    Schon im 9. Jahrhundert begannen Grundherrschaft und Leibeigenschaft gehäuft zu werden, auch weil viele vormals Freie die Leibeigenschaft vorzogen, um sich der militärischen Dienstpflicht zu entziehen, die unter den Karolingern zunehmend in Anspruch genommen wurde. Viele freie Bauern schenkten und verkauften ihre Felder und Bauernstellen an adlige und klösterliche Großgrundbesitzer, um dem ansonsten geschuldeten Heeresdienst zu entgehen, und wurden auf diese Weise zu Grundhörigen.


    Leibeigenschaft – Wikipedia


    Das mag jetzt kleinlich wirken, zeigt aber auch das Risiko solcher Gewaltausübung: Diejenigen die Gewalt ausüben haben vielleicht ein zu pauschales Bild der Ausgangsvoraussetzungen. Was wäre denn wenn in einem realexistierenden Anarchismus Hungersnöte grassieren und manche Gruppen anderen Menschen anbieten würden sich in ihrer LPG als Leibeigene zu verdingen (wer dem nicht zustimmt, der wird abgewiesen)? Klar, spätestens ein Erbstatus der Leibeigenschaft wäre dann grobes Unrecht. Ob jemand im Anarchismus sich selbst versklaven darf? Was sollte ihn daran hintern? Oder würden dann keinerlei Verträge mehr als verpflichtend wirksam betrachtet werden? Es ist ja immer wieder zu beobachten, daß faschistisch strukturierte Betriebe profitabler wirtschaften, in diesem Fall könnte das bedeuten daß dann weniger Menschen verhungern würden. Deswegen meine ich ja eigentlich auch, daß eine sinnvolle Revolution mit Betriebsgründungen beginnen sollte.


    Ja, ich denke, daß Gewaltausübung, die angeblich darauf gerichtet wäre Herrschaft zu brechen Herrschaft wäre. Faktisch wäre die Gewalt institutionell, wenn die Gewalt von Anhängern einer bestimmten herrschenden Lehre (Anarchismus) ausgeht und darauf ausgerichtet ist möglichst einen bestimmten Dauerzustand zu gewährleisten. Es gäbe auch eine Art Gewaltmonopol, denn diese Herrschaft würde vermutlich Gebiete beanspruchen und andersartige Konstrukte in diesem Gebiet bekämpfen.

    Zitat

    Eine Gesellschaft ganz ohne Machtausübung? Nee, das kann ich mir kaum vorstellen.


    Ich schon und zwar mit entsprechend reifen Menschen. Das formale System würde dann wohl auch kaum eine Rolle spielen.

    Zitat

    Was nun nichts daran ändert, dass man z.B. bestimmte Projekte unterstützen kann.


    Ja, das sollte man.

  • Was man als Beweis betrachtet, ist eine Frage des Konzepts von "Wissen", ds vertreten wird.

    Was man als ein Stuhl betrachtet, ist eine Frage des Konzeptes von "Möbeln", das vertreten wird. Also worauf willst du jetzt hinnaus? Klar die bedeutung von wörtern ist Arbiträr aber so funktionirt ja sprache nicht.


    Wie alle möglichen anderen Weltbilder und politischen Überzeugungen?

    Politische vorstellungen haben einen gemeinsammen nenner, die organisiation von Menschen. Raligionen nicht, da wir gott weder beweißen noch wiederlegen können. Da gott, als KOnzept keine vorhersagen macht. Also wie soll man eine Ausage wiederlegen oder beweißen, wenn sie uns nicht beeinflusst. Wenn auf dieser Basis doch aussagen gemacht werden. Also nicht um einen Gott zu falsifiziren, sonders aus der Idee, das gott exestirt, geräht man in einen Konflikt ohne gemeinsamen nenner, da das Prinzip von Gott weder eben keine vorhersagen macht. Besser gesagt es Kollidiren 2 Welt die in keinster weiße mit einnander vereinbar sind.

  • Was man als ein Stuhl betrachtet, ist eine Frage des Konzeptes von "Möbeln", das vertreten wird. Also worauf willst du jetzt hinnaus?


    In diesem Thema geht es sozusagen um die Frage des "Gutmenschentums". Das ist nicht nur kein netter Begriff, sondern die Übersetzung fällt mir nicht ganz leicht. Geht es um Menschen, die durch ihr Handeln Gutes erzielen wollen und im ungünstigsten Fall dabei das Gegenteil bewirken? Ich glaube meistens wird das nicht gemeint, sondern jemand, der es allen recht machen will, bis auf "Bösen", deren Einfluß er zurückdrängen möchte? Es ist eine spannende und schwierige Frage, gerade wenn jemandem wichtig ist tatsächlich Gutes zu bewirken.


