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Ina - 9.8.2008 um 20:53
2001-2006 - dieses Forum war der Ort dafür, nun also das letzte mal.
Viel Spaß
Ich habe mir eine Hülle zugelegt, die nach festen Regeln agiert und so verbirgt, dass sie nicht echt ist
und darunter nicht mehr viel ist - jedenfalls nichts, das irgendwie schön wäre. Manchmal glaube ich,
ich lebe nur, weil ich es der Umgebung nicht antun kann, mich umzubringen.
Ich weiß nicht, ob es möglich ist, dass ein Mensch von einem anderen wirklich verstanden wird.
Anscheinend kann man damit leben. Ich glaube aber nicht, dass ich es kann.
Was herauskommt, ist immer nur wieder das Gefühl des Unbehagens.
Ich Dilettantin.
Man sollt's halt können, das könnte vielleicht bewahren. Man wäre nicht nutzlos, man würde nicht
ersticken an dem, was in einem lauert und nicht sterben will, ohne gelebt zu haben. Doch es kann
nicht leben und deswegen soll das auch der Rest nicht, soll ersticken, erfrieren, sich zu Tode
springen, nicht mehr erkennbar sein.
Angeglichen.
Und das Letzte von mir wäre eine freundliche Lüge. Oder doch eher Rache? Für die Diktatur von
allen Seiten, unerträglich aber nur aus einer Quelle und die soll ausgelöscht werden. Ja, und auch
eine Flucht vor der Angst, die ich nicht haben sollte, aber nicht loswerden kann. Ich sollte mich nicht
fürchten, vor keinem Menschen, vor keinem Zustand. Aber ich will mich nicht auch noch mit der Welt
der anderen auseinandersetzten. Am liebsten ist mir deren Gleichgültigkeit.
Nein, ich bin nicht einsam. Ich sehne mich vielleicht nach einer Traumfigur, bin aber nicht so töricht,
sie in dieser Welt zu suchen. Und sollte es sie geben, wäre sie auch nicht anders. Immer von
Auslöschung bedroht. Denn hier ist kein Platz.
Es wird nicht dazu kommen.
Warum bin ich noch hier? Ist da noch was, das so unsagbar dumm ist, leben zu wollen? Aber ich
kann nicht leben, meine Träume sind tot, wie soll ich da leben? Mein Leben braucht ein Ziel, doch ich
kann doch nicht einen Schein durch einen anderen ersetzen - und will es auch nicht mehr.
Ich will keine Änderung meines Zustands, denn ich wüsste nicht, was dazu passieren sollte. Ich kann
mir nicht vorstellen, unter welchen Umständen ich den festen Willen hätte, weiterzuleben.
Höchstens das Traumbild, das auch nur Schein ist.
24.05.2009 Der Keller -
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Es erscheint mir so widerwärtig, alle Abgründe und Tiefen mit einer Einheitspampe aus netten, hellen,
seichten, harmonischen Gedanken und Gefühlen zuzukleistern. Das bewahrt vielleicht vom Tod, vor
der Verzweiflung, aber ich kann doch dort nicht stehenbleiben... In wilden Momenten behaupte ich
zudem, es ließe auch das Leben nicht durch, sei kein Verfahren für mich. Ich bin eine Besessene,
leidenschaftlich, will alles oder nichts und sterbe lieber, als nicht zu leben. Wenn mich das umbringt,
worauf es wohl hinauslaufen wird, da ich meine Angst und mein Selbst nicht bezwingen kann, dann
soll es so sein und es ist gut so. Auch wenn dieser Weg auf die eine oder andere Art unter der
Brücke endet, direkt oder knapp daneben, ist es doch meiner. Vielleicht der einer Fanatikerin,
getrieben von der Sehnsucht nach absoluter Hingabe, Selbstaufgabe, Verlorenheit in einer Sache,
die das wert ist. Mäßigkeit ist nicht meine Bestimmung, ich muss leben lassen, was in mir lauert und
nicht daran ersticken, sollte es mich vernichten, werde ich das akzeptieren, aber es wird kein
Erstickungs- oder Erfrierungstod sein.
Mit langen Fingern greift es nach Land, doch die Schwerkraft zwingt es zurück - nur einige
Sandkörner reißt es mit sich und es bleibt nichts als eine dunkle Spur, die gleich verschwindet.
Trotzdem hört es nicht auf damit, denn es sehnt sich nach dem Himmel, will dort oben sein, sieht die
Wolken am Horizont, unbeirrt und fern von der Welt. Das Wasser ist jetzt noch Meer, festgehalten
von der Erde, hin- und hergerissen von Sonne und Mond, aber es hofft sich eines Tages zu lösen
und nur noch vom Wind beherrscht zu werden, will die Spur im Sand sein, die zur Wolke wird.
Dies sind die Tage der Sehnsucht, welche weiß, dass sie nicht unerfüllbar ist.
Doch meistens verheißen die Wolken keine Hoffnung, sind der Erde zu nah und sprechen von der
Aussichtslosigkeit des Traumes, zur Wolke zu werden, ohne wieder hinabsinken zu müssen - zeigen,
dass es keinen Weg gibt, heraus dem sinnlosen Spiel eines endlosen Kreislaufs.
Wir sind in einem tiefen Brunnenschacht, hängen an den schlammigen Wänden. Einige von uns
versuchen, nach oben zu kommen, kämpfen mit allen Kräften, suchen Menschen an der Oberfläche,
die sie retten sollen. Manche haben den Kampf aufgegeben, schaffen es gerade noch, sich
festzuklammern, bringen aber weder die Kraft auf, nach oben zu klettern, noch den Mut, sich fallen zu
lassen. Andere wieder haben kein Interesse mehr am Licht des Tages, wissen, dass sie es nie wieder
sehen werden, haben es aufgegeben oder vergessen. Sie verlieren irgendwann die Furcht vor dem,
was unter ihnen lauert - es ist nur eine Frage der Zeit.
Ich habe den Grund dieses Schachtes nie gesehen.
Doch wenn ich ihn kennenlernen könnte - ich würde hinauf in die Welt gehen und das Schlimmste
wäre nur noch eine Erinnerung. Vielleicht könnte ich dann leben. Nur sterben müsste ich dafür...
Das wirst du nie schaffen, ich bin schneller als du und du wirst mich nicht erwischen. Ich werde dir
weiter diesen einen Schritt voraus sein und damit überlegen, unantastbar, unverletzbar - ich liebe
dich und du wirst es erfahren, doch erst wenn ich tot bin. Dann wird es soweit sein und du und ich
werden sterben können, sterben dürfen, der Sprung, jetzt und unendlich, das Gefühl des Windes auf
deiner Haut, der dich streift und dich vergessen lässt - Erlösung.
Ich bin so verwirrt, vielleicht werde ich wirklich verrückt, warum auch nicht, vielleicht überwinde ich ja
auf diese Weise was ich bin und kann endlich LEBEN. Ich weiß nicht, ob es schön sein kann und
doch habe ich Angst, denn der Suizid ist nicht das, was sein sollte. Trotzdem kann ich nichts dagegen
tun, weiß nicht, ob ich das überhaupt will, ob ich wirklich im Grunde leben will. Denn ich bin besessen,
denke an Selbstmord, wenn ich aufwache und einschlafe, ich sterbe so oft in meinen Träumen. Es ist
mir unverständlich, wie andere Menschen einfach da sind und am Leben hängen. Doch diesem
Vorteil haben wir. Während sie schließlich sinnlos leiden und in grausamer Agonie das
Unvermeidliche zu vermeiden versuchen, werden wir uns lächelnd ergeben, einfügen und zum
Ursprung zurückkehren.
Es gibt keinen Weg für mich, es gibt einfach keinen. Ich sehe die Welt und die Menschen darin. Es ist
nicht so, dass ich anderen ihre Begabungen und ihr Glück missgönne, denn selbst, wenn ich das
24.05.2009 Der Keller -
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auch hätte, ich kann einfach nicht leben. Ich sehe keinen Weg, wie ich es könnte. Eigentlich bin ich ja
nicht unbegabt, wenn ich Kampfgeist, Ehrgeiz und ein dickes Fell hätte, könnte ich es weit bringen.
Doch ich packe das alles nicht, es ist mir unmöglich, aus mir herauszukommen. Mir fehlt selbst der
Wille dazu, ich beneide keinen Menschen, der diese Fähigkeiten hat und erfolgreich ist. Es hat für
mich keinen Reiz. Es gibt keine Art zu leben, keine Weltanschauung, die mich überzeugen könnte,
kein Beruf, nichts, das mich dazu bringen könnte, gerne zu leben, Lebensfreude zu haben. Nichts,
das ich in der Lage wäre zu tun, das mich wertvoll machte.
Wäre alles nicht so schlimm, aber ich habe auch den Glauben an andere Menschen, an die Liebe
verloren. Dabei bin ich nicht liebesunfähig, ich könnte jemanden lieben, mich völlig aufgeben, mich
wegwerfen, es wäre sogar mein Wunsch, doch ich kann nicht vertrauen und meine Hingabe, die sich
nicht auf Vertrauen gründete, wäre nicht mehr als eine weitere Form der Selbstzerstörung.
Es gibt keinen Weg für mich. Alles ist anstrengend, sinnlos, ein endloser Kampf durch eine zähe
Masse, durch die mich die Zeit zwingt. Ich bringe es ja nichtmal fertig, mich endlich umzubringen. Ich
fühle mich schuldig, ich tu allen nur weh damit. Und ich bin zu feige dazu. Ich bring's nicht fertig.
Es gibt Tage, da kann ich mich zu fast nichts aufraffen. Ich kann nichts essen, nichts lesen, nichts
denken, ich kann nur herumliegen und in die Luft starren. Es gibt dann nur eine Art von Denken
dann und eine Art von Tätigkeit, die mich von der Couch hochbringt: Meinen Tod zu planen. Zur
Brücke zu fahren, runterzuschauen, nur einmal hin und zurücklaufen, die genaue Stelle aussuchen
(ICH LIEBE DIESES BUNGEE-JUMPING-SCHILD. Das finde ich auch nachts.) Oder hinunterzugehen,
um den Untergrund zu prüfen. Oder mich endlich mal drum zu kümmern, dass meine Mutter den
Fahradschlüssel vom Schlüsselbund ablegt, sonst kann ich laufen, wenn sie nicht da ist (wie schön,
dass es zur Brücke fast nur bergab geht, und wie schön, dass ich das alles nicht mehr bergauf radeln
muss). Oder ich gehe in den Stall, suche nach stabilen Seilen und stabilen Balken, die so stehen,
dass ich nicht allzu peinlich in der Gegend rumbaumle. Es ist Wahnsinn, wie schnell das
Strangulieren geht. Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, dass man da erstickt, sondern man stirbt, weil
es einem die Halsaterie abklemmt und das Hirn keinen Sauerstoff mehr bekommt - und das geht
unheimlich schnell, ich schätze mal so 10-15 Sekunden bis zur Bewusstlosigkeit, wenn überhaupt.
Hab es ausprobiert, tat kaum weh, ging gleich das Blickfeld zusammen, weiß nicht wie lang, war
schon ganz woanders, wurde alles ganz wirr, ohne dass es mir bewusst war, schlug mir den Kopf an,
frage mich einen Moment später, warum mir der Kopf wehtut, bis ich mich wieder erinnere, will
irgendwie zur Tür, will irgendwas tun, was ich nicht mehr weiß, will irgendwo raus, fühl mich nicht
richtig gut (aber auch nicht schlecht, im Moment kam's mir neutral vor), merke plötzlich, dass ich mich
gerade stranguliere und das nicht die Realität ist. Mein Körper war kribbelig, hat mir nicht mehr ganz
gehorcht, aber ich habe die Schlinge lockern können.
Ich glaube nicht, dass ich da hätte verrecken können, aber einige unschöne Hirnschädigungen wären
vielleicht möglich gewesen. Finde das gerade unheimlich witzig, lache rum über die ungeheuer lustige
Komödie, die ich und der Sechsmilliardenrest hier abziehen und wie blöd das ist und wie
unbeschreiblich unwichtig und amüsant. Keinen Gedanken wert, keinen einzigen.
Ich will nicht wieder rein in diese Welt, ich will mich weiterhin verkriechen. Ach wie schön, es kotzt mich
an, mich gezwungenermaßen fünf Stunden am Tag mit anderen abzugeben, ihnen irgendwas
vorzuspielen und mich mit Scheiße vollabern zu lassen. Am meisten rege ich mich selber auf, weil ich
immer noch meine, gut sein und irgendwem beweisen zu müssen, dass ich nicht verdummt bin - das
ist doch so stumpfsinnig, was soll das? Doch auch ich kann nicht ohne ein bisschen Anerkennung
leben und es ist verachtungswürdig, wie ich mich aufführe. Ich kann's Maske nennen, zumindest ein
großer Teil davon, doch einiges gehört auch wirklich zu mir, denn sonst würde es mir nicht leichter
fallen vor anderen Menschen die Maske zu tragen, als ich selbst zu sein, was aber nicht mehr ist, als
eine depressive selbstzerstörerische Idiotin aus genau diesen zwei Gründen, die im Alltag nicht
klarkommt. Fragt mich nicht, was hier Ursache und was Wirkung ist, auf jeden Fall hat es sich
verselbstständigt.
Ich bin so unglaublich erbärmlich.
Die Vorstellung, dass ich erst ein Fünftel meiner natürlichen Lebenszeit hinter mir haben soll, macht
mich so mut- und hilflos. Das ist so unglaublich lang und immer ich mit meinem Ich und meinen
Ängsten und meiner Erbärmlichkeit. Soll ich ständig seitenweise irgendwelchen Blödsinn schreiben,
mich wiederholen und im Kreis denken, nur für ein bisschen momentane Linderung, die sich
zusehens abwetzt? Und soll ich mir, wenn ich ganz leer bin, selbst Traurigkeit nicht mehr fühle,
24.05.2009 Der Keller -
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sondern nur noch Schatten von diffusem Schmerz, die Beine aufschneiden, fresskotzen oder
sonstigen Scheiß veranstalten? Soll das immer so weitergehen? Ich kann nichts dafür, dass ich bin,
was ich bin und nicht klarkomme mit dieser ganzen beschissenen Welt und allem was hier von mir
erwartet wird: geschickt sozial zu interagieren, ehrgeizig zu sein, Leistung zu bringen, sich
anzustrengen usw.. Ich pack's einfach nicht, und hoffe, dass ich nicht zu sehr verblöde, um mein Abi
noch ohne größere Anstrengung hinzubekommen. Oh, Mann, wie dämlich das schon wieder ist. Ich
will das doch eigentlich gar nicht, habe kein Ziel, warum tu ich das? Aber durch die Schule komme ich
halt noch weitgehend anstrengungslos. Und das ist eigentlich alles, was ich will. Mich nicht
anstrengen, keine Leistung erbringen, keinen Erwartungen entsprechen zu müssen. Unsichtbar sein,
nicht wahrgenommen - so dass ich mich ohne Schuldgefühle verdrücken kann. Ich habe mittlerweile
alle Freunde vergrault, nicht immer mit Absicht, aber vielleicht auch doch, aus Selbstzerstörung - und
eventuell, weil ich meine, hier nicht mehr lange zu bleiben. Meine sozialen Kontakte beschränken sich
auf die Schule, sind nur sehr lose und ich bin gar nicht unglücklich darüber. Wie gesagt, ich bin
eigentlich nicht "einsam" in dem Sinne, dass ich mich um andere bemühe und über mein Scheitern
traurig bin, denn ich habe so wenig Interesse an den meisten, dass deren Zuwendung gar nicht
angemessen wäre - geschweige denn, dass ich ihnen genügend Daten lieferte, um mich erkennen
und verstehen zu können.
Ich hab eigentlich nichts zu sagen, ich werde mich nur mal wieder wiederholen, aber ich muss
irgendetwas tun. Ich pack's einfach nicht, ich kann nicht leben, ich kann nicht sterben, ich bin zu feige
zu beidem und vegetiere irgendwo dazwischen vor mich hin. Wie, sag mir, wie soll ich bloß
weitermachen, was soll ich bloß tun, ich weiß es nicht, es ist alles eine einzige zähe Masse, ich kann
es nicht, fühle mich, als hätte man mein Gehirn in einen Schraubstock gezwängt und drückte nun
langsam zu. Alles, was ich tue, ist nur unter riesiger Anstrengung möglich, erscheint unüberwindbar
und bringt letzlich doch nichts als diesen ständigen Schmerz, dem ich nicht entkommen kann, der ich
bin, der mich ausmacht, aus dem ich bestehe. Ich kann's nicht, ich kann's einfach nicht, das alles, ich
kann nicht bestehen, ich schaffe es nicht, irgendetwas zu tun. Und ich bin völlig allein, soll mich an
den Haaren herausziehen und will gar nicht heraus, denn dann wäre ich nicht mehr und ich kann den
Gedanken nicht ertragen, so zu sein wie meine Maske, denn das wäre dann wohl das Resultat. Ich
muss so weitermachen und mich selbst vernichten - die Alternative ist sinnlos und ohne Ziel,
stumpfes Vegetieren, das kein Ende hat und nichts als die Maximierung des persönlichen
Wohlbehagens kennt. Nun, dass ist bei mir genauso und deshalb sollte ich endlich mal von der
verdammten Brücke springen, warum liege ich da nicht schon lange, es ist doch so erbärmlich, dass
ich nichteinmal das kann. Ich könnte mich natürlich aufhängen, das wäre eine gute Alternative. Aber
ich will nicht, dass ich zu früh entdeckt werde, das Seil reißt oder dergleichen, denn wenn ich es
endlich mal fertigbringe, mich umzubringen, will ich auf keinen Fall wieder aufwachen, denn wer weiß,
wann ich das nächste Mal den Willen aufbringen kann. Nur kann ich auch das nicht und es macht
mich fertig und vielleicht macht es mich ja einmal fertig genug, denn der Grund ist noch nicht erreicht
- wenn es einen gibt - denn ich lebe ja noch, und wenn ich wirklich wollte, wäre ich in zehn Minuten
bei der Brücke und eine Minute später unten. Mein Problem ist nicht, dass ich depressiv bin, sondern
dass ich zu wenig depressiv bin, dass mein Leben noch viel zu erträglich ist, dass es alles noch viel
zu einfach ist und sich die Horrorszenarien nur in mir selbst abspielen, als Ahnungen und Ängste und
nicht außerhalb von mir. Ich habe einfach keinen dringenden Grund für Selbstmord. Was heißt da,
ich kann nicht mehr. Ich kann sehr wohl noch, was jeder weitere Tag beweist, den ich hier verbringe.
Dass ich diese Erbämlichkeit nicht will, reicht nicht, um die Furcht und die Schuldgefühle zu
vernichten. Und das ist zwar ein Grund zu leben, gibt meinem Dasein aber trotzdem keinen Sinn und
ist nur die endlos erscheinende Fortführung eines erbärmlich zerrissenen Zustands, der vom Tod
träumt, ihn aber nicht fertigbringt, nicht den Mut hat, endlich Schluss zu machen, mit allen
Konsequenzen, die daraus resultieren. Ich sollte mich für diese Welt nicht interessieren, es sollte mir
gleichgültig sein, was nach mir kommt - ein Spiel, nichts weiter. Als ich mich stranguliert hatte, war
zwar alles unklar, aber es war nicht die Wirrheit eines Traumes, von dem man erwacht und nach dem
man sofort realisiert, dass man wieder in die "Wirklichkeit" zurückgekehrt ist. Denn diese Wirrheit war
zwar konfus, aber tief und intensiv. Es war richtig, dass sie chaotisch war, es war so und gehörte sich
so. Wenn diese Welt den Status einen Traums hat, dann gäbe es keinen Anlass zu Schuldgefühlen...
Ich weiß nur nichts, das ist das Problem, ich würde die negativen Unendlichkeit des Wissens so gerne
mit der negativen Unendlichkeit der Freiheit beantworden, wenn ich ignorieren, mich losreißen und
sterben könnte, ohne mir irgendwelche Illusionen zu machen, die meine Verantwortung wegwischen
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g und die Konsequenzen unwichtig machen. | g | g |
Oh Mann, mir fällt nur mal wieder auf, wie schlimm es ist, sich mit der Welt da draußen abgeben zu
müssen, ich würde mich am liebsten verkriechen. Ich hab keine Lust, mich mit der Welt und den
Menschen zu befassen. Ich sollte mich endlich umbringen, möchte nicht hier sein und Gefühle
heucheln, die ich nicht habe und meine wirklichen verbergen, will nicht über das alles nachdenken
müssen, nicht gezwungen sein, mich mit etwas zu befassen, das mich nichts angeht, mich nicht
interessiert und nicht betrifft. Ich kann's halbwegs abwenden, wenn ich mich ungestört in meiner
Innenwelt verkriechen kann, doch wenn man mich stört und hineinzieht, dann zerbricht sie und ich
spüre nichtmal mehr mich selbst. Es geht vielleicht, solange der Druck da ist, doch wenn der
verschwindet, ist gar nichts mehr da und ich kann mich aufgeben, denn es gibt nichts aufzugeben.
Die Luft wird wieder dünner, das Vakuum wieder vollkommener, die Schwerkraft wieder geringer und
ein winziger Stoß lässt mich in die Unendlichkeit treiben, ohne dass ich dem irgendetwas
entgegensetzen könnte.
Es sind verschiedene Welten. Sie werden meine nie verstehen, ich kann ihre nicht nachvollziehen
und leben, höchstens verachten, um sie nicht fürchten zu müssen. Denn sie drücken uns an die
Wand, ihnen gehört die Welt, sie können leben, die Welt ist für sie da.
Sie halten einen unten mit Ketten, ohne es zu merken, geben einem nicht den geringsten Mut und
Rückhalt, wollen nicht, dass man fliegt - sicher unbewusst - zermürben einen, bis man gar nicht mehr
fliegen will, bis die Federn zerfetzt sind und nicht mehr tragen, bis man gar nicht mehr sieht, warum
man eigentlich fliegen wollte und wohin. Man soll dann so leben wie sie, doch das ist nicht mehr
möglich, denn man hat mit den Flügeln den Antrieb verloren, nichts ist mehr erstrebenswert. Man
zeigt nichts mehr von sich und sinkt immer tiefer, fort vom Licht. Es ist möglich, so zu leben, doch es
macht nicht glücklich, und man hat keine Kraft. Die versickert jeden Tag in dem schwarzen Loch,
dass das Ich ist, das man manchmal herausflennen kann, wenn man es ans Tageslicht holt, doch
auch dazu hat ist man meist nicht in der Lage. Es sitzt da und bohrt und schlingt, wird Teil von einem,
und macht einen schließlich aus, es ist sonst nichts mehr da. Manchmal kann man es überlisten, man
kann zwar nicht weinen, doch dann kann man lachen, unheimlich lachen, schreien vor Lachen, ein
gespanntes, bitteres, überhebliches Lachen über sich und alles. Momente, in denen man sogar
weiterleben will bis zum Schluss, nur um diese Komödie zu bewundern und sich zu amüsieren über
alles. Doch dabei bleibt es leider nicht, man sinkt wieder zurück in sich, in selbstbezogenee
Emotionalität, in den gewohnten Schmerz, den man nun wieder frisch spüren kann.
Ich weiß nicht, ob mich wirklich traumatische Erlebnisse umgeworfen hätten, doch dieses Falschsein
in sich, diese Unmöglichkeit des einfachen Absorbierens und widerspruchsfreien Richtigseins zehren
mich auf, fressen sich in mich wie Wasser in einen Stein, den es aushöhlt und zermürbt, bis er unter
dem geringen Druck zerbricht, fortgeschwemmt und vollends aufgelöst wird.
---Utopia---
Eigentlich hatten sie alles aufgegeben: die Liebe, das Vertrauen in andere und sich, die Hoffnung
darauf, jemals leben zu können oder auch nur verstanden zu werden.
Doch plötzlich war da das Wesen des anderen - die unerfüllbar scheinende Sehnsucht nach dieser
ungeheuren Ganzheit hätte sie fast umgebracht. Denn in der normalen Welt konnten sie nicht leben,
ihre Geburt dorthin war ein Unfall, wie die Trennung ihrer Seelen. Doch die ließ sich korrigieren. Sie
redeten wenig, denn zwischen ihnen war es sinnlos, eine Verstümmelung ihres Seins. Worte waren
für die Welt dort draußen, ein unzulängliches Mittel zur Verständigung, brauchbare Worte gab es
nicht. Dass sie einander gerettet hatten, wussten sie. Mehr konnte man nicht ausdrücken. Es reichte,
einander im Arm zu halten.
Ich habe den Strick in meinem Zimmer, mit einer metallenen Öse, so dass er gut durchrutscht. Ich
habe den Balken im Heustall und die Leiter, um hochzuklettern. Ich habe ein Halstuch, um es nicht so
schmerzhaft zu machen. Ich habe einen Standard-Abschiedsbrief geschrieben, aus Höflichkeit.
Ich habe alles, was es braucht, nur nicht den endgültigen Entschluss.
24.05.2009 Der Keller -
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Ich bin nicht hier, um weiter über Suizid zu schreiben, sondern um etwas Neues anzufangen. Mach
ich's, dann mach ich's halt, und wenn ich zu feige dazu bin, muss ich eben schauen, wie ich sonst
klarkomme. Ich kann versuchen, mir diesen Notausgang offen zu halten und mir daraus eine
Lebensphilosophie, eine Furchtlosigkeit und eine Neugierde auf das Leben zu schaffen, das wäre
gut. Es ist eigentlich doch ziemlich dumm, sich so früh umzubringen. Mein Leben ist noch nicht
wirklich verkorkst, ich könnte viel aus ihm machen, ich bin nicht unbegabt. Und wenn ich mich in eine
Sackgasse manövriere, dann war es das halt. Ich sollte nichts fürchten, ich sollte das erbärmliche
Vieh in mir kleinkriegen, welches es war, das ich eigentlich töten wollte, weil ich so nicht fliegen kann.
Es kettet mich an in meiner ganzen Sentimentalität, meinem Hass und meiner Sehnsucht.
Aber sich frei zu machen ist schwer, denn es heißt sich völlig unabhängig zu machen von der
Achtung, Zuneigung und Wärme anderer Menschen, ihrer Wertschätzung und Anerkennung. Es
bedeutet Einsamkeit, völlige Einsamkeit. Doch was wäre das Neues? Ich bin auch einsam unter ihnen
allen, wenn ich mit 25 Menschen in einem Raum sitze, bin ich einsam, selbst wenn ich mit den Leuten
beisammen bin, die man noch am ehesten als meine Freunde bezeichnen könnte, bin ich einsam.
Vielleicht kann ich es für ein paar Stunden ganz lustig haben, doch das bedeutet mir nicht viel, es ist
nicht das, woran ich denke, wenn ich nachts nicht schlafen kann. Sondern das ist die Ideenwelt, die
aus mir kommt und die ich sonst nur noch in manchen Büchern finde.
Doch was bedeutet mir Einsamkeit? Wenig. Das Ideal wäre natürlich Utopia aber das ist eben nur ein
Ideal, nichts, das in diesem Leben zu finden wäre. Dort gibt es nur oberflächliche Gemeinschaft, in
der keiner den anderen kennt, aber dennoch beurteilt. Aber wenn ich allein bin, muss mich das nicht
kümmern, ich muss mich nicht verstellen, nichts heucheln und verbergen und kann mich der Welt
widmen, die mich eigentlich interessiert, in der ich leben kann, die ich sogar schön finde: Ideen,
Phantasie, Musik und Dichtung, die das schrecklich misstönende Leben zu etwas Richtigem machen.
Auch der Schmerz und das Unerträgliche müssen dann so sein wie sie sind, repräsentieren das
Ganze, wie Teile eines Hologramms. Sind in der Welt und doch nicht in der Welt. Man erlebt sie, aber
es ist nicht falsch, reibt sich nicht, verzerrt nicht, zerstört nicht.
In dieser Welt möchte ich zu leben lernen, das ist es, was meinem Leben Sinn geben könnte, oder es
wenigstens erträglich machen würde. Ich muss mich unabhängig machen, es ironisch sehen, wie man
sich eine ungeheuer schräge Komödie ansieht, voller scheinbar furchtbarer Wichtigkeiten, die
eigentlich nichts sind. Warum sich den Kopf zerbrechen über diese ganze Lächerlichkeit, die doch
nichts ist, als eine Täuschung, die sich nicht erkennt. Würde ich mich umbringen, wäre das auch
egal, keine Änderung im Ablauf dieser sinnlos absurd schönen Welt, auf der ich diesen Augenblick
verbringe. Warum es sich nicht lustig machen? Ein nettes Spiel, eine nette Komödie.
Erkenntnisstreben ist eine Illusion, aber eine hübsche, und illusionslos existieren zu lernen oder
endlich etwas zu finden, in dem ich mich auflösen kann, ist was ich will und der einzige Weg zu
existieren. Denn was ich in den Händen halten kann und wenn es Milliarden sind, ist nichts. Mein
Feind bin ich, mein Todfeind und doch ist Ganzheit in ihrer Vielfalt mein Traum - etwas zu haben, das
ich bin oder das zu werden mein Ziel ist. Selbst wenn auch das im Grunde unwichtig ist, denn ich bin
ein Staubkorn im All, es wäre unsinnig zu sagen, ich wolle irgendwo hin und was dann sein wird, sei
kraft meines Willens und Einsatzes geschehen und kein zufälliges Ergebnis der Winde und Meere.
Dem Schicksal offenstehen, sich treiben lassen und nachgeben, kein Ziel haben, dass einen davon
abhält, weiter zu suchen, auch wenn man nicht weiß, wonach man sucht - geschweige denn, dass es
geben muss, was man nötig hätte.
Es gibt Ziele, für die Wille und Einsatz ausreichen. Man kann sich vornehmen, viel Geld zu verdienen
und wird das mit harter Arbeit oft schaffen. Oder man wünscht sich den perfekten Partner und lernt
so viele Kandidaten wie möglich kennen, bis schließlich der Traum vielleicht in Erfüllung geht. Doch
das ist nicht das, was ich meine, nicht das, was ich will. Ich weiß nicht, was es ist, doch ich kann es
erahnen, in Büchern, Musikstücken, in dem, was ich als "Dichtung" bezeichne und das alles umfasst,
nicht nur ein paar Zeilen, die sich reimen oder auch nicht. Sondern eine Art des Absoluten, die
Ordnung aus dem Chaos - ohne das Chaos als negativ darstellen zu wollen, wohl eher als das
Gültige aus der Täuschung, welche die Welt darstellt, wo man nur zweifeln kann und die Falschheit
ins Gesicht geklatscht bekommt.
Es war witzig irgendwie, es war unheimlich witzig in seiner Absurdität. Ich glaube, ich habe kurzzeitig
den Verstand verloren, ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll. Ich habe meiner Mutter fast alles
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erzählt, und gerade mal ausgelassen, ihr das Seil anzuschleppen und dieses Geschreibsel hier zu
zeigen - allerdings habe ich daran gedacht. Warum auf einmal? Ich habe den ganzen Nachmittag nur
geredet, über verschiedenes Zeug und irgendwie ging da meine Furcht flöten und ich meinte, mich
ihr anvertrauen, alles mit ihr teilen zu müssen, und das habe ich dann auch getan. Doch ich wollte ihr
ja nicht erzählen, wie dreckig es mir ginge, denn das war sowieso nicht wahr, ich habe ihr alles
dargelegt, über die Dichtung, die Musik und wollte ihr alles klar machen, habe wirklich versucht, vor
ihr mein Ich auszubreiten, meinte, ich müsste mich nur erklären, wie man eine Matheaufgabe erklärt
und sie würde es schon kapieren, müsste es kapieren und ich hätte dann jemandem, der mich kennt,
dem ich mich anvertrauen kann, das dachte ich da und nichts anderes. Eigentlich dachte ich kaum.
Ich hatte Kopfweh und meine Fingerspitzen waren eingeschlafen, einfach so, doch es störte mich
nicht, es floss alles. Ich dachte, meine Mutter sollte mich wohl verstehen, wenn ich es wirklich einmal
sage, ganz offen. Hab auch wieder das Lachen gekriegt und als sie besorgt getan hat, habe ich ihr
versprochen, mich nicht umzubringen, solange ich noch bei ihr wohne, vor allem, weil ich im Moment
das alles wiedermal total witzig fand.
Ich war natürlich unheimlich doof.
Ich muss mich wohl wirklich in meinem Denken so weit vom "Normalen" entfernt haben, dass ich ohne
Kontrollinstanz, die in diesen Stunden mitsamt meinem Einfühlungsvermögen wohl abgeschaltet war,
ganz und gar nicht mehr abschätzen kann, wie das wirkt, was ich sage. Für mich waren diese
Gedanken normal, völlig. Es war mir zwar schon bewusst, dass das ungewöhnlich ist, doch es hatte
für mich etwa den Status, wie meiner Mutter zu erzählen, dass ich keine Lust habe, in die Kirche zu
gehen oder ähnliches. Und das war natürlich unheimlich doof. Sie fand es teuflisch, krank, hat mir
nen Tee hingestellt und angefangen, mir von Gott und Kraft durch Glauben erzählen und dass "da
oben schon jemand ist, der auf uns aufpasst" und das was ich tun will ist Sünde usw. usw.
Ich ging dann ins Bett. Hatte da schon Zweifel über das, was ich getan hatte, dachte aber, dass das
eben mein Ich wäre und sie als meine Mutter damit klar kommen müsste - doch das war natürlich
auch unheimlich doof.
Denn sie hat selbstverständlich nichts verstanden, hat nur herausgehört, dass ich mich irgendwie
umbringen will, und ihre Reaktion war, sich zu kümmern und mich vor mir selbst bewahren zu wollen.
