Stephen King (1947 geb.) gilt als kommerziell erfolgreichster Schriftsteller aller Zeiten. Er konzentriert sich auf makabere Horrorgeschichten und Thriller, meistens Kämpfe gegen Dämonen oder andere übernatürliche Kräfte, aber auch menschliche Gegner. Bekannt wurde er Anfang der 70er, sein erster Roman "Carrie" bekam schnell eine Verfilmung, wodurch auch das Buch bekannt wurde. Für "Brennen muss Salem" (Vampir-Horror) wurde viel Werbung gemacht, auch das verkaufte sich sehr gut. Inzwischen hat King 70 Bücher geschrieben und es gibt 60 Filme darüber, teilweise mit seiner Mitarbeit.
Ich hatte vor fünf bis sieben Jahren bereits eine King-Phase, in der ich etwa zwei Dutzend Bücher von ihm gelesen habe, vor allem ältere Werke. Letzten Sommer habe ich einen ganzen Stapel Kings geschenkt bekommen, mir dazu selber nochmal etwa ein halbes Dutzend gekauft und am Ende ein halbes Dutzend Romane von der ersten Phase zum zweiten oder dritten Mal gelesen. Damals war ich auch eine Zeitlang im deutschen King-Forum aktiv und habe viele Filme von ihm gesehen. Ich denke, ich kenne mich also etwas gut mit ihm aus.
Ich will jetzt nicht jedes einzelne Buch ansprechen, die lektüre der Meisten liegt schon zu lange zurück und seit ein paar Wochen bin ich auch zu sehr mit anderer Literatur beschäftigt. Aber ich wollte mal eine kleine Liste mit den Büchern vorstellen, die mich besonders beeindruckt haben. Die ist vor allem für die gedacht, die keine oder kaum Erfahrung mit King haben und nicht wissen, mit welchen Büchern sie anfangen sollen oder was gut zum reinschnuppern ist. Sie kann auch gerne in der Reihenfolge "abgearbeitet" werden, muss aber nicht.
1. Carrie (1974)
Ein Mädchen wird von ihrer Mutter brutal religiös erzogen. Sie ist eine gequälte Außenseiterin, die mit 16 in der Schuldusche zum ersten Mal ihre Periode bekommt und, da sie nicht darüber aufgeklärt wurde, vollkommen überfordert ist. Sie entdeckt dabei, dass sie telekinetische Kräfte besitzt. Eine Mitschülerin, die sie gehänselt hat, möchte ihren Fehler wieder gut machen und sorgt dafür, dass Carrie zum Abschlussball geht. Dort erwartet sie aber eine böse Überraschung.
Wie die folgenden, ist dies eins meiner Lieblingsbücher; es ist sein Debüt-Roman, darum steht es in der Liste auch an erster Stelle. Es ist sehr spannend und liest sich schnell, da das Buch sich auf wenige wichtige Momente konzentriert und detailliert erzählt, wie zum Beispiel Carrie von allen misshandelt wird. Die Vorgeschichte kommt nach und nach ans Licht. Stilistisch sorgen Zeitungsartikel und Interviews aus der Zukunft für Auflockerung und so wächst alles zu einem grausamen Finale zusammen.
Man liest den späteren Stil von King schon etwas heraus, auch wenn beispielsweise noch kein Schriftsteller vorkommt, ein häufig von ihm verwendetes Element.
2. Brennen muss Salem (1975)
Ein klassischer Roman über Vampire, die nach und nach eine ganze Kleinstadt in ihre Gewalt bekommen. Ein Schriftsteller, ein kleiner Junge und ein Priester versuchen, die Bestien aufzuhalten.
Noch ein sehr frühes Werk. Die überlange Verfilmung macht schon großen Spaß, noch spannender und atmosphärisch dichter geht es aber im Buch zu.
3. Friedhof der Kuscheltiere (1983)
Ein junger Arzt zieht mit seiner Familie um, in eine Vorstadt. Er, seine Frau, die zwei kleinen Kinder und ein Kater, werden von ihren Nachbarn willkommen geheißen. Es könnte ein schönes, normales Leben werden, doch Schicksalsschläge erschüttern den Familienvater und schließlich wendet er sich verzweifelt an alte, indianische Kräfte. Kräfte, die nicht unbedingt Gutes hervorbringen.
