Das Stadtbild

  • Der Fotzenfritz ist ja jüngst ein bisschen angeeckt mit seinen Äußerungen, dass es im "Stadtbild" Probleme gibt... womit er vor allem meinte, dass in den Städten bei Nacht viele zwielichtige Gestalten mit Migrationshintergrund rumlungern und sich viele Menschen dadurch nicht mehr sicher fühlen.

    Es war schön zu erleben, wie die politische Gegenseite dann gleich reflexartig kreischend aufgesprungen ist und gefordert hat, er müsse sich dafür entschuldigen, und einige meinten auch, gleich vehement betonen zu müssen, dass sie sich in den Städten sehr sicher fühlen und überhaupt kein Problem damit haben, nachts durch die Stadt zu laufen. Anstatt dass man also vielleicht mal versuchen würde, die Sichtweise der Gegenseite nachzuempfinden und einzugestehen, dass es Probleme gibt (man muss ja deshalb nicht gleich zu denselben Lösungen kommen), widerspricht man schon mal aus Prinzip, dass da überhaupt ein Problem ist. Und stempelt damit diejenigen, die das anders sehen (was ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung sein dürfte) gleich mal als Nazis oder zumindest als paranoide Angsthasen ab, und treibt sie damit natürlich erst recht in die Arme von rechten und konservativen Parteien.

    Und da wundert sich irgendjemand noch, dass die AfD so viel Zuwachs bekommt? Erinnert mich auch ein bisschen an mich selbst, wenn ich mich nach einer Zugfahrt darüber auslasse, dass da überall nur ukrainisch/russisch gesprochen wurde und keifende Zigeuner am Bahnsteig einen Tumult veranstaltet haben, und dann Lonewolf kommt und mir vorwirft, dass ich mich zum Schlechten hin verändert habe, anstatt mir vielleicht einfach mal dahingehend zuzustimmen, dass es fragwürdige Veränderungen in der Gesellschaft gibt.


    Größere Städte meide ich ja grundsätzlich, weil ich einfach nicht so der Stadtmensch bin, außer vielleicht mal wenn ich zu Konzerten oder ins Kino gehe. Und da ist es nunmal ganz objektiv betrachtet so, dass man da schon oft komische Leute antrifft, die sich ungebührlich/asozial verhalten, mit ihrem Auto übermäßig viel Lärm verursachen oder sich zusammenrotten, und dass diese meist nicht besonders germanisch aussehen.

    Das ist ja erstmal nur eine Beobachtung, die sicher nicht nur ich, sondern viele Menschen machen. Ohne dass man gleich deshalb ein Nazi wäre, weil einem solche Dinge auffallen.

    Die andere Frage ist, ob da der Fotzenfritz irgendwas an diesen "Problemen im Stadtbild" ändern wird, wenn er ein paar mehr Leute abschiebt. Würde mich nicht wundern, wenn sehr viele von diesen Gestalten sogar einen deutschen Pass besitzen und gar nicht abgeschoben werden könnten.

    So gesehen ist es natürlich billiger Populismus, wenn er das anspricht und so tut, als würde seine Politik etwas an diesen Zuständen ändern. Denn um daran wirklich was zu ändern, bräuchte man vermutlich eine deutlich radikalere Politik a la Trump, mit irgendwelchen Sondereinsatzkommandos, die die Straßen fegen und jeden mitnehmen, der keine Aufenthaltsgenehmigung hat. Ich habe es ja schon mal in einem Video angesprochen, dass Merz definitiv nicht Trump ist, und dementsprechend ist das ein Haufen heiße Luft ohne viel dahinter. Womit ich natürlich nicht sagen will, dass eine radikalere Politik besser wäre. Ich weise lediglich darauf hin, dass sich manche Dinge nicht so einfach ändern lassen werden. Jedenfalls nicht ohne jede Menge unschöner Kollateralschäden.