Sie glaubte, sie müsse sich mehr Zeit für mich nehmen, obwohl es doch Einsamkeit ist, was ich
brauche, und ich müsste mehr Ablenkung haben, obwohl es nur Bewusstwerdung ist, was mich auf
Dauer heilen kann. Es ist zu spät, um einfach so vor mich hin zu leben und nicht am Denken zu leiden
und ich will das auch nicht, doch das meiner Mutter erklären zu wollen, war natürlich Wahnsinn, denn
ich habe vergessen, wie die meisten Menschen sind, bzw. wollte es einfach nicht glauben.
Doch zurück, wie das Ganze geendet hat. Mir wurde, als es wieder Tag war und ich alles wieder unter
dem Licht des "Normalen" sah, allmählich klar, was ich getan hatte. Ich habe dann versucht, ihr das
irgendwie wieder auszureden, sprach von irgendwelchen Anfällen und das ich Kopfweh gehabt hätte,
es mir nicht gut gegangen wäre und sie das nicht ernst zu nehmen bräuchte. Sie hat dann erst mal
eine Vorwurfswelle über mich hereinbrechen lassen, dass sie wegen mir nicht hätte schlafen können
usw.. Das ging dann einen Tag so und ich merkte, dass es beschissen war. Dann kam mir
glücklicherweise die Idee vom Drogenflashback. Nahm das zuerst nicht ernst, denn ich wusste nicht,
ob diese Geschichte besser war, doch es entwickelte sich so, dass ich ihr dann doch diese
Geschichte aufgetischt habe. Ich habe ihr also erzählt, dass ich mal bei ner Party (haha) irgendwas
genommen hätte und davon jetzt wohl einen Flashback bekommen hätte. Dann musste ich ihr
natürlich klar machen, dass ich ganz und gar nicht drogensüchtig bin. Sie hat's gefressen, sogar
gern, denn sie wollte wohl eh nicht glauben, wie ich sein sollte, aber meine anderen Ausreden
klangen zu lasch. Und dass ich es nicht gleich erzählt habe, wurde so auch klar, denn ich hätte mich
halt geschämt. Das bisschen konnte sie dann schon ertragen. Sie hat mir dann wieder Vorwürfe
gemacht und hat mir erzählt, was ich alles gesagt hatte, denn ich gab vor, mich kaum noch erinnern
zu können. Ich tat verwirrt, erklärte meine Gedanken für unecht und mich für unzurechnungsfähig
und sie bestätigte auch, dass es so gewirkt hätte, denn ich hätte schlimme ("echt schlimme") Sachen
gesagt und manisch gelacht und es wäre ja so "krank" gewesen, "wirklich krank".
Nun das war's. Irgendwie ist es schon traurig, dass ich eine derart dämliche Geschichte erfinden
muss. Es ist ein Wahnsinn und ich kann nicht mehr zurück. Ich habe geträumt, ich bin mit andern in
einem sehr schönen Hotelschwimmbad, setze mich ab in eine dunkle Ecke, die Wellen kommen hinein
und begraben mich unter sich, aber ich komme wieder hoch und bin dann vorsichtiger, sitze nur noch
am Rand, aber trotzdem nicht bei den anderen, bei denen das Wasser niedrig ist, denn sie verachten
mich und ich habe nichts mit ihnen gemein.
24.05.2009 Der Keller -
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Ich möchte aber nicht am Rand sitzen bleiben und ihnen zusehen, ist ertrinken besser?
Eins noch. Da ich ja meine Worte zum Wahn erklärt habe, fühle ich mich auch nicht an mein
Versprechen gebunden. Ich habe zwar das Seil in den Heustall zurückgebracht und auch ein paar
andere Sachen verschwinden lassen, aber nur, weil ich mit einer baldigen Durchsuchung meines
Zimmers rechnete. Die kam dann wohl auch, ich glaube nicht, dass sie nur ein bisschen aufräumen
und mein Bett machen wollte. Dieser Ausbruch war übel, aber ich bin nicht unglücklich, dass er
passiert ist, denn es wurde mir einiges klarer. Außerdem merkte ich, dass ich zu eiskaltem, klaren,
berechnenden Denken immer noch in hohem Maße fähig bin.
Es ist faszinierend, wie dieselben Gedanken über Jahrhunderte in den Menschen wiederkehren. Man
sieht, was im Einzelfall dabei herauskommen kann und weiß doch, das die Meisten zugrunde gehen,
weil der Weg, auf den sie ihre Natur zwingt, zu schwierig ist.
Ich werde nichts tun, was mir zuwider ist und leben können, diese Komödie eben mitmachen, solange
es geht, werde niemanden lieben und von niemandem geliebt werden, es wird mich niemand
verstehen und der Rest der Welt wird mir gleichgültig sein. Ich kann leben, ich kann es schon, wenn
es sein muss, aber den Tod werde ich sicher nicht fürchten, wenn er endlich kommt. Ich sollte
fortgehen und die Erinnerung an mich auslöschen, wünsche mich zurück ins Niegewesene. Diese
Welt ist kein Platz für mich, die Illusionen des Bewusstseins und der Individualität reiben mich auf, der
Raum und die Zeit sind nicht gut für mich, das Unwissen, die unbeantworteten Fragen. Ich sollte
lieber nicht in der Lage sein, sie zu stellen. Ich werde einmal von eigener Hand sterben, da bin ich mir
ziemlich sicher, auch wenn es jetzt noch nicht so weit ist.
Anteilnahme ist eine Illusion, die auf Dauer nicht funktionieren würde, da etwas wie mich kaum
jemand verstehen und lieben wohl niemand kann. Und das ist auch völlig klar, wenn man bedenkt,
wie gleichgültig sie mir alle sind und dass ich die Menschen nicht lange ertrage, weil das bloße
Gefühl ihrer Anwesenheit mich aufregt und bedrückt. Mich zu spüren ist immer noch besser als die
Leere, die nach fremden Gefühlen und Gedankenmustern zurückbleibt. Ich empfinde oft etwas wie
geistige Kopfschmerzen, keinen wirklichen physischen Schmerz, aber trotzdem das Gefühl des michentziehen-wollens einer Qual. Man kann dann den Kopf gegen die Wand schlagen um wirkliche
hervorzurufen, die greifbar sind und in denen die Gedanken verstummen sollen.
Ich sehe schon, ich falle wieder zurück in die alten Muster, habe nicht die Kraft, mich dauerhaft über
Wasser zu halten.
Ich habe Angst, dass ich mich geirrt habe und alles Nichts ist. Auch Dichtung und Musik sind nur
Versuche, sich einzulullen, hübsche Märchen. Ich fürchte, dass es nichts gibt hinter den Dingen und
die Erscheinungen der Welt nicht Gleichnisse zu dem sind, was dahinter liegt. Das "Ding an sich"
mag es wohl geben, aber nicht in einem tieferen Sinn, sondern einfach nur als logisches Ergebnis,
auf das man aus unserer Wahrnehmung schließen kann. Doch da es unzugänglich ist, macht es
keinen Sinn, die Wirklichkeit zu verleugnen, nur sie ist für uns real und nichts, was schön,
vollkommen, richtig sein könnte - höchstens neutral und gleichgültig. Es gibt keine
Widerspruchsfreiheit, keine wirkliche Bejahung, keine Möglichkeit des reibungslosen Absorbierens
als im Wahn und im Rausch - und da beruht sie nur auf Unklarheit. Ich glaube, dass auch das keine
Welt für mich sein kann, vielleicht nette Geschichten, aber keine höhere Wahrheit, sie sind wohl
schön, aber nicht mehr. Sich ernsthaft darin einzuquartieren, ist nur eine weitere Form der Flucht vor
dem Nichts, eine Illusion, die sterben muss und wird, wenn nicht jetzt, dann später.
Und doch zieht sie mich an, diese Weisheit, die ich in manchen Texten zu spüren glaube - ich habe
eben einen unbändigen Hang zu Symbolismus und abstrakten Konstrukten. Doch wenn ich etwas
lese, dem das in dieser Form völlig abgeht - wie Nietzsches Morgenröte beispielsweise - dann scheint
mir das die höhere Weisheit zu sein. Nichts rechtfertigt die Schwärmerei, als die Sehnsucht nach Halt
und Schönheit. Und Sehnsucht kann trügen, ist vielleicht das, was am meisten täuscht, da sie alles,
was nur annähernd ihrem Gegenstand zu entsprechen scheint, verklärt und zur Wahrheit macht,
damit man etwas darin finden kann.
Ich würde gerne wieder anfangen, das ganze Lied von der Sinn- und Ausweglosigkeit, vom Fehlen
der Richtung und des Weges zu singen, doch es steht schon alles da, in endlosen Wiederholungen.
Ich stehe am Ende des Ganges mit der leeren weißen Wand vor mir, habe keinen Zugang zu dem
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g g g
dahinter und den Glauben daran verloren, kaum dass ich ihn gefunden hatte. Wie, verdammt noch
mal, wie mach ich bloß weiter, gibt es überhaupt ein Danach?
Ich sollte mich zusammenreißen, nicht groß an die Zukunft denken, denn ich bin nicht in ihr
gefangen. Ich muss nichts fürchten und sollte das endlich kapieren.
Ist mein Leben erbärmlich? Ist mein Zustand erbärmlich? Objektiv betrachtet vielleicht, doch ich bin
nicht objektiv - jemandem eine Gemütskrankheit zu attestieren ist eine Anmaßung.
Ich weiß nicht, was ich will und denken soll, von was ich überzeugt sein und was ich verwerfen soll,
was die Wahrheit ist und ob mich das überhaupt interessiert, weil es doch eh nichts bringt, ich kann
es sowieso nicht - und ich weiß nicht, was das Beste für mich ist, nie geboren zu sein, oder mich
umzubringen oder weiterzuleben.
Ein alter Gedanke: Es wäre das letzte Experiment, die Anfrage an die Natur durch den Tod.
Es ist mal wieder diese innere Kälte, diese Gefrorenheit, das Gefühl, als würde man von einem Pfahl
aus Eis durchbohrt und er wühlt und wühlt. Es ist nicht Schmerz, es ist nicht Verzweiflung, sondern
eher wie ein zweiter Blick, den unwillkürlich alles Kalte, Grausame, Hoffnungslose auf sich zieht, als
hätte ich es sowieso gewusst und alles bestätigt sich nur.
Ich habe mich an den Gedanken des Todes gewöhnt, nun ist es wohl an der Zeit zu lernen, das
Leben nicht zu fürchten. Ich sollte nicht in mir zerrissen bleiben, mein Leitbild sollte die Wahrheit sein,
das älteste Ideal. Nur dass ich ihr nicht mehr allein auf dem Weg der Naturwissenschaften
nachzugehen habe. Trotzdem darf ich mich nicht statt dessen durch Schönheit blenden lassen, keine
Traumwelten, keine Schwärmereien. Die Wahrheit ist selten schön und die Schönheit meist nicht
wahr. Doch Freiheit in Gedanken und Gefühlen soll sein. Und keine Lügen mir selbst gegenüber.
Die Welt ist nicht widerspruchsfrei und nicht angenehm und das nicht nur an der Oberfläche. Der
Begriff des Ideals ist ein Gedankenkonstrukt, so auch mein Ideal der Wahrheit. Ich möchte das hier
nicht auflösen. Die Widersprüchlichkeit zu akzeptieren, in ihr denken zu können, nicht zu zerbrechen
und nichts zu brauchen, dass sich nicht reibt, genau das bedeutet, das Leben nicht zu fürchten. Noch
bin ich nicht soweit. Ich kann nicht bestehen, ohne der Illusion anzuhängen, gehen zu können, wann
ich will. Ich sollte aber das Leben nicht fürchten, was immer es auch bringen mag, so dass ich mich
ihm nie zu entziehen brauche, selbst wenn ich es jederzeit könnte.
Ich merke gerade, dass mein Anfangsgedanke zu einer Konsequenz führt, die ich nicht schaffe. Es ist
erbärmlich, das Leben zu fürchten, aber wie kann ich lernen, was ich anfangs so enthusiastisch
formulierte?
Es gibt niemanden, der mir dabei helfen könnte. Alle Ratschläge und Therapien würden nur darauf
abzielen, mir wieder "Freude am Leben" zu geben, mich unter Leute zu bringen, in ein Miteinander, in
dem ich das Zuviel an mir verlieren und das Übersensible im Denken und Fühlen abtöten soll. Auf
"meinem Weg" steht die absolute Einsamkeit.
Mein alter Satz "Wenn Einsamkeit der Preis ist, werde ich ihn zahlen," hat sich widerlegt, gewandelt
und taucht hier wieder auf.
Dem gesunden Menschenverstand liegt es völlig fern, etwas jenseits von ihm anzunehmen, denn es
gibt ja keine andere Art der Gesundheit. Mit letzterem mag er sogar richtig liegen, denn das Umfeld
und Klima dieser "Gesundheit" machen alles krank, was ihr nicht entspricht, gegen ihre Ignoranz -
und ihre absolute Mehrheit - ist alles andere weitgehend machtlos.
Sie sagen von mir, ich wäre kalt und unsensibel. Doch was täten sie, wenn ich nicht so scheinen
würde und sie sehen könnten, wie sie verletzen? Sie würden darauf mit Hohn und Spott,
Unverständnis und Hilflosigkeit reagieren und so das zweite Mal verletzen.
So bleibt mir zwar der Schmerz, aber er wird nicht weiter verstärkt, nicht unzählig oft reflektiert und
bleibt die eigene Angelegenheit. Trost wird es freilich keinen geben.
Ja, diese Möglichkeit gibt es: sich einfach entziehen. Doch das wirft Probleme auf für jene, denen
Einsamkeit schwer fällt. Und wem fällt sie denn nicht schwer? Sie ist immer ein Kompromiss, nur eine
Alternative zu etwas, das einem allzusehr widerstrebt. Am Besten wäre natürlich jemand, der mit
einem fühlt, ein Seelenverwandter, doch - um mit Nietzsche zu sprechen - das Problem an den
eigenen Wegen ist, dass einem niemand begegnet. Das bleibt regelmäßig ein Traum.
24.05.2009 Der Keller -
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Man hat keine große Auswahl. Erstens kann man umkehren und sich einen "gesunden
Menschenverstand" aneignen. Das ist der Sinn jeder Therapie. Zweitens kann man sich in irgendeine
weitgehend abgeschlossene Weltvorstellung stürzen und sich darin ausruhen - etwas, das ich wohl
nicht kann. Einige Zeit mag das gutgehen, aber nicht dauerhaft. Drittens kann man irgendwie nicht
näher bestimmt weitermachen, sich durch Philosophien wälzen und von nichts überzeugt sein, ein
paar Bücher lesen und sie für ganz interessant halten, an bester Musik nach dem hundertsten Mal
nicht mehr viel mehr finden, als ein paar angenehme Klänge, einen Beruf erlernen, in dem man mit
ein paar geistigen Spielereien akzeptabel verdient und eben so vor sich hin leben. Und das ist es
wohl, worauf es bei mir hinauslaufen wird. Man kann sich natürlich auch umbringen, die letzte der
Alternativen, nicht schlecht und endlos diskutiert. Doch wenn man leben will, heißt das wohl, keinen
Sinn zu brauchen. Nicht zu leben, weil, sondern zu leben, obwohl. Die Antwort auf das Warum wäre
das Trotzdem. Trotz. Das geht. Nicht gut aber schon.
In diesen Depressiven erkenne ich mich wenigstens teilweise wieder, ich kann sie nicht verachten
und nicht bemitleiden, da ich selbst dazugehöre, oft mehr oder weniger, als ich akzeptieren will.
Ja, "oder weniger". Denn manchmal fühle ich mich so ängstlich, schwach und haltlos, dass ich mich
gerne in diese Schublade stecken würde, sie wäre eine Entschuldigung für mich, ich würde in ein
Schema passen, auf das ich mich stützen könnte. Doch dann merke ich, dass ich nicht wirklich
"depressiv" bin, dass ich nichts habe, dass so unbedingt eine Krankheit ist. Denn genau diese Art
von Halt verachte ich dann wieder, die Sucht nach Freiheit ist stärker als die Vernunft oder der
Wunsch nach einen normalen Leben.
Ich glaube auch nicht, dass ich irgendwie manisch-depressiv bin. Nein, das bin ich nicht. Ich bin zu
keinem Zeitpunkt wirklich außer Kontrolle - wenn man vielleicht von meinem einmaligen Ausrutscher
absieht. Auf jeden Fall bin ich zu grüblerisch, aber auch zu sprunghaft und ungeduldig, süchtig nach
mehr, denn es ekelt mich schnell etwas an, ob das Ansichten, Personen oder Lebensarten sind. Aber
da ich nicht aus mir herauskomme und doch so ängstlich und kontrollsüchtig bin, wurde der Gedanke
an den Selbstmord relevant und durchgekaut, bis mir die Sentimentalität und das Pathos darin zum
Hals raushingen. Nun ist es eine Wahrscheinlichkeit und eine Liebhaberei, aus der allerdings noch
immer nicht die ganze Rührseligkeit verschwunden ist, denn ich hänge in meinen schwachen
Momenten zu sehr an ihr. Und es gibt noch zu viele schwache Momente, normale Heiterkeit und
Geselligkeit sind mir weitgehend unzugänglich geworden. Die Außenwelt ist kaum mehr Bedingung
meiner Befindlichkeit, es sei denn, die Umstände wären wirklich groß und wichtig. Doch auch dann
eigentlich nur im negativen Fall, weil ich so aus mir selbst herausgerissen werde und mich mit der
Umwelt befassen muss. Nicht wegen der Sache an sich, es sind wieder nur die Dinge, die aus mir
kommen.
Achje, es ist viel zu spät nachts, ich bin von der Müdigkeit und Musik betäubt und habe nur nette,
sanfte Gedanken und Gefühle. Es ist etwas Erholsames darin und gleicht einem Traum, das Leben
wäre unerträglich ohne die Nacht, wenn man immer ganz und gar wach sein müsste. Alles ist
eingeebnet, keine Berge und Abgründe, kein grelles Licht und kein dunkler Schatten, nur eine sanfte
Dämmerung, Streulicht.
Fühlt sich so Normalität an? Es muss so sein, denn sonst ginge ein Schrei durch die Menschen in
allen Gesellschaften. Es ist nur schade, dass sie nicht wissen, was sie an ihrem Streulicht haben, sie
können ihm nichtmal überdrüssig werden. Ich fühle mich traurig, melancholisch, aber es ist keine
Schärfe darin, keine Wut, keine Trauer, kein Spott. Es gleicht einem traurigen Film, keine wirkliche
Echtheit und Tiefe, nur der Augenblick, keine Konsequenzen. Ich kann hier sein und muss nicht
denken, es ist richtig, so wie es ist, dieser Augenblick ist angenehm lau, nicht von der Kälte, die alles
erfrieren lässt oder der Hitze, dem Lachen und dem Wahn, die alles verbrennen und in Asche
verwandeln. Ich kann mich wohl fühlen,
- ich wollte jetzt schreiben: "ohne mich zu verachten", doch ich habe diesen Gedanken kaum zu Ende
gedacht, als er bereits mit diesem Augenblick der Annehmlichkeit starb. Ich bin wieder in der Wüste,
eiskalt, kochend heiß und menschenleer, doch es sind immer noch die Sterne über mir. Sie leuchten
mir wieder, ich habe sie vorhin nicht nötig gehabt, doch jetzt brauche ich sie wieder. Trotzdem bleiben
sie fern, nur eine Sehnsucht, eine Ahnung von Größe, Fremdheit und Glanz, die ich nie verstehen
und erreichen werde.
Was passiert mit dem Zwilling, der auf die Reise geht, Lichtjahre zurücklegt und schließlich zur Erde
24.05.2009 Der Keller -
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p g g j g
zurückkehrt? Sein Bruder ist schon lange tot, die Erde, die er kannte, ist nicht mehr, es sind
Jahrtausende vergangen. Niemand erkennt ihn wieder, die Mission ist vergessen, auf die er geschickt
wurde, seine Zeit und ihre Aufzeichnungen sind schon lange verschwunden. Man greift ihn vielleicht
an, hält ihn für einen Feind, kann keinen Kontakt zu ihm aufnehmen, denn seine Sprache ist tot. Es
sollte ein Glück für ihn sein, die Erde jetzt nicht sehen zu müssen, er sollte dort oben in seinem Schiff
bleiben, die Sterne um ihn herum, nicht gebunden an den Boden unter seinen Füßen. Es gibt
schlimmere Tode als im Weltraum zu ersticken und zu erfrieren, zwischen diesen Sternen, die zwar so
heiß aber zu weit weg sind. Viel zu weit weg.
Sie zieht an und fasziniert, wenn man sie aus der Ferne sieht. Dort lockt die Freiheit von Fesseln, die
Weite, die Grenzenlosigkeit. Man hat zu lange im Sumpf gelebt, einer dicken, zähen, klebrigen
Masse, doch die Hitze der Wüste kann sie eintrocknen und vielleicht wird sie dann abfallen. Und mit
ihr die Abhängigkeit, die Überempfindlichkeit und sämtliche Hüllen, mit denen man sich schützt. Was
übrig bleibt, wird preisgegeben den Stürmen, der Einsamkeit, der Kälte der Nacht und der Hitze des
Tages, der Gefahr des Verhungerns, Verdurstens und der Erschöpfung, die sich in den Sand legen
und schlafen will. Es gibt nichts, das einen für das hier vorbereitet hätte, man wird verbrennen,
erfrieren, wahnsinnig werden. Man wusste ja nur, dass man nicht so leben konnte, wie man sollte und
bleibt doch zu schwach, diese Alternative zu nutzen. Denn man ist doch nur ein erbärmliches Wesen,
dass ohne ein bisschen menschliche Wärme nicht existieren kann und dazu geschaffen wurde, ein
Teil des Sumpfes zu werden. Doch irgend etwas hat nicht gestimmt. Man bekam den Fluch und die
Gabe eines klaren Blicks, aber nicht die Stärke und den Kampfeswillen, die diesem angemessen
gewesen wären.
Trotzdem hat es einen in die Wüste getrieben, man spürte zwar, als sie drohte, einen zu
verschlucken, aber man wollte es nicht anders.
Man sieht in den klaren Himmel und es tränen einem die Augen vom Licht. Vielleicht schiebt sich
eines Tages eine Wolke vor die Sonne, es beginnt es zu regnen und der tote Sand erwacht, wird zum
Garten, zum Paradies - für wenige Tage. Das Leben ist nicht tot, es wartet nur und es kann lange
warten.
[Bearbeitet am 9.8.2008 von Ina]
[Bearbeitet am 9.8.2008 von Ina]
Ina - 9.8.2008 um 21:00
Ich werde nicht ewig hier sein, es ist wirklich das Beste, was sein kann, dass ich nicht unsterblich bin.
Ich kann mich fallen lassen, denn wirklich tief kann ich nicht fallen, nicht tiefer als in den Tod. Es gibt
nichts, was ich fürchten müsste.
Nun, da war es wieder mal soweit. Ich war kurz davor, in die Runde zu rufen: "Kommt, sagt es mir,
nennt mir einen triftigen Grund, warum ich mich diesen Abend nicht umbringen sollte, einen einzigen."
Was hatte ich schon zu verlieren? Doch ich wollt's mir wohl nicht selber versauen.
Natürlich war es gut, dass ich es nicht getan habe.
Warum ich noch lebe?
Es ist nun mal so, so kurz davor, wirklich davor, da wird alles anders. Abstand und kühle Reflexion
gibt es nicht mehr, man überlegt, ob man denn sicher alles aufgeben will, auf den Anblick der Sonne,
das Gefühl von rauhem Holz unter den Fingern, auf die Empfindung überhaupt verzichten will. Ich zog
die Hand über das Holz und wartete darauf, mir einen Splitter einzufangen, denn Schmerz ist Teil des
Ganzen. Das Gefühl eines Fichtenzweigs in den Fingern, kalter Asphalt, dürre, feuchte Blätter in der
Hand. Ganz zu schweigen von Licht und Struktur - von Grashalmen und den Linien der Steine.
Ich tat es, um mich zu verabschieden, wollte dem allen Lebewohl sagen, rechnete damit, an diesem
Nachmittag die Sonne das letzte Mal zu sehen.
Der Tod war wirklich da, mir fest vor Augen, kein Gedankenspiel, weder Traum noch Phantasie, nein,
völlige Realität. Und bei der Verabschiedung wurde mir die Intensität des Daseins bewusst, der
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Kontrast zum Nichtsein, das Wunder, dass ich das fühlen kann, und die sonst nur so theoretische
Ehrfurcht vor der Komplexität.
Warum kann es nicht immer so sein? Warum muss man sich so an das Leben gewöhnt haben, dass
man es nicht mehr sehen und spüren kann? Warum muss es zu einem zähen Sumpf werden, warum
sind diese Momente so selten?
Meine Suche hat keinen Gegenstand, nichts, das ihrer Sehnsucht entsprechen könnte, es gibt
nichts, in keiner Welt, die real wäre. Und so lebe ich in Phantasien, in Halbwelten, ich fliehe und
verbrauche meine Kraft. Wenn ich gehe, würde ich mir alles nehmen, die einzige Chance, in meinen
Träumen zu leben.
Ist es das wert? - Nicht im Moment.
Wir es das einmal wert sein? - Vermutlich.
Aber man muss den Weg zum Tod fürchten, das unvollkommene Sterben, nachdem man noch lebt,
das immer wieder angefangene Sterben, welches nie zu Ende geführt wurde, den Wunsch zu
sterben, der nicht stark genug ist und nur zum Nichtleben reicht, aber nicht zum Tod.
Was ist erstrebenswert?
Bitte, was soll ich noch sagen, was soll ich noch tun? Die Blindheit der anderen ist nicht mein Fehler.
Was sie spüren, ist höchstens das Fremde und es schmeckt zu stark nach Wahnsinn und
Unbehagen. Aber so ist es nunmal, das Leben schmeckt für mich so. Natürlich ist es dreist und
rücksichtslos, das auszubreiten, doch es wäre der Preis dafür, mich zu kennen. Und anders kann mir
niemand helfen und mich niemand retten, soll das nur ich allein, und ich habe nicht mehr genügend
Angst, um mir das wirklich zu wünschen, nicht einfach darauf zu verzichten und eben unterzugehen.
Die Resignation ist zu weit. Die Fremdheit ist zu weit und das Leben in dieser Fremde zu wenig
erstrebenswert.
Warum? Was hat mich zu dem gemacht? Und warum hört mich niemand? Kann man wirklich von
jemandem meinen, dass er keine Gefühle hat?
Ich glaube, niemandem wirklich nah sein zu können. Liebe? Ich wusste mal, was das ist, hätte mich
weggeworfen, habe mich weggeworfen, doch nun ist auch Utopia tot. Nicht für mich. Nicht für das,
was ich bin.
Was ist falsch gelaufen? Wann? Ein dummes chemisches Ungleichgewicht, das mir zugestoßen ist,
als ich vierzehn, fünfzehn war? Es war so schleichend, so allmählich, als ich begann, mich von allen
zu entfernen.
Jemand führt mich auf diesen engen Pfad, redet mir ein, dass er leuchtet, denn sonst würde man ihn
nicht gehen. Ich fliehe die Dunkelheit im Tal, über dem Gipfel steht das Licht, ich will hin, doch es
rückt nicht näher. Die anderen entfremden mir, doch in meinem Wahn, den Mond zu erreichen, stört
mich das nicht.
Aber dann zerbricht die nette Illusion und ich bin allein. Das Licht der anderen ist für meine
geblendeten Augen Dunkelheit. Ich will es nicht wahrhaben, bäume mich auf, will weiter in die geliebte
Richtung, baue mir einen Schimmer aus der Erinnerung. Steine, über die ich stolpere und an denen
ich mich jetzt wirklich stoße und verletze, denn ich bin nicht mehr getragen und voller Träume, die
mich hypnotisieren. Dieser fahle Glanz kann mir nun unmöglich genügen. Aber mir wird klar, dass der
ursprüngliche nie real gewesen sein könnte und mein Weg nur steil, öde und anstrengend ist. Ein
Zurück? Es wäre am klügsten, doch ich kann nicht werden, was ich so zu verachten gelernt habe,
kann die Abgründe hinter mir nicht überwinden. Es liegt mir näher, mich in sie fallen zu lassen, oder,
da ich das nicht kann, mich unbeholfen weiterzutasten, von einem schmerzhaften Stoß zum nächsten,
um es irgendwann nicht mehr zu ertragen.
Wie tot ist Utopia?
Wie soll ich dir nur sagen, was ich meine, wie nur dir begreiflich machen, wovon ich träume, wie sollen
zwei Menschen wie wir zueinanderfinden, voller Misstrauen und Sinnlosigkeit wie wir sind?
Kann ich es wagen, zu lieben?
Als ob ich dich denn lieben könnte...
Ich bin zu selbstverstrickt, kann keine Reibung ertragen, ideal lieben, eine Phantasie, das kann ich
vielleicht, aber sonst nicht. Das ist so schlimm, aber ich kann das nicht ändern, es ist in mir, ich bin
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das, es ist so, und es ist verdammt. Ich kann dich nicht lieben, dich nicht akzeptieren, ich will nicht
leben, mich nicht mit dieser Welt befassen, lass mich sterben und halte mich nicht hier fest, ich bin
unheilbar krank. Wie soll ich das durchstehen, was liegt mir am Leben - diese bleierne Müdigkeit,
diese unüberwindliche Schwere, die sich über alles legt.
Ich kanns nicht, habe keine Kraft, kann mich nicht aufraffen, mich umzubringen.
Eigentlich will ich ja nur... - ich weiß es nicht, weiß nicht, was ich will, kenne meine Wünsche nicht.
Was hält mich hier im positiven Sinne, nicht als Pflichtgefühl oder Todesangst? Oder will ich einfach
nur schlafen?
Ich bin zu schwach, um den Tod zu wollen. Und wenn ich ihn will, bin ich nicht kaputt genug, um ihn
verantworten zu können und gar keine Hofnung zu haben.
Das kann noch lange so weitergehen.
Stille.
Einfach nur Stille.
Will ich sie oder hab ich sie oder quält sie mich oder wünsche ich sie mir. Vielleicht eine andere Art
von Stille, vielleicht keine anklagende, schwere.
Scheiß auf die Menschen, es bringt nichts, ich bin isoliert, jeder ist anders, unerträglich anders, ich
bin die Irre, die meint, alle anderen wären irr, so ist die Lage und das sind meine Gedanken.
Ich sollte mich am Ende der Weihnachtsferien umbringen: Januarloch + keine sechs Klausuren + kein
Annes Geburtstag, an dem ich nichts für sie habe + Erfrieren, falls nach Sprung nicht tot + Tage kurz
genug und guter abendlicher Busfahrplan.
Vielleicht einmal noch in die Schule gehen. Oder auch nicht.
Nein, das Gefühl, aus dem ich mich am ehesten umbringen könnte, wäre eine Art von Wissen um
vergangenes Glück, nicht der Tiefpunkt, sondern der Glaube, dass der vor einem liegt. Der müsste
sehr konkret sein, ich müsste den Zustand, der auf mich wartet, gut kennen und erlebt haben, aber
nicht mittendrin sein. Denn sonst wäre es wahrscheinlicher, dass ich, wenn es darauf ankommt und
meine Todesangst nach Argumenten wühlt, einen Lichtblick zu erhaschen meine. Ich müsste noch
zum Zynismus fähig sein, weil ich sonst nicht rücksichtslos sein könnte und das muss man sein zum
Selbstmord. Ich müsste geistig hellwach sein, weil ich am Brückengeländer hellwach würde, und wenn
ich mich nicht in diesem Zustand dazu entschieden hätte, würde ich nicht springen. Auf eine gewisse
Weise müsste ich fröhlich sein.
Ich kenne keine echte Lebensfreude mehr, bemerke ich gerade. Zu einer kopflastigen, verdünnten
Version davon mag ich fähig sein, aber dieses schlichte ach-das-Leben-ist-schön-Gefühl ist mir
abhanden gekommen. Vielleicht müsste ich mit Menschen zusammensein, um das zu erleben? Es
könnte zusammenzuhängen. Aber das ist so schlecht vorstellbar, ich kann mit Menschen nicht. Ich
bin ihnen allen fern, es gibt kaum Wege zu mir, wenn ich denn überhaupt dazu fähig bin, so Glück zu
erfahren. Überleben bei mir nur Kopfgeburten? Ich habe irgendwie Utopia vergessen. Aber ich kann
auch nicht allein wirklich etwas finden, das besser ist als Suizid.
Nun ja, vielleicht ist das hier ein Experiment. Es gibt nicht viele Möglichkeiten. Ich kann Nietzsche
lesen, Jarre hören, mich in Phantasiewelten eingraben und mir genügen. Da merke ich, ich habe fast
keine Phantasiewelten mehr. Mir genügt gar nichts, weder das was ist, noch was sein könnte, alles
hat irgendwo Unstimmigkeiten, selbst absolut durchkonstruierte, perfekte Szenarien haben
gröstenteils ihren Reiz verloren. Sie ziehen mich nicht mehr an, eigentlich würde ich auch dort nicht
leben wollen. Ich kann mir irgendwie keine Existenz vorstellen, bei dem ich den Gedanken an den
Suizid wirklich überwinden könnte.
Vorbei der Sturm.
Vorbei die Grelle.
Ich habe meine Kälte wieder
und mein kaltes Leben.
Ich habe so lange im Schlamm gelebt, ich kann auch heute noch im Schlamm leben, meine
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Umgebung ignorieren, stärker sein als sie.