Gilt als das Kingsche Meisterwerk mit der höchsten atmosphärischen Dichte. Der Grusel wächst Seite für Seite heran, wird von Kapitel zu Kapitel immmer mehr zum Grauen und hat ein schauriges Ende.
4. Todesmarsch (1979)
Die U.S.A. werden von einem Diktator regiert, der zur Volksbelustigung Todesmärsche mit Freiwilligen veranstaltet. Alle 100 Teilnehmer müssen immer eine bestimmte Geschwindigkeit einhalten. Wenn sie diese unterschreiten, werden sie verwarnt. Dreimal. Beim vierten Mal sterben sie. Es wird so lange gelaufen, bis nur noch einer übrig ist, der dann den "großen Preis" bekommt.
Dieses Buch ist aus zwei Gründen in der Liste. Einmal, damit ich eine Überleitung zum Pseudonym Richard Bachmann habe, unter dessen Namen King einige Bücher veröffentlicht hat, um zu sehen, ob sich seine Bücher nur wegen seinem Namen so gut verkaufen (es liegt am Namen). Unter dem Pseudonym wurden bisher sieben Bücher veröffentlicht. Drei davon hat King schon vor Carrie geschrieben, aber erst nach seinen ersten Erfolgen veröffentlicht: "Todesmarsch", "Menschenjagd" und "Amok".
Der andere Grund ist, weil mir bei diesem Buch regelmäßig das Herz aufgeht. Es ist auf die reine Handlung konzentriert; wer oder was dieser "Gouverner", der Diktator, ist, warum überhaupt eine Diktatur herrscht und wann und wie es dazu gekommen ist, wird nicht erzählt. Es geht um einen Teenager, der mit 99 anderen läuft oder stirbt. Die Qualen des tagelangen Sports, die psychische Folter und Verrohung, der frenetische Jubel der Zuschauer, der Umgang mit dem Tod - all das wurde großartig verarbeitet. Wer mehr auf realistischen Horror steht, ist mit dem Buch gut geraten.
5. ES oder Shining (1986/1977)
Das sind vermutlich die bekanntesten Werke von Stephen King. "ES" erzählt die Geschichte von Freunden, die nach langer Zeit wieder zusammen kommen, um, wie in ihrer Kindheit, gegen einen mächtigen Dämon zu kämpfen. Sowohl das Abenteuer in ihrer Kindheit, wie auch ihr langsames Erinnern daran und schließlich der finale Kampf, werden Stück für Stück erzählt. Erst kommt ein Kapitel über die Freunde als Erwachsene, dann eines über ihre Kindheit, dann sind wir wieder in der Erwachsenen-Welt. So erinnern sie sich daran, wie sie den Dämon besiegt haben und um was es in dem Buch geht: Freundschaft. Und das Vergessen über die Übel der Kindheit.
"Shining" handelt von einem alkoholabhängigen Schriftsteller, der über den Winter auf ein eingeschneites Hotel aufpasst und dort mit seiner Familie vom Rest der Welt abgeschnitten ist. Er wird immer paranoider, während sein kleiner Sohn sein Shining, eine geheimnisvolle, psychische Macht, entdeckt. Das Buch wurde 1980 von Stanley Kubrik verfilmt und gilt als Horror-Meisterstück. King hasst den Film und hat selbst noch einen produziert, der allerdings durchfiel.
Von den beiden Büchern oder Filmen hat vermutlich jeder schonmal irgendwie gehört, auch ohne etwas mit dem Namen Stephen King anfangen zu können. Beide sind sehr spannend. "ES" hatte eine dichte Atmosphäre und die Übergänge von den verschiedenen Zeiten und die Darstellung des Dämons fand ich sehr beeindruckend. Und bei "Shining" gab es eine Stelle, an der es mich tatsächlich körperlich richtig geschaudert hat.
Subjektiv betrachtet, würde ich spontan sagen, dass "ES" Stephen Kings bestes Werk ist. Allerdings habe ich "Shining" zum letzten Mal vor mehreren Jahren gelesen und "ES" diesen Sommer. Vielleicht würde ich noch umschwenken, wenn ich als nächstes nochmal "Shining" lesen würde.