    Dennoch ist auch zwischen Menschen die Vorstellung eines zu erzielenden Guten verschieden und so ist auch die Vorstellung davon verschieden, wie man Wissen erlangen kann. Das muß man wahrscheinlich ersteinmal so zur Kenntnis nehmen. Es gibt eben keinen allgemeingültigen Wahrheits-TÜV und das ist auch sehr gut so. Jeder der irgendein vermeintliches Wissen behauptet macht sich darin parteiisch.

    Zitat

    Politische vorstellungen haben einen gemeinsammen nenner, die organisiation von Menschen. Raligionen nicht, da wir gott weder beweißen noch wiederlegen können.


    Politische Vorstellungen sind eine Form von Glauben. Der eine glaubt so, der andere so. Wenn man so will entstehen daraus Konflikte. Soetwas nur Religionen zuzuschreiben finde ich seltsam.

  • Dennoch ist auch zwischen Menschen die Vorstellung eines zu erzielenden Guten verschieden und so ist auch die Vorstellung davon verschieden, wie man Wissen erlangen kann. Das muß man wahrscheinlich ersteinmal so zur Kenntnis nehmen. Es gibt eben keinen allgemeingültigen Wahrheits-TÜV und das ist auch sehr gut so. Jeder der irgendein vermeintliches Wissen behauptet macht sich darin parteiisch.

    Also es gibt Theorien wie man auf Wissen kommt und manche sind ziemlich einstimmig. Du vermischt gerade Theorien um wissen zu erlangen und Wissen an sich. Aber du hast eigentlich recht, man sollte eigentlich ein Extra Thread für Aussagen Logik und Religion machen. Unsere DIskusion ist gerade auch ziemlich wirr, vielleicht sollten wir sie echt verlegen.
    Ich sage dazu nur noch was kurz:


    Politische Vorstellungen sind eine Form von Glauben. Der eine glaubt so, der andere so. Wenn man so will entstehen daraus Konflikte. Soetwas nur Religionen zuzuschreiben finde ich seltsam.

    Also Politische Vorstellung auf einen Glauben zu Reduziren ist schon sehr schwierig. Und ich meine auch nicht das daraus keine Konflikte entstehen können. Aber so ein Konflikt, kann man vergleichen, mit dem was wir in der Altagssprache als Realität bezeichnen. Dort gibt es ein Vergleichs wert. Glaube an ein Gott hat so etwas nicht, da ein Gott schon in seiner Deffinition unsere Vorstellungskraft übersteigt. Ich bin jetzt kein 100% vertreter von Wittgenstein, aber in diesem fall finde ich das er recht hat, das man nur über das was man nicht sprechen kann schweigen soll. Da es eben keine grund lage gibt auf der man Diskutirt. Man kann einen schöpfer nicht beweißen, das scheitert schon an unserer Wahrnehmung. Wärend Politik, über etwas spricht. Also kann daraus ein Konsens entstehen, wärend sich die Diskusion um Religion für immer in Kreis drehen wird, bis man erkennt das weder die Religion das Problem ist noch das nicht glauben, das Problem ist sondern die Diskusion darum.



    Und jetzt zum eigentlichem thema. Ich würde Gutmensch eigentlich eh nicht mehr benutzt als wort, da das eh viel zu vorbelastet ist und ich damit sachen aussage die ich eigentlich garnicht meine. Ich find Spießbürger ein viel schöneres Wort, weil damit greift man nicht die leute an die das mit dem helfen ernst meinen, wie die Menschen in den Flüchtlingsheimen.

  • In meinem Bilderbuchbeispiel wurde die Leibeigenschaft offensichtlich ziemlich eindeutig als Gewaltverhältnis begriffen, sonst gäb's ja keinen Aufstand ;-)


    Zudem habe ich den Eindruck, dass man dir hier nun dasselbe vorwerfen könnte wie du mir - sprich die Legitimation von Gewalt(-verhältnissen). Strukturelle Gewalt ist auch nochmal ein Stichwort.


    Dass Revolutionen mit dem Aufbau von Infrastruktur, z.B. Betrieben, beginnen sollten, ist sicher richtig. Dass Plätze besetzen und ein paar Sachen abfackeln nicht reicht, haben wir kürzlich gesehen. Umgekehrt ist z.B. die Rojava-Revolution ein gutes Beispiel dafür, wie sich strukturelle und militärische Vorbereitung in Verbindung mit einer guten Basis-Arbeit auszahlen kann. Mit dem Verteilen von Flugblättern hätte sich vermutlich weder das Regime noch der IS beeindrucken lassen.