Wozu tu ich das, was soll dieses dumme Experiment, es gibt doch keinen Weg für mich bzw. nur
diesen einen eben, der so leicht ist und dabei so unendlich schwer, wie soll ich das tun, wohin, ich
weiß es nicht, wird mich der Gedanke an andere abhalten, wenn ich endlich die Angst überwunden
habe, die Sinnlichkeit nicht mehr will, das Gefühl von Existenz, das Empfinden überhaupt? Warum
fällt mir das im letzten Moment so schwer, wenn ich es zuvor doch verabscheue, ich kann nicht leben,
ich kann nur leben, wenn ich gerade bereit bin, mich wegzuwerfen. Werde ich mich einmal
umbringen? Warum denke ich das so? Weil mich der geringste Stoß in die Unendlichkeit treibt. Wie
soll ich umgehen, mit dem Leben, mit anderen, ich bin fremd, seltsam anders, getrennt durch eine
unsichtbare Mauer, die trotzdem das Licht abschirmt und keine Wärme durchlässt.
Ach, ich sollte es wirklich beenden.
Das schreibt sich so wunderschön einfach, eine nette Worthülse, die nichts ahnen lässt von Furcht
und inneren Kämpfen, vom Torkeln um die Mitte und der Unmöglichkeit, am Abgrund zu stehen.
Utopia und der Suizid haben das Asymptotische gemeinsam. Dieses scheinbar Naheliegende,
Gutmögliche, solange man fern davon steht und diese Unerreichbarkeit und Schwere, wenn man
näher kommt.
Ich bin allein, es gibt nichts, das mich auffängt, keine Geborgenheit, keine Sicherheit. Ich habe zu
funktionieren und nett zu sein. Ich weiß nicht, wer mich stützen sollte, man erwartet, dass ich es
selber kann, aber ich kann es nicht.
Nun ja, vermutlich werde ich mich nicht mehr lange so aufführen.
Ich vermisse dich, hier im Nichts, wo ich bin. Deine Musik, deine Empfindung, deine Probleme, das
Licht, das du siehst.
Doch es ist eine wehmütige Sehnsucht, die nach einem lebendigen aber undurchführbaren Traum,
ohne Schmerz, nicht austauschbar gegen das Nichts, in das ich geflüchtet bin.
Wieso muss es so verdammt schwer sein?
Ich bin hier, um diese weinerliche Scheiße zu beenden und mich endlich um eine richtige Diskussion
zu bemühen. Ich muss mich vorbereiten, um dem Gefühl gegenzusteuern, das mich befällt, wenn ich
kurz davor stehe und plötzlich meine, ich hätte es nicht wirklich versucht, es gäbe einen Weg für mich
und ich sollte mich nicht aus einer Laune heraus umbringen. Die Konsequenz muss klar werden,
sonst funktioniert das nicht, mir wird irgendetwas einfallen, das meine Sicherheit bezüglich der
Richtigkeit meines Tuns in Frage stellt. Die Zweifel müssen ausgeräumt oder zumindest
verstandesmäßig überwunden werden, das ist wichtig. Meine Gefühle kann ich vielleicht kontrollieren,
nicht die Angst ist mein Feind, auch nicht so sehr die Hoffnung - wenn auch schon eher - aber ich
darf mich nicht fesseln lassen ans Leben durch Überlegungen:
1. "Dein Leben ist noch nicht versaut, mach was draus, du kannst immer noch gehen, wenn es dir
zuviel wird, im Moment geht es dir ja noch gar nicht dreckig, sieh es als Computerspiel, klinke dich
aus, wenn es schlimm wird, aber jetzt doch noch nicht."
- Der Reset-Knopf ist nicht einfach da, es ist alles andere als leicht, sich zum Suizid durchzuringen.
Ich fürchte, mich dem Leben zu sehr zu widmen und dann diesen Ausweg gar nicht mehr zu haben.
Zumindest ist es sehr schwer und schmerzhaft, dann wieder auf Tod umzuschalten.
Weiter geht es natürlich darum, nicht allzuviel Chaos zu hinterlassen oder Schuldgefühle zu
verursachen, nur weil zufällig gerade irgendetwas passiert ist.
2. "Schau dir die Komplexität an, das Wunder, das die Existenz ist, und du fühlen und denken kannst,
die Schönheit der Sterne und Naturgesetze. Und wenn das nichts hilft, lebe doch einfach im Traum, in
Dichtung, Musik und Kunst, in Phantasiekonstrukten und ausgebauten Computerspielwelten."
- Wie lange kann ich diesen Gedanken durchhalten? Wann holt mich der Alltag ein? Das mag zwar
richtig sein, ist aber absolut sinnlos, höchstens gut für ein paar schöne Momente. Die mögen zwar
intensiv sein, sind aber so selten, dass sie den Schmerz nicht wert sind. Daraus kann keine taugliche
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 14/66
g
Lebenseinstellung werden, die ich auch durchhalten kann, wenn ich in der Schule sitze und
stumpfsinnige Kurvendiskussionen mache, daheim rumstreite und die Ignoranz und Heuchelei meiner
Umgebung ins Gesicht geklatscht bekomme, oder einfach nur dahocke und nicht weiß, was ich tun
soll.
Und um im rein Geistigen und im Traum zu leben, habe ich nicht die Kraft. Meine innere Welt ist nicht
reich genug, als dass mich die dutzend Leben meiner Phantasie nicht mit der Zeit langweilen würden.
Und um aus fremden Werken etwas ziehen zu können, braucht es ein gewisses Maß an Kraft und das
fehlt zu oft.
Ich kann nicht mit Menschen und werde es nicht lernen, ich bin fremdartig. Ich kann aber auch nicht
allein, kann nicht ewig nur von Träumen, Büchern und Musik leben.
Es gibt keinen Weg für mich.
3. "Ist doch alles halb so wild. Es gibt doch kein Problem. Mach einfach weiter und vergiss diese
dummen Gedanken."
- Ich will eigentlich gar nichts, auch nicht den Tod, ich will nur nicht leben, nicht als Mensch.
Höchstens existieren vielleicht, in einem Traum oder als Windhauch. Es geht mir nicht primär um
Begriffe wie Schmerz und Freude. Sonst würde ich mir ein anderes Leben wünschen und könnte das
vielleicht erreichen, in Therapie gehen und ein anderer Mensch werden, meine Talente nutzen und
es zu einem "guten Leben" bringen. Doch das wäre ein fauler Kompromiss, nichts, das ich will.
Was würde ich als Glück definieren? Ich bin mir nicht sicher. Die Voraussetzung dafür ist wohl, nicht
wirklich bei Bewusstsein zu sein. Oder vielleicht mehr, das vollkommene Sehen, das Gefühl von
unaussprechbarer Weite, die ich erfassen kann, vollständig.
Jedenfalls nichts Menschliches.
4. "Denk an deine Mutter. Denk daran, wie sie deinen Zettel findet, wie sich die Nachbarn und die
Verwandten verhalten, was sie dann plötzlich alles tun muss, ihre Schuldgefühle."
- Oh ja, das ist ein Einwand, doch was soll ich machen? Nur aus Pflichtgefühl weiterleben?
Es ist mein Leben. Und sie hat ihres.
5. "Gibs doch zu, du hast einfach Schiss vor dem Tod. Und wann wünschst du dir schon, dass du jetzt
lieber tot wärst, als das zu erleben? Aber ist das nicht ein Indiz dafür, dass du eigentlich gar nicht
sterben willst?"
- Ja, ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich einfach so in den Tod gehen könnte. Ich gebe zu, mir
wird kalt, wenn ich daran denke. Doch genau diese Kälte ist irgendwie immer da, ich kann ihr nicht
entkommen, sie ist in allem, in jedem Weg, den ich gehen könnte. Auch manche Menschen machen
mich frösteln. Sie führen mir eine riesige Kluft vor Augen, die mich isoliert. Außerdem werde ich
sowieso mal sterben, wenn nicht jetzt, dann eben in 60 Jahren. Sich ans Leben zu klammern macht
keinen Sinn. Und warum so lange warten, es bietet nichts, das seinen Schmerz rechtfertigt.
Also was? Werden wir uns umbringen, tun wir uns das an, oder wollen wir leben. Es ist bizarr, einen
Termin zu haben, an dem alles aufhört. Heute ist alles ist im Licht, Schnee ist gefallen, die Welt
glitzert im Kristall, Symmetrie und Komplexität. Fragile Gebilde, halten sich zusammen.
Tja, da werd ich dann liegen. Was mach ich jetzt - ein bisschen lesen, ein bisschen coden, Suizid
begehen... Ich denke, es ist alles bereit.
Was für eine Arroganz von mir anzunehmen, diese Diskussion könnte etwas bringen, ich könnte
durch pure Vernunft und mit Argumenten, die immer noch ein Kontra zulassen, meine Gefühle
übertönen, und mich davon überzeugen, dass das Pro hinreichend mehr wiegt.
Nun, was jetzt? Leben? Nicht drüber nachdenken? Ich sollte den Rat befolgen und so wenig wie
möglich nachdenken, das ist nicht gut. Aber ich habe doch das Gefühl, den Boden unter den Füßen
zu verlieren, wenn ich es nicht tue. Wie absurd. Gedankenlosigkeit scheint mir so trügerisch,
hinterhältig, nur den Moment abwartend, in dem mich wieder meine Schwere überfällt und mich in das
Loch fallen lässt, das ich dann nicht mehr kenne. So grabe ich es selbst und weiß um seine Tücken,
hoffe, vielleicht eines Tages auf Granit zu stoßen.
Aber der ist mir unbekannt. Alles bricht früher oder später.
Was ist jetzt passiert? Wasser ist eingedrungen. Ich wollte es begrüßen, hatte die Wände
angegraben, hinter denen ich es vermutete, stellte es mir so einfach vor, schweigend darin zu
versinken. Doch es ist eiskalt und zu klar, die Sehnsucht nach Wärme, die Gewöhnung an Wärme
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quält, hinterlässt Chaos, übermäßige Grelle, zuviel Fokussiertheit, es gräbt unkontrollierbar, viel zu
schnell schwemmt es den Boden unter den Füßen weg und nimmt jeden Halt. Ich merkte, dass ich
nicht darin versinken konnte - kein Weg für mich. Ich kann dort auch nicht schwimmen, meine Dichte
ist die des Wassers, wir durchdringen einander, können uns aber nicht bezwingen. Es quält und
sticht, ich hielt es nicht aus, konnte mich nicht bewegen, fragte mich, ob ich dieses Eisgemisch über
mir zusammenschlagen lassen sollte, ein Erstickungstod, den ich haben sollte, ein schwerer Tod, ein
Kampf um den Tod - ich stand da und konnte mich nicht rühren, es lähmte meine Glieder. Ich weiß
immer noch nicht, was Fiktion und was Realität war, was Spiel und was Ernst.
Doch was mach ich jetzt? Fliehen, in die Höhe, in wärmere Gefilde. Ich versuche, es teilweise fassbar
zu machen, zu einem Gedanken, der sich einfügt, an den ich mich gewöhnen kann, der den Rest
vergessen lässt und ihm die Wichtigkeit nimmt - verbanne das zähe Eis ins Abstrakte, ins Reich der
Abhandlungen, Hypothesen und Konstrukte, nehme ihm seine Außergewöhnlichkeit, sein
Alleinstehen, nehme ihm letztlich die Wirklichkeit.
Warum? Um weiter graben zu können? Doch ich bin zu weit gegangen, das Furchtbare kann jetzt
überall sein, ist überall. Aber aufgeben kann ich es auch nicht, ich kann mich nur durch
Abhandlungen einordnen und aus dem Chaos einen Mythos machen, der zu glatt ist, um wirklich zu
sein. Es versteinern, aus Zufall Schicksal machen, mein Dasein poetisieren - selbst der bloße
Niedergang gibt dazu genug Stoff und kann auch richtig scheinen. Und darum geht es, um etwas
anderes geht es nie. Um Richtigkeit, Rechtfertigung, Wert.
Ich darf mich da einfach nicht zu sehr kümmern, das bringt mich um.
Im Schatten der Brücke ist kein Grund mehr erkennbar, nur Leere dort vor mir. Ich könnte noch auf
den Himmel starren, der heller ist als die Silhouetten der Fichten und Berge, grau leuchtend von
unerreichbaren Sternen.
Hier haben wir also unseren Suizidtermin, aber ich werde heute nicht sterben, meine Leben ist noch
nicht vorbei, denn ich will meine Träume nicht verlassen. Das hier ist die einzige Möglichkeit, in
meinen Welten zu leben.
Wenn ich das so schreibe, erscheint es mir so wenig, meine Gründe für das Leben, meine
Argumente gegen den Tod.
Mein vorfrühlingshaftes Glück: kleine gelbe Blüten im toten Staub, unbeständig, stets die Kälte des
Winters im Nacken, der jederzeit wiederkommen und sie vernichten kann. In Vasen schließen sie ihre
Kelche - sie wachsen nur, wo andere vor Einsamkeit und Unbehagen fliehen.
Ich fahre suchend durch die Landschaft und gehöre nirgens dazu, beobachte das Glück der
anderen, die Wärme, das Licht und weiß, dass ich es nicht haben kann. Was hieße auch Glück, was
könnte mein Glück sein? Vielleicht bin ich gerne eine Einzelgängerin und muss, wenn ich schon nicht
schön bin, wenigstens selten sein. Es gibt bröckelnde Fassaden und sterbende Illusionen, die
Schönheit habe ich nicht gefunden.
Doch das sind anmaßende Ansprüche. Das Beste, was man von dieser Welt erwarten kann, ist
Gleichgültigkeit, Zufall. Meine wäre eine andere, leer und weit, mit klarem Wasser, in dem man atmen
kann.
Ich werde nicht dorthin gelangen, sondern so lange hier gefangen bleiben, bis alles aufhört. Das hier
ist meine einzige Möglichkeit, Träume zu leben. "Ich" bin nur eine seltsame, unwahrscheinliche
Zusammensetzung. Und was sind denn Träume und das, was man Leben nennt?
Alles voller Vereinfachungen. Kein Zugang zu Wahrheit.
Mir steht mein Denken im Weg zu echten sinngebenden Konstrukten, doch ich hänge daran. Nichts
realisiert Träume, sie sollten eigentlich nicht existieren, bzw. sind völlig sinnlos, eine interessante
Absurdität, wie das Auftreten der kleinen M-Mengen in der einen, die umgeben sind von filigraner,
detaillierter, immer neuer Schönheit - ein Bild der Unendlichkeit und der Verwandschaft, die sich nicht
sieht und nur abstrakt fassbar wird.
Was soll das Leben? Was ist der richtige Weg, damit umzugehen? Sich umbringen, ist das doch das
Klügste? Oder geht es vielleicht gar nicht um die Bilanz, sondern vielmehr darum, den Schmerz eben
zu leiden und nach den so seltenen Momenten Ausschau zu halten, die eine Ahnung davon geben,
was möglich ist?
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g
Es bliebe trotzdem unzugänglich. Und wie sollte man den Rest ertragen? Diese unendlich längere
Zeit, in der einem höchstens das Glück der Melancholie bleibt - aber kann es Glück sein, wenn man
dabei weint? Doch meine Definition davon ist wohl die Fraglosigkeit, die Stille im Kopf, dasein, einfach
so.
Ich sitze hier und sehe das Licht, draußen, wie es sich im Schnee bricht, den Himmel darüber, blau
und klar. Und ich bin hier im dämmrigen Zimmer, starre auf Buchstaben, fühle meine Müdigkeit.
Vielleicht sollte es keine Menschen auf der Welt geben und ich könnte nach draußen gehen und die
Sonne ansehen, auf eine Anhöhe steigen und in die Landschaft zerfließen.
Tod. Ich bin erstarrt. Das Leben ist meine einzige Chance. Was will ich jetzt hier eigentlich? Ach,
dummes Geschwätz, ich möchte das nicht, es ekelt mich an. Was soll ich mir hier meine Geschichte
erzählen?
Nein, verdammt, ich will nicht sterben, ich will nicht einfach nicht mehr da sein. Warum ist gerade die
Schönheit mein Feind, die zauberhaften Momente die gefährlichsten, die mich am tiefsten stürzen
lassen? Ich kann ihnen nicht trauen, denn ihr Preis ist so hoch. Wann wird es sie nicht mehr geben?
Oder kommen sie immer wieder, nur verkleidet, in anderen Formen, Menschen, Gedanken?
Sind sie ihren Preis wert? Ja, das müssen sie sein, das ist das Leben, was habe ich außer dem
Leben? Ich bin dann tot, fort, vorbei.
Ich stand da und starrte hinunter ins Tal, auf die Laternen, die die Straßen säumten, Perlen aus
Licht, heller als die Sterne über mir. Doch bei mir selbst war nur Dunkelheit. Selbst diese kleinen
Lichter blendeten mich so, dass ich den Weg gar nicht mehr sah, mich an den Umrissen der Fichten
und dem Gefühl unter meinen Sohlen orientieren musste. Ich stand da und starrte. Wusste nicht, was
ich tun sollte, sah deutlich die Reihe heller Laternen abseits der Häuser, die die Brücke säumten.
Doch während ich in ihre Richtung lief, konnte ich nicht richtig nachdenken, ich ging ja bereits auf ein
Ziel zu, von dem ich gar nicht wusste, ob das das richtige war - so als hätte ich die Entscheidung
schon gefällt. Also blieb ich stehen und starrte, wühlte nach einem Gefühl, dass mich an diese Welt
binden sollte und stärker wäre als das, was mich auf diesen Weg gebracht hatte: Überdruss, Angst,
nach Hause zu gehen, in meine viereckige Welt ohne Sterne, meine Umgebung, die Langeweile, alles
Quälende, Zähe, Grausame. Ich fand keins, konnte mich aber trotzdem nicht für den Tod
entscheiden. Doch zum weiterlaufen reichte es. Schließlich ertappte ich mich wiederholt bei dem
Gedanken, wie weit doch der Weg zurück von der Brücke war. Ich lachte mich aus für meine ach so
ernsthaften Suizidgedanken, die bestenfalls einen Ausflug mit nächtlichem Sternegucken und
Atmosphäreeinsaugen zu Folge hatten, nur ein Spiel, bei dem es doch so unwahrscheinlich war, dass
ich Ernst machte. Die Erstarrung löste sich wohl, oder ich wollte mich vom Gegenteil überzeugen,
denn ich fühlte unleugbar, dass ich dem Tod - wenn man sowohl die reale physische Möglichkeit als
auch die mentale Bereitschaft berücksichtigt - noch nie so nahe gewesen war.
Wie oft soll ich das eigentlich noch schreiben, es wird doch immer lächerlicher.
Asymptoten...
Also schreiben wirs noch unzählige Male, bis uns die Natur endlich das dreckige Geschäft abnimmt
und mich an meinem Tod unschuldig macht.
Nun ja, ich lief jedenfalls weiter. Natürlich wühlte ich auch weiter ohne zu finden. Doch als ich endlich
oben war, wo der Weg um die Kuppe des Hügels bog und die Lichter der Dörfer nicht mehr
hinaufleuchteten, kehrte ich um und ging zurück nach Hause.
Wir haben den Himmel gesehen und die Sterne, wir haben das Leben gespürt. Und so leben wir
einen Tag oder zwei, bis der Schlamm wieder ansteigt.
Doch nicht jetzt, ich genieße den Frieden meiner Seele, die nichts will, weder leben noch sterben, die
einfach mitfließt und kein Verlangen fühlt, keine Sehnsucht nach was auch immer, nur ein wenig
Trauer. Kein verzehrendes Feuer, das alles zu Asche verbrennt und für das Nichts zu begehrlich ist.
Der Tod ist kein Traum, kein Gedankenkonstrukt, er ist da und realer als das Leben, das nur eine
unwahrscheinliche Eigenschaft der Materie ist. Trotzdem will ich es mir nehmen, das Kostbare und
Seltene, und das, ohne zu wissen, ohne eine Ahnung von all dem zu haben, zwischen das ich hier
gestellt wurde.
Aber es ist da, in jeder Empfindung, in jedem Gedanken, zu komplex, als dass man immer an seine
Einheit glauben könnte.
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Was ich spüre ist nicht viel mehr als der Wind, der von diesem Meer kommt und nach unermesslicher
Weite riecht, nach Versprechungen, die man kaum begreift. Ich will hinausschwimmen, es mit allen
Sinnen erfassen und mich davon tragen lassen, mit meinem winzigen Leben ein bisschen davon
aufsaugen - doch man verlangt von mir, Sandburgen zu bauen.
Mit der Schwere seiner Goldadern muss man schwimmen können und sein Leben mit der aus
Schmerz geborenen Schönheit rechtfertigen.
Ich habe keine Kindheit, die mich erklärt und keine Gegenwart, die mich rechtfertigt. Fremdheit ist
mein Fluch, das Verbrechen und die Strafe.
Das hier war nie meine Welt.
Was war es für ein Ausblick. Was war es für eine Möglichkeit für Leben. Ist das vorbei? Wäre es
immer vorbei gewesen? Ich bin dem allen überdrüssig
Doch ich kann weinen, was ist heute nur? Tauwetter? Und ist das immer so gut? Es kann doch auch
die Erstarrung tauen, so dass man schließlich tut, was man sonst nicht getan hätte, weil das Denken
zu kalt, die Gefühle zu festgefroren waren. Doch es reinigt auch, die Augen blicken nicht mehr leblos,
klein und gepresst - nein, ich hab nicht die Kraft für irgendwelche erhobenen Gefühle und
Gleichnisse, ich will mich mich verletzen, mich zusaufen, mir die Seele aus dem Leib kotzen - das ist
es, das geh ich jetzt machen.
Ich komme einfach nicht heraus aus meinem Sumpf, kann es nicht mehr ertragen, täglich in die
Schule zu gehen und mir geistloses Gerede anzuhören und später dazusitzen und gar nichts zu tun,
nicht zu wissen, was zu tun sein könnte, nichts, was mir Freude machen würde. Ich halte es nicht aus,
ich weiß nicht, warum ich es aushalten sollte.
Beende dein sinnloses Leben, endlich, beende es!
So sicher wie Ebbe und Flut wechseln, werde ich wieder in die Situation kommen, mich umbringen zu
wollen.
Und wiedereinmal schwanke ich zwischen Resignation und Kampf, zwischen den beiden Welten, der
des Lebens und der des Todes.
Ich kann auch einfach gleichgültig sein, schlafend und abwartend, nicht sinnsüchtig.
Ich kann nicht mehr schreiben, ich wollte einfach nur sterben, denn sie saugt mich aus, die Kälte. Es
ist zuviel damit verbunden, ich habe den leichten Umgang damit verlernt, das Jonglieren mit
Begriffen, die ich nicht wirklich verstand.
Ich hätte gerne mehr als diesen Rest Leichtigkeit, fühle mich aufgerauht. Nur wieder träumen zu
können, wäre mir schon genug.
Doch ich könnte vielleicht auch so leben, mich in die Einsamkeit zurückziehen wie in eine schützende
Höhle. Was können Menschen schon geben? Antworten? Nein, man hat sie entweder schon gedacht,
oder ist noch nicht bereit für sie. Für Fragen gilt dasselbe. Es ist immer so, bei allem, was man
einander geben kann. Der eine gibt mehr als es dem anderen bedeutet und beide sind enttäuscht.
Den wahren Freund muss man in sich selbst suchen. Oder man geht fort, um sich im anderen zu
verlieren.
Doch Einsamkeit nimmt einem so viel. Man lebt in ständigem Kampf gegen das Dunkle, Schwere,
gegen die Kälte und die Tiefe, die so leicht im Schlamm endet, wenn sie nie bis in den Grund
beleuchtet wird, ausgetrocknet wird von menschlicher Wärme. Doch wo soll die herkommen? Es gibt
keinen sanften Tauwind mehr. Ich bin zu aufgerissen, meine Seele liegt zu blank, nur noch durch
Stolz verborgen. Ich hasse diese Ohnmacht und die Erstarrung, in die sie mich treibt.
Der Suizid sollte ein Sieg sein, eine Verweigerung. Doch es wird ein erbärmliches Ende, die
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unelegante Geste, mit der die Müdigkeit stehenbleibt und die mehr Kraft erfordern könnte, als ich
habe.
Was will ich nur?
Was täte ich jetzt, wenn es keine Menschen auf der Welt gäbe? Ich würde zusammenbrechen, doch
ich breche auch so zusammen, es gibt so wenig Halt für mich und trotzdem meine ich immer wieder,
stehen zu können, was immer auch passiert. Ach, es würde mir doch schon genügen, wieder träumen
zu können. Ich ertrage die Realität nicht gut. Es raubt mir schnell die Seele, sie hängt nicht sehr an
mir. Mein äußeres Leben ist zwar schon überschaubar und ereignisarm, aber mein Inneres wühlt und
zwischen all meinen Welten erstreckt sich eine Wüste. Aber was würde schon ein Leben bedeuten,
das sich nicht immer wieder dafür entscheiden müsste. Wäre das nicht ein Leben aus Gewohnheit
und Gedankenlosigkeit?
Die Richtung der meisten Menschen ist mir völlig fremd, geht in eine andere Dimension, keine
Begegnung möglich, keine Projektion in ihren Raum wirklich erwünscht, die würde nur stauchen und
zerren. Doch wen treffe ich in meinem Raum? Niemanden? Oder immer wieder nur mich selbst?
Ich kann es schaffen, ein Leben zu führen, dass sich mit der Schönheit der Besten messen darf. Ein
einsames, reiches Leben.
Viel Weltraum, viel Leere, doch auf filigranen, kaum geglaubten Bändern die höchste Komplexität,
Lichtfülle und Harmonie.
Du bist krank, Mädchen, gerade eben bist du krank. Vor Einsamkeit und Erschöpfung. Deine
Hoffnungen schwinden, scheinen nie existent gewesen zu sein, sie sind so schwer fassbar, so
traumartig.
Das Leben ist mir furchtbar öde geworden: Ich finde keine Aufgabe für mich und gehöre auf keine
Weise dazu, auf die es ankäme. Aber es ist dumm, zu jammern. Als könnte ich mich nicht einfügen,
wenn ich es unbedingt wollte, als wäre es mein Wunsch, so zu sein wie sie und mich an den Dingen
zu erfreuen, die sie leben, als sei meine Bestimmung nicht eine völlig andere und mein Inneres nicht
zu stark, um sich zu verleugnen.
Möglich, dass es nicht an der Stärke liegt, sondern an Stolz und Verachtung und dass ich
irgendwann daran zugrunde gehe. Doch vielleicht kommt die Kraft nach, wenn ich sie brauche. Ich
kann viel ertragen. Wenn ich auch schnell daran denken mag, mich umzubringen, der Weg bis zu
diesem Ende ist lang. Wenn ich sage, das Leben wäre zu schwer, es gäbe keinen Weg für mich und
keine Möglichkeit des Glücks, dann ist vieles davon nichts als die Rechtfertigung meiner eigenen
Erbärmlichkeit.
Mag sein, dass mein Weg nicht vor der Haustür beginnt, er mag verschüttet und überwuchert sein,
wann wurde er das letzte Mal begangen? Wurde er überhaupt schon begangen?
Was weiß ich davon? Ahnungen. Wie kann das alles täuschen.
Wie fragil das hier geworden ist.
Wo bist du, Seele, die der meinen entspricht? Gibt es dich? Bist du zu jung? Zu alt? Schon lange tot?
Bist du noch lange nicht geboren? Muss ich dein Stern sein, weil du zu jahrhundertealten Texten
schwer Zugang finden wirst?
Welch unwahrscheinlicher Traum von Einheit.
Manche Menschen mögen ein Universum sein, man verläuft sich leicht in ihnen. Das ist nicht schlimm,
doch man darf nicht an ihre Mauern stoßen und erkennen, dass die vermeintliche Unendlichkeit nur
an der Verdunkelung lag. Wer ist klar wie das Universum, so groß und doch so, dass Verständigung
möglich ist? Bin ich es denn? Kann ich genügen? Nein, ich kann jetzt nicht an andere denken, zu
anderen flüchten, ich muss erst einige Jahre Einsamkeit gelebt haben. Meine Freunde werden
Bücher von Verstorbenen sein, meine Gespräche werde ich mit denen führen, zu denen sie in
meinem Innern werden.
Weiß ich nicht, was ich tue? Mag sein. Mag meine Zukunft über mich richten. Doch für was lebe ich?
Was könnte schlimmer sein, als der Tod?
Nun ja, vielleicht ist das hier ein Experiment...
Ich weiß, dass Verzweiflung nicht der letzte Pol ist. Dass sie überwunden werden kann und muss, in
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die ganz eigene Richtung, ins Unerforschte. Wo die Luft dünn wird und die Wege unklar. Es gibt so
viele Möglichkeiten, nicht nur die beiden, zur Herde zu werden oder zu verzweifen.
Die Gegend wird karg.
Nein, kein Klagen, das will ich doch, dorthin treibt mich mein Fernweh und das Streben nach
Unabhängigkeit, das ist mein Wille, dort ist Schicksal, Leben und eine Möglichkeit von Freiheit. Ich
muss mein Innerstes schützen, damit es nicht verschüttet und erstickt wird, dass ihm nicht die Flügel
brechen, diesem seltsamen Mischwesen, das so gerne auch Vogel ist. Dazu braucht es Einsamkeit -
die mich aber dennoch so zermürben kann, dass mir dieses Diffuse unzugänglich wird.
Ich werde noch oft durch die Wüste gehen - ohne es zu wissen und mich im Stolz erheben zu können,
Morgenröten, Sonnenuntergänge und Sterne an den Himmel zu malen. Der gefährlichste Schmerz ist
der, den man nicht erkennt, der sich nicht artikuliert, nicht das Bedürfnis und die Möglichkeit dazu
hat. Man strebt nach seiner Beendigung und das Leben zerbricht daran, denn man hält ihn für das
Leben, so dass es darin keine Aussicht auf Besserung gibt.
Ich giere so nach Schönheit und stürze mich deshalb zu leicht auf Ungeheuer, auf große,
notwendige, geheimnisvolle, auf die Abgründe menschlichen Daseins, das Universum und seine
Gesetze - denn die sind die Abgründlichkeiten der Natur. Doch vielleicht auch nur ein Hintereingang
in die eigenen, wer löste das Problem des tiefen, ausstrahlenden Irrtum im Großen und im Kleinen?
Höhe und Tiefe, Meer und Himmel, Abgrund und Stern, warum sonst ist das so oft beisammen, wenn
es nicht zusammengehört? Der Kreis schließt sich am entgegengesetzten Ende - die Sprache ist für
den Alltag erfunden, das ist ihr Problem.
Es gibt dieses flüchtige, gefährdete, übergroße Glück, das der blühenden Wüste gleicht, es ist wahr,
danach strebe ich. Mag es unvernünftig scheinen, ich muss nicht verstanden werden. Da ist wohl ein
Weg für mich, doch nicht in der Welt, die mir bekannt ist. Wie dünn besiedelt ist diese Galaxie? Ich
zahle mal wieder mit Einsamkeit, will es so, es mag mein Schicksal sein, so zu wollen. Inwieweit ist es
das, wie gut begreife ich das Ungeheuer, in dessen Rachen ich mich so sehnsüchtig werfe?
GLÜCK
Da war er gekommen,
der Held, der Retter,
besiegte den Drachen,
gewann die Jungfrau,
führte sie fort,
freute sich seiner Kraft,
Blut auf der glänzenden Rüstung.
Er blickt zurück,
blinzelt in die Sonne.
Ein Schatten von Erkenntnis
verdunkelt seine Seele.
Eine Ahnung von Einheit,
von vielen Drachen,
die sie anziehen wird,
wie das Meer den Fluss,
wie die Schlucht den Fels.
Doch es wird spät,
die Sonne verschwindet,
die Nacht bricht an,
das Blut wird grau,
die Rüstung fahl,
der Drache zum Traum,
die Ahnungen zu Staub.
Nur sie ist noch wach,
blickt zu ihm,
sieht in das Feuer,
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88.198.21.82/keller/viewthread.php… 20/66
schaut zu den Sternen.
Entflieht sich,
entkommt sich,
verliert sich.
Schließt die Augen,
und träumt mit.
Was mich in den Abgrund trieb, könnte nichts anderes gewesen sein, als das Verlangen nach etwas,
worauf man stehen kann. Ist das dumm? Oder ängstlich? Suche ich nur nach einem Grund zu
sterben? Ist vielleicht diese Rücksichtslosigkeit im Denken doch nichts weiter als der Trieb zum Tod,
der grausame, ins Fleisch schneidende Erkenntnis sucht, weil er sich zum Suizid gezwungen sehen
will? Oder gar nur die seelische Selbstverletzung der absterbenden Empfindungsfähigkeit? Nein,
dazu gibt es bessere Wege... Vielleicht geht es einfach nur um die Flucht in die eigene Welt. Doch
warum macht man sich eine solche? Will man denn leiden? Ja, man will leiden. Doch warum denn
nun? Will man zerbrechen? Oder verwandelt wieder auferstehen? Ich habe die Einsamkeit umarmt
und mich unter ihrem eisigen, erbarmungslosen Auge erhoben gefühlt, wert der Gemeinschaft mit
diesem Ungeheuer. Auch wenn es mich würgt, es würgt mich nicht wirklich.
Vielleicht weil ich es nicht kenne.
Aber will ich es kennen, ja ich will es kennen.
Was liegt am Untergang? Was liegt am Suizid?
Wenn ich die Wahl hätte, wiedergeboren zu werden, ich wollte es, ja, ich wollte die Zukunft sehen und
darin leben, zwar ohne Erinnerung an das Jetzt, aber vielleicht das ein oder andere von dort
erfahrend, mit mir tragend, eine andere Zeit wäre es in jedem Fall wert, man sollte viel gelebt haben.
Meine Neugierde wäre einfach zu groß: "Was braucht es diesmal, dass du eingehst? Kriegst du die
Kurven, die bei deiner Veranlagung so nötig sind? Findest du die richtigen Gedanken zu rechten
Zeit?"
Ich hatte Glück. Ich könnte auch schon tot sein. Vieles ist sehr richtig gelaufen.
