Ich sollte für dieses Schul-Religions-Geschwafel vielleicht einen extra-Thread (jetzt kann ich das Wort nimmer schreiben, ohne ständig daran denken zu müssen - danke Celdur ) aufmachen und diesen hier nicht länger mit konstruktiven Gesprächen zumüllen.
Meine melancholisch sinnentleerten Beiträge natürlich außer Acht gelassen.
Passt thematisch übrigens auch irgendwie super zu dem Interview mit Hans A. Pestalozzi, das wir Anarchonauten damals für unseren Song "Systemlosigkeit" gesampelt haben.
Danke für den Link, ich habe früher mal erfolglos nach diesem Interview gesucht, jetzt konnte ich es mir mal ganz anhören.
Da sind jedenfalls wirklich gute Ansätze dabei, nur geht mir Pestalozzis überschwänglicher Optimismus manchmal ziemlich gegen den Strich. Auf der einen Seite begründet er dies damit, dass es seine Lebenshaltung sei, die seinem Willen, seinen Überzeugungen entspricht, er kritisiert Strukturen, Dynamiken und die Gesellschaft, so, wie sie jetzt ist - doch er schließt den Kreis damit, dass seine Lebensweise keine Veränderung intendiert und wirft letztlich den Nihilisten vor, dass sie es seien, die immer auf dem gleichen Standpunkt verweilen werden.
Solange es gesellschaftlich zu überwindende Hürden gibt, wird auch niemand aus einer anarchischen Überzeugung heraus mit seinen Mitmenschen leben können, weshalb das Streben nach einer Veränderung schon im Grunde impliziert werden muss.
Ja - er möchte darauf hinaus, dass man trotz anhaltender Konflikte seine Überzeugung lebt, doch in diesem Sinne schaufelt man sich zusätzliche Steine auf den Weg.
Es ist genau das gleiche Prinzip: Jemand hängt auf der Arbeit in seinen Ketten und flucht zähneknirschend darüber, wie sehr ihm seine Lebensweise auf den Senkel geht, aber auch eine andere Lebensweise verändert nichts daran, dass er ständig in Konflikte geraten wird, weshalb er es einfachheitshalber beim Status Quo belässt und sich weiterhin beklagt. Er kann es sich vielleicht im Rahmen einfacher gestalten, dagegen spricht nichts, dann hat er zwar z.B. freiberuflich noch immer Zeit- und Gelddruck und arbeitslos eben den Druck vom Staat und andere Abhängigkeiten, kann sich denen allerdings auf keine Weise entziehen.
Das heißt, der Konflikt bleibt bestehen, aber fast beeindruckend, dass sich der Pestalozzi mit seinem kritischen Blick auf die Welt und trotz keiner Intention in seinem Grundsatz noch an den Optimismus heranwagt.
Was meinen Lehrer angeht, wir sollten unsere Ergebnisse der Hausaufgabe gegenseitig unserem Sitznachbarn vorstellen und dann waren wir dazu aufgefordert, uns zu melden, wenn wir glaubten, dass die Ausarbeitung unseres Sitznachbars gelungen war. Sie hat mich nach der Vorstellung einfach nur schief angeglotzt, dabei hatte sie selber maximal zwei Stichpunkte stehen, die sie vielleicht kurz vor dem Unterrichtsbeginn eben hingekritzelt hat.
Danach konnte man freiwillig sein eigenes Zeugs vortragen und er hat ein paar Ergebnisse eingesammelt ... darunter auch meines. Wird schon hoffentlich nichts schlechtes heißen - im Zweifelsfalle nur der Schulpsychologe.
Der nächste Textausschnitt scheint mal vor Zuversicht und Lebensfreude förmlich zu strahlen.
Viktor Emil Frankl. Unser Religionslehrer schrieb offenbar seine Abschlussarbeit über ihn und seinen Text, oder so.
Viel Vergnügen!