    "Spießbürger" meint ja eigentlich was anderes als "Gutmensch", insofern denke ich nicht, dass man den einen Begriff durch den anderen austauschen könnte.


    Letztlich zeigt die Verwendung von Begriffen wie "Gutmensch" oder "SJW" - besser gesagt: dieser Thread hier an sich - dass sich die Unity in politisch-weltanschaulicher Hinsicht oft selbst auf einem ziemlichen Lemming-Niveau bewegt (mit "anarchistischem" Anstrich, der eher spätkapitalistischen Individualismus meint). Das ist schon ein wenig ironisch, aber was will man machen. Sein Wissen über politische Strömungen aus Internet-Foren zusammenzuklauben, ist eben ein Ausdruck der Generation Facebook.

  • "Spießbürger" meint ja eigentlich was anderes als "Gutmensch", insofern denke ich nicht, dass man den einen Begriff durch den anderen austauschen könnte.

    Stimmt eigentlich. Ich habe jetzt aber auch nicht so ein großes Problem mit Gutmenschen. Ich hab ehr ein Problem mit Bürgerlichen Menschen, weshalb ich das wahrscheinlich ein wenig vermischt habe.


    Und ich bin alles andere als ein Individualist...

  • Letztlich zeigt die Verwendung von Begriffen wie "Gutmensch" oder "SJW" - besser gesagt: dieser Thread hier an sich - dass sich die Unity in politisch-weltanschaulicher Hinsicht oft selbst auf einem ziemlichen Lemming-Niveau bewegt (mit "anarchistischem" Anstrich, der eher spätkapitalistischen Individualismus meint). Das ist schon ein wenig ironisch, aber was will man machen.

    Ich weis was wir machen, wir sorgen für ein Diskussionsniveau, welches auch die Generation Facebook versteht. :D


    #ya-for-admin

  • Als jemand mit jahrelanger Groß-WG-Erfahrung kann ich dir sagen: Der Umstand, daß es einen Aufstand gibt sagt genau gar nichts aus. ;)


    Das was ich beschrieb sollte keine Legitimation sein, ich finde es relevant auch zu überlegen unter welchen Umständen etwas stattfindet. Und die Frage nach einem anarchistischem Vertragsverständnis finde ich interessant.


    Sich zu überlegen, ob man mit seinen Handlungen wirklich etwas bewirkt, das man erstrebenswert findet, finde ich sehr wichtig und berechtigt. Es reicht eben nicht nur irgendetwas zu tun oder jemandem hinterherzulaufen.

  • Als jemand mit jahrelanger Groß-WG-Erfahrung kann ich dir sagen: Der Umstand, daß es einen Aufstand gibt sagt genau gar nichts aus. ;)


    Doch, das sagt aus, dass da wohl ein Leidensdruck vorhanden war bzw. eine Unzufriedenheit, die sich Bahn gebrochen hat.
    Ob der Aufstand dann erfolgreich bzw zielführend ist, hängt eben davon ab, wie gut das Ganze organisiert ist und ob man bereit bzw in der Lage ist, den ganzen Prozess ständig zu reflektieren.
    Natürlich sollte man nicht einfach jmd, hinterherlaufen. Das Problem ist eben, dass man leider sehr oft feststellen muss, dass viele Menschen einfach angeführt werden wollen, sei es aus Gewohnheit (daran kann man arbeiten) oder Bequemlichkeit (na ja). Das ist natürlich ziemlich frustrierend, wenn man selbst Ziele wie Aufklärung, Autonomie etc. hat. Die Frage ist dann auch: Bleib ich dabei, um ein paar Dinge zu verbessern, oder steige ich aus, weil das Ganze nicht meinen Vorstellungen entspricht. Natürlich ist das eine Luxusdebatte, solange wir nicht von ernsthaften existentiellen Bedrohungen sprechen.

  • Doch, das sagt aus, dass da wohl ein Leidensdruck vorhanden war bzw. eine Unzufriedenheit, die sich Bahn gebrochen hat.


    Selbst da würde ich widersprechen. Es muß keine guten Gründe geben, ein Aufständler muß nicht unfair behandelt worden sein, selbst aus unerfindlichen subjektiven Gründen muß keine Unzufriedenheit vorherrschen. Asoziale Gier würde z.B. schon reichen. Oder die Lust an "Aufruhr" an sich oder weil die Zielperson den "Aufständischen" früher mal im falschen Augenblick schief anschaute.

    Zitat

    Das Problem ist eben, dass man leider sehr oft feststellen muss, dass viele Menschen einfach angeführt werden wollen


    Ja, leider. Ein sehr großes Problem.