Was ich so treibe den ganzen Tag? Nun, ich lese ein bisschen, sitze am PC, surfe etwas im Internet,
wenn ich auch meist nicht weiß, was ich dort soll: Chats und Foren langweilen mich, ich bin höchstens
da, um zwischendurch etwas zu klugscheißern und vielleicht mal eine einigermaßen nette Diskusion
zu kriegen, aber im Grunde ist es nix. Von Innen sieht alles jedoch recht heiter aus, ich habe ein paar
Stücke wundervoller Musik. Es ist ganz nett, ich komme mit mir zurecht, alles ist von einer gewissen,
zauberhaften Zartheit, auch von Gelassenheit, ich finde es schön, so wie es ist. Was ich tue? Naja,
ich denke, ich genieße.
Er glaubte seinen Augen, warum konnte er nicht gleich Worten glauben? Es ist eine verführerische
Überzeugung, nur zu glauben, was man sieht, schön einfach. Lachhafte Objektivität.
Was ist besser? Zu den Dingen nicht so zudringlich sein vielleicht, nicht so sehr auf Wahrheit
bestehen, Ungewissheit mögen - aber nicht nur in Form von Lücken, die man eben in seinem Weltbild
akzeptiert, sondern die Ungewissheit des Weltbilds selbst.
Mein Blick wurde schärfer, er enthält nun das Auge der Einsamkeit, auch seine Tränen. Doch Weinen
liegt mir nicht, dazu sind meine Gefühle zu ambivalent. Nur selten sind Handlungen ungerecht, was ist
denn nicht notwendig? Gedankenlosigkeit ist kein Argument, die muss man beherrschen und sich zu
Nutze machen können, bzw. sich davon abschotten, wenn man sich vor ersterem ekelt. Und gewählte
Einsamkeit ist nicht schlimm.
Ein gezackter Fels oder das sich brechende Licht in einem Wasserglas geben mir eine stärkere
Empfindung von Leben als die Gegenwart dieser Menschen hier.
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88.198.21.82/keller/viewthread.php… 21/66
Ach, dass es derart viel Leid auf der Welt geben muss, es ist so furchtbar anzusehen, wie die
Menschen in Fesseln hängen. Liebe, wie sie am Leben erhält und unendlich zerstört. Es ist
schrecklich, man darf nicht zu tief ins Dasein schauen.
Doch so viele ziehen diese Qual vor. Wie entsetzlich Freiheit sein muss.
Weder Liebe noch Hass lernt man bei ihnen. Nur Schauspielerei, Lüge, Selbstbetrug. Wahrhaftige
Empfindungen findet man nur in der Einsamkeit - allerdings glaubt man das nicht, wenn man sich an
der Oberfläche des menschlichen Verkehrs abmüht. In menschlicher Gesellschaft habe ich kein
Innenleben. Ich sehe nichts mehr, werde zur Heuchelei. Ich fühle mich nicht mehr und wenn ich mich
finden will, so geht der Weg durch die Depression, die Aussichtslosigkeit, den Wunsch nach dem
Ende. Nur das bleibt da von mir.
Was sagt es über einen Menschen aus, wenn ihm Tote lebendiger erscheinen als die Lebenden
seiner Zeit? Was ist das für eine Gegenwart, in der Schattenbilder aus früheren Zeiten das
Seelenvollste sind?
IM TÜRRAHMEN
Magst du meine Herberge sein,
für ein paar Stunden, Tage, Wochen?
Mich aufnehmen, mir Schutz gewähren,
mich ausruhen lassen auf warmem Lager?
Bitte verzeih mir meine Grobheit,
ich habe euch Menschen verlernt.
Verzeih mir meine Kälte,
ich trage sie noch in mir,
vom Frost der Wälder, vom Eis der Seen,
vom Felsen, der meine Tränen aufsog.
Warum ich hier bin, fragst du?
Ich frage zurück, warum ging ich fort?
Die Eifersucht meiner Einsamkeit,
die Tyrannei meiner Freiheit,
sie schweigen,
- es ist so schön warm bei dir.
Gleich werde ich dir sagen,
ich wollte für immer bleiben.
Aber glaube mir nicht...
Eigentlich glaube ich bei jedem an eine gewisse Tiefe, doch das könnte Unsinn sein. Ich halte oft
Oberflächlichkeit für Spielerei, für ein scherzhaftes Augenzwinkern. Sie erschüttert mich selten. Das
schafft nur der Ernst dieser Leute, wenn ich merke, wofür sie ihn angebracht finden.
Fakten und Methoden kennenzulernen, das habe ich noch zu erwarten, auch die ein oder andere
entzückende Überraschung. Schöne Spielereien, klare Gebilde, in denen man turnen kann, aber
keine Wertschätzungen oder Linien, denen ich folgen dürfte, keinen wirklichen Halt, keine echte Hilfe
oder Nähe, kein tiefes Verständnis.
Doch das ist nicht schlimm. Das war es einmal, ist es aber nicht mehr. Es ist notwendig. Ich habe
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 22/66
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eigentlich alles um mich herum dieser kristallenen Welt entsprechend eingerichtet. Keine
Aufregungen oder übermäßige Anstrengungen für Dinge, die mich nicht wirklich etwas angehen,
keine engen zwischenmenschlichen Beziehungen, nur Geschwätz und oberflächliche Spielereien.
Fast keine Ablenkung von mir.
Meine Einsamkeit ist eifersüchtig, mit kaum einem Menschen würde sie mich teilen.
Lassen wir's, in menschlicher Gegenwart kann ich nicht sein, wie ich bin. Ich habe nur Fassaden.
Doch die anderen sind so desinteressiert oder stumpf, dass sie nicht hinter mein falsches Spiel
kommen, es ist kaum zu glauben. Aber ich täusche eben mit Folgerichtigkeit, nicht nur teilweise,
sondern immer, in allem. Das ist so ungeheuerlich und wenn sie das begreifen würden, würden sie
über mich herfallen.
Wozu bin ich fähig?
Das hier ist ein Gedankenspiel, aber Gedanken werden zu Gefühlen, werden zu Handlungen. Habe
ich schon keine Liebe mehr in mir? Nur noch eine sublimierte Form davon, zu einem Baum, dessen
Anblick mich schlagartig trifft und mir ins Herz sticht, mit seiner herbstlichen Schönheit mitten im
Regengrau? Der schlichte Bretterzaun, diese weißen Blüten im Sommer, die da im Gestrüpp
wuchsen, wie Boten aus einer anderen Welt?
Diese Buchenäste, goldrote Farbübergänge, schon bald kahl, die Blätter stehen nur noch licht, wie
die Blüten im Frühjahr, gläsern durchsichtig und doch brennend und funkensprühend. Die Form des
Baums schimmert durch, seine verzweigten Äste, die stumme Eleganz, mit der sie in die Höhe ragen,
jede Biegung harmonisch, jeder abrupte Sprung erhaben. Sie laufen aus ins fragile Geflecht der
Äste, voll Komplexität ein perfektes Ganzes bildend.
Ich verstehe sie nicht, wenn sie Menschen schildern, fühle mich dadurch unangenehm berührt, als
hätte mir der Beschreibende seine Triebe ein bisschen zu deutlich vorgeführt, auf eine Art, über die
ich nichteinmal lachen darf.
Menschenverachtung. Es ist klar, dass die Liebe irgendwo hin muss.
"self-obsessed center of your universe"...
Doch was soll man, was kann man sonst lieben, als die eigenen Wünsche, Träume, Hoffnungen und
Ahnungen? Und wenn ich diese bei keinem wiederfinde, ist es denn meine Schuld, dass ich
niemanden lieben kann?
Und auch mich keiner liebt?
Doch ich ertrage mich selbst, ertrage mich gut, es stimmt mit mir alleine, ich kann veränderlich sein,
niemand stört sich daran oder fordert Erklärungen, ich bin mein eigener Traum.
Sprach ich je ehrlich, wenn ich ahnte, man könnte mich verstehen?
Was mich auszeichnet, hat mir nicht nur eine Freundschaft zerstört, nicht nur eine Sicherheit
trügerisch gemacht und mir zudem meinen Weg verbaut, den Sinn unterhöhlt, den ich mal sah.
Trotzdem hänge ich an meinem Blick, dem schwankendem Boden unter meinen Füßen und der
unbestimmten Weite.
Es ist noch mehr darin. Ich bin bedenkenlos im Bösen, lüge ständig. Und ich suche immer noch
ergebnislos nach dem auch mir einsichtigen Grund, warum man einen Menschen nicht töten darf.
Nicht dass ich ein Bedürfnis danach empfinden würde, dazu steht mir niemand nahe genug. Trotzdem
sehe ich hier kein allgemeingültiges Argument. Die sogenannten Menschenrechte stellte man einfach
über uns auf, doch kaum jemand hat die entsprechende Erfahrung dazu: nämlich die Heiligkeit jedes
einzelnen Menschen. Man hat sie uns eingebleut als die einzig richtigen Gedanken, doch die
Grundlage fehlt fast immer.
Die Welt ist voll Leben und Schönheit, aber wir sehen sie nur abgespiegelt durch uns selbst.
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Vielleicht ist es meine Schwäche, die mir das eingibt, das Lebensmüde in mir, welches ich doch unter
Kontrolle haben sollte. Aber möglicherweise ist es einfach nur mein natürliches Wissen, das ich nicht
leugnen kann und nicht darf. Oder da ist einfach zu viel in mir, das sterben will... Wahrheit, steht sie
über Leben? Und wenn ich ja sage, zeugt das von meinem unbesiegten Todeswunsch, der sich so
eine andere Art des Ausdrucks erobert hat? -
Auch wenn es Argumente für das Leben geben mag, gilt das ebenso für den Tod. Es ist keine Frage
von festgestellten Tatsachen und pedantisch geprüften Grundsätzen, sondern eine des Willens, der
eigenen Vitalität und Kraft. Und eine gewisse Umfänglichkeit der inneren Welt bringt eine Vielzahl von
Motiven und Antrieben mit sich, die es oft nicht schaffen, sich in einem Punkt zu vereinigen.
Deshalb bin ich im Umgang mit anderen manchmal so flatterhaft, das überfordert sie oft, fürchte ich,
zu viel, zu schnell. Doch eigentlich weiß ich nicht, warum sie so wenig mit mir zu tun haben wollen, sie
lehnen mich ab, können nichts mit mir anfangen, suchen nach Gründen, mich zu verachten. Vielleicht
liegt es unter anderem daran, dass ich mich an bestimmte Regeln nicht halte und es belanglos finde,
das nicht zu tun. Aber mag sein, dass es das ganz und gar nicht ist.
Leben, warum? Warum nicht? Was ist mein Leben wert, was ist es nicht wert, bin ich es überhaupt
wert, zu leben?
Nennt man sowas dissoziieren?
"Du bleibst da!"
Hab ich gerade gelacht? Ich bin nicht sicher.
Bin ich wieder ein Mensch, der diese Bezeichnung verdient?
Oder reichte es nicht?
Ich kann nicht darüber sprechen, ich würde mich nur wieder in dir verheddern, Menschen sind
Labyrinthe - nicht sie selbst, aber all die Verflechtungen, Meinungen über Meinungen, Phantome
voneinander, Phantome darüber, Realität und Wunsch, Wirkung und Wirklichkeit. Kein Wort mehr.
Nun habe ich meine Unschuld verloren, habe tief leiden lassen - es wird keine Reaktion von mir
geben, keine Rechtfertigung, ich war das, ich ganz allein, es war nicht genug.
Es ist egal, ich will nicht mehr.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich eines Tages umbringen werde, denn ich neige zur
Menschenverachtung, die führt natürlich zu Einsamkeit. Und wenn ich die nicht mehr ertrage - denn
ich neige ebenso zur Selbstverachtung - dann weiß ich nicht weiter. Eine Möglichkeit wäre natürlich,
für andere zu leben, doch ich kann nicht lieben, zerstöre nur damit. Ich muss die Unzulänglichkeiten
des anderen sehen und auch wenn ich mich zeitweise darüber hinwegsetzen kann, kann ich das nicht
lange.
Ich bin etwas Destruktives, Verletzendes. Vielleicht wurde endlich das Innenleben ausgebrannt, das
ich mal hatte.
Auch das muss ich assimilieren, irgendwie. Mir liegt das Herz nicht auf der Zunge, ich weiß manchmal
gar nicht, wo es liegt, verliere es oft. Ich war nur mehr entfremdet, verstrickt in die Netze, mit denen
ich mich vergeblich zu halten versuchte.
Du hast am wirklichen Mangel gelitten, ich am Ungenügen. Ich unzufriedene Natur, sehnsüchtig nach
nicht näher Bestimmbaren - an dessen Existenz ich nicht glaubte, aber so begehrlich danach, dass
ich nicht ohne es leben wollte. Das war der erste Grund für meine Suizidgedanken. Natürlich war da
auch die Zähigkeit von allem, die ganze Depressivität, doch die war nur Begleiterscheinung, die in
dem Maße ab- und zunahm, wie ich mich dem Alltag entziehen konnten und sich dieses Unbestimmte
mit Inhalt füllte.
Als ob ich nicht wüsste, was mich zu diesen Ausfällen bringt. Es ist eure Unlebendigkeit, die ich mit
wilden Aufbäumen von mir zu stoßen versuche, weg aus meinem Kopf.
Ich lese mein Geschreibsel hier und es erscheint mir fast wahnsinnig. Soeben sprach ich mit meinem
Vater, es hat mich aufgewühlt, als führte es mich zur menschlichen Gemeinschaft hin: sich
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g
umeinander kümmern, Wärme, Genügsamkeit. Hätte ich ihn besuchen kommen sollen? Nein, es ist
unhöflich, es ist gar herzlos, aber ich will nicht.
Dieses Elterngezänk, sein Hass auf sie, ihre grausame Härte aus Beschränktheit, seine
Heimatlosigkeit, mitleiderregend, weil nicht nur freiwillig, er, eingeschlossen in seinen Mauern, die er
sogar zugab - das erste Mal, so offen, so emotional, was geschah da nur? Er, der sich nicht wirklich
an mich rantraut, mit seiner gewohnheitsmäßigen Distanz, dieser Maske, die sich nicht abnehmen
lässt. Es gibt nichts, was wir uns sagen können, obwohl ich ihm viel ähnlicher bin als meiner Mutter,
aber was sollen zwei Menschen unserer Art miteinander, man kann nur soviel vom anderen ahnen,
dass man sich ständig verletzt, weil Oberflächlichkeit das Einzige ist, wobei man sich sicher fühlt. Alles
reflektiert sich unzählige Male und schaukelt sich auf. Aufeinander zuzugehen ist unmöglich, denn es
sollte ja eigentlich gar nicht sein, zuviel Scham bei jeder engeren Berührung - mit jedem.
Das hier bin nur ich, etwas ziemlich Erbärmliches, träge in hundert Dingen. Was ist für mich konkret
zu tun, nicht irgendwann, sondern jetzt, heute, in meinen nächsten Jahren, wie soll ich sein?
Mein Wunsch wäre es, immer Fragen auf dem Herzen zu haben, große Fragen, aber auch kleinere,
lösbare, damit ich nicht verzweifle - nicht dass das so schlimm wäre, immerhin ein ehrenhafter Grund
für Selbstmord.
Meine ernsthaftesten Texte sind chaotisch, ich kann es nicht besser.
Es ging los mit ihnen, als ich zwölf war. Der Wahnsinn steht gleich zu Beginn, Qual, Trotz, Leben um
des Lebens willen, Ausharren, ohne an Erlösung zu glauben, mit eisernem, ungebrochenem Willen,
der kein Warum braucht. Dann die Flucht ins Labyrinth, wo es kein Zurück gibt und Grausamkeit und
Gesetzlosigkeit herrschen - aber es ist die einzige Alternative, nie kommt der Tod wirklich in Betracht.
Dann fand man ihn, den engen, senkrechten Schacht, durch den man sich an die Oberfläche
zwängte, kahl, tödlich, eine verstrahlte Wüste - aber mit Blick auf die Sterne. Mein sentimentaler,
mühevoll ausgestalteter Abschnitt über wahre Heimat dort oben zwischen ihnen.
Ein furchtbarer Tod steht immer vor Augen, aber man ist gleichmütig gegen ihn, denkt nicht wirklich
daran, das Ende vorzeitig selbst herbeizuführen.
Dann Rückfall, Verfolgung, verschärfter Neubeginn der alten Qual, grausamer, schrecklicher, das
bisher Schlimmste, Brutalste geschieht, dann Ohnmacht, Resignation, Absterben absehbar,
vorhergesehen. In der Erstfassung dann plötzliche, unerwartete Rettung, der Epilog wieder über die
Sterne, in einem Raumschiff, zwischen sich und dem unendlichen Raum steht nur die klare Scheibe.
In der Zweitfassung Tod, so schien es mir dann redlicher. Genauer: die Geschichte hörte auf,
Schweigen, man kann es auch als den Verlust des Verstandes interpretieren, den Tod der Seele.
Wahnsinn war diese seltsamen, fremden Gedanken. Ich gab mich ihnen hin wie sexuellen
Phantasien. Sie waren erbärmlich ausformuliert, oft unsäglich platt. Doch es lag ein tiefer Zauber
darin, die Geschichte fesselte mich unheimlich, war magisch für mich. Ich verbarg sie mit allen
Kräften, niemand hat sie je gelesen, sie ist nun ganz fort, ich verstand sie nicht. Eigentlich war sie ja
nur die erste, die in Worte gefasst wurde - es gab viel früher Bilder voll weiter Wälder und geheimer
Orte, wo ich mit meinen edlen Freunden lebte, voller Schönheit, Magie und Heldenmut - jeder wäre
für den anderen gestorben und es endete immer damit, dass ich für alle starb.
Alles bleibt schemenhaft, schwer zu fassen und nur noch mühevoll erratbar, wenn man die Nachbilder
der Sonne nicht mehr los wird. Die Schönheit der alten Welt ist dahin - manchmal auch ihre Realität.
Das alles dort draußen, das Geschrei und Gezänk, diese ganze Hin- und Her- und
Hinterherspringerei, steht für mich irgendwo zwischen Spiel und sinnloser Tortur, bedeutet mir nichts,
rechtfertigt keine Existenz.
Ich will nicht tot sein, ich will nicht erstarrt sein, ich will leben, fließen.
Deswegen stand ich da und blamierte mich, ich wollte etwas anderes, aus mir selber raus, einem
anderen mein Ich zumuten, aufdrücken, was war ich selbst dabei? So schaffte ich es, aus mir
herauszukommen, um danach wieder zu wissen, wo ich stehe, so sagte man mir, wo man mich stehen
sieht: Sie bescheinigte mir die größte Klappe, die sie kennen würde.
Das kommt dann, das ist schwer erträglich an mir. Es muss die Kraft irgendwohin, aber weil sie mir so
fremd sind, ist alles künstlich, gewollt, rauschhaft - verstehe das wer kann.
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Ich rede, weil ich es nicht ertrage, uns schweigen zu hören, ich muss die Initiative ergreifen, ich lache
- wenn man damit töten kann, dann habe ich schon tausendmal getötet, immer wieder - es ist mein
Fluch, die zu töten, die mir etwas bedeuten und dabei zu erwarten, dass auch sie lachen, dass auch
sie töten.
Viele menschliche Denkweisen und Eigenschaften scheinen mir so fremd, dass ich sie höchstens
Roman- und Filmfiguren zugestehe, schlechtgezeichneten Seifenopern-Charakteren. Ich scherze und
spotte, achte kaum darauf und kann die Reaktionen gar nicht fassen. Die halte ich dann oft auch für
einen Teil des Spiels, ein spaßiges Draufeinlassen. Aber ich verletze wirklich damit, trample auf den
Gefühlen der anderen herum. Das sind Schlüsse realer Menschen.
Manchmal trifft man Leute, in denen sich die eigene potentielle Gegenwart spiegelt. Er zeigt meine.
Wissenschaftliche Erkenntnis als Ideal, das kommt mir sehr bekannt vor. Von Kunst und Literatur nur
die Geschichte mitzunehmen passt dazu. Der klare, kalte Kopf, der in logischen Gefilden schweift.
Hätte man mich mehr unterstützt in diesen Dingen und nicht zugelassen, dass ich vor Kleinigkeiten
kapitulierte, wo mir nur ein Puzzleteil fehlte, oder mich andererseits unwissend in Dinge verrannte,
von denen mich Welten trennten, so könnte ich heute so sein.
Nun sehe ich mein Gespenst vor mir und wir beide finden es gut, so wie es ist.
Haltlos geworden begegneten wir uns im Weltraum und wollten nichts, als uns aneinander
festzuklammern. Irgendwann aber meinte ich, du würdest mir die Sterne verdecken und ich stieß dich
fort, hinein in den leeren Raum, den du so fürchtetest. Es geschähe mir recht, wenn ich erstickte.
Es ist keinesfalls schwierig, sich zu verlieren. Das schaffen Lob, Tadel, verletzte Eitelkeit. Am Besten
schafft es viel Arbeit, Beschäftigung mit Dingen, die einen nichts angehen. So ziemlich jedem Thema
kann man etwas Interessantes abringen.
Es sind fremde Welten, das hier, und mein anderes Ich, das in diese Dinge eintaucht. Sie verstehen
einander nicht, zweifeln an der Existenz des anderen, begreifen nicht, wie sie ineinander übergehen
und zueinander werden können.
Es ist ein Zwang, nach außen überhaupt etwas sein zu müssen.
Ich weiß nicht, wann ich das erste mal den "Fall" erlebte. Es war früh in meiner Kindheit. Vielleicht ist
das gar eine allgemeine Erfahrung, jedenfalls etwas durch und durch Physiologisches, das
Gleichgewicht im Hirn entgleist völlig. Ein "Fall" in einen bodenlosen Abgrund der Emotion ist meine
unzureichende Beschreibung dafür. Welches Bild soll man nehmen? Es ist nichtmal Nacht und Leere.
Schwer zu sagen, unheimliche Kälte, Schwere, Lähmung alles Denkens, völlige Verlassenheit und
Hilflosigkeit, aber absolute Folgerichtigkeit darin, als wäre es nie mehr möglich, anders zu fühlen.
Nein, das ist alles zu schwach, so kann man das monatelang erleben, wenn man depressiv ist. Es ist
nicht so, aber es fühlt sich an, als blicke man durch ein Loch in der Erscheinung und sähe etwas
derart Grauenhaftes dahinter, dass jedes Wort und jede Emotion davor stehenbleiben und kein
Begreifen möglich ist.
Vielleicht ist auch das ein Teil der Lösung des Rätsel dessen, was ich bin. Es ist möglich, dass meine
Sucht nach Außergewöhnlichem, meine freiwillige Abscheidung von allen, meine Unfähigkeit, ein
normales Leben zu wollen, damit zusammenhängen. Ich wollte den Grund der Emotion kennenlernen,
um ihm nicht mehr ausgeliefert zu sein. Denn früher war ich das. Als ich so acht, neun Jahre alt war,
konnte ich mich nicht retten, ich begriff nichts, alles stürzte auf mich ein, ich war völlig hilflos. Das bin
ich immer noch, aber zumindest kennt mein Geist nun ähnliches, Depressionen sind zwar viel
schwächer, aber doch vergleichbar, sie geben die Worte dazu her. So kann ich das Ganze
bestmöglich beschreiben, um es einzuordnen und vielleicht loszuwerden.
Doch ich halte es für möglich, dass jemand immer so erlebt. Aber wenn die sekundenlange Erfahrung
davon allgemein wäre, wie könnte man dann so grausam sein, diesen Menschen den Tod zu
versagen? Selbstmord kann man in diesem Zustand nicht begehen, erst recht nicht gegen
Widerstände.
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Kaum hätte ich es geglaubt. Der Gedanke, die ganze Welt gegen mich zu haben, spornt mich an und
tröstet mich, er bedrückt mich keineswegs. Es ist beunruhigender, wenn nur Wenige gegen einen
sind, dann gibt es noch viel zu verlieren. So aber ist Trotz angebracht, Krampf des Stolzes.
Aber was weiß ich schon von Schmerz und wozu er mich treibt. Vielleicht werde ich andere
auslöschen, vielleicht werde ich abstumpfen, was weiß ich.
Nichts Außergewöhnliches an mir, nur mein Blick und die Art meines Denkens. Nichts Seltsames an
meiner Biographie, nur meine Wünsche.
Etwas Herrisches, Unduldsames liegt auf dem Grund meines Wesens.
Was ist die Bestimmung von alledem?
Ich sagte, ich wollte fließen - wohin? Kein konkretes Ziel, wenig Festes, nur vage Vorstellungen, von
irgendetwas in mir geleitet, dem ich blind vertraue.
Da ist nichts zu fürchten, nichts in dieser oberflächlichen Außenwelt, es ist nur Schwäche, wenn man
Furcht hat.
Nein, ich bin ein kleines Kind, das nicht weiß, was Schmerz ist, habe es nie gelernt - oder besser,
mein tiefster Schmerz war immer die Abwesenheit von Empfindung und Leben.
Eine melancholische Sehnsucht ist in diesem Lied, eine Sehnsucht nach Dingen, die ich überwunden
haben wollte - nach Harmonie zwischen allem, was ist, nach dem Himmel auf Erden, dem Paradies
der Liebe, der Achtung und des Glücks, und der Ahnung wundervoller Dinge, die aus dieser Seligkeit
wachsen.
Ich würde lügen, wollte ich bestreiten, dass ich diese unendliche Traurigkeit nicht liebte.
Es zerfällt, das alles hier. Soll ich Wahrheiten sagen über mich, dass ich nichts bin, dass ich nie
könnte, was ich wollte?
Wenn man den größten Teil seiner Zeit alleine verbringt und sich die sozialen Kontakte auf das
Oberflächliche beschränken, so ist man nie gefordert, sich anderen verständlich zu machen. Man ist
sich selber gewohnt und wird zu indirekt, andere verstehen nicht mehr, was einem offensichtlich
erscheint. Irgendwann findet man nichts mehr, was die Menschen einem geben könnten, sie hören
auf, einen etwas anzugehen. Schließlich bringt man ihnen keine tieferen Emotionen mehr entgegen,
keine Liebe, keinen echten Hass, höchstens einen Rest Verachtung. Man beginnt einsam und endet
egozentrisch.
Was bin ich? Ich empfinde mich manchmal als Abstrusität, doch in der Regel verlässt mich dabei mein
Stolz nicht. Wenn er das aber tut, habe ich meine schlimmsten Momente. Meist ist mir allerdings nur
sterbenslangweilig und kraftlos zumute, ich sehe keine Rechtfertigung meines Daseins, nichts vor mir
oder neben mir, nichts zu verehren über mir.
Man lebt mit einem solchen Innenleben gelegentlich ganz interessant. Und das hält mich am Leben.
"Nun wurde ich der letzte Mensch auf dieser Erde. Das Feuer des Edelsteins ist erloschen. Nichts lebt
hier mehr, das Gras ist Staub, die Bäume verbrannt. Es wird Zeit.
Ich tötete den vorletzten Menschen und Tausende zuvor. Ich hüllte ihn ein in die verkohlenden Äste
der letzten Bäume, leise glimmten sie noch rot. Es wird Zeit."
In dieser Musik spiegelt sich das unendliche Nichts. Und eine lockende Art davon, hypnotisch. Nicht
umsonst nennt sie sich minimalistisch. Unterschwellig ist sie, sie pulsiert, lebt, prägt sich ein. Nie wird
sie eine gewisse Kälte los, den eisigen Atem einer fremdartigen Welt, selbst nicht, wenn die Melodie
fröhlich wird und der Rhythmus flott.
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Man muss seine Innenwelt ausbauen, damit nicht die Außenwelt hereinbricht.
Etwas leicht Paranoides haftet mir an. Das Gefühl, im engeren sozialen Verkehr jeden Moment an
einen Punkt kommen zu können, wo ich das Spiel nicht mehr beherrsche und das unabänderlich
Gemeine des anderen auf mich niederbricht. Die Mühelosigkeit darin lernte ich nie, auch nicht das
Glück, das man davon haben soll.
War es vorhin auch schon so weiß? Alle Dinge versanken im Schnee. Zur Höhle wurde die Welt,
eisneblig, mit weichen Wänden, die jeden Laut dämpfen, den die Kälte nicht stumm gemacht hat.
Vielfältig ist das Paradies und etwas von ihm haftet ihr an - oder ist es der weiß durchsichtige
Schleier der Gardinen vor meinem Fenster? Ich weiß es nicht und ich will sie nicht zurückziehen, nur
wenige Zentimeter Schnee sehen, graue Flecken dazwischen und Grashalme.
Wintergedanken, Wintermusik aus meinen Lautsprechern, winterstill ist sie, sanft wie Schnee.
Vor einem Jahr fragte ich mich: "Werde ich wirklich in einem Monat tot sein?"
Das ist trotz allem immer noch fürchterlich, das schrecklich Konkrete, das diesen Texten anhaftet, die
fehlende Übersicht, die mir um so mehr abhanden kam, je nötiger ich sie gebraucht hätte.
Das abweisende, wuchtige Brückengestell, die Kälte, die Trostlosigkeit des ganzen Bildes, der
Abgrund darunter, dieses Ausgestelltsein, dieser Zwang, nun zu handeln und zwar auf eine Art, die
ich nicht kann, die schrecklich ist, furchteinflößend, in diesem so wackeligen Moment - ich schaffte sie
nicht, die ganze Sache.
Ich träumte mehrmals, dass ich an all den Brücken hier vorbeilief, dunkel und lang. Ich probierte
meine Suizidphantasien an ihnen aus - aber dabei wollte ich gar nicht unbedingt den Tod, so wie im
Traum das Existieren auch nicht wirklich Leben ist - einmal traf ich sogar jemanden, der selbst
springen wollte, mir aber eine Mission zeigte, die ich zu erfüllen hätte. Ich habe sie vergessen.
Ich habe manchmal das Gefühl, ich stürze mich auf die Welt um sie zu lieben, doch ich laufe damit ins
Leere, finde nichts, habe jeden Blick verloren und kann ihn nie wieder finden.
Ina - 9.8.2008 um 21:03
--- Der Vogel ---
Er sang von Luft und Himmel, Licht und Weite, von der Sonne, wie sie sich in einem Bergsee spiegelt.
Von seinen Zügen ins fremde Land jenseits des Meeres, goldenem Sand und blauer Unendlichkeit,
von glühenden Tagen und silbernen Nächten, der Welt ohne Winter und Kälte. Vom Fliegen, dem
sich hin- und herwerfen im Wind, dem Steigen, Fallen, Abfangen, der Leichtigkeit in seinem Körper
und dem Übermut in seinen Flügeln.
Denn er lebte nun in einem kleinen Käfig. Sie liebten ihn, er sang so schön.
Dasitzen und frieren im warmen Zimmer, hatte ich das schon fast vergessen? So ist es nunmal - dass
ich nicht einfach fort bekomme, was zu meinem Wesen gehört, ist klar, ich kann besser und anders
wissen, aber anders sein? Es ist in mir und wird mich eines Tages wohl umbringen. Ich sollte ihm
dankbar sein.
Was macht man mit den Rissen, den unheilbaren? Man kann nur Brücken aus Gedanken und
Erfahrungen über sie bauen, über ihnen schweben, hart werden gegen sie, sie verachten in sich und
anderen.
Es gibt wenig so Schönes wie das Glück des Weinens.
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Was ist so schrecklich an der Einsamkeit? Die Langeweile, die sie mit sich bringt und die Furcht,
zusammenzubrechen und nichts zu haben, das einen auffängt - sonst nichts.
Es fiele mir wahrscheinlich schwer, jetzt einen Menschen zu lieben. Ich habe nicht das Bedürfnis, mir
selbst in einem anderen zu helfen und würde mich nicht mehr wegwerfen. Andererseits bin ich aber
auch nicht stark und sicher genug, mich den Menschen gleichzustellen, die ich schätzen könnte.
Meine Kräfte sind zu wenig nach außen gerichtet, ich bin zu verschlossen, könnte mich nicht
preisgeben, mag mich nicht erklären.
Der Tod war mir früh geläufig, aber die Kausalität kam mir lange nicht zu Bewusstsein, ich hatte sie
weder gebraucht, noch hatte ich die Welt so empfunden - obwohl ich bereits die Mathematik besser
als die meisten meiner Altersgenossen beherrschte. Aber Mathematik ist nicht Kausalität, nicht diese
naturgesetzmäßige, sondern eher ein festes Gebäude auf dem Fundament der Beliebigkeit, ein
Luftschloss, das bezaubert durch aberwitzige Folgerichtigkeit auf imaginären Grundlagen, ein
phantastisches Spiel.
Wenn ich als Kind auf den Bergen droben war, so spürte ich nicht selten das Gefühl einer diffusen
Bedrohung, ich fühlte mich gefährdet, ohne sagen zu können, was mir Angst machte. Heute würde
ich sagen, es war die Kargheit, Höhe, subtile Fremdartigkeit, doch damals empfand ich es, als könne
ich im Vakuum ersticken oder alles um mich herum wegbrechen. Ich wusste nicht, ob nicht wenige
Meter neben mit eine tiefe Schlucht war, deren Tiefe mich schwindelnd auf sie zulaufen machte, ohne
dass ich es wollte - und ich würde in sie hineinstürzen, meine Füße würden einfach dort hinlaufen,
seltsam angezogen, es war kein Boden mehr da für sie.
Dieses Gefühl verfolgte mich in meine Träume. Ich konnte es nicht verstehen und nicht wegwischen,
hatte auch den Intellekt nicht, um darüber nachzudenken, geschweige denn, es zu beschreiben.
Ich erinnere mich aber auch noch an das erste Mal, als ich Schönheit wirklich empfand, es war
Morgen, ich saß in den Ästen der Bäume vor dem Haus meiner Großmutter und die Sonne kam
gerade über die Berge. Die Stämme wurden zu schwarzen Schatten, alles herum war Dunkelheit, nur
ihre Strahlen, die waren Gold.