Zitat
Viktor Emil Frankl: "Das Leiden am sinnlosen Leben"
Viktor Emil Frankl (1905–1997) war, ebenso wie Sigmund Freud, Psychiater. Er begründete die sogenannte Logotherapie. Eine Zeit lang war er tätig als Arzt für Selbstmordgefährdete in einem Wiener Krankenhaus.
Tatsächlich wenden sich heute mehr und mehr Patienten an uns mit dem Gefühl einer inneren Leere, wie ich sie als „existenzielles Vakuum" beschrieben und bezeichnet habe, mit dem Gefühl einer abgründigen Sinnlosigkeit ihres Daseins. [...] Dieses Sinnlosigkeitsgefühl tritt in Erscheinung in Form von Gleichgültigkeit und Langeweile. Nun, die Langeweile kann, wie ja schon die Sprache lehrt, eine „tödliche” sein; tatsächlich wird von manchen Autoren behauptet, dass Selbstmorde letzten Endes auf jene innere Leere zurückzuführen seien, wie sie der existenziellen Frustration entspricht. Heute kommt all diesen Fragen eine besondere Aktualität zu. Wir leben in einer Zeit zunehmender Freizeit. Aber es gibt nicht nur eine Freizeit von etwas, sondern auch eine Freizeit zu etwas; der existenziell frustrierte Mensch jedoch kennt nichts, womit er sie ausfüllen könnte. [...] Wenn ich gefragt werde, wie ich mir die Heraufkunft dieses existenziellen Vakuums erkläre, dann pflege ich die folgende Kurzformel anzubieten: Im Gegensatz zum Tier sagen dem Menschen keine Instinkte, was er muss, und im Gegensatz zum Menschen von gestern sagen dem Menschen von heute keine Traditionen mehr, was er soll. Nun [...] scheint er oftmals nicht mehr recht zu wissen, was er im Grunde will. So will er denn nur das, was die anderen tun - Konformismus! Oder aber er tut nur das, was die anderen wollen - von ihm wollen - Totalitarismus. [..] [Immer wieder beobachten wir], wie das Bedürfnis und die Frage nach einem Lebenssinn gerade dann aufflammen, wenn es einem am dreckigsten geht. [...] Auf der anderen Seite beschwört [...] auch die Befriedigung der niederen Bedürfnisse, etwa im Rahmen der „Überflussgesellschaft” [die Sinn- frage herauf]. [...] Das existenzielle Vakuum kann auch larviert, maskiert bleiben, und wir kennen diverse Masken [...]. Denken wir bloß an die Krankheit der Manager, die sich aus ihrer Arbeitswut heraus in die Betriebsamkeit hineinstürzen, wobei der [...] „Wille zum Geld” [...] den Willen zum Sinn verdrängt! [...]
Ich halte das beschleunigte Tempo des Lebens von heute für einen wenn auch vergeblichen Selbstheilungsversuch der existenziellen Frustration, denn je weniger der Mensch um ein Lebensziel weiß - nur desto mehr beschleunigt er auf seinem Lebensweg das Tempo. [...] Kein Psychiater, kein Psychotherapeut [...] kann einem Kranken sagen, was der Sinn ist, sehr wohl aber, dass das Leben einen Sinn hat, ja - mehr als dies: dass es diesen Sinn auch behält, unter allen Bedingungen und Umständen, und zwar dank der Möglichkeit, noch im Leiden Sinn zu finden. [...] [Auch der einfache Mann kann] kraft seines Willens zum Sinn kommen [...], und zwar auf drei Wegen. Zunächst einmal sieht er einen Sinn darin, etwas zu tun oder zu schaffen. Darüber hinaus sieht er einen Sinn darin, etwas zu erleben, jemanden zu lieben.
Alles anzeigen
Echt schwierig, wie macht ihr das?
Wurdest du in der Schule noch nie ungerecht benotet?