    Also warum macht der Fotzenfritz, was er macht? Wenn man wohlwollend ist, könnte man sagen, er versucht damit, Wähler der AfD wieder für "demokratische" Parteien zu gewinnen, indem er ihnen zeigt, dass auch Parteien wie die CDU die Nöte der Bevölkerung ernstnehmen. Weniger wohlwollend könnte man sagen, er versucht einfach nur, mit ein paar billigen Parolen die er von anderen geklaut hat, zu punkten, weil ihm die Wähler davonlaufen und immer mehr Leute kapieren, dass er eh nur heiße Luft produziert.

    Es wird sich so oder so nicht wirklich was am Stadtbild ändern meiner Meinung nach. (außer wir kriegen wirklich einen neuen Hitler, der in jeder dunklen Ecke SS-Leute mit Maschinenpistolen aufstellt)

    Die Probleme, die dazu führen, dass sich gerade junge männliche Angehörige von Minderheiten und deutsche Asoziale gerne nachts irgendwo zusammenrotten und Scheiße bauen, dürften ein wenig tiefer liegen, als dass man sie mit ein paar mehr Abschiebungen oder Gesetzesänderungen in den Griff kriegen könnte.

    Darüber reden sollte man aber vielleicht trotzdem, denn wenn man so wie viele Linke gewisse Entwicklungen einfach aus Prinzip ignoriert, weil man auf einem Auge blind ist, dann werden halt andere Parteien Kapital daraus schlagen.

    Was denkt ihr? Was sind eure Erfahrungen mit den "Problemen im Stadtbild"? Gibt es sie, sollte man darüber sprechen, oder ist es nur ein Problem für pingelige, ordnungsliebende Schwaben und Sauerländer?

  • Der *herzallerliebste Kanzler* hat eben nicht irgendwelche Probleme konkret und differenziert angesprochen, sondern er hat drauflosgeraunt. Von einem Bundeskanzler - oder von jeder Person des öffentlichen Lebens- sollte man eben erwarten könne, dass sie ihr Hirn einschaltet, bevor sie das Maul aufmacht. Und dass sie mehr zum Besten gibt als pure ominöse Befindlichkeiten. Was eben vielen Merz-Verstehern - und auch dir - wieder mal entgeht, ist die Perspektive der Menschen, die sich eben zu Recht massive Sorgen wegen Rassismus und Rechtsruck generell machen müssen. Wieder mal der übliche Reflex, das drängendste Problem in der Gewalt durch Zuwanderer sehen zu wollen - und sich dann als Stimme der schweigenden Mehrheit zu sehen, die endlich das ausspricht, das angeblich sonst verschwiegen wird.


    Dass der *herzallerliebste Kanzler* dann noch Frauen bzw deren Ängste instrumentalisiert, ist eben der blanke Hohn, ebenso wie wenn Spahn Migranten die Schuld dafür gibt, dass sich nun Schwule angeblich nicht mehr sorgenfrei in der Öffentlichkeit zeigen können - ganz so, als hätten sie es vorher gekonnt. Ganz so, als müssten Frauen nicht auch ohne die zusätzlich hinzukommende Bedrohung durch zugewanderte MÄNNER Gewalt und Übergriffe als Teil ihres Alltags erfahren - und das meist im eigenen direkten sozialen Umfeld.

    Dabei sind es Rechte und Konservative wie Merz und Spahn, die die allerletzten Fürsprecher von Frauen oder queeren Menschen darstellen - gerade das macht dieses Gefasel so verlogen.


    tja, wieso macht das also der *herzallerliebste Kanzler*? Sicher nicht um Problem zu lösen, und noch weniger weil es ihm um Frauen geht. Er will eben das 'konservative Profil' schärfen - und wie das am Ende aussehen soll, ist ein noch ergebnisoffener Prozess. Wir leben nicht in den USA. Aber es ist kein Automatismus, dass wir uns nicht auch vllt in diese Richtung entwickeln, wenn wir nicht aufpassen. Daher bin ich sehr froh über die 'aufgeregten Linken', die auf diese Entwicklungen dünnhäutig reagieren.


    Was meine eigenen Erfahrungen mit dem 'Stadtbild' angeht: Meine Güte, kommt drauf an, wo man wohnt. Ich geh ungern nachts in bestimmte Bahnhofsecken, einfach weil man sich da vorkommt wie in 'Night of the living Dead'. Persönlich habe ich in den letzten Jahren ausschließlich Stress mit Biodeutschen gehabt. Aber natürlich machen andere andere Erfahrungen, und ich bin auch keine Frau.