Ich sah im Fernrohr eine Edelsteinstadt am Horizont auftauchen, wollte sie festhalten, mir einprägen,
doch meine Hand war nicht ruhig genug für diese Entfernung, das Bild verwischte. Dann wanderte die
Sonne weiter, sie verschwand hinter den Bergen und ich konnte die Stadt nicht mehr finden. Mein
größter Wunsch wurde es, sie zu sehen, dort hinauf zu steigen irgendwann, auch wenn es so
unwahrscheinlich war, auf sie zu stoßen - wenn da überhaupt etwas war.
Da wurden die Worte wieder zu aneinandergereihten Buchstaben, mit Grammatik und Mühe um
Ausdruck und Wortwahl. Der Programmtext wurde denkbar, Handwerk, erschien nicht mehr als ein
Gedicht in der fremde Sprache einer rätselhaften, versprechenden, lockenden Welt, die nur
unverdienten Eingebungen gestattete, einen Blick in sie zu werfen.
Die unendliche Tiefe der Mandelbrotmenge wurde nur eine graphische Darstellung der potentiellen
Unendlichkeit von Dezimalbrüchen, Sechstklasstoff. Es wurde wieder verständlich, warum ich nicht
jede freie Minute mit ihrer Erforschung verbracht habe.
Nachts ist sie nicht beängstigend, die Brücke, sie ist kein kaltes, graues Gerüst mehr. Sie glüht im
Laternenlicht, das sich bricht im weichen Nebel, den der Fluss heraufbringt und die Dunkelheit silbern
schimmern macht.
Auf dem Pfad zwischen den Fichten, spätabends, auf der anderen Seite des Tales, erahnte ich den
Weg mehr, als ich ihn sah, orientierte mich an den Silhouetten der Baumstämme, tastete mich durch
sie hindurch. Und auch wenn mein Weg dadurch noch dunkler erschien, war ich bezaubert von den
Lichtstrahlen, die durchs Geäst schimmerten, wie sie aufblitzten und verloschen mit jeder Bewegung.
Sehnsucht waren sie, Versprechungen eines unbekannten Lebens.
24.05.2009 Der Keller -
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In jedem echten Werk, in Büchern, Gedichten, Bildern, Plastiken, Melodien, auch in nie bekannt
gewordenen oder längst vergessenen, steckt die Seele eines Menschen, seine Hingabe, seine
innerste Faszination. Die Welt ist voll davon. Und doch kann jeder von uns nur einen winzigen
Bruchteil nachempfinden, nur das, was zufällig in seinem Innersten anklingt. Der größte Teil ist uns
unzugänglich, leerer Raum.
--- Die windstille Insel ---
Eine endlose Ebene aus schillerndem Bergkristall, glatt und strukturlos. Ganz durchscheinend, aber
so tief, dass sich kein Boden erraten lässt. Das einzige, was das Land unterbricht, sind kleine,
stehende Seen mit völlig klarem Wasser, das kein Wind kräuselt. Der Übergang zu ihnen ist genauso
flach, und auch sonst ist da nichts, keine Erde, kein Stein, keine Rinnen, Furchen,
Unregelmäßigkeiten.
Sie ist sehr groß, die Insel, ich konnte monatelang gehen und nichts am Horizont sehen als immer nur
dasselbe. Vielleicht umspannt sie die ganze Welt und schließt sich am Ende wieder, wie sollte ich das
in Erfahrung bringen? Ich könnte immer geradeaus laufen, auf die Sternbilder achten, ob sie sich
wandeln und wiederkehren. Vielleicht tue ich das eines Tages.
Nur der Himmel bewegt sich und mein Schatten, tagsüber, wenn ich gehe, nachts, wenn der Mond
scheint.
Ich will mich dem Ungreifbaren an den Dingen verschreiben, den Ahnungen und Empfindungen, aus
denen heraus man Götter erfand, Künstler, Romantiker wurde. Aber ich will es nicht hinter die Dinge
legen, sondern in sie und damit zurückgeben, was ich ihnen so oft nahm, mit autistischem, leerem
Blick..., will sie ehren - und lieben lernen.
--- Therapiestunde in einer postmodernen Nervenheilanstalt ---
"Ich wollte nicht alles zerstören, wirklich nicht. Ich folgte auch nicht der Maxime 'Mach kaputt, was dich
kaputt macht!', nein, ihr habt mich völlig falsch verstanden, ich hätte mich vielleicht selbst vernichtet,
wenn es so gewesen wäre, doch nicht alles andere, wie sollte ich über etwas zu Gericht sitzen, nur
weil es mich zugrunde richtete? Ich wollte schaffen, doch es gab nichts zu schaffen, ihr machtet alle
Fundamente mürbe. Und worauf denn ein Fundament schaffen? Ihr hättet wenigstens etwas
feststellen sollen, religiöser, moralischer Dogmatismus, doch ihr hattet nichts festgestellt, habt euer
Leben in den leeren Raum hineinprojiziert, als Traum, aus dem ihr nie erwachen solltet. Nun löschte
ich euch aus, weil ich euren Traum nicht ertragen konnte und eure Berechtigung nicht fand, in euren
Luftschlössern, in denen ihr euer Leben lebtet, das schön erschien, doch schwarze Hunde hattet ihr
im Keller, die bellten Tag und Nacht und rissen an ihren Ketten. Ihr habt sie nicht gehört, doch ich
hörte sie, Tag und Nacht, sie ließen mich nicht schlafen, sie ließen mich nicht denken, ich konnte
nicht anders, ich sah es nicht mehr, ich sah es nicht, all das, was ihr immer gesehen habt, und als ich
eure Augen verloren hatte, blieb mir nichts als Zerstörung. Ich wollte eine Aufgabe, ihr hattet keine,
eure ganze Welt hatte keine und so schaffte ich mir, was ich konnte, diese Aufgabe, die ich so gut
erledigte, MEIN LEBEN HATTE EINEN SINN - und ich habe ihn ihm gegeben, einen echten Sinn, ich
würde in Geschichtsbüchern stehen, wenn es sie noch gäbe, ich..."
- "Aber beruhigen Sie sich doch, es ist alles noch da, sie haben nicht die Welt zerstört, wirklich nicht.
Treten Sie doch ans Fenster, sehen sie nicht die Bäume? Auf ihnen springen Vögel - und dort
drüben am Bahnhof sitzt ein junges Paar und umarmt sich, sehen Sie das nicht?"
"Ich sehe ödes Land, verkohltes Holz, Tränen in leeren Augenhöhlen.
Mein Daumen bohrt sich in meine Schläfe, kann ich mich bewegen? Ich weiß es nicht, kann ich mich
nur in mir selbst winden?
Fesseln, Decken, Höhlen aus Silber.
Ich glaube nicht an die Liebe, man muss an Träume glauben, wenn sie einem gehören sollen. Meine
sind andere - zu ihnen gehört Einsamkeit.
24.05.2009 Der Keller -
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Wirklich? Ist das so?
War es je anders?
Auch alle Liebe muss sterben.
... das unendliche Spiel lieben, das allein sich will, immer wieder nur sich, kein Ziel, immer weiter, das
die Komplexität auffaltet, zerstört, ins Nichts laufen lässt, in seinem verschwenderischen Tanz, seinem
ewigen Lachen.
Für alles, was wir lieben und uns das Leben schön macht, wird es eine Zeit geben, in der es niemand
mehr versteht.
Einer der interessantesten Menschen, die kenne. Es gibt nicht wenige solche. Scheiternd...
Diese Art, die zugrunde geht, so oft, Grausamkeit der Natur.
Es ist seltsam, was ich hier tue, ich merke es immer erst wieder, wenn die Gedanken anderer mich
ausfüllten. So gespenstisch, so gestaltlos, und andererseits wieder so spielerisch kindisch, mein
Leben und was ich von ihm will.
Es gibt sie alle, diese Phantasiewelten.
Das Faszinierende an der Nacht ist, dass eigentlich das Licht fehlt, man aber man dennoch alles
unterscheiden kann. Man ist aufmerksamer als am Tag und sieht deshalb mehr, was verwundert,
befremdet, die Dunkelheit so hell wirken lässt. Ihr Licht ist anders, nicht wie die das der Sonne, so
direkt und enthüllend, sondern die Dinge scheinen von innen zu strahlen, die Welt wird ahnungsvoll,
versprechend - und man weiß nicht, was sie verspricht, will es gar nicht wissen, gibt sich zufrieden mit
ihrem Wink von unzugänglicher, geheimer Schönheit.
UTOPIA II
Wenn meine Welt in deiner versinkt,
dorthin getrieben
von den Fluten meiner Liebe,
wenn ich vergesse, was ich bin
und was zu werden
so lange mein Wunsch blieb,
dann sind wir eins,
auch wenn du es nicht weißt,
denn du meinst, es gibt mich,
doch das ist nicht mehr wahr.
Meine Existent ist konzentriert auf kurze Augenblicke des Lebens. Alles andere ist überflüssig, zäh,
eine schlechte Komödie - wenn überhaupt.
War so stolz auf die Zusammenhänge, welche mir nun durch die Finger rinnen, unerfassbar
geworden und kein Interesse ist da, sie zu durchdringen. Eine traumhafte, unwirkliche Trägheit füllt
mich aus, die nicht fortzubringen ist von sich, die in sich festsitzt, sich lieber fürchterlich langweilt, als
irgend etwas zu tun.
In diesem Traum Begriffe hineinzusetzen, ein paar trockene Inseln, den Strom zu zwingen, um sie
herum zu fließen, das verlangen sie von mir.
All diese Menschen hier sind nichts als das Geflacker einer Epoche, bald ist alles anders und sie sind
nicht nur tot, sondern gar nicht mehr möglich, das hier ist nur ein Hauch, ein Wolkengebilde.
Sie lieben, weil sie selten sind, vergänglich sind und nie wieder sein können?
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Nichts Brauchbares zu tun für mich, es ist alles nebensächlich, was ich nur zu tun in der Lage bin.
Geblendet von fernen Sternen, kein Licht in meinem Zwischenleben. Ich will nicht einfach nur meine
Zeit irgendwie herumbringen. Gebt mir eine Frage, ein großes Rätsel, das einsickern kann in mich.
Die Sinnlosigkeit lieben, die absolute Leere, den Schmerz des schwarzen Lochs, das nichts kennt als
sich und sich deshalb nach nichts anderem sehnt. Nur ein müdes Lächeln für alles Streben und allen
Willen, es ist nichts da.
Du wirst alle verachten und so auch dich selbst, doch definitionsgemäß kannst du nirgendwo sonst
mehr hin. Dann wirst du ertrinken in deinem Ungenügen, vor gedeckten Tischen verhungern.
Es ist eine große Kunst, zu lieben.
Dann lebe ich wieder, weine über meine plötzlich wiedererlangte Empfindungsfähigkeit und Wärme -
wo war ich denn? Kann mich wieder an meinen Haaren oben halten und gehen ohne Boden unter
mir, es ist fast einfach. Laufen, tanzen, fliegen lernen? Fliege ich nicht schon lange? Kann man denn
anders? Es ist doch nichts da.
Ein Wolkengebilde, das Ewiges schaffen will, die Unmöglichkeit herausfordert und nach Unendlichkeit
trachtet, welche es doch nicht ertragen könnte. Es ist keine Vernunft im Leben, es hat sie nicht nötig.
Selbst wenn es sie erfasst, setzt es sich darüber hinweg.
Ich stand oben am Hang und sah, dass der Mond bald aufgehen würde. Meine Augen waren an die
Dunkelheit gewöhnt und als plötzlich zwischen den Berggipfeln seine Sichel hervorkam, wunderte ich
mich, dass sie mich nicht blendete, so unfassbar hell schien mir dieses Licht, heller als alles.
Es ist nur eine Frage der Zeit, wir stehen nicht mehr fest, wir verschwinden, es ist Zeit für uns zu
gehen.
Ich sprang von den Wolken, im Fallen riss ich den blauen Rand meiner Welt auf. Das Land dahinter
war dunkel, aber weit und groß und fremdartig.
Pessimismus und Überschwang liegen nicht weit auseinander, es sind beides Extreme, sie treffen
sich am anderen Ende des Kreises. Gegensätze sind sich um so ähnlicher, je absoluter sie sind, der
größte Antagonismus verführt am meisten zum Sturz in den Kontrast.
Passiert euch das auch manchmal, dass ihr Melodien mit Worten und Zeichen ausdrücken wollt - was
natürlich nicht geht - aber ihr meint, es sollte?
Vor einem Jahr wollte ich sterben, ich will es noch immer - oder ich weiß nicht, was ich will. Tod ist
eine Metapher, womöglich keine ehrenhafte. Wie warm die Luft war, vor einem Jahr, ich konnte auf
dem Grat stehen, in dünner Jacke, es windete, doch ich fror nicht, es lag kaum Schnee - dieses
Versprechen...
Was ich nun habe, ist ein seltsames Geflatter um die Mitte. Es gibt nichts Wirkliches zu tun für mich,
nur für unheimliche, blasse Schatten von mir. So kann sich dieses nutzlose Ganze erhalten, wozu
auch immer.
Haben wir denn nicht ohnehin jeden Nutzen nivelliert?
Das hier ist Ausnahme und damit ist es Leben.
"Ich lebte auf meinem Kontinent, jenseits des silbernen Meeres. Ihr fragtet mich nach seinem Namen,
doch ich hatte ihm nie einen gegeben. Ich liebte meine Bäume und mein Wasser, das plätschernde,
flüsternde, das mir von allen Wundern der Erde erzählte - und auch von mir sprechen würde, zu
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allen, die hören konnten.
Ich ahnte, was ihr von mir wolltet, verlassen sollte ich dieses Land und mit euch kommen. Ja, es war
dort kein Bleiben für mich, schon benanntet ihr diese Welt und zwangt mich, Worte zu gebrauchen.
Ich ging fort von dort, aber nicht mit euch."
Es ist eine seltsame Welt, so steril und kühl und dabei so verwickelt, für den einfachsten Menschen
noch.
"So schwirren wir zurück, unhaltbar vorbei ist unsere Zeit. Überholt hat sie uns, dort fliegt sie mit
unserem Leben davon.
Kleiner wurde sie und immer kleiner, ein Punkt, der eben verschwand.
Auch sie starb, hätten wir das für möglich gehalten? Wer stellt nun die anstehenden Fragen, wer
geht ihnen nach?
Es ist lange her, alles."
"Zertrennt mich, zerfleddert, zerstört, was mich ausmachte - es ist das beste, was ihr tun könnt. Es ist
nichts wert, nehmt alles was ich bin. Lasst die Fische sich über mich wundern und das eisige
Silberwasser mit meinen Haaren spielen. Gebt ihnen ihr Spielzeug zurück, ich will büßen für jede
Glitzerschuppe, die ich nicht sah."
Ich baute mir das Schloss, das meine Räume barg. Es lehnte an eine senkrechte Felswand,
undurchdringlicher Wald säumte die Kante. Dort entstand mein größter Raum, vermauert an allen
Seiten, aber mit offenem Dach. Moos wuchs auf den Ziegeln, Efeu hing herab und bizarre
Kletterpflanzen, die blühten im Herbst. Hohes Gras hatte ich und einen sanft gewundenen Flusslauf,
der manchmal ein Teich sein wollte, bunte Fische schwammen in ihm. Silberblättrige Erlen spielten
mit dem Sonnenlicht, abends strich der Wind durch ihre Zweige und machte sie flüstern. Eines Tages
kamen Schmetterlinge und ich wusste nicht woher, die Mauern waren doch zu hoch. Und so waren sie
schuld, dass ich die Fenster öffnete, denn ich konnte sie nicht gegen die Mauern stoßen sehen.
Man gewöhnt sich ans Nichts, spezialisiert sich regelrecht darauf und wird unheimlich sensibel für die
kleinsten Berührungen. Dennoch werden die Affekte flacher, man wird gleichmütiger, plötzliche
Geschehnisse verlieren ihre Wucht, man reagiert stoischer, die Empfindungen kommen erst nach.
Man lernt, auf Gedanken zu stehen, wenn es sonst nichts gibt.
So werden wir leben, allen fern, in unbezwingbarer Liebe zu allem was ist. Unser Dasein ist Kunst,
unser Umgang mit anderen Höflichkeit.
Ich komme aus den Inneren der Sterne und der unendlichen Leere, war anwesend, als der Urknall
geschah, die Atome zusammenfanden und die Galaxien sich formierten. In den endlosen Wäldern
des Karbons war ich bizarrer Baumfarn und glitzernder Fluss, gezackter Fels und sprühender Vulkan.
Alle Menschen war ich schon und jede Wolke, war verbrannte Stadt und sterbender Soldat, war das
einsame Pärchen am Abend der Sonnwende. Der Tag selbst bin ich und verwandt mit jedem Stern,
verstrickt in Lichtstrahlen und mittanzend in meiner größten Dummheit noch.
Das Eis brach, als mein Fuß es berührte. Ich hielt das Blatt gegen die Sonne und gleißend hell
schimmerten seine Adern, bis es zwischen meinen Fingern zerrann.
Die Lampe ist schmutzig, der Blick dreht sich. Er erstarrt auf grünen Zeichen, verwickelt schreit mich
dieser Mensch an mit seiner Schrift. An der Decke sind Risse, ich stelle mir den Einsturz vor, lache
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sie aus und mich - es wird mir den Gefallen nicht tun, körperlich konkret zu werden.
Wenn mir jemand erzählte, die Naturgesetze wären darauf ausgerichtet, die größtmögliche Schönheit
entstehen zu lassen, so würde ich den kleinen, schwärmerischen Träumer auslachen und hätte
hundert Einwände gegen ihn vorzubringen.
Und doch, wenn er nur sagte "sieh dir die Farbe des Himmels an und den leichten Dunst vor den
Bergen, in dem das Sonnenlicht spielt", ich wäre versucht, ihm recht zu geben.
Eine flirrende, schwimmende Welt, die wir mit unseren Begriffen konkret machen und mit unseren
Zeichen verankern wollen. Dabei sind auch sie fließend, nicht zu gebrauchen, festgelegt für den
Alltag, diese so unheimliche Vereinfachung, ein Schema so platt, dass es uns langweilt und doch so
mächtig. Ich gegen den Rest meiner Welt - ein unsinniger Gedanke, bin ich doch meine Welt.
Irgendwo unten ein Grund von stummer Traurigkeit, ein tiefes Wissen, das nach Dingen sucht, die es
widerlegen, das Gegengewichte haben will - und keinen Sinn haben darf, keine Rechtfertigungen, die
niemals unangreifbar wären.
Das Eis hat sich neu gebildet, ist nun aber dick und nicht mehr Blatt und Blüte. Ich lasse es den Fluss
hinuntertreiben, wo es an Steinen zerbricht, untertaucht und verschwindet. Dort vorn muss auf dem
Grund ein kleiner Wall sein, die Wellen brechen sich, das Wasser spritzt hoch - wie mir scheint aus
Trotz und Angst, als ob es zurück wollte und nicht den Fluss hinab, der es zwingt zu fließen, wohin es
nicht will.
Es macht mich traurig, dich so zu sehen, allmächtig solltest du sein.
Der Schnee fiel von den Bäumen, auf den Weg hinter mir. Als wollten sie sagen, es gäbe kein
Zurück. Ich blickte in die andere Richtung, der Wind fuhr scharf durch die Äste.
Was erzählte mir der Fluss, als ich ihn verzweifelt fragte, was ich bin?
So wie wir sterben werden, wenn unser Tag anbricht - so werden wir auch leben und dasein. Wir
lieben, was uns zerbricht und zerstört und aushöhlt, lieben bedingungslos, weil wir lieben wollen und
sonst nichts lieben können.
Spiel im Ernstesten, Bitteres in der Leichtigkeit, der Abdruck einer seltsamen Seele.
Wo ist das reine Bild des Glücks? Und wo das des Leidens? Wo ist der Tod, der Silberstreifen, das
Schöne im Dunkeln - deshalb konntest du ihn nicht, damals.
Zuhause in meinem klaren Element. Ist es Wasser? Ist es Luft? Kann ich fliegen? Oder brauche ich
nicht zu atmen, bin ein Fisch, der Luft aus Wasser filtert und schwebt in seinem Meer?
Es wäre alles nicht vereinbar mit dem Bedürfnis nach anderen Menschen. Aber was sollte ich
fürchten? Was sollte sich mir in den Weg stellen? Und bin ich nicht jenseits aller Leere?
Die Bergspitzen verschmelzen mit dem Himmel, meine Spuren gehen über in die des Rehs - ich will
nicht dorthin zurück, wo Menschen sind.
Jenseits des Lebens saß ich dort wo ich es liebte. Ich mag es verachten, doch es verriet mich und mit
seinem Kuss verurteilte es mich zum Tode. Nichts habe ich nun mehr, nur meine Erinnerung und ein
weiteres Wissen um das Mögliche. Es ging und ich sollte fortfahren auf eine winzige Hoffnung hin.
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Wer bin ich, dass du mit mir spielen darfst? Verschwimme und lache mich aus, wie ich so oft lachte,
als du bei mir warst und Trauer der Witz deiner Natur. Aber verwische deine Spuren, damit ich dich
nicht suche. Hab keine Gnade, lass mich nicht ins Dunkel zurückgleiten, lass mich lieber fallen.
Was du zerstörtest, wer könnte es dir zum Vorwurf machen - ein Zugrundegehen, das nicht bemerkt
wird, weil es nicht klagt, eine scheinbare Stärke, die nicht mehr ist als eine silberglitzernde Haut -
schließlich wird sie mein elender Anblick erstaunen und sie werden dem Tod die Schuld daran
geben.
Zur Zeit, als Himmel und Erde dieselbe Farbe hatten und beide leuchteten im gleichen tiefen,
unverständlichen, grauglänzenden Blau, als sie durchzogen waren von den weißen Schleiern der
Flugzeuge und dem grünroten Geblink der Satelliten, stieg ich hinauf zum Abendstern und nur ein
Goldnetz blieb von der Welt.
Lasst uns einen langen Tag feiern, nun da die Nächte kürzer werden. Selbst wenn wir hier nur sitzen
und auf unsere Hände starren, welche nichts vermögen, so lasst uns dennoch leben, wie das Gras
lebt und die Fichten dort oben am Hang.
Ein wundgescheuerter Punkt im All an dem es ausläuft in die Mühlräder meiner Einsamkeit.
Es gibt kein Land, das uns aufnimmt.
So werde ich sie in meinen Bildern töten, wie ich tot bin in all ihren Gedanken.
Das Mädchen mit den Bergseeaugen, die silbern glänzten, wenn sich die Sonne in ihnen spiegelte -
du lächeltest sie an, aber beachtetest die Warnung nicht und so gingst du weiter in diese seltsame
Art Dummheit, die du dein Innerstes nennst. So meintest du, nur deinem Weg folgen zu müssen,
wobei dieser gegabelt ist und vielfach verzweigt, aber dabei wie ein Flussdelta, das im Meer endet -
bist du dir dessen sicher? Du willst nur einen klaren Himmel über der menschenleeren, schäumenden
Ebene und vorausgabst dich dafür, verbrauchst alles was du bist, um dich nicht zu vergessen, doch
woraus sollte dann noch etwas wachsen? Die Zeit ist zäh, konstant ist nur die Ungeduld mit dir und
dein Klammern an diese eigenartigen Auswüchse deiner Indifferenz, von denen du nicht weißt, sind
sie Schauspielerei oder Kindlichkeit, von innen oder von außen, eingedrückt oder deine Art des
Widerstands - wogegen? Um seiner selbst willen, eine Antwort die alt genug ist um die eigene zu sein.
Ich schwelgte kurz in irgendeinem Rausch und besaß mit einem Mal die Fähigkeit, die Welt so zu
sehen, wie sie wohl den meisten erscheint: Das Fremde wurde plötzlich lebendig und vermischte sich
mit dem Eigenen zu einer wechselhaften Tünche, die alles überzog - ich sah erstmals deutlich diese
Reagierenden, die sich nur in der Wechselwirkung mit anderen erfahren und mit "Individualität" das
Werkzeug bezeichnen, welches dem Fremden einen persönlichen Anstrich gibt. Dieses Leben
erscheint einem reich, denn man kann aus allen anderen schöpfen.
Dem Dasein zu Ehren Lieder zu singen wäre eine echte Aufgabe, ein wundervolles Spiel mit
bezaubernden Dingen. Mach doch nicht den Fehler, dich an der Realität zu stoßen, sie wird geformt
nach deinem Bild und das ist dein Werk. Die Welt leidet mit dir, die Welt schwindet mit dir.
Soll ich der Sonne zusehen, wie sie aufgeht und die Welt mit ihrem Licht überschwemmt - nur im
Traum leben, warum genügt mir das nicht? Es ist bloß ein Ausruhen für mich, eine kleine, harmlose
Freude an mir selbst, nichts, das mein Leben rechtfertigt. Was bleibt für mich? Lediglich Zeugnis
geben zu können von etwas, das einmal war und bestenfalls eine interessante Kuriosität ist, ein
Anstrich der Welt.
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Allein sein mit sich, sich wieder selber tragen, die alte Last, die wieder auf dieselben, wunden Stellen
drückt, kein Spiegel mehr von schönen Dingen sein, keine einfache Welt mehr, die aus freundlicher
Reaktion besteht. - Nun die eigene Welt wiederfinden, die diffuse, namenlose, sie vor sich
ausbreiten, entfalten und wieder in ihr leben.
Alles hier ist im Traum und gehorcht blind, manchmal gleitet es hinüber in den Halbschlaf, doch wann
erwachte es je? Müsste der Erwachte nicht allen Dingen befehlen, ist unser Dasein nicht der Beweis
seiner Nichtexistenz? Oder sind wir das Ergebnis seines Willens?
Versteht man mich? Verstehe ich mich denn? - Jetzt noch?
Ich verehre das Grün des Grases und seltsame Impulse in meinem Gehirn - seltsam, welch ein
anmaßendes Wort.
Wahrheit - es gibt Konstrukte wie die Mathematik aber weiter nichts. Einen evolutionären Ansatz der
Erkenntnis wollt ihr entwerfen, doch damit erfahrt ihr nur euch, eure untersten Irrtümer, die euch
immer subtiler im Wege stehen.
Wir können jede Wahrheit schaffen, die uns beliebt.
Fühlt ihr euch betrogen? Weil man euch träumen machen will, fühlt ihr euch im Traum betrogen.
Letztlich bleibt immer die Unvernunft auf dem Grunde allen Lebens, eine dumme, unverwüstliche
Liebe zum Dasein und ein grundloser Wille zu dieser Liebe, der dialektisch nicht entwickelbar ist.
Die zum Bewusstsein erwachte Materie, die ihre eigenen Wurzeln in Frage stellt und damit ins
Bodenlose taumelt - denn es ist sonst nichts.
Wer steht so fest, wer hat das unangreifbare Fundament namenloser Gewissheit, das nie
Gegenstand der Vernunft sein kann? Und dennoch keinen Glauben verlangt, kein Bekenntnis...
Einfach die Festigkeit im Gefühl, die Einheit mit allem was ist und das völlige Einverständnis mit allen
Möglichkeiten des Daseins, das auch noch über jede Wahrheit tanzt?
Wäre diese Position unredlich? Unvernünftig?
Da ist nichts, Wertschätzung, Grund - auch "Wahrheit" - bringt nur das Unverständige, all die
überstürzten Kurzsichtigkeiten und Liebhabereien, das ganze Meer unserer Unvernünftigkeit, in dem
wir so gut schwimmen können. Und wenn wir aus ihm auftauchen, so sehen wir auch den Himmel nur
in der Farbe des Meeres, bis wir verstehen, dass es die Wellen sind, welche wir lieben.
Liebe - unser stärkster Wahn, sie macht uns jedes Leben lebenswert, erscheint uns als die Apologie
des Lebens selbst.
Man kann sein ohne Liebe, wie Berg und Stein, doch unsere Teufel ziehen uns abwärts, woher
kommen sie, woher kommt unser Leid am Dasein, das ebensoeine unbegründbare Schätzung ist wie
sein Gegengift, die Liebe?
Bin ich noch in der Position, derartiges verurteilen zu dürfen, ein blindes Spiel, das ins Nichts läuft?
Nein, alles will den Wahn, wir sind im Wahn.
Die grundverschiedenen Welten, von denen man so gerne redet, eine ist unsere, all die Irrealitäten,
unser Tanz in uns selbst und über die Wirklichkeit, eine andere ist diese Ahnung von ganz anderem
außermenschlichen, überirdischen Dasein, das uns fremder und unzugänglicher ist, als alle Götter
und Dämonen, die wir je erfanden.
Wie folgt das aus dem, was wir vom Universum wissen, was ist in seinem Netz verwebt, das etwas
derartiges hervorbringt?
Das Jenseits der Worte schimmert hindurch, blendet mein starrendes Auge und lacht mich aus.
Ein Traum des Nichts mit dem Erwachen ins Nichts.
Wir, die seltsamen Menschen mit den unpassenden Gefühlen und der Unschuld in der Heuchelei, die
wir keine Entsprechung finden in dem, was uns umgibt, wir, die wir uns diese selbst erschaffen
müssen oder zugrunde gehen - die Außenwelt berührt uns kaum, sie ist nur ein Druck, ein Anstoß,
eine Qual oder eine Einfachheit, aber nichts von ihr sind wir, was wir sehen, bindet uns nicht. So
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haben wir nichts als uns und können nirgendwo mehr hin, wenn wir uns verloren haben.
Musik ist in allem was tönt und Malerei in jedem Bild. Ein Blitz, ein Strahl, ein Glück, das sterben will
um vom nächsten Moment nicht berührt zu werden.
Wir sind nicht hier um zu lieben oder geliebt zu werden, wir sollen nicht dienen, aber sollen wir
herrschen?
Wir sind Kinder des Zufalls und nur er kann uns erlösen, wenn es Erlösung für uns gibt.
Wenn das Spiel zerstört ist, diffundiert man ins Nichts, es gibt keinen Zugang mehr zu dem, was man
Leben nannte. Man kann lediglich noch versuchen, den Schmerz zu steigern, ihn sich weiter erfinden,
ihn ausweglos machen. Das bringt Beschäftigung und neue Möglichkeiten, man lernt sein Nichts
anbeten und verliebt sich in den Tod. Denn der ist das Schönste, nun da man das Leben verlernte.
Wie zauberhaft er klingt, wenn man unerreichbar wurde für jede Schönheit, so konkret ist er, so
unausweichlich und feststehend, wie sehr fasziniert er nun, im allgegenwärtigen Nichts.
Sterben für eine Nacht und einen Tag, für ein Traumgefühl, das dieses ganze Leben gebraucht
hatte, um sich zu entwickeln. Dieses Leben in der Realität, nie das Tatsächliche verleugnend, aber
darin tanzend und letztlich die Wirklichkeit mit sich selbst überlistend. Ein Leben, funktionierend und
mühsam geordnet, ein Ich, das sich zu bewahren wusste, einsam und geteilt, aber stark, eine
Verachtung, einst grausam und vernichtend, aber nun sublimiert und wärmer geworden, übersetzt in
Stolz und niedrige Erwartungen. Kühle Spannung, kein Ziel. Das Neue kam nicht als Vernichter, auch
erlöste es nicht, es wurde einfach angenommen, als Neues, als Anderes. Erlösung und Vernichtung
waren nicht das Thema, sondern der Mythos, ein heroisches Nihilistenpathos, das Verlangen nach
Schicksal.
Das ist Liebe und Sinnlichkeit für mich, in der höchsten Form, wie ich sie begreife.
Ich bin eine seltsame Karikatur.
Im Grunde bin ich lächerlich, ein Nichts.
Was ich sehe, genügt mir nicht, das weiß ich über mich. So erfand ich mir anderes, ob ich es wirklich
bin, ist eine andere Frage.
Ich weiß nur, dass ich daran glauben muss, wie sonst sollte ich mich vor mir selber schützen, vor der
Wahrheit, wie ich sie zeigte?
Stolz, was ist Stolz? Mein kleines Spiel, die Eitelkeit vor eigenen Augen, die sich lieber seziert, bevor
sie fällt und in der Selbstdemütigung noch die Überlegenheit spürt.
Sie verstehen meine Art nicht: Das lachende Auge, in dem eine Träne hängt, das Lächeln, das
schwermütig erstarrt, den Ernst, der sich selbst überlebt und zum Übermut wird.
Ja was nun? Standhalten? Oder das Erbärmliche auslöschen?
Der metallischem Geschmack des Todes, die grundlegende Tendenz zur Selbstzerstörung. Unter all
meiner Klugheit der Anpassung und instinktiven Vernunft, Freiheit, Schönheit, Wahrheit und Liebe in
letzter Konsequenz nur als Mittel dazu begriffen. Als Wege zur Verlassenheit, zum Ungenügen, zu
Verzweiflung und letztlichem Selbstverlust.
Mein Volk ist tot und meine Welt versunken. Von der Zeit vergessen stehe ich hier, als eine Tote
unter Toten. Verurteilt bin ich, seltsam und unsinnig zu sein.
Es wirft einen in die Weite und man bekommt sein Meer, überschattet von der tiefen Ahnung, dass
der innere Charakter des Erlebens erbarmungslos ist und in Ewigkeit bleiben wird, ohne ein
Entkommen, das kein Nein bewirken kann - und daneben eine ebenso tiefe Ignoranz, die tanzen
kann, die unverständlicherweise auch darüber tanzen kann, denn unfassbar verschwenderisch ist sie
ebenso im untersten Grunde, die Welt, sie gibt einem alles...
24.05.2009 Der Keller -
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g
Es sind alles Gefühle und Stimmungen, wir verstehen sie nur einmal - wenn überhaupt.
