Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag, Lissaminka!
Ich muss zugeben, dass mich das auch an der deutschen Sprache stört, dass oft nicht klar ist, ob z.B. mit "Arbeiter" nur Männer gemeint sind, oder ob auch Frauen mit einbezogen sind.
Doch, das sind sie - und zwar eigentlich grundsätzlich.
Dem würde ich wiedersprechen: Wenn man z.B. von Arbeitern und Arbeiterinnen spricht, dann findet eine klare Geschlechtertrennung, und es ist offensichtlich, dass mit "Arbeitern" ausschließlich Männer gemeint sind. Es gibt also definitiv Fälle, in denen "Arbeiter" ausschließlich männlich ist.
Bei "Mitarbeitern" ist m.M.n. auch nicht unbedingt klar, ob nur Männer gemeint sind oder auch Frauen. Oft sind beide Geschlechter gemeint, aber z.B. können ja Frauen von den männlichen Mitarbeitern schwärmen oder über sie herziehen, und dabei von den "Mitarbeitern" sprechen. Und wenn man z.B. von dem jüngsten oder ältesten Mitarbeiter spricht ist m.M.n. auch nicht klar, ob Frauen in betracht kommen oder nicht.
Bei Bauarbeitern gibt es z.B. auch nur einen verschwindend geringen Anteil an Frauen, und vor etwa 30 Jahren war es Frauen noch verboten, überhaupt im Bauhauptgewerbe zu arbeiten. Von daher rechnen viele vielleicht gar nicht damit, dass "Bauarbeiter" auch Frauen mit einschließen kann, und wenn man klarstellen möchte dass auch Frauen gemeint sein können ist es denke ich gut wenn man das explizit ausdrückt.
Zitat von Lissaminka
Konsequenterweise müsste man also, um an der Stelle nicht nur das eine Geschlecht zu privilegieren, auch eine männliche Form dieser Wörter kreieren und andersherum auch selbiges für generische Feminina umsetzen (die Geisel - "die Geiselin", "der Geiseler").
Interessanter Punkt. Ich finde "Geiseler" oder "Geiselin" hört sich relativ unschön an. Ich hatte mir zuerst gedacht, dass man bei einer Geiselbefreiung manchmal schnell agieren muss, wenn sich eine Situation ändert; da könnte man evtl. tatsächlich wichtige Sekunden sparen wenn man von "Geiselern" statt von "männlichen Geiseln" spricht, um schnell abzusprechen wie man vorgeht. Deshalb dachte ich, dass es vielleicht Gründe geben könnte, da zu gendern. Aber dann ist mir aufgefallen dass sich die Geiselnehmer so auch schneller absprechen könnten, von daher kommt es denke ich auf's gleiche raus ob man gendert oder nicht.
Und "Geisel" ist für mich vom Sexus her klar neutral, ich kann mir da keinen Fall vorstellen wo nur Frauen gemeint sind (außer natürlich dem Fall dass alle Geiseln weiblich sind). Von daher muss man dieses Wort m.M.n. nicht unbedingt gendern.
Zitat von Lissaminka
Bei dem Stichwort kann ich jetzt noch wunderbar den historischen Aspekt anführen, dass die movierten Formen generisch maskuliner Wörter ursprünglich lediglich Bezeichnungen für die Ehefrauen der berufstätigen Männer war.
Vielen Dank für die Info, das wusste ich noch nicht.
Darf ich fragen, wie du die Wörter "Spiegelei" oder "Hebamme" aussprichst?
Lol, da hatte ich wohl nicht genug nachgedacht!
Klar, es gibt diese Wörter wie "Spiegelei", "beinhalten" oder "Urinstinkt", wo man eigentlich eine kurze Sprechpause macht (und denen man eine unsinnige Bedeutung geben kann wenn man sie anders betont ). Ich muss aber dennoch sagen dass ich finde dass es unnatürlich klingt, wenn man bei "Lehrer*innen" kurz stockt. Vielleicht liegt es daran, dass sich in diesem Fall das Wort tatsächlich auf sinnvolle Art ändern kann, je nachdem ob man eine Sprechpause einfügt (-> "Lehrer*innen") oder nicht (-> "Lehrerinnen")? Ich weiß es nicht.
Nun - und wozu das alles, wenn es im Endeffekt nur die Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein betont und künstliche Spaltung schafft, obwohl wir das im Sinne der Gleichheit doch hinter uns bringen wollten?
Wie ich in manchen Beispielen in meinem Beitrag angedeutet habe kann es m.M.n. durchaus oft sinnvoll sein, zwischen den Geschlechtern zu unterscheiden. Die meisten Menschen interessieren sich bei Liebesdingen ja entweder grundsätzlich für Frauen oder für Männer. Dann gibt es getrennte Räume oder Bereiche wie Toiletten, Umkleiden oder Internatswohnungen. Es gibt noch biologische Aspekte wie Schwangerschaft wo es einfach Sinn macht zu differenzieren. Und aus praktischen Gründen ist es oft einfach, wenn man sich ohne umständliche Formulierungen auf weibliche oder männliche Personen oder Teile einer Gruppe beziehen kann.
Und wenn man Geschlechter trennen kann dann ist es auch sinnvoll, diese Trennung aufheben zu können, falls Unklarheiten bestehen können.
Noch mal zu @Dian's Idee, bei Männern "-ich" anzuhängen: Mir ist aufgefallen, dass sich "Polizistich" komisch anhören würde, "Polizisterich" würde mir da besser gefallen. Ich frage mich welche anderen solcher Berufsbezeichnungen etc. nicht auf "r" enden, und mit einer "-ich"-Endung komisch klingen würden(?).
Man sagt ja "Frau Lehrerin" - würde man dann konsequenterweise auch "Herr Lehrerich" sagen, oder würde "Herr Lehrer" schon reichen, da in dem Fall klar ist dass es männlich ist?
Noch ein paar Anmerkungen zum Schluss:
- Ich bin etwas älter, und habe eine andere Sprachsozialisation als
jüngere Menschen, und war längere Zeit kaum noch unter Leuten. Kann sein dass wir deshalb (oder auch aus anderen Gründen) manche Dinge
unterschiedlich sehen. - Ich habe der Einfachheit halber nur zwischen Männern und Frauen unterschieden, und Diverse erst mal außen vor gelassen. Kann sein dass ich da ein paar wichtige Aspekte übersehen habe.
...und noch ein paar völlig unwichtige Korrekturen:
Ergänzend dazu sind Wörter wie "das Mitglied" oder "das Elternteil" auch generisch neutral
Nicht ganz, es heißt "der Elternteil".
Auch damit, dass man für die Bundeskanzlerin Merkel erst die weibliche Form für den Beruf schuf
Ich bin mir sicher, dass auch schon vor Merkel darüber gesprochen wurde, dass es eine "Bundeskanzlerin" geben könnte, und dass man dabei dieses Wort verwendet hat. Ich denke es ist auch einfach ein natürlicher Vorgang in unserer Sprache, an ein Wort mit männlichem Genus und Sexus (edit: oder uneindeutig männlich/neutralem Sexus) das auf "er" endet "-in" anzuhängen, um es zu verweiblichen. Das funktioniert ja sogar mit aus dem Englischen übernommenen Wörtern wie "Gamer" -> "Gamerin".