    Und da ich mal schwer davon ausgehe, dass du ebenso wenig ich ein Freund von Law and Order bist, können wir vielleicht mal anfangen, auch dieses Problem differenziert zu betrachten - und Konservative und Rechte als die letzten potenziellen Problemlöser zu sehen.

  • Und da wundert sich irgendjemand noch, dass die AfD so viel Zuwachs bekommt? Erinnert mich auch ein bisschen an mich selbst, wenn ich mich nach einer Zugfahrt darüber auslasse, dass da überall nur ukrainisch/russisch gesprochen wurde und keifende Zigeuner am Bahnsteig einen Tumult veranstaltet haben, und dann Lonewolf kommt und mir vorwirft, dass ich mich zum Schlechten hin verändert habe, anstatt mir vielleicht einfach mal dahingehend zuzustimmen, dass es fragwürdige Veränderungen in der Gesellschaft gibt.

    Wahrscheinlich warst du eben schon immer ein kleiner Schwabenspießer, insofern können wir uns darauf einigen, dass du dich nicht zum Schlechten VERÄNDERT hast ;-)

    Ich käme nicht im Traum darauf, es zu problematisieren, wenn irgendwelche Typen in einer fremden Sprache sprechen oder meinetwegen auch rumschreien. Und wenn ich mich recht entsinne, kam diese geistreiche Anekdote von dir, als ich eine meiner Erfahrungen mit rechten Gewalt(!)tätern geschildert habe. Vor dem Hintergrund ist es halt ein ziemlich dämlicher, im Grunde genommen rassistischer Move, darauf zu antworten, indem man irgendwelche subjektiv als unangenehm empfundenen 'Ausländerbegegnungen' anführt.

    Also sei mal ein bisschen selbstkritisch: Du springst schon sehr oft über die falschen Stöckchen - ich hab z.B. genau gewusst, dass du ausgerechnet zu diesem Quatsch nun einen Thread aufmachen wirst :thumb_up4:

  • ich hab z.B. genau gewusst, dass du ausgerechnet zu diesem Quatsch nun einen Thread aufmachen wirst :thumb_up4:

    Und ich wusste genau, dass du der Erste sein wirst, der darauf antwortet. Hat ja nicht mal eine Stunde gedauert.:hi:

    Tja, ich bin dein Schatten :evilgrin:


    Und als solcher halte ich an der These fest, dass du früher mal geistreicher warst. Denn ich habe Beweise: Dein Pegida-Video. Da fasst der alte Dian alles zusammen, was es zu rechten Wutbürgern und deren Sorgen und Ängsten in aller Kürze zu sagen gibt. Der Dian von heute macht solche Videos nicht mehr, denn er weiß: Die rechten Wutbürger trifft keine Schuld, sondern a) die ganzen Volksfremden, die sich nicht benehmen, b) die Linken/Woken, die das Problem nicht sehen wollen, und c) die Politiker, die keine Lösungen bieten. Der Rechtswähler handelt quasi aus Notwehr, der kann gar nicht anders. Also lässt man sich von ihm die Themen diktieren, die auf die Tagesordnung gesetzt werden - so schließt sich am Ende wieder der Kreis zwischen dem Fritze und dem Saint ;)

  • Was denkt ihr? Was sind eure Erfahrungen mit den "Problemen im Stadtbild"?

    Alles billiger Populismus .der gerissene Kanzler weiß dass er damit Punkte macht wenn er sowas sagt .er sieht dass die AfD Zulauf bekommt und dass es irgendwie funktioniert was die machen , wenn die gegen Ausländer hetzen . Also sagt er auch was in die Richtung „böse Ausländer „ Damit die Leute cdu wählen.


    Und mit Ausländer habe ich nie ein Problem gehabt . Ich habe eher das Gefühl das Leute zu viel langweile haben und zu wenig ihr Gehirn benutzten und deswegen ständig gegen Ausländer und Arbeitslose hetzen .

    Die brauchen irgendwas worauf sie ihr Hass richten .