Ahornblätter und Grashalme, Vogelgesang, plätscherndes Wasser, leuchtender Himmel und
flirrender Sonnenschein, Insekten, die mich umsurren, Schwebfliegen und bizarre Käfer, diese ganze
Welt spricht zu mir - nur die Menschen nicht.
Da hast du sie vor dir, deine ganze Krankhaftigkeit, Schwäche und Erbärmlichkeit, hier hat sie dich
eingeholt, da sind deine Teufel, mit denen du kämpfen kannst, wolltest du das nicht? Nein, du hattest
dir etwas Heroischeres vorgestellt, Erhabenheit, klare Entscheidungen, Leben, Schmerz, Tod,
Einfachheit im Grunde. Tod, was ist der schon, es ist keine Unbeugsamkeit darin, ihm ins Auge zu
sehen, denn so bald hat man alles hinter sich.
Ich mit meiner ewig latenten Suizidalität, womit würde ich mich wohl unterhalten, wenn ich die nicht
hätte? Und die schlimmen Möglichkeiten, die ich sehe - ich werde sie nicht Erkenntnisse nennen -
was wäre mein Silberstreifen, wenn sie nicht wären? Ja, schlimm, aber "tragisch" - ich
Komödiendichterin - "einsam und erbarmungslos", "tief", ja, und so bewegend und aufregend, voll
Edelmut selbst in der Resignation noch, so unterhaltsam. Im Grunde harmlos - Lächerlichkeit meines
Ichs und dessen, was ich fürchte. Ich ertrage meine Furcht nicht, ich schäme mich ihrer. Und doch,
wie alltäglich muss sie sein, wie vorherrschend dieses Gefühl - doch ich, nein, ich muss furchtlos sein
- die reizbarste Art der empfindlichsten Gattung, sie wird natürlich die Furchtlosigkeit am meisten
vergöttlichen.
Ja du, du nennst das Leben das du willst "artistisch", ohne diese ganze Schmerzhaftigkeit, deren
Grund du nicht begreifst, dieses Leiden ohne ebenbürtigen Zweck, du, ja, nur Ruhe und einen
gesegneten Umgang mit dir selbst - der dich in die Langeweile und letztlich in den Suizid treiben wird.
Du willst das Leben nur nicht zu genau anfassen, bloß keine unmittelbare Grobheit der Empfindung.
Furcht - sollte jeder sie so empfinden? Wie kann die Menschheit nur so leben? Wie kann diese
Ungeheuerlichkeit von Schrecken da sein, einfach so da sein und immer weiter fortfahren, neu zu
entstehen, ja das auch noch wollen?
Wenn ich nur wüsste, was mein innerstes Selbst verlangt, was es darstellt im untersten Grunde. Tiefe
Verwurzelung im Dasein oder unverhüllten Todeswunsch? Was spricht meine Seele? Sie sagt "du
weißt es", aber was weiß ich denn?
Diese ganze blinde, wild rauschende Welt - und ich muss sie fühlen, muss darin ein Bewusstsein
haben.
Ich träume irgendwas, nehme irgendwann Anlauf und springe kopfüber vom Balkon des Hauses,
hätte den Aufprall härter gewünscht, auslöschender. Interessiert die letzten Sekundenbruchteile und
auch davor, fast neugierig, lachend, dann eintauchend und mitschwimmend, wieder auf dem Urgrund
des Seins, der wie ein Meer ist. Kalte und warme Meeresströmungen sich hindurchziehend wie
Schleier oder durchsichtige, kristallene Schläuche, grünblau und seltsames Rot, tanzend
verschlungen, nach oben spiralig verdrillt.
Plötzlich eine Art Bodenwelle, wie Schmerz, wie kurze Lähmung des Atems und Gefühl von Ersticken,
aber nicht fassbar, nicht verhinderbar, ich kann nichts tun, es gibt kein Tun. Beängstigende
Unendlichkeit von Raum und Zeit, ich bin immer noch gefangen im Dasein, aber kein Grund dagegen
anzukämpfen, es gibt nichts anderes, nichts außerhalb, eine Angst, ein Schmerz, auch eine Art
Glück, aber kaum bewusst, ich bin eine Meeresströmung, die verläuft in die Empfindungslosigkeit,
und ich will das, will nichts mehr als das und versuche, nicht zu denken, nicht zurückzufallen, aber ich
weiß, auch wenn es jetzt gelingt für lange Zeit, ich werde dem Zufall nicht entgehen.
Es ist eigentlich unsinnig, dem Regen, der Sonne, den Bäumen zuzusehen und sich über sie zu
freuen.
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Und doch, der schönste Zustand, in dem ich mein Leben wollte bis zum Tod wäre das, völlige
Einsamkeit und Pflichtlosigkeit, ständig nur in mich horchen, mich in die Welt hinein spiegeln und sie
zu mir sprechen lassen. Nirgends undurchsichtige, verworrene Voreiligkeit, keine Nuance der
Empfindung, die nicht die meine ist.
Wenn man unter etwas Konkretem leidet, so ist die Situation zwar fürchterlich, man hat jedoch ein
Utopia, eine Welt, die erstrebenswert wäre - nämlich jede ohne diesen Druck. Fällt aber dieser
schließlich ab, so sinkt man zurück in eine zwar von allen Seiten harmlosere und weniger drängende
Version des Schmerzes, dem aber genau diese Möglichkeit zur Besserung fehlt - er kehrt zurück von
seiner Äußerlichkeit und wird wieder Grundempfindung.
Sag mir doch, was war es, woran ich mich hielt?
Sterne und Berge? Unterste Ignoranz? Verehrung? Trotz? Stolz?
Die Frage ist doch nur, was ich vom Leben will.
Wieso nicht nur im Traum leben? Seine Träume soll man leben, aber warum sie dadurch verderben,
dass man sie der Realität aussetzt? Warum soll die Wirklichkeit nicht nur eine Außenhülle sein, ein
nötiger Formalismus, der so einfach wie möglich gehalten werden muss?
Ein Leben im Wald oder im Irrenhaus.
Sollte das Erleben so denn intensiver werden? Nein, es wird widersprüchlicher, uneindeutiger, jede
tatsächliche Empfindung bringt das mit sich. Man muss sich von der Erde entfernen, um sie als
Edelstein zu erkennen. Denn sonst ist sie nur ein unentwirrbares Farbenchaos, das grau wirkt für
schwache Augen - und wie oft ist man krank vor Angst und Alltag.
Leben - als gar nichts. Ich bin nur ein seltsames Stück ausschweifende Phantasie, ich tue, was
erwartet und vorgesehen ist. Nehmt ihr mir meine Befangenheit darin, was verliere ich damit noch?
Tierartig, pflanzenartig, ich bin ein Gefühl, ein Bild vielleicht oder ein Ton, doch Worte bin ich nicht,
nichts Hastiges, Unstetiges, sich Entwickelndes. Ich stehe nur an einem seltsamen Fleck, sind es
Abgründe um mich, ich weiß es nicht, es verliert sich alles im Nebel zu meinen Füßen, die ich weder
sehe noch spüre, ich kann nicht erkennen, worauf sie stehen. Ich fürchte mich nicht, freue mich nicht,
bin nicht traurig, ruhe nicht im mir, denn all das gibt es nicht, allein die Möglichkeiten dafür sind viel
zu weit weg. Dieses Erleben ist so flach, nicht einmal gedämpft und traumhaft, nur wie
vorherbestimmt, mit der Unmöglichkeit, mich zu berühren, Angst, Freude, Zerstreuung - nur
epidermal. Sterben, es erschreckt mich nicht, es klingt nach Emotion, vertraut. Ich stelle mir nichts
vor, ein Rest Furcht ist da, ja, ein Geist, der zu viel Furcht hatte, für den sie nun zurückblieb als
Grundgefühl der Existenz, das zu tief verwurzelt ist, um sich zu verraten. Ich bin eine Anmaßung,
etwas Heimatloses, etwas, das gar nicht ist, denn was heißt sein? Interagieren, etwas darstellen,
handeln - doch ich bin nur ein abgespieltes Programm, das reagiert.
Quält mich nicht mit Liedern, die nur sind in der Zeit. Ich kann die jetzt nicht fühlen, werde abdriften in
die Panik, wenn ich merke, dass jede Sekunde mich fortträgt.
Tierhaft, pflanzenhaft, ich bin hier als etwas, das nicht sein will, nichts von all dem, was nur anstehen
kann - die Luft ist so warm, meine Gedanken so träge. Ziele? Ich sehe keine, bin das
Nihilistenpathos, das keine Ziele will - nein, nichtmal das. Ich bin das Weinen, das die Traurigkeit
verloren hat, die es hervorbrachte, das nun da ist, doch vergessen hat, wie man weint, und wie es
sich anfühlt, wirklich zu sein und mehr als ein oberflächliches Gekritzel. Doch ich will sie nicht, diese
echte Emotion, sie wäre Verzweiflung, Furcht, die sich bedroht sähe von allen Seiten, Monster überall
- die eigentlich gar nicht verletzen wollen, nur beiläufig hier sind, nicht dazu bestimmt, mich
anzugreifen, sondern einfach ganz woanders hinzusehen, während sie mich nebenbei in den
Wahnsinn treiben - sie würden mich nie zerstören, das würden sie anschließend mir überlassen,
ohne davon Notiz zu nehmen.
Wir sind dumm und kindisch, zu sehr verwickelt in alles, was wir sahen. Zu ernsthaft um den Verlauf
unseres kurzen Lebens bemüht, das uns doch ohnehin alles gibt. Verbunden in einem viel tieferen
Sinn als wir glauben, wir alle.
24.05.2009 Der Keller -
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Eigentlich schon leben wollen, nur anders - nein, das sind keine "Selbstmörder", sondern
Unzufriedene und Enttäuschte, von Schicksalsschlägen Zerstörte - nicht die Menschen dieses
abgründigen Gefühls, das zu alltagsfern ist, um Traurigkeit oder Schmerz genannt zu werden. Diese
blicken zu fremd in die Materie, dort gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Leben und Tod,
unsere Begrifflichkeit wird unzutreffend, und "Leben" zu einem unsauberen Schluss. Hier gibt es
weder Glück noch Leid.
Wir brauchen die Blindheit des Gefühls, die Absurdität der Ästhetik, zarte Schleier vor den Augen für
heute und morgen. Sie brauchen nicht handfest zu sein, müssen nur irgendwie als vorhanden gefühlt
werden können.
Sollten wir uns deshalb verachten? Nur ein Tier, das leben will und ein Prinzip daraus macht, sich
völlig bewusst offenen Auges zu betrügen - das sogar diese Bewusstheit noch vorantreiben will, um
an der Kraft des Gegners die eigene Verlogenheit zu stärken. Warum? Weil der Lebenswille von
Jahrmilliarden in uns fortdichtet - und was "Nichts" ist, wurde schon lange vergessen.
Nein, es ist nicht so, dass es keine Schönheit gibt. Nur ist sie im Grunde ebenfalls wertlos, man
braucht nicht für sie zu leben. Ich akzeptiere keinen Sinn - nicht aus Verzweiflung, ich ziehe nur die
Konsequenz. Auch nicht die größte Komplexität. Ein Strudel der mitreißt, hineinreißt ins Innere, wo
man nicht mehr weit sieht - sonst nichts. Der unterste Grund ist eine Welt jenseits von allem - Trost
ist dort keiner, denn es gibt keine Traurigkeit, kein Glück und kein Leid.
Das Bild ist die Leere, Emotionen sind der warme, sinnlose Wind, eine bizarre Blüte - auch die
schlimmste Angst ist hier warm, selbst der Tod.
Wir hatten etwas errichtet, es war eine Art unterirdische Höhle. Da waren sie einmal fort und ich ging
allein hinein. Feuer machte ich keines. Als sie später kamen, hielten sie mich deshalb für verrückt, es
wäre doch dämmrig und eiskalt hier - ich antwortete, es wäre nicht kalt, auch nicht dunkel, es wäre
neutral.
Würde ich noch etwas sagen, wenn man mich verstehen könnte?
Eine gewisse Menschenscheu kann ich nicht leugnen, doch ist die eigentlich kaum auf schlechte
Erfahrungen zurückzuführen. Da ist nur eine zu große Empfindlichkeit für Reibung, welche ja nie
fehlt, eine zu hoch gesteckte Definition von Verständnis und Verbundenheit, ein nie widerlegtes
Wissen, wie fremd sich noch nahestehenste Menschen sind. Überspitzte Offenbarungsversuche,
welche dennoch nicht tief genug gingen. Ich könnte oft genug sagen, was ich denke, die schlimmsten
Ungeheuerlichkeiten, denn in der Regel fehlt es am Raster, das sie entsprechend begreift.
Tu dir nur selber weh, das ist erlaubt, dafür sollst du nicht sterben - allein du selbst weißt davon, das
Todesurteil ist nur in deinen Träumen.
Was eigentlich ist dein Problem? Du denkst immer noch zu wenig und nicht zuviel, nicht einmal
sensibel bist du, auch nicht unfähig dich anzupassen - im Gegenteil, du kannst zu deiner Umgebung
werden wie ein Chamäleon.
Schlicht ein Mangel an Lebensenergie, so vieles spricht dafür: der Wunsch nach völliger Ruhe und
Einsamkeit, die ewig latente Suizidalität, der Nihilismus. Doch warum? Finde ich einfach nichts, das
mir hilft und kann es nicht finden, weil ich durch und durch bereits zum Tode verurteilt bin - nicht
logisch, nicht bewusst einsichtig, aber von meinem innersten Instinkt - und all das, die seltsamen
Verschnörkelungen, Verheißungen, das vage Wissen, das ausgehöhlte Gespür "für irgendetwas" nur
Dummheiten? Oder ist es andersherum, ist gerade das echt und ursprünglich und mein Wunsch ins
Nichts nur ausgelöst durch die unaufhörliche Projektion dessen auf mich, was erlaubt und einfach
möglich ist, mir aber nicht entspricht - ein tyrannischer Charakter, der bevor er verkümmert, noch das
Ganze auslöscht?
Ich will nur ein Wort, das mir zu Herzen geht, ein Wort eines lebenden Menschen, das mich wirklich
24.05.2009 Der Keller -
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erreicht und mehr ist als ein Fingerzeig in eine völlig andere Richtung, das zu mehr taugt als zu Witz
und Karikatur.
Ich habe einen Verstorbenen zum Freund und mein Antidepressivum ist die Mathematik. Die Musik
ersetzt meine Empfindung und macht sie traumhaft, lebbar, fern.
Nur Muster in meinem Kopf, nichts das sich fassen und ins Dasein ziehen ließe. Rechte Winkel,
Dächer, Sternfiguren, Kreise und Ringe in Formation, der Kontrast, jeder Sprung in Farbe und
Helligkeit - all das scheint zu mir sprechen zu wollen, manifest werden zu wollen durch mich. Aber ich
verstehe nicht und erfasse kaum, dass ich nicht verstehe. Ein Gitter, ein Regenbogen, sie sind nicht
mehr Symbole für Menschliches, unsichtbar fern, unter all den Dingen ist diese Interpretation. Keine
Emotionen, weder Unfreiheit noch Hoffnung, es ist da nur noch die Geometrie, Muster, welche alles
sind, welche die Welt sind - aber nicht zu begreifen. Wie können diese Linien nur so parallel sein,
diese Kreise so exakt, diese Winkel so eingängig? Wie kann ich nur so genau sehen, diese
deutlichen Farben, diese Unterschiede der Helligkeiten?
Wie eine zufällig hingeworfene Ordnung, die nun gefangen ist in all den Formen, die sie erfand, und
den Linien folgen muss, welche sie zog.
Wie könnte ich sagen, das Leben sei ein Traum - wie die Realität erkennen, wenn ich alle Maßstäbe
nur aus dem Leben nehmen kann?
Keine Erkenntnis der Wirklichkeit, ein Konzept nur, eine Interpretation, ein Blick, eine Färbung - eine
weitere Welt.
Das Thema meiner Liebe, verstehe ich darunter anderes, als Liebe zum Tod?
Tod ist in jeder Liebe und Liebe ist im Tod, im Sterben selbst - das andere Ende des Kreises. Wie er
lockt, wie er grausam fasst, wie er Welt ist, das Ursprünglichste, Unverfälschbarste. Wie er damit
"Wahrheit" ist, als Eis und Erstarrung aller Dinge.
Wie könnte ich anders, als absurd und lachend vor dem Deutlichsten zu stehen, das schneidet in
seiner Klarheit... - wer könnte hinsehen und Mensch bleiben? Wer würde dadurch nicht zu Stein, zu
totem Holz, zu einer einzigen Brechung des Lichts, zu Nebel über farblosem, durchsichtigem Wasser?
Wir alle kennen etwas davon. Nein, du bist kein Feind, die Materie schreit nach dir - Organisation, die
Ordnung des Universum und wer weiß, das Universum selbst, ein Zwischenzustand in einer Welt, in
der es keine Zustände gibt - es nur eine weitere manifestierte Möglichkeit zu nennen, ist bereits eine
Abgründlichkeit der Interpretation.
Dein Blick der unendlichen Leere, deine uralte Geste, die alles schon sah, dein Lächeln, das dem
Abgrund gleicht, der bis ins Mark erschreckt und damit anzieht und zu ihm hintaumeln macht - bis
man nicht anders weiß, als ihn zu lieben, verliebt zu sein, mit aller Unvernunft und Blindheit und
Unreflektiertheit des Wortes. Dabei bist du doch die Wand, die abtrennende, undurchdringliche und
vielleicht bist du viel Schlimmeres, bist im Bunde mit Allem - bist du vielleicht die Unmöglichkeit? Sag,
bist du die undenkbare Ausnahme?
Mit dem was ich bin, kann und will niemand etwas anfangen. Es bleibt immer nur Scham zurück.
Letztlich geht es nicht anders, als nur für mich allein zu sein, mir fehlt schlichtweg die Wahl.
Wie ihr mich immer in Verlegenheit bringt, wenn ihr mich fragt, was ich die ganze Zeit mache. Ich sage
es nicht, denn ich weiß es nicht, sondern überlege kurz, was ein Mensch meines Alters und
Geschlechts unter diesen Umständen durchschnittlich tut - und das wird meine Antwort.
Selbst wenn man richtig verstanden werden will, muss man schauspielern: Man braucht eine
Theaterwut, eine Theaterdepression, Theatertränen und lauter Theaterkausalitäten, um Außen und
Innen anzugleichen und ein Bild zu hinterlassen, das halbwegs angemessen ist.
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 41/66
g g g
Die Gegenwart ist wie ein Traum: flüchtig, eigentlich kaum erlebt, was das Bewusstsein widerspiegelt,
ist bereits vorbei. Die Fülle des Augenblicks ist künstlich: Zukunft und Vergangenheit über einen
infinitesimal kurzen Moment gestülpt, Dauer und reale Existenz dazu erfunden.
Und etwas anderes als Gegenwart ist gar nicht da für uns.
Warum ist es die Ausnahme für mich, Gedanken an Selbstmord so fern zu fühlen, wie sie sein
sollten?
Gerade ihre Ferne hält mich, blinzelt mich an, lächelt mir zu.
Dabei weiß ich doch, wie fürchterlich die Realität ist: die Verlassenheit, Inkompatibilität, das
schrecklich Gewaltsame - als würde ein Stück Traum zerfetzt und über die Welt zerstreut.
Wie ungeheuer man mich missverstehen wird.
Nein. Das jetzt hier ist zu dichterisch, nur eine kleine Verliebtheit in den Tod, wie es normal ist bei den
Eigenweltlern, die dem, was ihre Augen sehen, nicht allzu treu sind. Ein in die Welt geworfenes,
seltsames Volk, das sich isoliert fühlen muss, um Selbstwert zu empfinden.
Diese stumme, profane Welt. "Liebe", ja das mag gut sein, doch was will ich eure Tierinstinkte.
Vor allem und zuerst bin ich solitär.
Wie lang ist deine Liste der Dinge, welche schlimmer sind als der Tod?
So holt man uns heraus, mit all unserer Wildheit und tiefen Angst und setzt uns in eine Umgebung,
die uns fürchtet und verachtet.
Nur dasitzen mit geneigtem Kopf und in unsere Hände starren - nein, ihr seht die Bilder vor unseren
Augen nicht, stumm und einsam, keine Trauer, die nicht unser Wesen ist.
Auf dem Grund muss die Welt unheimlich und vieldeutig sein für mich, ein düsterer Abgrund für
Menschenaugen und -wertungen, sonst nehme ich ihr die Wirklichkeit nicht ab. Der Dämon des
Chaos und der Fremdheit - und auch des vollkommenen Geflechts, denn keine Lücke soll bleiben,
durch welche man ihm entkommt.
Angesichts all der Lügen unseres Geistes glauben wir "eigentlich" nicht daran, dass dem Begriff
"Wahrheit" etwas Reales entspricht, aber doch finden wir, dass Unmenschlichkeit ihre Voraussetzung
ist - nein, nicht der Wahrheit, sondern unseres Konzepts.
Man könnte fragen, was das über uns aussagt.
Eigentlich wollen wir ja nur absolute Geschlossenheit, da die aber logisch nicht möglich ist und wir
keine esoterischen Lückenstopfer sein wollen, suchen wir sie im Chaos.
--- Endspiel ---
"Was möchtest du damit sagen?"
"Du weißt, was ich meine - ja, ich meine es tatsächlich."
"Aber warum machst du es uns so schwer?"
"Es kümmert mich nicht, all das bestimmt nicht mein Wesen: keine Rücksicht auf Freundschaft, auf
das Leben oder Wohl von irgend jemandem."
"Was willst du dann?"
"Ich will meinen egozentrischen Krieg, meine Welt und meinen Wahn."
"Du bist verrückt. Es musste so kommen, du hast den Verstand verloren."
"Denk das und vergiss mich schnell, glaube an meinen Tod, denn was für dich lebendig war, lebt
nicht mehr. Diese Welt ist nicht die meine, ihre Sonne scheint nicht für mich und wann immer ich ihre
Stimme hörte, so wollte sie mir sagen: 'Nimm alles auf und vergiss es, lass deinen Geist sterben und
geh fort von hier. Du sollst hier nicht bleiben, denn gegen die elementaren Gesetze des Lebens hast
du verstoßen. Nun suche, was zu dir gehört und es wird dir zwischen den Fingern zerrinnen, du Kind
von tausend Welten und von keiner: dein Verbrechen und deine Strafe, dein Fluch und dein Segen.'
24.05.2009 Der Keller -
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Die tiefe Deutlichkeit ihrer Worte liegt nun vor mir, sie, deren Geheimnis ich immer zu erahnen
glaubte und begreifen wollte - aber dabei bin ich ihr selbst nie nähergekommen, nur ihrer Botschaft
für mich. Jetzt, endlich habe ich verstanden.
So leb wohl. Ich werde mich zurückziehen und fortgehen, bis ich lange nichts mehr gesehen habe,
was ich kenne. Dann werde ich suchen, nach diesem Hauch Verwandtschaft, dem Schimmer
Ähnlichkeit, dem Gold in der Welt - ja weißt du denn nicht, was mein latenter Hang zum Bösen war?
Eben das, genau das."
"Bitte - ... geh."
"Es freut mich, dass du das verlangst. Ich werde an dich denken, so lange ich nur zu denken fähig
bin, die Erinnerung an dich soll die letzte Klarheit sein in meiner erahnten und gesehenen Zukunft,
die ich nur als Nacht zu erkennen und begreifen in der Lage bin. Und nun geh auch du, gehen wir
beide - unsere gemeinsame Bahn wird immer einbeschrieben bleiben im Lauf der Sterne, nie kann
ausgelöscht werden, was geschah."
Eine Hölle für mich und meinesgleichen, die Welt in ihrer vollen Breite der Ewigkeit. Sollen wir nun zur
Hölle ja sagen, weil uns die Wahl fehlt? Unser Nein zieht nichts nach sich, nichts ändert sich, wenn wir
zerstören, die Dinge können warten.
Freiheit in ihrer höchsten Form, Realität jeder Welt und völlige Losgelöstheit von allem, was wir als
Halt oder Fessel empfinden können.
Letztlich ist das Schicksal von Angehörigen dieser Spezies lächerlich - was ist denn von Betracht?
Noch immer sprichst du mich an, ein Traum meiner frühen Jugend, deine Stimme, dein Blick -
Verwandtschaft? Sie war einmal, doch du hast angefangen, zu existieren.
"Es wird kalt und die Bäume werden bunt. Mein letzter Sommer geht zu Ende, nun folgt die
undurchsichtige Schwärze, das große Nichts."
Man muss das Leben nur als Krieg sehen, sich ein Drama zurechtmachen, ein Pathos konstruieren
und in erhaben-feierlicher Pose erstarren.
Ich peile nach der Asymptote, eine veränderte Optik und sie wird endlich, bezwingbar.
Immer nur mehr, immer wieder nur mehr davon, vom "Leben" - ich bin müde und das ist darin meine
Stärke: dass ich sterben will.
Unklar, entwöhnt, etwas selbstentfremdet, mit diffusem, aber starkem Wunsch nach Zerstörung und
Schmerz - ja, so könnte man es tun.
"Mit diesem Tag kommt auch dein Tod immer näher." Ist das nicht ein Trost?
Nicht viel mehr als ein langer, luzider Traum.
Doch ein Universum, das so etwas bereits hervorbrachte, sollte man fürchten und ihm misstrauen, so
viel Unbeschreibliches kann noch in seinen Gesetzen lauern - nichts sollte darin empfinden können.
Grausamkeit gegen Lächerlichkeiten, ja, auch wir vernichten in jedem Augenblick. Wie lange ist der
Moment für den Zweig, den ich breche, für das Gras, das ich zerreiße, für den Stein, den ich zu
Boden werfe? Sind nicht all das Gleichnisse und Bilder unserer Unkenntnis, sowohl unserer
Göttlichkeit, als auch der desinteressierten Ungeheuerlichkeit unserer Götter?
Auch ohne viel Degeneration: wir haben den Nihilismus nötig.
Zu große Klarheit macht Handeln unmöglich, wir können es nur, weil uns die Zeit zum Denken fehlt.
Dieses übersteigerte, im Punkt der Gegenwart gefangene Bewusstsein ist eine Krankheit, es macht
schwerfällig und nimmt das Interesse am Leben. Denn was sollen wir mit Sensationen? Was sollen wir
mit Glück?
Es wendet sich gegen sich, gegen das erlebte Jetzt und will nicht noch mehr davon, will keine
Zukunft. Denn was war immer das Schrecklichste für mich? Nicht unbedingt mein Erleben, sondern
viel mehr die Vorstellung - oder die Gewissheit - es würde so weitergehen und immer wieder so sein.
Bereit, für ein Stück Ewigkeit...
Liebe ist nicht für mich da, sondern das Nichts und der Traum vom Nichts, so wie für andere der von
24.05.2009 Der Keller -
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der Liebe.
Wenn man erst mal sterben würde, ja, das wäre alles einfach.
Egal, ob man nun in einen Horrortrip geriete oder in ein Märchen - jedenfalls keine Kompliziertheit,
keine Möglichkeiten und nur einen Bruchteil Bewusstsein. Schmerz vielleicht, aber baldiges Ende.
Doch ist so nicht das ganze Leben? Denn wir haben keine Wahl, es reißt uns durch die Welt und
durch den Schmerz - mit baldigem Ende.
Das Universum ist nicht unbarmherzig, wir haben alles in der Hand, was wir brauchen, wir können es
einfach machen, denn wir können uns töten, ja, und das immer wieder tun.
Die wesenseigene Indifferenz macht die Anpassung an praktisch alle Situationen möglich, viel mehr,
als man sich selber zutraut. Mein Improvisationstalent ist bemerkenswert.
Dieses unbegreifliche Blau, die Unendlichkeit des Farbeindrucks, die subtile Ordnung der Schatten
und Waldränder, die Unzugänglichkeit des Lichts und aller Dinge, die so nah scheinen.
Ein Geist, der in eisigen Gefilden lebt, muss selbst nicht kalt sein. Wer am tiefsten fühlt, braucht ein
solches Konzept um im Wirbel eigener und fremder Empfindungen nicht unterzugehen.
Ich besitze ein paar witzige Fotos von mir: vierzehnjährig, grinsend, strahlend - bis man genau
hinsieht und die Schnitte an den Händen erkennt.
Selbst ich kann es nicht vereinbaren, bekomme es nicht zu fassen - weil ich nichts bin und auch
nichts war: kein Widerspruch, keine Vielheit, einfach nur nichts.
Einsamkeit führt zur Auflösung der Person, denn es ist niemand da, der sie definiert und sich selbst
glaubt keine Definitionen - man kommt an kein Ende.
Mir fehlt der Blick des Malers, der mit einer fest eingestellten Grobheit des Blickes alle zum
Verständnis wesentlichen Züge erkennt und so übertragen kann, dass alles zusammenstimmt und
nichts vermisst wird. Ich verliere mich in der unendlichen Detailliertheit, anderes erscheint mir
nebelhaft und unwahrscheinlich.
"Liebeskummer, ein lächerlicher Grund."
Ihr habt nicht die richtige Vorstellung von diesen Dimensionen, wenn es kaum Menschen gibt in der
Welt und man dann einen findet und ihn verliert... Es gibt hier eine Ausschließlichkeit, die ich bereits
mit vierzehn verstand, die völlig unabhängig ist von "Eigenschaften", d.h. irgendwelchen Begriffen,
die man nach allgemeinen Nützlichkeitsurteilen über das menschliche Verhalten stülpt - und so gibt
es keinen Ersatz, keine Austauschbarkeit.
Nur ein Spiel für euch, Spaß, Unterhaltung.
Doch so ist es vermutlich weniger krankhaft, "geistige Liebe" und "Poetensinnlichkeit" sind etwas
Abstruses - wie das Gebiss des Säbelzahntigers, groteske Ausgeburten einer überspezialisierten
Tierart.
Nur eine kurze Episode, ein höchstens in seiner Konkretheit außergewöhnlicher Traum: Zwei Sessel,
darin ein Mann und eine Frau, auf einer Balkonplattform an einem Hochhaus, ruhiges, von
männlicher Seite im Tonfall leicht zynisch gefärbtes Gespräch über das Ende der Beziehung. Sie: "Ich
kann ohne dich nicht leben." Er lacht: "Sag nicht so einen Unsinn." Sie starrt vor sich hin. Er: "Na
wenn das wirklich so wäre, könntest du ja gleich dort runterspringen" und zeigt auf ihre andere Seite,
wo die Plattform endet und es zwanzig Stockwerke in die Tiefe geht, auf grauen, leeren Beton. Sie
wird zu mir, ich blicke hinab und bin froh über diese vortreffliche Sprunggelegenheit und über das
Wissen, dass es nun sein muss, nach diesen Worten. Etwas Angst, aber dann ein schneller Sprung
und Fall und das Gefühl einer ungeheuren Richtigkeit, Freude über die unaufhaltsame Endgültigkeit.
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 44/66
UTOPIA V
"Ich sehe zu, wie du dich zugrunde richtest, zerrissen von nichts als dir selbst - muss dir zusehen. Ich
erreiche dich nicht, es ist unmöglich zu dir zu sprechen - nichts berührt dich tief unter deinem Wesen,
denn nichts ist dort, nur du selbst. Du quälst dich Tag um Tag, dich selbst quälst und vernichtest du
und kannst nicht anders. So gerne würde ich dich aus deinem Schmerz holen und dir zeigen, wie
schön es sein kann zu leben, doch du hast keine Sinne dafür, denn auch im Schönsten musst du
Leid empfinden und furchtbar muss die Welt im Grunde sein für dich. Nur um dich bist du gekreist
und unweigerlich eins geworden mit den dunklen Strudeln deiner Selbst, in deinen Abgründen bist du
nun gefangen, in einem Alptraum fern jedes Verstehens, den niemand widerlegt. Ich will dich halten,
doch du zerrinnst mir zwischen den Fingern und verschwindest im Nichts, gezogen von Körperlosem -
keine Barriere gibt es, die dich von dir selbst trennt, keine Einsicht und keine Teilnahme, die irgend
etwas daran ändern könnte."
All die Welten, die zerstört werden, indem eine von ihnen da ist.
Ich kann nicht verstehen ohne Zeit.
Der größte Wunsch?
Bedeutungslosigkeit meines Todes, Sterben, ohne wieder aufzutauchen, nicht verwoben sein im
ewigen Teppich, nie gewesen sein - vielleicht.
Oder eine Institution, die Menschen aufbewahrt wie mich, für jeden ein kleines, leeres Zimmer, gutes
Fernsehen und Beruhigungsmittel in beliebiger Dosierung.
Ina - 9.8.2008 um 21:04
Verloren gehen in der eigenen Welt: Wahnsinn.
Die Begriffe passen nicht auf sie - dabei wünschen sie sich das doch und wollen einen Namen haben
für das, was sie darstellen, sollte es auch eine psychische Krankheit sein.
Eigentlich glaube ich nicht an meine Indifferenz. Wenn ich nichts bin und sein kann, was man mir
überstülpt, wie erklärt es sich, dass ich gerade die Menschen so schlecht ertrage? Ich kann mich
nicht erklären, aber ich weiß, wenn mir etwas entspricht. Nur die Tatsache, in einer Realität zu sein,
die nicht für mich geschaffen ist, lässt mich das vergessen.
Welche Grundtendenz verrät der Wunsch nach Erstarrung?
Man bezahlt seltsame Talente mit Einsamkeit, aber noch mehr mit Angst. Das normale Leben wird zur
Strapaze, die einfachsten Dinge zur Überforderung, während viel Schwierigeres sich von selbst
versteht.
Das unverständliche Blau, wie kann über dieser Schwärze etwas blau sein?
Im Universum der Sprachlosigkeit. Zwanzigtausend Bilder, aber keine Konkretheit, ein übervoller
Geist ohne Ordnung und ein Hass auf sie, weil sie auswählt, Kanäle zieht und ihr Zuwiderlaufendes
zerstört.
