Hilfe, die Trauer-Maschinerie ist wieder in vollem Gang! Das Blut ist noch nicht mal getrocknet, dann werden schon Trauerfeiern organisiert und Kondolenzbücher ausgelegt, Politiker halten ihre feierlichen Beileids-Ansprachen und auf Facebook tun besonders mitfühlende Menschen ihr Profil jetzt in Deutschlandflaggen einfärben oder mit irgendwelchen Berlin-Symbolen versehen.
Und ich bilde mir ein, jedes Jahr wird es schlimmer. Mit jedem neuen Anschlag werden die Reaktionen vorhersehbarer und ritualisierter, ja man möchte fast schon sagen "professioneller", organisierter. Der Opfer-Kult wird immer besser vermarktet. Es ist ein Event, wie früher der Totensonntag oder Karfreitag. Man darf endlich mal wieder schön trauern, auch als nicht religiöser Mensch, und sich dadurch als Teil von etwas großem und bedeutsamen fühlen.
Nüchtern betrachtet sind ein paar Menschen gestorben, weil irgendein Irrer entweder auf sich aufmerksam machen wollte oder sich von irgendwelchen imaginären Märchenfiguren eine Belohnung im Jenseits erhofft hat. Traurig. Ja. Aber warum redet darüber dann gleich wieder die ganze Welt? Warum sind die Menschen nicht in der Lage, sich einfach damit abzufinden, dass sowas halt genauso immer mal wieder vorkommt, wie ein Unwetter, oder dass Menschen irgendwelche Krankheiten bekommen und sterben?
Natürlich ist es ungerecht, wenn jemand beim harmlosen Besuch des Weihnachtsmarktes von einem Lastwagen geplättet wird. Aber ich finde es mindestens genauso ungerecht, dass Kinder an Krebs sterben.
Wie viele Kinder sterben jedes Jahr an Krebs? Es sind vermutlich mehr, als Erwachsene bei Terroranschlägen ums Leben kommen. Und das findet auch keiner schön. Aber wo ist die weltweite Empörung darüber? Warum gehen nicht hunderttausende auf die Straße und machen Lichterketten, um ihr Mitgefühl mit den krebskranken Kindern und deren Angehörigen auszudrücken? Ist deren Leid etwa weniger wert als das eines Terroropfers?
Also warum gibt's dazu keine Talkshows und Krisengipfel, und warum wird darüber nicht an erster Stelle in jeder Nachrichtensendung berichtet?
Weil man sich damit abgefunden hat.
Weil man sich sagt: "Sowas ist tragisch. Aber lässt sich halt nunmal nicht ändern."
Genau. So ist es. Es lässt sich nicht ändern, und deshalb hat man es akzeptiert. Was ich nur eben nicht verstehe: Wieso gehen die Menschen davon aus, dass es sich mit Terroranschlägen in irgendeiner Weise anders verhalten würde? Wieso glaubt man, diese ließen sich verhindern, wenn man nur noch mehr Sicherheitsvorschriften erlässt, rumheult, betet, weniger Ausländer ins Land lässt, oder sonst irgendwas tut? Es gibt NICHTS auf dieser Welt, wodurch man verhindern könnte, dass da draußen ab und zu einer der Millionen Irren mal komplett durchdreht und ein paar Menschen mit sich in den Tod reißt.
Sowas gehört genauso zum Leben dazu wie Krankheiten oder Unwetter. Sowas ist einfach da. Aber anstatt es zu akzeptieren und sich davon nicht verrückt machen zu lassen, starten sie alle auf Knopfdruck diesen widerlichen Trauer- und Opferkult. Und das jedes Mal, wenn sowas passiert. Immer wieder aufs Neue, als ob man jedes Mal total überrascht ist, obwohl es rein statistisch gesehen längst überfällig war, dass mal in Deutschland was passiert. Eigentlich müsste noch viel mehr passieren angesichts der vielen Frustration und Ungerechtigkeit auf der Welt.
Also warum überrascht sein?
Man muss es ja nicht gutfinden. Man kann ja auch gern mal darüber reden. Aber dieses erst jahrelang den Terror förmlich herbeireden, auch wenn bei uns nie was passiert ist, und dann, wenn es dann irgendwann dochmal passiert, gleich sagen: "Ich hab's schon immer gewusst, wir haben zu viele Flüchtlinge reingelassen... Jetzt müssen wir uns zusammensetzen und überlegen, wie wir das in Zukunft verhindern können." Das wirkt auf mich schon ein bisschen, als ob man richtig geil darauf ist und es gar nicht erwarten konnte, bis man endlich auch mal so schön trauern darf wie die Bewohner von Paris oder New York.
(Naja, Berlin will halt auch irgendwie Weltstadt sein, und ist jetzt vom IS geadelt worden, wie rührend...)
Völlig bescheuert, die Menschen, wenn ihr mich fragt.