    Einfach mal den Fernsehen aus lassen und ein gutes Buch lesen würde bei vielen helfen

  • Der Dian von heute macht solche Videos nicht mehr, denn er weiß: Die rechten Wutbürger trifft keine Schuld, sondern a) die ganzen Volksfremden, die sich nicht benehmen, b) die Linken/Woken, die das Problem nicht sehen wollen, und c) die Politiker, die keine Lösungen bieten. Der Rechtswähler handelt quasi aus Notwehr, der kann gar nicht anders.

    Ich denke, es ist alles ein bisschen komplexer. Für mich ist das Ganze einfach kein Thema, wo man zwei einander gegenüberliegende Meinungen hat, und sich dann für eines der beiden Extreme (entweder "Ausländer raus", oder "Rassismus bekämpfen") entscheiden muss, weil es dazwischen nichts anderes gibt.

    Das ist ja das, was durch die immer gern beschriebene Spaltung der Gesellschaft suggeriert wird... dass man entweder für die einen oder für die anderen sein muss. Weil es nur zwei Lager gibt und der, der sich nicht für die "richtige" Seite entscheidet, dann automatisch die "falsche" unterstützt.

    Aber das ist letztlich eine Sichtweise vor allem der politisch radikalen Kräfte auf beiden Seiten. Tatsächlich gibt es zwischen den beiden Extremen auch noch viele Grautöne, und ich behaupte einfach mal, die politisch unbedarfte (oder sollte ich sagen: politisch noch nicht so fanatisierte?) Mehrheit der Bevölkerung denkt auch eher in diesen Grautönen und unterstützen weder in allem die Sichtweise der radikalen Rechten, noch die der radikalen Linken.

    Sondern sie verfolgen über die Medien, was die einen und was die anderen sagen, und schauen dann, was mit ihrer Lebenserfahrung und ihren Beobachtungen in Einklang zu bringen ist. Und wenn sie dann sehen, die eine Seite des politischen Spektrums spricht Dinge an, die sie ähnlich sehen, und die andere Seite sagt, sie sind dreckige Nazis, wenn sie so denken, wie sie denken, dann ist es relativ vorhersehbar, zu welcher Ideologie sich diese Mehrheit eher hingezogen fühlen wird. Und wenn sie sich dann entscheiden sollen zwischen links und rechts, werden viele eben zu denen tendieren, von denen sie den Eindruck haben, dass sie eher die Probleme ansprechen, die dem unpolitischen Normalbürger auch schon aufgefallen sind.
    Und vor diesem Hintergrund sollte man sich eben über diese Dinge Gedanken machen. Weil ich darin eben auch einen großen Faktor für das Erstarken der AfD sehe. Man kann natürlich auch so argumentieren, dass die AfD deshalb erstarkt, weil viele Menschen dank des Internets den inneren Nazi in sich entdeckt haben. Aber fakt ist ja, Parteien wie die NPD gab es auch schon in den 80ern, und da wurden sie von kaum jemandem als wählbar erachtet. Wären 20 Prozent der Bevölkerung schon immer einfach dumme Rassisten gewesen, hätten die auch damals schon NPD wählen können, Wahlen sind schließlich anonym. Haben sie aber nicht, weshalb ich eben davon ausgehe, dass auch veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen bzw. die Erfahrung, dass vieles gerade etwas aus dem Ruder läuft, zur Erstarken der Rechten geführt haben.

  • Der Dian von heute macht solche Videos nicht mehr, denn er weiß: Die rechten Wutbürger trifft keine Schuld, sondern a) die ganzen Volksfremden, die sich nicht benehmen, b) die Linken/Woken, die das Problem nicht sehen wollen, und c) die Politiker, die keine Lösungen bieten. Der Rechtswähler handelt quasi aus Notwehr, der kann gar nicht anders.

    Ich denke, es ist alles ein bisschen komplexer. Für mich ist das Ganze einfach kein Thema, wo man zwei einander gegenüberliegende Meinungen hat, und sich dann für eines der beiden Extreme (entweder "Ausländer raus", oder "Rassismus bekämpfen") entscheiden muss, weil es dazwischen nichts anderes gibt.

