Der Kern ist eher, dass kein Mensch so wirklich bock darauf hat, sich durch externe Führung an der Nase herumfummeln zu lassen, schon gar nicht an seinem Wert. (Vom kollektiven Stockholm Syndrom abgesehen) In tiefsten selbst erstrebt irgendwie jeder Mensch nach Freiheit, sagen wir, Ich-Souveränität.
Das klingt mir nun aber auch sehr nach Ideologie. Nur weil das bei dir, und den meisten hier im Forum es so ist, lässt sich das nicht allgemeingültig übertragen. Ich sehe jedenfalls im Alltag kaum bis gar keine Menschen, die wirklich nach Freiheit und Unabhängigkeit gieren. Der allgemeine gesellschaftliche Status quo ist vielmehr, dass man möglichst viele Leute um sich herumzuscharen versucht. Man tut das mit anbiederungsvollem Smalltalk, denselben Interessen und unterbewusst natürlich auch mit Kleidung, derselbigen Sprache und denselben Sprüchen.
Wer das alles nicht kann oder will, ist Außenseiter. So nennen es die Jugendlichen. Zwanzig Jahre später wird so jemand als verschroben, und noch mal zehn Jahre später als vereinsamt bezeichnet.
Er wird dann seine "Ich-Souveränität" haben, aber wird auch von der Gesellschaft verstoßen sein.
Der Individualismus, wie du ihn als Grundbedürfnis beschreibst, ist einfach tot. Und weil das so ist, versucht man natürlich auch in Heimen - wenn man überhaupt etwas versucht - die Jugendlichen auf einen Pfad zu bringen, auf dem alle anderen sich auch befinden. Damit ist die Welt dann in Ordnung und das Problem gelöst. Das gesellschaftliche Leben kann wieder stattfinden. Das mag für manche zutreffen, andere Fälle sind hingegen nicht von ungefähr in den Räumlichkeiten angespült worden. Bei denen beißt man damit auf Granit und erzeugt nur noch mehr Ablehnung durch ebendiese Erwartungshaltung. Hier wäre richtig gute Jugendarbeit gefragt, und nicht nur ein Abarbeiten von pädagogischen Stichpunktlisten. Realistisch betrachtet wird man diesen Menschen aber nicht helfen können, weil das einfach nicht vorgesehen ist. Die können sich da nur selbst rausholen - wenn sie zum Schein mitspielen, oder aber tatsächlich gerade in den letzten zügigen ihrer pubertätsbedingten Aufmüpfigkeitsphase sind, und es doch noch auf fruchtbaren Boden fällt. Alle anderen sind besser beraten mit Gleichgesinnten (die es in den Einrichtungen vermutlich eher gibt als draußen), oder eben mit Rückzug. Sprich sich in Bücher und Videospielen vergraben, fortlaufen oder aggressiv werden und dort drin durchdrehen (was dann wiederum eine ganz andere Maschinerie zum Anlaufen bringen wird).