Alles ist viel unsicherer als bisher und dennoch fühlte ich mich schon lange nicht mehr so wenig
suizidal. Mir fehlt der Zugang dazu, ich existiere einfach, wie Baum und Strauch, nur sehr schwer
komme ich zum Grund meiner Gedanken. Die Welt ist zu schlecht absehbar, ein Blick über das
Ganze ist kaum möglich, kein echter Wille in mir, weder zum Leben, noch zum Tod.
So muss die Normalität sein und in der Tat, eine solche Empfindung vorausgesetzt, sind
Selbstmordgedanken schrecklich. Ungeheuerliches muss geschehen sein und immer wieder
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 45/66
geschehen, um diese Epidermalität bis zum Kern zu durchbrechen.
Es sind nicht die Menschen, die einen aufnehmen müssen - sie können es gar nicht. Doch auch
wenn sie in dieser furchtbar domestizierten Umgebung alles zu überschreien scheinen, sind doch ihre
Wirkungen jung. Das Wasser haben sie zwischen Betonmauern eingefasst, aber dennoch spricht es
noch seine Sprache - das Rauschen seiner Wellen war das erste, das ich hier verstand. Die Steine
haben sie zu Treppenstufen zurechtgehauen, aber damit haben sie nicht aufgehört, von leeren
Geröllfeldern zu künden und der Dunkelheit im Inneren der Berge. Das Eisen des Geländers gibt
seine Empfindung in jeder Form weiter, sein Ursprung ist immer noch das Innere der Sterne.
Ich war zu hart zu unseren Feiglingen und Dummköpfen, denn ich kannte das normale Leben in
unseren Breiten nicht. Es ist viel zu schwierig, in einer durchschnittlichen Stadt bei klarem Verstand
zu bleiben.
"Die Welt ist Sand zwischen unseren Fingern - wir drücken ihn in unsere Formen und bauen
Schlösser aus ihm."
Gerade wir können uns letztlich nicht umbringen, denn irgendetwas fällt uns an: ein Hauch von
Wunder und Empfindung, ein Stück reinen Lebens - oder einfach die Normalität, die wir selten
begriffen.
Weit entfernt stand der Mond im Zenit. Der Himmel leuchtete bereits, bald würde die Sonne
aufgehen. -
Wer verstünde das alles, glänzend und stumpf, wer begriffe die Schärfe des Farbkontrastes und die
Grenze zwischen Schwarz und Weiß. Verschleiert ist die Welt, unsere Richtung ist eine andere, wir
selbst waren es, die sie verhüllten.
Traurige Angelegenheiten, Tod und Selbstmord, Fesseln an die Menschen - die Einfachheit endet so
weit vor uns, wir sind zu dispositioniert, unser Platz ist der äußerste Rand des Kreises - und die
Wahllosigkeit. Furcht und Ignoranz ist unser Schicksal, bestimmt die Wände, innerhalb deren wir
agieren - ich kann mich nicht umbringen und ich kann mich nicht frei machen.
Die Selbstentfremdung, die eintritt, wenn man in den Spiegel blickt.
Was sind die Regeln meiner Geheimschrift?
Auch ihre Welt ist in sich völlig konsistent. Und ein Abgrund steckt in jeder.
Das Bild aus einem Traum - dort hinten sein, für immer.
Der hellrote Himmel und das ockerfarbene Gras, das Gezweig der Laubbäume und die Schatten der
Fichten. Wie alle Farben dunkler werden und damit immer tiefer, bis sie verlöschen ins Grau des
Abends, einförmig geworden und verschmolzen mit dem blassen Fraktal eines Nebelschwadens.
Das ist eine Intensität des zwischenmenschlichen Umgangs, wie ich sie gar nicht ertragen könnte, die
mich aushöhlen und zerstören würde.
Meine sanfte und kühle Einsamkeit, meine rein epidermalen Berührpunkte, meine Abgeschlossenheit
und mein Alleinstehen - wie sehr bin ich dem dankbar, wenn ich solches sehe.
Zu weich für Selbstmord. Ein zu vergeistigtes Konzept, das nicht zur Ausführung gelangt, weil dazu
Gewaltsamkeit nötig ist, unmittelbare, allzu deutliche Körperlichkeit. So liegt diese als Realität
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 46/66
g p g
zwischen den Träumen und Abstraktionen meines Lebens und meines Todes.
Letztlich spielt es keine Rolle, welche Masken ich trage, um mich vor mir selbst zu verstecken. Es wird
sie mir niemand verbieten.
Den Schmutz schätzen wegen des Staubkörnchens Gold, das er in sich trägt, irgendwo, praktisch
unsichtbar?
Ich sehe, was aus mir wird. Zu wenig Zeit und Gelegenheit für emotionales Erleben. Das Graben ist
eingeschränkt, denn bevor mein Verstand zum Grund kommt, bleibt er an einem Rätsel hängen. Mein
einsickernder Blick sieht nun hinter Formeln und abstrakte Konzepte und nicht mehr hinter eigenes
und fremdes Persönliches. Einerseits die Befreiung von mir selbst, die Erfüllung meiner Leere, aber
auch eine neue Fessel.
Das Wühlen im Dreck nach glitzerndem Staub, ja, vielleicht bin ich im Begriff, das zu verlernen.
Nur ein Traum von euch. Das Bild muss blass bleiben, unkonkret, ein Gefühl und ein Blick.
Ich will die Schönheit meiner Träume nicht an der Realität zerbrechen sehen - selbst wenn ich damit
die Chance vergebe, dass sie wahr werden.
Denn ich könnte doch nicht mehr träumen, wenn sie scheiterten.
Was brauche ich Menschen, ich habe doch die ganze Welt.
Da das hier nichts taugt, die Menschen mir verschlossen sind und mir auch die Formalismen-Welt
schon wieder fade wird, kann ich mich umbringen, denn es gibt so keinen Grund, in der Biosphäre
dieses Planeten weiter zu parasitieren.
Da es aber keine Instanz gibt, die bewertet, was ich hier tue, da es absolut nichts gibt außer den
idiotischen Konzepten in meinem Kopf, kann ich tun, was mir beliebt, was beliebt mir denn?
Wir wissen gar nichts von ganz unten - Misstrauen gegen jedes Bild vor meinen Augen, ich weiß
nichts von der Existenz von irgendetwas außer "mir" - und von mir selbst so wenig.
Letztlich wird man zum Gott, welcher die Welt erschuf, zum pantheistischen, in alles aufgelösten Gott.
Sie lässt mich nicht gehen, sondern bindet mich an mit ihren Spinnenfäden von Wunsch, Traum und
Sehnsucht.
Habt ihr einen Begriff von meinem Mut?
Warum muss die Welt so schön sein und die Eindrücke des Lebens so stark - hinter all dem Spiel
und Chaos der Kräfte liegt ihr stiller Zauber und die Kälte ihrer völligen Fremdheit - wir begreifen
nichts, wie können wir nur leben und so laut und selbstgewiss sein?
Was ich eben sehe, ist schon weit entschwunden in die Unendlichkeit, fortgetragen ins Nichts
zwischen den Sternen und zu Welten, die ich nie erblicken werde. Für das Licht gibt es kein
"Universum", kein seltsam willkürliches, mehrdimensionales Objekt, sondern nur die vollkommene
geometrische Form, den Punkt ohne jedes Attribut. Alles ist ein Zustand, der sich nicht entwickelt
oder entfaltet, der einfach da ist im Jenseits der Zeit.
Was ist der Strauch hinter mir im Dunkeln, der eben noch glitzerte - zum Leben gezwungen zu sein,
wie kann das ein Mensch bei klarem Verstand ertragen - muss er nicht die Emotion an sich
vergöttern?
In dieser Wüste hier kann ich nicht leben.
Ein Fleckchen Grün für mich, hohe Berge, Pflichtlosigkeit und Einsamkeit... Ich kann nicht nützlich
sein für all das hier.
Ich entkomme mir nicht, das Schauderhafte, Kalte ist meinem Wesen zu tief eingegraben - die
kristallene Klarheit dieser Gleichungen und Konzepte, sie ist so unsäglich schön, dass ich dafür keine
Welt mehr bräuchte, die zu mir spricht - doch wie lange ist sie mir erlaubt?
Zu übervoll von allem, von Gestautem und Neuem - ich will das Gegenteil von sterben, will eine
Explosion ins Dasein.
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 47/66
Warum sitze ich hier und versuche herauszufinden, was ich fühle?
Nur um letztlich zu merken, dass es doch Todessehnsucht ist - eine weitere ihrer vielen
Verkleidungen?
Wenn im Stern das Leben erstarrt und eingegangen ist in die alles aufnehmende Kälte des Alls.
Der Schein des Lichts und hellrote Rosen. Ich verstehe keine von ihnen. Was geschah da nur?
Damals lebte ich zwischen den durchscheinenden Nebeln, in den Wäldern des Nordens.
Wer käme nur dazu, mir zu erklären, was ist?
Strahlendes Rot.
Wer dachte daran, dass hier ein Schatten nötig war?
Die Durchstrukturierung eines guten Teils meines Verstandes hat keine Form ins Ganze gebracht,
vielmehr hat sie dazu geführt, dass die Logik dem wenig geforderten Rest noch mehr abhanden
gekommen ist. Das eine ist vom anderen unabhängig, man kann im fragilsten mathematischen
Gerüst tanzen können und dennoch einen verworrenen, verwilderten Geist haben - ein einförmiges
Meer aus unartikulierbaren Empfindungsfetzen, in das nur zeitweilig ein paar Inseln gestreut worden
sind, ein wenig Festland, nach dem man greifen kann.
Durch das Labyrinth irren und nichts hören als die eigene Stimme, wie sie nach dem Gefährten
schreit. Nur der Klang der Flöte kann mit seinem überirdischen Zauber das verschlingende Echo
durchdringen - aber wer fände diese Flöte und lernte, auf ihr zu spielen?
Die Hoffnungslosigkeit der Klarheit - nur Mut trennt vom Abgrund.
Hypothesen, im Rahmen von Jahrhunderttausenden? Glaube an den letztendlichen Sieg des
Nichtzuleugnenden?
Aber wie gut können wir doch leugnen.
Ich kann die Farben erklären und die Entstehung des Lichts, aber doch scheint eine Unendlichkeit
zwischen mir und den Bildern der Welt zu liegen.
Es darf kein normales Ende sein, keine Streitereien, kein Auseinanderleben, kein Versinken in
Schweigsamkeit und die Einsamkeit zu zweit, nein, es muss tragisch und grausam sein, ein Schlag,
der den Traum nicht zerstört, da er nie bis zum Ende gelebt wurde.
In seinen besten Momenten ist mein Leben ein Fetzen aus Bildern, Farben und Gedanken.
Wenn ich liebe, so liebe ich nur ein Bild, ein Konstrukt meines Geistes, das sich zufälligerweise an
einem vage korrespondierenden Teil der Außenwelt festgeklammert und aufgebaut hat.
Meine Seele ist unbestimmt, im Grunde weiß ich sehr genau, dass ich nicht geliebt werden kann, ich
kann tun, was immer ich will.
Ich glaube an meine Liebe, doch nicht an die dessen, der angibt mich zu lieben. Ein zu seltenes und
unwahrscheinliches Ereignis, als dass es sich gleichzeitig in zwei Universen ereignen könnte. Nur kurz
und vorübergehend - alles.
Nein, was wenn nicht?
Selbstmord, sofortiger Selbstmord und bald wieder - immer wieder.
Da war ich meine Brücke besuchen gegangen, wie man einen alten Freund besucht und stellte mir
Sterne vor - ein heller Himmel über dunklen Bergsilhouetten, wenn man vergisst, was Licht ist und
24.05.2009 Der Keller -
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nichts begreift, wenn man es sieht.
Was ist zu tun, wenn alles schmerzt, der Nachttraum Misstrauen hinterließ und die Welt sich
verschließt, so dass man Einsamkeit fühlt, obwohl man doch weiß, dass gar nichts anderes sein
kann?
Seelenmusik, ebenso abgehackt und scheinbar zufällig und doch voller innerer Ordnung.
Das Unbehagen an der Welt in abstrakten Konzepten von ihr ersäufen.
Das ungeheure Universum, das mich weder mitleidig noch strafend betrachtet, gleichgültig und über
alles erhaben - es hat die Härte, an der sich die Härte meines Geistes wieder aufbauen kann.
Keine Liebe für mich, es ist zu viel in mir, ich kann nicht etwas sein, dass von jemandem geliebt
werden will. Zu stark ist die Gewöhnung an Distanz, es würde Situationen geben, in denen ich
geistige Nähe und Verständnis nicht ertragen könnte.
Ich führe Gespräche mit Leuten, die nicht da sind, ich erzähle ihnen, was ich bin, was ich mag und
was nicht und manchmal geben sie mir Antworten, wenn ich sie frage. Doch dann vergesse ich sie
wieder für Stunden und Tage und sie sind mir so fern, wie sie es in keiner Wirklichkeit werden
könnten.
Unsere persönlichen Utopien, verraten sie uns nicht, sind sie nicht genau das, was uns im Grunde
am meisten widerspricht, so dass wir diesen fremdesten Teil der Welt in allen Farben schimmern
sehen?
Das Leben ist von außen am Schlimmsten, denn sind wir darin, so sind wir im Rausch - den wir in der
Klarheit nicht mehr begreifen und verachten.
Was ich treibe sind Kinderspiele zur Befriedigung meiner Eitelkeit.
Doch was sonst soll ich tun?
Ein Tag, an dem mein Geist nicht zu strengen Übungen gezwungen war, reicht aus, um mich in meine
Lethargie zurückfallen zu lassen - welche mir aber als mein richtigster und natürlichster Zustand
erscheint.
Ich will keinen Zwang und doch gehe ich ohne ihn zugrunde, denn so fehlt der Rahmen, welcher die
indifferente Schattenhaftigkeit meiner Existenz ins Dasein bringt - ich selbst bin unfähig, der eine
Ordnung überzustülpen, ich kann nur wieder Spiele daraus machen.
Utopia VI
Ich weiß nicht, was mich hält,
doch du könntest es.
Wärst der Blick meiner Augen
und das Lächeln meiner Lippen,
wärst die Bewegung meiner Seele,
der Wind über meinem Meer.
Die Regentropfen, die auf die Gleise prasseln, sie rufen mir zu "Leg dich in den Schnee und stirb!",
doch wie könnte sterben so leicht sein, wie es mir der Traum zeigte?
Angst, Sorge, Schmerz aus sich - selbst das kann in ein Gleichgewicht geraten und so durch ein Bild,
ein Lied oder eine Betrachtung zusammengebunden werden, dass es sich in Schönheit verwandelt,
die man kaum aufgeben wollte.
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 49/66
Auch du bist jemand, der für eine kaum erdachte Möglichkeit bezahlt, unsere Seelen sind da gleich
und so können wir füreinander nichts sein. Kein Mitleid, ich kann meinen Schmerz in dir ehren, seine
erbarmungslose Folgerichtigkeit und den Mangel an Alternativen.
So hat jedes Bild seine Geometrie und fast eintönig erscheinen die eigentlichen Symmetrien.
Unverständliche Aussagen schwirren um mich, der nächste Weg zur Unendlichkeit geht durch das
Nichts.
In meinem Kopf herrscht Unordnung und Ruhe gibt mir nur die Müdigkeit.
Wir sind in allen möglichen Welten verloren, doch wirklich zerstören würde uns nur, den Weg zu
ihnen nicht mehr finden zu können.
All die Spielereien werden mich nicht bewahren, alle eingebildeten und echten
Außenweltproblemchen, jeder Wunsch, in anderen unterzugehen und einfach eine von ihnen zu sein,
alle Träumereien von etwas wie Liebe für mich. Ich werde dennoch immer wieder in mich
zurückgeworfen werden und das Ungebührliche daran ist ja, dass ich unzufrieden werde, wenn das
nicht geschieht, dass ich in der Außenwelt nicht leben kann, sondern langsam dort ersticke, dass ich
mein seltsames, gespenstisches, kaltes Meer brauche und nur zeitweise an Land sein kann.
Nun bin ich wieder in der Welt, in der nichts selbstverständlich und alles ins Unverständliche
aufgelöst ist - lauter Rätsel, viel zu viele und gewaltige, als dass sie mein Verstand auch nur
feststellen könnte.
Jedes Stück eigener Welt ist eine Kluft mehr, die auf dem Weg zu uns überbrückt werden muss.
Eine Welt, die zurückgetreten ist in Pastelltöne und in ihr der orangerote Ball, zu dem die Sonne
geworden ist, völlig rund und glatt, ohne Struktur - nur Farbe im milchigen Meer.
Es atmet den Geist von Jahrmilliarden.
Ich begreife nicht, was Wasser ist, kann nur einen unverständlichen Abgrund an Stelle eines anderen
setzen.
Sich biegende Birken, ein Wald aus bizarren Kurven, das Schneefeld mit seinen sanften
Farbübergängen und der samtigen Struktur, die Hände der Fichten und die Konturen der Welt, die
wissen will, ob ich ihr Rätsel kenne und ich kenne es nicht, kenne in keinem Augenblick das Bild des
nächsten - bis ich rufe, sie soll aufhören. Schneekristalle auf den Fichtenhänden, als ich sie berühre,
fallen sie hinab in meine Hand wo sie schmelzen, ich erschrecke und will sie nicht zerstören, da sie
doch einmalig sind, ich versuche sie wegzublasen, doch es ist zu spät.
Ihr sprecht zu mir aus einer fremden Welt, in der alles zur Karikatur wird, was ich bin. Und was sonst
sollte ich zu sein versuchen? Warum sollte ich die Regeln lernen, nach denen ihr eure Spielchen
spielt? Doch euch fallen sie leicht und so seid ihr selbstverständlich und für mich verschlossen.
So viel verschwendete Zeit, so wenig übrig für Bilder und Landschaften, Träume und Alpträume.
Man ist ausgetrocknet und verbietet sich Durst zu haben, bis man schließlich daran stirbt.
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Vielleicht ist das hier eine weitere Illusion, die sterben muss, das Schreiben von eigentlich
unsinnigen, aber vielleicht subtil schönen Dingen. Nur eine weitere Stütze, die ich mir irgendwann
nehmen muss - Ende der Materialsammlung und auf ins wirkliche Nichts.
Ich sehe die Menschen gar nicht mehr richtig - was ist in meinem Verstand?
Am ehesten dem Traum verwandt, in dem Denken und Empfinden verschmelzen und alles den
Wogen dieses Irgendwas gehorcht - eine Art von Musik.
Dieses Lied beschreibt keine "Façades", sondern den Blick hinter sie, die Rückseite des
Augenscheins, weiße, ausgebeulte Figuren, den negativen Abdruck der Welt.
Ich erhole mich in der Äußerlichkeit, darin, etwas zu sein und Bezeichnungen für mich zu haben.
Und doch weiß ich, dass es keine Beschränkungen gibt - nur manchmal, nur in der Schwäche. Also
soll das Ziel sein, keine Schwäche zu haben?
Wer könnte das - und menschlich bleiben, nicht völlig verschwinden in der Kälte des Alls.
Aber ist es nicht das, der wilde Wunsch, fliegen zu können, der genau das will und für den dieses
Ergebnis keine schreckliche Nebenwirkung ist, sondern das Ziel selbst?
In den Himmel fallen, bis dahin, wo es keine Wolken mehr gibt und immer weiter ins Blau, das immer
tiefer wird, bis es schließlich zu einem Schwarz erlischt, das es auf der Erde nicht gibt.
So bleibt nur die Rückkehr zur Indifferenz, in der es keine einzelnen Dinge mehr gibt - aber wie sollte
man so dem Ganzen näher sein?
Wir leben auf einer dünnen, vielfach gefältelten Oberfläche - über etwas Unaussprechbaren. Aber
der Wunsch, das zu sehen, ist dennoch da und die Oberwelt verletzt uns, denn dort ist unser Auge
trüb und trotz aller Flachheit verschwinden wir in ihr und sind beschämt durch die Macht, die sie über
uns hat. Es ist nur ein Hauch, der uns trägt, der uns aber unbezwingbar erscheint und mit dem wir in
blindestem Leichtsinn spielen, bis er reißt - und wer würde dann wieder die brüchigen Ränder des
Loches zu fassen bekommen, in welches er fiel?
Und sind wir schließlich so weit, dass uns kein Leben mehr anfallen könnte, so ist die Lähmung
unseres Organismus zu weit fortgeschritten, als dass wir zu einem so schwerwiegenden Schritt fähig
wären.
Ohne den guten Willen zur Normalität wird man diese nicht erreichen und damit auch keine
Einfachheit und Glück nur im Rausch, zwischen zwei Abgründen.
Der sichtbare Bereich des Himmels verschob sich und die Muster im eisartigen Untergrund waren
anders, doch ansonsten waren alle Orte ununterscheidbar.
Was fürchte ich nicht, wenn ich hier bin und so viel anderes fürchte? - Die Leere.
Ein subtiles Spiel: einen erst immer wieder in sich zurücktreiben und schließlich sagen,
Selbstbezogenheit sei die Vorstufe des Selbstmords.
Obwohl eigentlich jeder weiß, dass es Spinnennetze sind, wird einem nicht verziehen, wenn man sie
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in einem grundlosen Anfall von Ehrlichkeit zerreißt.
Im Prinzip wären wir ja alle gerne "frei", doch die Tatsache, dass es oft den Tod braucht, um uns
daran zu erinnern, zeigt wohl, dass die Sache nicht so einfach ist, wie sie scheint und zu schwierig ist
für die meisten, nur ein Traumbild, eine Fata Morgana von Möglichkeiten, wenn es keine Zukunft
mehr geben kann.
Wieder einmal zu weit gehen und die von mir jagen, die meine Freunde sein könnten - aufgrund
bloßer Reizbarkeit, weil Unterschiede in nur wenigen Punkten unerträglicher sind als grundlegende
Andersartigkeiten, welche den Vergleich gar nicht mehr zulassen und mich den anderen einfach
betrachten lassen wie ein Stück Landschaft, ohne Beteiligung.
Habe ich einen Begriff von Freiheit?
Wenn ich mich zu ihr durchgerungen hätte, was machte das darauffolgende Leben besser als den
Tod, der dann plötzlich so einfach wäre? Warum sich nun wieder in den Zwang begeben?
Will ich denn leben oder will ich die Freiheit nur zum sterben können?
Doch wenn ich sterben wollte, warum dann nicht so? Was kümmert mich, was ist, wenn ich nicht mehr
bin? Die Welt schwindet mit mir...
Was werde ich denken?
"Na machst du das nun tatsächlich."
Zum Sterben missbrauchen - warum habe ich keinen Begriff von ihr? Ich wäre versucht, Freiheit für
einen unsauberen Gedanken zu halten, ein ansehnliches Etikett für alles Mögliche - nichts, dem eine
Realität entspräche.
Ich schwanke zwischen großartigen Entwürfen und Apathie, denn wenn ich nichts Großen wollen
kann, will ich gar nichts wollen.
Einerseits ungeheuer narzisstisch, "Auslaufender Punkt des Universums", andererseits kaum den
Begriffen Realität zugestehend geschweige denn Wichtigkeit - nur zwei Blickweisen, ganz von innen
und ganz von Außen, kein gesundes Dazwischen, kein normales Miteinander, keine Möglichkeit, zu
anderen zu flüchten, nur ganz in die Ferne, ganz fort.
Vor der Echtheit ist die Poesie stumm, eine blinde Karikatur aus Welten, in denen das Übermächtige
lediglich ein romantischer Hauch ist, falsch und sentimental - während dort vor dem profanen
Entsetzen nur Erstarrung bleibt.
Nicht mehr zu wissen, was real ist - weiß ich noch, was real ist? Ich habe keinen Begriff von
"Wirklichkeit".
Vielleicht sollte ich das auch tun.
Ich sehe ein Stückchen Welt durch ein kleines Loch, der Rest ist Schwärze. Alles andere würde zu
Wahnsinn.
Den Blick, den ich nie verstand, im Auge, welches mich nie sah. Absurde Bilder und unnütze
Andeutungen. Aber könnte ich ohne dieses Gesicht in einer toten Welt bleiben? Denn was wollte
meine Sehnsucht sonst immer, wenn nicht leben?
Wir sehnen uns nach dem Meer, nach dem Ursprung, doch der Wunsch, dorthin zurückzukehren, ist
nun der Wunsch nach dem Ende. Wir sind zu weit gegangen, der Rückweg ist uns abgeschnitten, wir
sehen nur noch Wüste und das Wasser ist unser Tod.
24.05.2009 Der Keller -
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Sollte Substanz an uns sein, so werden wir zerrieben oder aufgelöst.
Die Welt ist voller Muster, sie sind überall und am meisten in allen Dingen, die Menschen geschaffen
haben. Ihre Häufigkeit erscheint krankhaft, wenn man die Gewöhnung an sie vergisst und man weiß -
sieht man sie zu lange an, wird man sich in ihnen verlieren und nie mehr zurückkehren.
Von all meinen Plänen klang dieser am klarsten und richtigsten.
Doch nun bin ich wieder eingetaucht in das Leben und bleibe durch die Selbstverständlichkeit an all
seine Nebenwirkungen gefesselt, so renne ich Dummheiten hinterer, obwohl ich weiß, dass es auf
diese Weise nicht funktioniert.
Doch ich weiß nicht, was ich sonst tun sollte.
Wie zerstört man die Liebe anderer, ohne ihnen wehzutun?
Gehöre ich zu den wenigen Menschen, die außer sich nichts brauchen? - Nein, aber was sollte ich
angesichts der Verschlossenheit aller eurer Vergnügungen und dem Furchtbaren, was ihr Leben
nennt sonst tun? Mich umbringen?
Ich kann eure Prioritäten nicht übernehmen, denn ich weiß, dass ich mit gewissen Dingen, die hier
unverzichtbar sind, nie zurechtkommen und immer wieder Angst haben und mich gefangen fühlen
werde.
Da stand ich zwischen den Spiegeln und vergaß, dass ich das war, erstarrte zu Bewegungslosigkeit
und begriff meine Existenz nur noch als akademische Tatsache, konnte nicht fassen, dass ich Tag für
Tag herumbringe - ich bin hier?? Wie...
Würden unser Geist in seinen Vorstellungen größere Realität verlangen, so wäre uns die Zukunft
unerträglich. Der unausweichliche Zwang, sich ständig mit sich herumzuschleppen, ist nur in der
Gegenwart auszuhalten - ein Schritt und noch einer, eine Sekunde und die nächste.
Immer lauter rauschte mir der Schatten des Zuges entgegen. Als er mich erreichte, blieb nur ein
metallischer Nachgeschmack von Tod im Hals und der Gedanke, dass es jetzt schon vorbei sein
könnte.
Dann stieg ich auf das Parkdeck, versuchte seine Höhe abzuschätzen und war enttäuscht, als ich nur
auf zwanzig Meter kam.
"Was," lachte ich mir da zu, "willst du etwa sterben?"
Wir haben uns der Sinnlosigkeit verschrieben - wir lieben das Paradoxe, nun, da uns nichts
Widerspruchfreies mehr blieb.
Wir denken unsere Gedanken nicht zu Ende, es gibt dafür keinen Grund. Indifferent gefallen sie uns
besser, denn so können sie noch alles sein, sogar ein schöner, verrückter Traum. Die Leere der
Schöpfung ist die Fülle des Schöpfers, schon ein Strich zerstört die Allmächtigkeit.
Unsere Leere wird von nichts Äußerlichem durchdrungen, unsere Interaktion mit der Welt gleicht dem
schillernden Farbenspiel auf der Haut einer Seifenblase - heiter und oft erfreulich, nicht einmal
unecht, aber nur ein Widerschein, den es nicht gibt, wenn uns nichts dazu zwingt.
Ein Mensch, dessen Wünsche immer erst dann erfüllt werden, wenn er sie nicht mehr hat.
Sich die Welt in Metall und Edelsteine übersetzt wünschen, glitzernd und für immer erstarrt, die
Lichtreflexion als einzige Bewegung.
24.05.2009 Der Keller -
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Es gibt keinen definierbaren Schmerz, der mich vernichtet hätte, nichts, das mich zerbrochen hätte,
nur will ich weiterschlafen, wenn ich morgens aufwache und hasse die Ausgeruhtheit meines Körpers,
die mich nicht weiterschlafen lässt.
Tod oder Apathie? Lieber sterben als sich durch ein normales Leben die Seele rauben lassen?
Es gibt eine Kälte und Grausamkeit in der Sicht auf die Welt und wenn man diesen Blick erst hat, so
wird man ihn nicht wieder los, man wird das nicht wünschen, denn er erscheint so richtig.
Doch manchmal ist dieses Auge mit einem Charakter gepaart, der ihm nicht gewachsen ist und hängt
an einer Lebenskraft, die zu gering für ihn ist.
Vielleicht ist allein die Tatsache, dass ein solcher Mensch so weit geht - zu weit für ihn - ein Zeichen
für seinen innersten Selbstzerstörungswunsch.
Als sei die Ewigkeit bereits vorbei.
Was gäbe mir den Wahn, welcher mich das hier ertragen ließe, was spiegelte meinem Geist vor,
keine Wahl zu haben?
Erstarrtes Meer - es ist alles da, warum also geht es mich an, was ist?
Als wäre es zu Ende, als sähe ich den Schein der Sonne nur vom Schatten aus, denn erreichte sie
mich, so würde ich gar nichts mehr sehen, zu hell strahlte sie für meine Augen und zu dunkel ist die
Welt.
Wodurch fesselst du mich? Durch Gedankenlosigkeit, wegen der ich vergesse, mich zu entscheiden?
Durch Druck, dem ich entkommen will und der mir so ein Utopia schenkt, das du versprechen kannst?
Kein hinreichender Grund, denn keiner wird akzeptiert.
Wie sollte ich so lange leben, nur mit dem Ziel, mich vom Leben loszumachen?
Eine so grausame Forderung.
Sie sagen "tu's nicht" und fühlen sich gut dabei - allerdings wissen auch sie nicht, was man nun tun
soll.
Ich weiß nicht, was ist und was sein sollte, ich kenne die beste aller Welten nicht.
Wir sind im Abartigen verloren und wollen so lange wie möglich von Rückkehr nichts wissen.
Vielleicht ist es möglich, als Ausdruck nur einer Empfindung zu leben, sei dies nun der Traum oder
die Selbstzerstörung.
Flucht vor Erlebnissen aber krankhafte Sucht nach Gedanken.
Gibt es hier irgendeine Möglichkeit, die man wollen könnte? Eine Realität, die erstrebenswert wäre?
Sich selbst in Apathie versetzen und sich spöttisch einreden, man sei auf der Welt um zu tun, was
man eben tut.
Kein Grund für Gegenannahmen.
Die Realität übertünchen mit einem Stück Unbewusstheit, welches wir aus allem möglichen zu
beziehen gelernt haben.
Ein Hauch von Irgendwas, das nach keiner Definition verlangt.
Die alte Frage, ob Bewusstheit genügend Schmerz verhindert, um sich zu lohnen.
Ich habe alle Fähigkeiten der Normalität, ich kann vernünftig denken, sozial interagieren und werde
durch meine Ängste und Triebe nicht übermäßig beeinträchtigt. Doch mit meinem Willen stimmt etwas
nicht, ich will nicht lange und nachdrücklich genug, was ich wollen sollte.
Ich erkenne die Muster vor meinen Augen nicht, flirrende Farben und Licht, wo ich keines erwarte.
Es ist nicht möglich, ich habe keinen Überblick mehr, alles was ich denke scheint verlogen, unrichtig,
alle nicht expliziert definierten Dinge und Begriffe sind verloren, unbrauchbar geworden und meine
Rationalität ist nur eine Krücke für Besseres, ich weiß nicht, was stimmt und was nicht.
24.05.2009 Der Keller -
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Ich höre keine Töne mehr, ich sehe keine Bilder mehr, nur Worte sind im Rest meines Verstandes,
der keine Alltagstauglichkeit mehr hat, nur noch eine Ebene abstrakter Klänge, rhythmisches
Gebimmel.
Man darf nirgendwo hingehören, es darf einen nicht stören, wenn man die Stimmen der Welt nicht
versteht, weil sie übertönt sind von Lärm und seltsamer Blässe.
Ich bin nicht biegsam genug.
Sein Liebstes und Bestes einer Idee opfern und später merken, dass es umsonst war.
Glück, Liebe, Talent, alles aufgegeben für einen unartikulierten Wunsch.
Kein utopisches System und kein konkreter Traum, nur irgendein Blick, der ein Stück Unendlichkeit
zu versprechen schien.
Nicht fern und nicht tief, sondern ausgelaufen ins Nichts.
Der Zustand, in dem alles zu einem gleichförmigen Meer verschwimmt, zu einer Welt ohne Konturen,
es gibt kein Tun, kein Sein, kein Begreifen und Verstehen.
Keine wirkliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob das die verschwundenen Dinge wert ist, die
Macht des Instinkts und unverstandenes Wollen treibt dort hin. Viel Kindlichkeit ist darin und ein
gutes Stück Selbstzerstörung, viel ausschweifende, unerlöste Kraft.
Alles voller Dinge, die ich nicht will. Ich finde nichts, das mir entspricht. Die geraden Bahnen meines
Intellekts folgen den Abweichungen nicht und so gibt es dann keinen Verstand, nur Fremdheit, einen
Strudel von unkonkreten Schatten, in die die Welt zerrinnt, fort von mir ins Unverständliche.
Wir überwältigen die Vielfältigkeit mit unserer Rationalität, doch fällt sie aus, so haben wir keine
Abwehr mehr, jedes Geräusch, jeder Eindruck, jede Empfindung durchdringt uns ungehindert, reißt
uns in alle Richtungen.