    Das ist ja das, was durch die immer gern beschriebene Spaltung der Gesellschaft suggeriert wird... dass man entweder für die einen oder für die anderen sein muss. Weil es nur zwei Lager gibt und der, der sich nicht für die "richtige" Seite entscheidet, dann automatisch die "falsche" unterstützt.

    Aber das ist letztlich eine Sichtweise vor allem der politisch radikalen Kräfte auf beiden Seiten. Tatsächlich gibt es zwischen den beiden Extremen auch noch viele Grautöne, und ich behaupte einfach mal, die politisch unbedarfte (oder sollte ich sagen: politisch noch nicht so fanatisierte?) Mehrheit der Bevölkerung denkt auch eher in diesen Grautönen und unterstützen weder in allem die Sichtweise der radikalen Rechten, noch die der radikalen Linken.

    Sondern sie verfolgen über die Medien, was die einen und was die anderen sagen, und schauen dann, was mit ihrer Lebenserfahrung und ihren Beobachtungen in Einklang zu bringen ist. Und wenn sie dann sehen, die eine Seite des politischen Spektrums spricht Dinge an, die sie ähnlich sehen, und die andere Seite sagt, sie sind dreckige Nazis, wenn sie so denken, wie sie denken, dann ist es relativ vorhersehbar, zu welcher Ideologie sich diese Mehrheit eher hingezogen fühlen wird. Und wenn sie sich dann entscheiden sollen zwischen links und rechts, werden viele eben zu denen tendieren, von denen sie den Eindruck haben, dass sie eher die Probleme ansprechen, die dem unpolitischen Normalbürger auch schon aufgefallen sind.
    Und vor diesem Hintergrund sollte man sich eben über diese Dinge Gedanken machen. Weil ich darin eben auch einen großen Faktor für das Erstarken der AfD sehe. Man kann natürlich auch so argumentieren, dass die AfD deshalb erstarkt, weil viele Menschen dank des Internets den inneren Nazi in sich entdeckt haben. Aber fakt ist ja, Parteien wie die NPD gab es auch schon in den 80ern, und da wurden sie von kaum jemandem als wählbar erachtet. Wären 20 Prozent der Bevölkerung schon immer einfach dumme Rassisten gewesen, hätten die auch damals schon NPD wählen können, Wahlen sind schließlich anonym. Haben sie aber nicht, weshalb ich eben davon ausgehe, dass auch veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen bzw. die Erfahrung, dass vieles gerade etwas aus dem Ruder läuft, zur Erstarken der Rechten geführt haben.


    Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen Denkweisen und Vorurteilen auf der einen und gefestigten Ideologien auf der anderen Seite. Und vor allem macht es einen großen Unterschied, ob bestimmte Ansichten und Positionen am Ende wahlentscheidend werden. Ein SPD-Stammwähler könnte theoretisch Rassist sein, aber sich aus Abwägungen dennoch dagegen entscheiden, plötzlich AfD zu wählen - einfach weil ihm andere Themen wichtiger sind.

    Das Erstarken der Rechten hat daher natürlich AUCH seinen Ursprung in der Erosion von Stammwählerschaften.

    Zudem kann man nicht die AfD mit der NPD vergleichen, was die Art des Auftretens und Agitierens angeht. Die Anschlussfähigkeit ist eine ganz andere.


    Als ich vor über 20 Jahren in die ersten antifaschistischen Zusammenhänge eingetreten bin, war uns klar: Wir haben es hier NOCH eher mit Banden und Gangs zu tun. Das Potenzial für faschistische Bewegung ist viel größer als man annimmt - es liegt nur brach, weil es nicht die richtige Partei bzw Organisation gibt - UND weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch nicht den Raum hierfür bieten. Der Faschismus ist Teil der gesellschaftlichen DNA.

    Denn hier liegt der Hase im Pfeffer. Was du als 'gesellschaftliche Missstände' ansiehst, sehe ich eher als systemische Krisenhaftigkeit. Der Faschismus bietet eine scheinbare Antwort auf die gescheiterten Heilsversprechen des bürgerlichen kapitalistischen Liberalismus. Er präsent konkrete Feindbilder angesichts von Abstiegsängsten. Damit setzt er im Grunde das brutale nach unten treten der bürgerlichen Mitte noch konsequenter um. Dieses Potenzial kann man wecken, auch wenn es verborgen zu sein scheint.