6. Nachtschicht (1978)
Zum Schluss noch etwas für Freunde von Kurzgeschichten. "Nachtschicht" enthält 20 gruselige Kurzgeschichten vom "Meister des Grauens". Von denen sind nur wenige langweilig, die meisten sehr gut und eine handvoll genial. Zum Beispiel die über einen Mann, der erpresst wird, einmal außen an den Mauern eines Hochhauses um das Stockwerk zu gehen. Oder der Auftragskiller, der nach seinem letzten Mord ein Paket mit mörderischem Inhalt bekommt - blutrünstige Spielzeugfiguren. Einmal befinden wir uns im Kopf eines Mannes, der seiner Liebsten Blumen schenkt und sie besucht - mit brutalem Ausgang. Meine Lieblingsgeschichte ist sogar eher unblutig: Ein Mann möchte mit dem Rauchen aufhören und wendet sich an eine Firma mit hoher Erfolgsquote. Er darf noch eine letzte Zigarette rauchen, danach wird er rund um die Uhr überwacht. Sollte er noch einmal zur Zigarette greifen, wird seine Frau gefoltert.
Man findet außerdem "Kinder des Zorns" in dem Buch. Eine Geschichte über eine streng-christliche Gemeinschaft von Kindern, die einen Dämon im Mais verehren und Erwachsene opfern. Wurde bisher neun mal verfilmt.
7. Als Bonus gibts noch einmal eine Empfehlung für alle mit ein bisschen mehr King-Erfahrung und/oder alle, die selber mal ein Buch schreiben wollen:
Das Leben und das Schreiben (2000)
Es ist Stephen Kings erste Biographie, die kurz nach seinem fast tödlichen Autounfall im Jahre 1999 erschien. Im ersten Teil erzählt King von seiner Kindheit und wie er sich aus tiefer Armut an die Spitze schrieb. Da erfährt man schon viel persönliches, mir ist es allerdings etwas zu kurz geraten. Ich hätte mir zum Beispiel mehr gewünscht, wie es war, bestimmte Bücher zu schreiben. Allerdings war er jahrelang in den 70ern und 80ern alkoholsüchtig und nahm andere Drogen. Deswegen kann er sich auch kaum noch daran erinnern, wie es war, "Cujo" (ein geniales Buch über einen tollwütigen Hund, der eine Mutter und ihr Kind bedroht) zu schreiben.
Die zweite Hälfte, mit allgemeinen Tipps, was man zum Bücher schreiben brauchen könnte, ist dafür umso ausführlicher. Auch für Nicht-Schreiberlinge lesenswert und mit einem praktischen Beispiel aus "Zimmer 1408" bepackt.
Natürlich kann es keinen Stephen King-Thread ohne sein Hauptwerk geben: Die Dunkle-Turm-Saga.
Acht Romane, an denen King mehrere Jahrzehnte geschrieben hat und die ihm viele Probleme bereitet haben. Vielleicht wäre er bis heute nicht damit fertig, wenn er nicht seinen Unfall gehabt hätte - danach hatte er das Gefühl, die Geschichte zu seiner Lebzeit unbedingt noch vollenden zu müssen.
Erzählt wird die Saga eines Revolverhelden, der auf der Suche nach dem Dunklen Turm ist, um alle Welten und Universen zu retten. Es ist eine mittelalterliche epische Saga in einem Westernsetting mit vielen Sci-Fi-Elementen, Vorgeschichten, Anspielungen auf Kings eigene und viele andere bekannte Bücher (ich empfehle, vorher "Brennen muss Salem" und "The Stand" zu lesen). Der Held, eine Mischung zwischen Ritter und Wild-West-Marshal, trifft auf Gefährten, muss Krankheiten, superintelligente, suizidgefährdete, Rätsel liebende Computer, Roboter, Verräter, Vampire und seine Erzfeinde überwinden und erzählt zwischendurch von seiner Mission und seiner großen Liebe als Teenager. Dabei springen wir durch mehrere Zeiten, betreten New York in drei verschiedenen Jahrzenten und besuchen andere Welten.
Inspiriert wurde das von der Artus-Saga, einem mittelalterlichen Gedicht und Spaghetti-Western mit Clint Eastwood (der als Vorlage für den meist schweigsamen und ernsten Helden dient). Dazu kommt noch eine Prise Star Wars, Harry Potter, Dr. Doom (Marvel-Comics), Zauberer von Oz und viele andere Werke.
Die Bücher selbst unterscheiden sich teilweise stark voneinander. Unterschiedliche Stile und Schwerpunkte, Cliffhanger und neue Figuren. Darum wird die Reihe auch gemischt von den Fans aufgenommen, die meisten sind allerdings begeistert. Die komplette Saga soll in drei Filmen und zwei Miniserien erzählt werden, der erste Film soll am 10. August 2017 in die deutschen Kinos kommen.
Hier eine Übersicht über die Titel:
- Schwarz (1982)
- Drei (1987)
- Tot (1991)
- Glas (1997)
- Wolfsmond (2003)
- Susannah (2004)
- Der dunkle Turm (2004)
- Wind (2012)
"Wind" spielt zeitlich zwischen den Teilen 4 und 5, King selbst bezeichnet das Buch als "4.5". Im Forum wurde darüber diskutiert, ob man es in der Mitte oder als letztes lesen sollte. Ich habe es aus Versehen erst nach Teil 5 gelesen, das war aber nicht schlimm und ich war froh, dass es nach "Der dunkle Turm" auch endlich vorbei war.
Ich bin eher enttäuscht. Nach den vielen hervorragenden Romanen hatte ich mich sehr auf die epische Reihe gefreut, von der die meisten Fans im Forum immer so enthusiastisch reden. Teil 1 war sehr konfus, viele Andeutungen, kaum richtige Erklärungen, warum was geschieht - also sehr King-untypisch. Hätte ich nur das im Regal gehabt, hätte ich mich vermutlich lange nicht an die anderen heran getraut. Das zweite ist allerdings das Beste aus der Reihe. Es ist typisch King, hier spielt er mit seinen Stärken. Etwa, wenn Roland, der Held, in die Köpfe seiner Gefährten eindringt und sie zu sich holt. Teil 4 war am langweiligsten, Roland erzählt hier die Geschichte seiner Jugend. Es passiert kaum etwas, Teenager-Roland vögelt die meiste Zeit und ist wie immer schweigsam. Lediglich einzelne Szenen wie eine Ermorderung oder die finale Schlacht waren okay. Teil 5 war dann wieder in Ordnung, als die Gefährten gegen einen übermächtigen, Kinder stehlenden Feind antreten, um ein Dorf zu beschützen. Das hatte etwas märchenhaftes und lässt sich auch losgelöst von der Reihe lesen. Das Ende der Reihe hat mir dann nach einem langen schwachen Teil gut gefallen - genauer gesagt beide Enden, die mich jede für sich ein bisschen für die viele Arbeit des Lesens entschädigt haben; aber davon will ich selbst im Spoilerbereich lieber nicht mehr verraten. Der letzte Teil, der auch erst einige Jahre später erschien, war dann wieder größtenteils schwach. Eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte. Das Märchen, das darin erzählt wird, war am Anfang gut, verlor sich aber irgendwie und der Rest war eher mäßig spannend.
Jetzt mache ich erstmal wieder ein bis zwei Jahre eine King-Pause. Ich werde nur ab und zu nach "Amok" Ausschau halten und holen, wenn ich es billig irgendwo finde.
Zuletzt noch ein paar Werke, die ich zumindest erwähnen wollte: "The Stand" (1978; fast die ganze Menschheit wurde ausgerottet, der Rest sammelt sich um einen bösen, machtbesessenen Dämon oder in einer demokratischen Siedlung), "Menschenjagd" (1982; ein Mann lässt sich auf Leben oder Tod zu Unterhaltungszwecken jagen, um seine Familie ernähren zu können [furchtbare Verfilmung!]), "Das Spiel" (1992; eine Frau ermordet ihren Mann, der sie an ein Bett gefesselt hat - sie bleibt gefesselt und kämpft gegen den Durst und die Albträume ihrer Kindheit), "Sie" (1987; ein Schriftsteller hat einen Unfall und wird von seinem größten Fan, einer psychotischen Ex-Krankenschwester, versorgt und gefangen gehalten), "Dead Zone: Das Attentat" (1979; ein junger Mann fällt ins Koma und als er aufwacht, kann er in die Zukunft sehen; um schlimmeres zu verhindern, muss er jemanden umbringen), "Wahn" (2008; ein Millionär muss Urlaub machen, um sich von einem Unfall zu erholen; dabei entdeckt er sein zeichnerisches Talent - mehr Talent, als ihm lieb ist, denn seine Bilder zeigen, was passieren wird).
Wie siehts bei euch aus? Neugierig geworden oder schon alte Hasen? Welches Buch habe ich total vergessen und welche sind eure Favoriten und warum?