Wie ist die ungeheure Geschlossenheit des Universums erträglich?
Ich habe keine Träume, denn ich habe nicht den Wunsch nach Realität. Alles ist in einem Jenseits,
mein eigentliches Ich ist irgendwo anders, im Blau des Himmels verloren, weit fort von hier.
Es darf mir nicht zu Bewusstsein kommen, wie wahnsinnig das hier ist, denn bräche der Bann und
würde ich richtig fühlen, so wäre mir alles unmöglich. Dann gäbe es einmal wieder "kein Leben für
mich" - und ich würde es spüren, während es so möglich ist, tot zu sein, ohne sterben zu müssen.
In fast völliger Ruhe, die Bewegung nur außerhalb von mir und somit ein gelegentliches "richtiges",
d.h. mit der Außenwelt wechselwirkendes Dasein.
Es ist tatsächlich möglich, erst dann als wirklich präsent empfunden zu werden, wenn alles Eigene
und Innere zu Apathie erstarrt ist.
Alte Sehnsucht, die mich nicht still lässt.
Die Realität ist der Schatten über uns und zugleich unsere Hoffnung, alles außer dir ist selten wie das
Berechenbare im Kontinuum der Zahlen, doch wir kennen nur die Ausnahme.
Sollte ich der Dinge müde geworden sein und will deshalb sterben? Nein, ich war nie zuhause in den
Dingen, ich war nie am Leben, ich war höchstens gedankenlos.
Sich so bedroht fühlen, dass der Tod als das Schönste erscheint: Nichtsein als einzige Möglichkeit für
Freiheit und Leichtigkeit.
Als Lebendige über alles hinweggehen, sonst ins Nichts starren.
Könnte ich mich doch für ewig irgendwo eingraben, unbewusst sein, keine Berührung,
Empfindungslosigkeit.
Sie zwingen mich zur Bewegung, das Wesen, das am liebsten erstarren möchte. Und wenn ich mich
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88.198.21.82/keller/viewthread.php… 55/66
dann bewege, seid ihr unlebendig, wie sollte ich mich aufrechterhalten gegen euch, wenn nicht durch
Übertreibung?
Selbst wenn ich euch begreife, kann ich nicht entsprechend mit euch fühlen. Verständnis ohne Trost,
der Blick in die Dinge und hinter die Dinge, der dort aber nichts findet, das für die Dinge
entschädigen könnte - außer vielleicht die Durchsichtigkeit selber.
All das, in dem ich lebte.
Was ich mir wünschte, war ich immer: ein Gedanke und ein Blick, die Verkörperung eines Gefühls.
Ich gehöre zu jenen, denen es nichts ausmacht, wenn sie sterben. Denn das Wirkliche ist ewig, man
braucht es nicht immer wieder zu haben, denn es ist da, als der Grund dessen, was ist - eine
fliegende weiße Taube, das Bild vom heiligen Geist. Nur der Schmerz ist zeitlich und stirbt. Und ich
bin Schmerz, es macht nichts, wenn ich sterbe.
Auf dem Grund meines Wesens liegt eine unwiderlegbare Traurigkeit. Doch ich bin eine Meisterin der
Selbsttäuschung und muss sie so nicht immer spüren, worüber ich so ausgelassen bin, dass man
mich für eine Art Sonnenkind halten muss.
Meine Heiterkeit ist einerseits mein Triumph über die Wahrheit andererseits eine Art sublimierter
Schrei. Im Grunde sind dies die Momente, in denen mir alles am wertlosen erscheint. Der Ursprung
meines Seelenrisses - das Gefühl eines abgewandten Universums und das Leiden am bloßen Dasein
- führt sich ad absurdum.
Ich träumte von einem unbekannten Freund, seine Haut war weiß, sein Haar rötlich und sein Gesicht
eigentümlich - wie bei einem Wesen, das nicht von dieser Welt stammte.
Der Eindruck, diese Welt sei brüchig.
Im Grunde kann man keinen Menschen retten, es ist schon wunderbar genug, dass so viele leben
können - einfach so.
Weder Veranlagung noch Umgebung erklären uns.
Dein Blick zeigt mir die Unendlichkeit, die zwischen uns liegt.
Was dort draußen wirklich ist, hat keine Stimme um zu mir zu sprechen und so scheint es nichts zu
geben. Ich selber werde dabei zum Schatten und zur Karikatur, die manchmal einen flüchtigen Traum
erhascht.
Der Tod ist die einzige Möglichkeit für Richtigkeit, nur dieses Happy End ist wahr, denn jedes andere
hat eine Zukunft.
Tot und fern von allem.
Doch, es gibt Dinge, an denen ich hänge und ein Geist der Erde zu werden, der in diesen Bergen
umgeht, wäre meine schönste Idee von der Unsterblichkeit, aber ich wäre bereit, sie zu opfern, um im
Nichts zu verschwinden.
Ich mag Ängste und Abhängigkeiten haben, aber es gibt hier zu wenig, das mich wirklich anspricht.
Ich wende mich von vielem ab, und vieles andere ist mir egal. Zu wenig Sehnsucht nach Möglichem
ist in mir, keine konkreten Wünsche, es gibt nichts, das ich ernsthaft erstrebe.
Auf irgendeine Weise lebe ich in diesem Bezirk der Sinnlosigkeit, ich kann hier leben und das ist
meine Härte und mein Mut.
Es ist nur eine Frage der Kraft, hat man sie, ist Leben und Sterben möglich, hat man sie nicht, so gibt
es nur eine Wüste zwischen zwei Grausamkeiten.
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 56/66
Süchtig nach Dunkelheit und gleichzeitig in ihr verloren.
Ich sehe keinen Weg, der hinausführt - ich will nicht hinaus.
Andere Menschen sind selbst haltlos, bestenfalls berauscht man sich aneinander und spürt nicht, wie
man gemeinsam taumelt und stürzt.
Sitze ich hier um den Tod nicht zu fürchten?
Wir sind nicht zusammengekommen, um die Lösung unserer Probleme zu finden, denn diese kennen
wir - nein, wir sind hier um uns gemeinsam der Illusion einer Welt hinzugeben und im anderen zu
finden, was wir selbst nicht formulieren können. Wir wollen ein Echo hören, das nicht aus unserer
Seele stammt.
Wir sind die hoffnungslosesten Kreaturen dieser Erde, selbst dem Tod vertrauen wir nicht, doch wir
sind hier.
Viele werden wir nie sein und Empfindungen von Einzelnen sind im Verlauf des Universums nicht von
Belang. Mit etwas Glück finden wir hier neue Träume - denkt man sie sich nicht selbst aus,
erscheinen sie vollständiger.
Das Leben ist eine sinnlose Anstrengung für mich. Ich will nicht hier sein und empfinden.
Ich habe meinen Geist in alle möglichen Schablonen gezwängt um der Welt einen Sinn abzuringen.
Man kann mir wirklich nicht vorwerfen, ich hätte es nicht mit dem Leben versucht.
Doch all das blieb beim Dilettantismus stehen - trotz mancher Umwege ist mein eigentlicher Weg klar.
Die Ewigkeit ist das Größte und Schrecklichste und mit ihr verwandt ist der Tod.
Fortgleiten.
Die Lüge ist das Tiefe, denn nur von ihr kommt Wirklichkeit. Die Wahrheit ist nicht göttlich.
Sterne waren einmal kühl und fern, sie sind es kaum mehr. Oder ich bin es umso mehr und Kälte und
Ferne wurde mir vertraut.
Ina - 9.8.2008 um 21:06
UTOPIA VI
"Wir haben uns einander nicht offenbart, aber trotzdem kennen wir uns und wissen um die tiefe
Verwandtschaft unserer Seelen. Diese sind Abgründe, die wir verhüllen müssen, deshalb können wir
nicht mehr füreinander werden, schon jetzt sind wir zu weit gegangen, dies hätte nicht sein dürfen.
Zu kühl, zu misstrauisch, wir glauben nicht mehr an die Liebe, wir wollen nur noch Harmlosigkeiten um
uns, damit wir uns von uns selbst erholen können - aber keinen Spiegel, keinen Freund, der wirklich
sehen kann.
Wir haben resigniert vor unserer Einsamkeit und schweben unbegriffen im Raum, wissen nicht, was
uns hält - wir wollen nicht hinab sehen, denn sonst würden wir fallen, lange, sehr lange durch eisigen
Weltraum, bis die tödliche Glut uns verschlingt.
Schon jetzt gingen wir zu weit. Wir sollten uns trennen und uns nicht mehr kennen, uns mit
distanzierter Höflichkeit begegnen, als wären die Barrieren zwischen uns nie brüchig geworden, als
hätten wir nie erahnt und letztlich gewusst, was sich hinter ihnen verbirgt.
Und doch bist du eine Insel im Meer und ich will mich an dich klammern, so lange ich kann und doch
will ich dich loslassen, um nie die Flut zurückkehren zu sehen, so dass du ein ewiger Traum bleibst,
während du im Licht an mir vorübergehst, verhüllt und unlebendig, ergeben in Konventionen - sollten
unsere Blicke sich zufällig treffen, müssen sie leer sein wie der Raum zwischen den Sternen."
Sie hinterließen ihren Schatten in den Wolken, der zu mir sprach im Schlag der Überwältigung - zu
24.05.2009 Der Keller -
88.198.21.82/keller/viewthread.php… 57/66
niedrig, um verspottet oder verachtet zu werden, Auslöschung wäre für diese Spezies nicht das
Dümmste, aber einen wirklichen Unterschied machte auch das nicht, nichts würde sie verändern
denn in sich selbst eingesponnen wäre sie nie in der Lage zu sehen.
Auf dem Grund spüre ich nicht Gott, sondern den Teufel.
Fremd und fern von uns tanzen sie ihren unverständlichen Tanz, wir sehen das, was fortstäubt,
glitzernde Tropfen und Streulicht aus dem Nebel, nichts weiter und können nicht verstehen.
Nicht sterben wollten sie mich lassen, nein, leben sollte ich, genau so.
Im Kielwasser des grausamen Schöpfers.
In der Vernichtung des Sterns, dessen Licht verlöscht in einer letzten, zerstörerischen
Verschwendung und der zum Grab wird für alles, was sich nähert.
Dinge, die nicht existieren.
Ein geschlechtsloses Wesen.
Ich bin nicht mehr in der Position, Dinge auszuformulieren, mir manche einzureden, mir andere
auszureden, ich krieg eh nicht die Perspektive, die ich bräuchte, die richtige, es gibt keine richtige, es
gibt nichts Richtiges.
Ich habe mich selber und mein ganzes Denken wegdifferenziert.
Ich kann nichts mehr tun.
Die Worte bleiben vor dir stehen, ich sehe dich im Traum, doch ich kann dich nicht erfassen, wenn
ich wach bin.
Zu viel wurde schon gesagt, zu viel wurde schon erfunden, ich will dich nicht in einen Mythos
zwängen.
Du trägst einen Hauch mit dir von vergessenen, verlorenen, widerlegten Welten - aber was gibt Sinn,
wenn nicht Lüge?
Als bizarrer Traum, der immer unverständlicher wird, so erscheint uns die Welt, die Erinnerung in
unserer Seele ist dunkel und kaum gefühlt und uns doch das Liebste. So fürchten wir den Tod nicht,
denn wir glauben zu oft, ihn in uns zu tragen. Wir haben gegen die Gesetze dieses Lebens verstoßen
und dafür verbannt es uns ins All, nur Schwärze um uns und altes Licht von unerreichbaren Sternen,
die die unseren sein könnten.
Er lässt nicht zu, dass man mich zähmt und bricht, lieber breche ich mich selber und sonst will er
nichts, sonst soll ich in der Wüste leben, mit keinem Herrn außer ihm.
Ich bin allein.
Ich komme aus dem Nichts zwischen den Sternen, bin unsichtbar für die Welt und einsam von Grund
aus. Bei den Menschen habe ich keine Heimat, meine Träume handeln schon lange nicht mehr von
Gemeinsamkeit, sondern von Einsamen, die im Sieg scheitern und im Scheitern siegen.
Man kann aus der Zeit fallen, dann ist jede Minute voll mit Gedanken, ob man wach ist oder schläft
und träumt.
Ich bin zurückgeschnellt in den Traum, bin nun dort, wo ich sein will, weit fort, in der Schwärze der
Nacht.
Ich ertrage das Leben nicht und ebensowenig, außerhalb von ihm zu stehen. In der Welt fürchte ich
mich vor allem, allein fürchte ich mich vor dem Nichts. Es wird mich verschlingen, so wie mich die
Normalität verschlungen hätte - und ich weiß nicht, was schmerzhafter ist.
Mir ist zu Bewusstsein gekommen, wie wenig ich nun zu verlieren habe.
Meine Welt hat keine Sprache, keine Bilder, und nur manchmal hat sie Musik, wortlose, ewige Klänge,
sonst nur Eindrücke, für die es keine Namen gibt.
24.05.2009 Der Keller -
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Ich kann mich im Begrifflichen nicht finden, deshalb bin ich so einsam: ich verschwimme vor mir
selbst, woran sollte ich mich festmachen, wie sollte ich wissen, was ich gestern noch war?
Ich werde nie irgendwo heimisch sein, höchstens wünschen kann ich es mir. Manche Welten werde
ich lieben, so wie man den Tag liebt, werde geblendet sein von ihrem Glanz und ihrer Schönheit,
aber letztlich bin ich ein Kind der Leere.
Mein Element ist nicht die Emotion, sondern die Klarheit. Diese hatte ich einst mit Logik verwechselt,
aber sie ist vielmehr der endlose Raum zwischen den Sternen und am meisten mit dem Nichts
verwandt, in das ich gehen werde, wenn dieser Traum endet.
Weißt du, was wird, wenn alles abfällt?
Ihr Heimatplanet wurde schon vor langer Zeit vom sterbenden Zentralgestirn verdampft, niemand
weiß mehr, wo er lag und niemand möchte es wissen. Sie haben keine Vergangenheit und keine
Zukunft, ihre Sprache haben sie verloren, ihre Bilder vergessen und die Musik erstarb im Vakuum,
doch die Anwesenheit von Verwandten spüren sie über Lichtjahre. Sonst leben sie allein, selten zu
zweit, in ihrer eigenen Ewigkeit in der Nacht zwischen den Sternen.
Trauer? Es gibt keine Trauer. Leid? Es gibt kein Leid.
Es gibt nur das Schweben im Schwerelosen und den Rausch des Lichts.
Träume sind die größte Gefahr, realistische Träume sind es, an denen man zerbricht.
Das Leben wäre unerträglich, wenn man sich an Schmerz angemessen erinnern würde.
Diese Leere ist die Unendlichkeit.
Meine Seele ist klar und dunkel wie die Nacht und ungeheuer ist es, wenn der Mond hinter den
Bergen erscheint, erschütternd sind schon die hellen Lichtpunkte der Sterne und der diffuse Nebel
der Milchstraße - Licht, heller als alles. Meine Seele lauscht und blickt ins Leere, findet nur sich, ihr
eigenes Nichts.
Das Unaussprechliche, für das ich lebe, im Grunde weiß ich, was eine Welt erschaffen kann, was sie
erschaffen muss - alles über unseren Begriffen.
Ganz anderes liegt dort jenseits des Horizonts, unerkannt ist es und dennoch brauchen wir kein
Konzept und keine Gedanken, um ihm alles zu opfern. Jeder Sinn würde uns abhalten vom
Wesentlichen.
Ich bin verloren, ich ging selbst in meine Verlorenheit.
Schon vor Jahren wusste ich, dass Liebe und Glück nicht für mich da sind. Das Nichts ist für mich da
und die Schwärze des Alls. Alles andere ist nur eine Metapher.
Keine Ahnung von der Tiefe meiner Verzweiflung - Frust wäre reversibel, aber nicht diese Eiseskälte.
Die kann nur übertüncht werden von Träumen und ignoriert werden durch den eigenen Nihilismus -
sie kann sich selbst aufheben, doch dazu muss sie als Voraussetzung bleiben, tiefer verwurzelt denn
je.
Ich lebe für sonnendurchglühte Felsen.
Du wusstest genau, wie es kommen würde und wolltest es trotzdem - du naives Kind, das immer noch
nicht weiß, was Schmerz ist.
Du sahst den Abgrund genau, in den du dich fallen ließest, all das Gewäsch von fremden Welten ist
eine Ausrede, du bräuchtest sie nicht, du suchst nur nach einer Möglichkeit, dich selbst zu zerstören.
Was du willst, ist Ausweglosigkeit, die dich zum Selbstmord zwingt, denn allein kannst du es nicht.
24.05.2009 Der Keller -
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Auf perverse Weise bist du am Fortgang der Geschichte interessiert.
Nicht exakt lösbar.
"Die Weite des Alls ist der lachende Mund über uns und da hinein werden wir fallen mit Lachen."
In unverstandenem Wahn brütend über Alternativen. Allein, denn Gemeinsamkeit ist Lüge.
Schweigend, schweigend fern von mir.
Es läuft zusammen im Ende. Kann dich weder hören noch sehen noch tasten noch fühlen. Wie kann
man nur hören und sehen und tasten und fühlen?
Verdammt zur Bewegung, Ruhe ist nicht möglich, oder könnte man zerronnen sein ins Unendliche?
Ich muss zerfließen dürfen, doch ihr lasst es nicht zu, so schlüpfe ich durch eure Netze und muss
alles zurücklassen, das ihr zu geben habt.
Geister, die sprechen von zerschmetterten Körpern, die in nasser Dunkelheit erfrieren. Glitzernd
zerbrochen, nicht zusammengefügt sein dürfen, die Welt ist weißes Rauschen.
Mein Geist ist eine Frage: "Darf das sein?"
Ich warte auf Dinge, die nicht eintreffen, sehne mich nach Welten, die nicht existieren, vermisse ein
Leben, das unmöglich ist.
Nur ein Wunder kann mich retten - und so kann ich nicht mehr tun als offen zu sein für das
Unwahrscheinliche. Ein anderes Ziel kann ich nicht haben.
Sie denken nicht, dort zwischen den Sternen, die sind nur da und die Sterne sind da und nichts
anderes nehmen sie wahr.
Sich umbringen, sich umbringen, kein Trost, einen Mythos aus dem hier zu machen ist unsinnig, ich
habe nichts, rein gar nichts, hilf mir.
- "Sei still. Du hast dich, stehst in der Kälte, allein, in der ungeheuren Bedeutung dieses Wortes.
Höre auf zu fühlen und dein Leben ist leicht zu ertragen, du brauchst nur zu warten, bis es vorüber
ist."
Die Aussichtslosigkeit meiner Träume - nein, ich habe keine Träume: die Nichtexistenz von
Möglichkeiten, mein Wesen. Welches Wesen? Ich bin nie irgendwas geworden.
"Warte nur, bis es vorüber ist - und fühle nichts."
Dann kostet es mich halt das Leben.
"Warum...? Wieso...?"
"Du bist ein Engel von Außerhalb, ein Kind der Leere."
"Und wer bist du?"
"Ich bin eine uralte Seele, ein Geist der Erde aus dem Innersten der Welt, ich war da, habe alles
gesehen und bin alles gewesen - nun bin ich bei dir, um dir beizustehen in der Existenz, denn solche
Wesen sind selten."
"Aber warum bin ich hier?"
"Das weiß niemand, wenn du es selbst nicht weißt. Doch vielleicht gelten die Gesetze dieser Welt
nicht für dich und du kannst wieder heim."
Lass mir diesen Traum, so lange er währt.
Sie führten mir vor, wie falsch ich bin und ich vergaß meine Gründe. Zu Hause war ich nicht
erwünscht, ich fand in mir den immer tieferen Wunsch zu sterben.
Über die Wiesen rennen in Richtung der Brücke, kein Selbstmordtraum von der Art, wo man
unbewusst doch weiß, dass man träumt, sondern sehr reales Empfinden, sehr reale Erinnerungen
24.05.2009 Der Keller -
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und Überlegungen.
Ich habe keinen Grund zu leben.
Nur zur Brücke und runter ohne zu warten, kein Interesse an Schmerzfreiheit.
Furcht vor dem Tod, ja, scheiß Furcht davor, denn ich halte alles für die Realität und bin so
unendlich in der Tiefe, am Ende, fern vom Leben, ich will hin und runter, will, dass es vorbei ist, bin
so verzweifelt.
Es gibt für mich keinen Grund zu leben.
Ich wache auf, erkenne, und wie ein Schleier hebt sich die Wahrheit von meinem Wesen.
All meine Konstrukte sind noch latent: ich sollte sie nutzen als Fenster, aus denen ich die Welt
betrachten kann.
Die fanatisch Wissbegierige, die das Universum verstehen will, die Romantikerin, die sich in die Welt
hinter den Dingen hineinträumt, die Zynikerin, die alles nur als Komödie begreift, die
Komplexitätsbezauberte, die das Ganze durch seine überragende Architektur gerechtfertigt sieht. Die
im Indifferenten verlorene Nihilistin, der alles egal ist, die nur an der Ewigkeit verzweifelt - und die
Träumerin, die sich nicht um Realität kümmert, die so viel opfert für einen Blick und eine Idee, in
einem unkonkreten, sinnlosen Kampf gegen die Welt.
Ja, es hat seine Art von Folgerichtigkeit
Es gibt nichts in meinem Universum. Ich bin die Verlorene. Nur ein Traum von Wärme und
menschlichen Stimmen. Liebe ist das, was nicht existiert.
Ich habe keinen Grund zu leben.
In Finsternis abtauchen und vergessen.
Wir schweben im leeren Raum, für niemanden vorhanden, haben nur das Nichts und grelle Sterne,
sind die Geister derer, die einen Himmel über sich haben.
Nur ich allein bereite mir die Hölle, nur meine Seele ist es, die nicht glatt läuft, nur meine Gedanken
sind es, die sehen wollen, was sie sehen.
Trotzig halte ich fest an meinem Schmerz, weil er es ist, der mich ausmacht. Was wäre ich sonst? -
nur unfähig...
Ist nicht das verlogen?
Wie sieht die Wahrheit aus?
Etwas so Faules und Schmarotzendes wie ich hat nicht das Recht, auf diesem Planeten
rumzukriechen, es ist meine eigene Sinnlosigkeit, die sich in allem spiegelt - es gibt nichts besseres
für mich als Selbstzerstörung.
Aber das Leid der Welt ist unermesslich, wissen wir das nicht?
Verbissen in meinen Schmerz, Glück darf nicht sein, darf nicht real sein, nur Traum, nur Wahnsinn.
Und doch, ich kann es einfach nicht, so sehen wie ihr.
Wir sind unabhängig und verloren.
Ich stehe nur da, blind in der Seele und noch blinder auf den Augen, ich ertaste einen Hauch ihrer
Größe und weiß nur, dass sie meine Begriffe übersteigt.
Ihre wortlose Sprache, sie zeigen lediglich, wie fremd sie sind und doch fühle ich mich ihnen näher als
allen Menschen. Sie sind da und ich bin da, Gras, Fichten, Schnee, Felsen - sie höhlen einen aus,
lassen einen erstarren in der Ahnung von ganz anderem.
Was wisst ihr schon von Disziplin, es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht beherrschen muss. Ich
hätte Lust auf die völlige Verheerung - mich zerschneiden, ausrinnen, ich hätte Lust.
Einsamkeit... neben mir rinnt die Welt und ich starre sie nur verständnislos an.
24.05.2009 Der Keller -
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Ich träume von der Zeit, als jenseits der Waldlinie das Unbekannte begann - ein Abgrund oder ein
Zauberland, hier war ein Riss in der Welt.
Ich lebe in meiner Verlorenheit und Unsicherheit. Es gibt nichts, das mich hält, nur meine Stimmen.
Halb stoisch und halb gelähmt starre ich vor mich hin. Warum bin ich noch hier? Ich muss im Vakuum
zerrissen werden.
Ich bin die Verlorene der anderen Welt, bin hier aus einem Grund, den ich nicht mehr wissen darf, um
mich nicht im Stolz über den Schmerz erheben zu können. Vielleicht ging ich einen Handel ein und
der beinhaltete das Vergessen.
Die Weite dieser Monate - Rawase sollte ich sein, sagte sie. Und dass sie ins Innere gedriftet war.
Was sie nun war, konnte sie mir nicht begreiflich machen. Da war nur ein Lächeln und ein Blick, eine
Kluft trennte mein Begreifen von ihrer Existenz.
Meine Position ist unsicher. Da ich hier nicht hingehöre wäre alles andere Heuchelei. Ich bin heute
da, vielleicht auch morgen, aber ob es mich danach noch gibt, weiß niemand.
Noch immer darf ich mich nicht ans Existieren gewöhnen.
Nach wie vor bin ich ein Kind des Todes.
Und es macht nichts aus, es spielt keine Rolle - das ist das einzige Gefühl von Geborgenheit, das
standhält vor der Realität.
Viel zu fern sind mir eure Spiele und eure Begriffe von dem, was sein sollte. Ich kann ganz offen sein.
Es ist nur Schwäche, wenn man Angst hat.
Zur Erinnerung: Angeleuchtete Schneeberge, die in Wolkenlöchern auftauchen wie Fata Morganas,
gleißend hell und entrückt, scheinbar schwebend ohne Verbindung zur Erde.
Ich liebe nicht und hasse nicht, in bin in der Intensität, mein Geist stößt sich überall, doch es schmerzt
nicht. Aber es ist da, klar und konkret, Rauhheit, Druck, pochende Eindrücke. Ich springe über die
Spitzen und starre hinauf, über sie hinweg, ich kann nicht mehr richtig sehen, alles vermischt sich
und rast fort.
Ich lebe nicht richtig, ich bin woanders. Ich sehe den Ernst nicht, in letzter Konsequenz bin ich
selbstzerstörerisch, gehe in die Ausweglosigkeit.
Und die ist so furchtbar.
Was meinte ich, wenn ich sagte, dass die Aussicht auf Schmerz mich nicht schrecken könnte? Die ist
doch gar nicht möglich, man kennt keinen Schmerz, wenn man ihn nicht fühlt - und ich müsste Angst
haben, viel mehr davon, doch ich bin so fern, so fahrig und wild, ich gehe darüber hinweg, obwohl ich
es eigentlich nicht will, weiß es, aber glaube nicht daran, bin mein eigener Mythos, richtig innerhalb
meiner Welt.
Freiheit, Einsamkeit - negative Unendlichkeiten... niemand ist da, nur meine eigenen Geister.
Grinsend und unbarmherzig sehen sie zu mir herüber aus ihrer fernen Welt, die sich so leicht
verschleiert.
Ihr seid da und fragt nicht warum, spiegelt euch im Dezemberblau des Himmels, kaltes Nachtlicht blitzt
in euren Augen, die nur lachen und sprühen - oder sich abwenden und verschwunden sind.
So viel ist dort draußen, aber ich bin nur hier, ich bin allein. Es kann nie ausreichen, was ich der Welt
entgegensetzen kann, muss mich an den eigenen Träumen berauschen.
Mich zu offenbaren ist mein letzter, sinnloser, verzweifelter Versuch, um dort etwas zu finden - ich
lege mich hin, nehmt von mir, was ihr wollt, denn es ist so schlimm, dass ihr gar nichts mit dem
anfangen könnt, was ich bin.
24.05.2009 Der Keller -
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Mein Wille zum Leben ist so unzuverlässig. Ich kann ihn neu gewinnen, doch innerhalb weniger
Monate nutzt er sich wieder ab.
Mein Dasein ist ein Experiment, es fragt, ob man leben kann. Wir wollen wissen, was Rechtfertigung
bringt, wir bleiben, bis der Schmerz verschwindet.
Unbekannte Geister, die von unzugänglichen Welten reden.
Diese Welt verletzt mich so, warum gabt ihr mir die Last des jahrmilliardenalten Lebens, das mich
zwingen will, zu bleiben, komme was wolle?
Mitten in einem aus dem Ruder gelaufenen System - was heilt noch? Nein, zu tief ist das Furchtbare
eingegraben, wir wollen es nur ertragen können, wann immer es kommt, so lange es sein muss.
Ich sitze hier und schreie nach dem Nichts. Was könnte schön sein? Was könnte schrecklich sein?
Mein Blick ist starr und füllt sich doch mit Tränen - es ist ein solch gewaltiger Fehler, dass ich hier bin.
Ich sollte nicht existieren, nirgends. Mein Geist erkennt nicht, was das Dasein gut macht, er ist zu weit
weg davon, sieht nur einen lächerlichen Lichtpunkt in der Schwärze, die so richtig scheint.
Abwesenheit von allem.
Und die Welt zerfällt, ich habe sie noch nie gesehen.
Doch da ist ein Fichtenzweig, dieser lebt und erklärt sich, ich bin bei ihm, ich kann ihn verstehen -
habe nur die toten Dinge verloren. Er sagt, wie die Zeit dort oben verging, ich begreife, wie es war,
dort zu stehen, verflossen mit der Umgebung, Regen und Sonnenschein, Wolken und Nebel - er zeigt
in eine Richtung, die ich nur ahnen kann: er muss da sein.
Aus der Vergangenheit weht Wärme herüber, ins schneidende Licht eines Wintertages.
Ich denke in Vorläufigkeiten.
Oft verbringen sie Jahre mit Sehnsucht. Vieles haben sie vergessen, doch der Hauch von Farbe in
einem sterbenden Stern lässt sie vage daran denken, wie es war, von Konturen und Licht umflossen
zu sein. Dann rekonstruieren sie verzweifelt, was sie noch haben und suchen Sternbilder, um ihr
Gedächtnis zu stützen.
Doch die imaginären Strukturen überdauern ihre schwindende Erinnerung nicht.
Wir schweben in der leeren Nacht, die unser Element ist. Die Furcht vor Dunkelheit liegt uns fern und
alle Dinge sind viel zu weit weg, als dass sie uns etwas angehen könnten.
Wollte ich je etwas anderes, als dort oben zu sein... allein mit mir und dem Nichts - wollte ich je einen
anderen Feind als meine Freiheit?
Was tun wir, wenn wir leiden?
Ich komme aus dem Nichts und ganz unten bleibt bei mir nur Leere. Ich begreife das Leben nicht.
Manchmal ahne ich voller Staunen, dass da etwas sein könnte. Substanz ist das große Geheimnis für
mich, der Köder, mit dem man mich zuverlässig fängt.
Nur hier sind Möglichkeiten. Selbst wenn wir bloß dasitzen und den kreisrunden Horizont bewundern -
wir sehen keinen Grund, uns vom Fleck zu bewegen, denn nichts würde sich dadurch verändern.
Ich bin ein Kind der Weltraumnacht und des gleißenden Lichts. Schnee, der in meine Augen sticht
und die Klarheit des Nichts.
Das war es, was ich wollte, daraus sollten alle Farben entstehen. Eine neue Welt, die selbst meiner
Vorstellung noch fremd ist. Wofür bin ich hier? Treibe ich vielleicht doch nur meine eigene
Vernichtung voran - ich bin unvorsichtig geworden...
24.05.2009 Der Keller -
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Wann habe ich das letzte Mal etwas eingesetzt? Ich schwebe im Nichts und produziere Träume. So
hält mich die Kette.
Fortschweben...
Hier lebe ich nicht, hier existiere ich nur.
Ich lag neben dir im Sterben und es erschien so richtig.
Wenn ich wüsste, was mich hier noch hält.
Warum gehe ich auf Menschen ein? Warum glaube ich immer noch, dass dort draußen jemand ist?
Ich bin nicht verwandt mit euch.
Sanft geschwungene Ebenmäßigkeit der Felder, eisiger Fels unter tiefem Himmel, Schnee in den
Fichtenhänden - nur sie berühren mich.
Ich brenne meine Einsamkeit ein. Wohin soll ich noch fliehen?
Ich nähere mich dieser Menschenballung und die Realität dünnt aus - alles ist so voll, nichts gehört
sich selbst. Ich taste nach der verlorengegangenen Dimension und höre nur die zugepflasterte Erde
schreien.
Ihr fahrt dort entlang, zu euren Häusern im Grünen und den Spielen eures unerträglichen Daseins.
Ich fließe in dem, was ich bin - Einsamkeit.
Sie sagen mir, ich soll ruhig werden - bis das Universum vor mir kapituliert... eingesponnen, fort von
all dem, was ich nicht verstehen kann.
Diese Musik war einst Bedrohung, sie zog mich in die Tiefe. Doch jetzt bin ich dort und sie schwingt
mit mir.
Es ist kein Ort für Menschen, keine Existenz für hastige, sterbliche Wesen mit quälendem Geist.
Bin ich dort zu Hause? Was bin ich?
Keinesfalls will ich mehr eure Erwartungen erfüllen, lieber lebe ich dahin und gehe am
Unvorhergesehenen zugrunde.
Erträglich ist es, ja, ich bin wieder bei mir und es ist dennoch erträglich. Doch nur das Begreifen des
Anderen bringt mir wirklich Glück - nein, Rausch, Verlust und Ahnung, auch Furcht und Wahn. Denn
ich vergesse so leicht, was mich hält, nur selten weiß ich, woraus meine Tage bestehen.
Mein Verwandter ist das Streulicht, verloren bin ich im Himmel und im Saum der Blätter.
Wo ist der Boden? Alles so präsent: diese Kälte hier.
Ich verstehe mich selbst wieder. Nur die Angst ist fort. An ihre Stelle trat die Ewigkeit - gleichförmiges
Fortlaufen.
Ich kann tasten und suchen und werde doch nur zurückgeworfen. Warum sich heute umbringen?
Morgen ist noch genug Zeit...
Nichts drängt mehr.
Ich fürchte mich davor, die Realität zu betreten. Ich will hier bleiben, für immer, untot und unlebendig.
Vorbei.
Und so kam das Wesen, dieser Dämon der Erde und des Blau des Himmels und erschien dem letzten
Lebenden auf der verbrannten Welt. Ertastete seine Hand und sprach kein Wort.