    Die von dir beschriebene angebliche Zerrissenheit zwischen 'Extrempositionen' sehe ich im Übrigen nicht. Wenn du mal genau hinsiehst, worin z.B. die Kritik an den Äußerungen von Merz besteht, wirst du viele gute und differenzierte Positionen finden. Lager- und Schützengrabendenken ist vollkommen unnötig. Man muss eben nur mal lernen, tatsächlich anderen zuzuhören und ggf. seine eigenen Positionen zu hinterfragen, vor allem wenn sie auf dumpfen Bauchgefühlen basieren. Nimm nur als Beispiel deine 'Zigeunererlebnisse' - was zum Henker willst du damit zum Ausdruck bringen? Wenn du von konkreten Personen z.B. überfallen wirst, ist das eine klare Sache. Aber die Stigmatisierung von Menschen aufgrund wahrgenommener Merkmale - und genau das hat auch Merz getan - schlägt eben in eine andere, deutlich rassistische Kerbe.

  • Aber die Stigmatisierung von Menschen aufgrund wahrgenommener Merkmale - und genau das hat auch Merz getan - schlägt eben in eine andere, deutlich rassistische Kerbe.

    Ich habe die Äußerungen von Merz nicht so aufgefasst, dass er ein Problem damit hat, dass es viele Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben in den Städten gibt, sondern dass sich da viel Gesindel rumtreibt. Ersteres wäre in meine Augen Rassismus. Aber wenn ich nachts durch die Stadt gehe und da sehe, dass es viele laute, pöbelnde oder aggressiv bettelnde Leute gibt, und objektiv feststelle, dass die wenigsten davon deutsch aussehen, dann ist das erst mal einfach nur eine Feststellung. Ebenso wie es eine meiner Meinung nach recht objektive Feststellung ist, dass sich etwas geändert hat gegenüber wie es vor zwanzig Jahren war.

    Auch damals gab es nachts natürlich schon zwielichtige Gestalten, aber zumindest bei meinen letzten paar Besuchen in Stuttgart hatte ich das Gefühl, dass die Qualität und Quantität in den letzten paar Jahren zugenommen hat.

    Und das sind halt Beobachtungen, die ich mit vielen Menschen teile... auch wenn ich dann nicht deren Lösung teile, deshalb die AfD oder CDU zu wählen.


    Natürlich kann man sagen: So lang sie mich nicht überfallen, was kümmert es mich dann, wenn die sich asozial verhalten und sich irgendwelche Zigeunergruppen gegenseitig anschreien oder sowas?

    Aber ich sag mal so: Wenn du irgendwo in Ostdeutschland durch eine Kleinstadt gehst und da einige Gruppen junger Männer mit Glatzen und Springerstiefeln rumstehen siehst, wird dein erster Reflex auch nicht sein, zu denken: "Ach, das sind sicher ganz nette, unpolitische Oi-Skins, und so lang sie mich nicht überfallen, ist ja alles ok und die dürfen sich hier gern selbstverwirklichen." Du wirst dann auch eher sowas denken wie: "Das wird auch immer schlimmer hier."

    Man kann eben schon bis zu einem gewissen Grad vom Aussehen und Verhalten von Leuten auf deren Charakter und Weltbild schließen. Und wenn man dann zu viele Menschen sieht, die so wirken, als ob sie nicht gerade besonders kultiviert oder intelligent sind, dann kann einem schon mal das Gefühl überkommen, dass es mit der Gesellschaft den Bach runtergeht. Und das hat weniger mit der Hautfarbe zu tun, sondern mit der Art des Auftretens dieser Leute, das einfach oft asozial und übertrieben männlich-dominant wirkt.

  • Der typische schwäbische Spießer auf dem Land hat übrigens gerade viel existenziellere Probleme mit unerwünschten Migranten:

    Was sind schon keifende Zigeuner gegen die wirklich großen Probleme der Menschheit, wie außer Kontrolle geratene Waschbären. :roll: