Wie viele "aufgeklärte" Jugendliche gibt es wirklich?

  • Die meisten User hier dürften wissen das ich gegenüber meinen Altersgenossen äußerst kritisch bin. Doch in den letzten 10 Tagen habe ich mal aktiv nach Menschen mit ähnlichen Interessen und Gedanken sowie Denkweisen Ausschau gehalten, genau genommen in einem abgesehen davon sehr allgemeinen Onlineforum. Ich habe in diesem Zeitraum mit ~20 Leuten geschrieben und bei den mit mir kompatiblen Menschen einige interessante Ähnlichkeiten festgestellt, wenn wir mal von den ganzen Normies (~70%) absehen.


    Zu meinem Erstaunen fand ich nämlich auch mehrere mehr oder weniger "aufgeklärte" (ich mag dieses Wort nicht unbedingt, aber mir fällt kein besseres ein... Versteht es bitte nicht falsch wenn ich das benutze) Jugendliche. Und zum ersten Mal überhaupt auch weibliche, nachdem ich zuvor niemals irgendwelche überhaupt annährend derartig denkende Gleich- (ok, ähnlich-)altrige mit diesem Geschlecht fand. Und ich denke, dass ich jetzt auch den Grund dafür kenne;


    Sobald ein Jugendlicher die Absurdität dieser Welt erkennt, verspürt er nicht selten den Drang sich mit ähnlich denkenden auszutauschen. Doch üblicherweise bleibt der Freundeskreis in der Schule zunächst der selbe, sofern man nicht Außenseiter ist. So habe ich bisher von 4 oder 5 Mädchen in meinem Altersbereich gehört (die allerdings bis auf eine Ausnahme nicht in Deutschland leben; Ich habe eh den Eindruck, dass die deutsche Jugend tendenziell deutlich verblödeter ist anderswo), dass sie sich zwar durchaus mit solchen philosophischen Problemen befassen und z.T. sogar anarchistisches oder gesellschaftskritisches Gedankengut befürworten, aber einfach schlicht mit niemanden darüber reden können. Und so leben sie weiter in Alltagsapathie... Sie wollen ihre Freunde nicht verlieren und reden mit denen dann halt weiterhin nur über Make-Up und Jungs, andere Themen würden zu sozialer Isolation führen. Anpassung und Fassaden um sich falsche Freunde warmzuhalten und nicht mit den Lehrern oder Eltern Stress zu bekommen... Aber wenn ich dann z.B. anfange über das Schulsystem zu reden (meistens bin ich offenbar der erste den sie kennen der sich für sowas interessiert) kotzen die sich stets gut ab. ^^


    Bei männlichen Jugendlichen scheint dieses Anpassungs-Denken eher weniger verbreitet zu sein, aber ich hätte nicht gedacht auf einer sehr allgemeinen Plattform so viele teilweise "aufgeklärte" Menschen mit den erwähnten Eckdaten anzutreffen. Nun bin ich vielleicht biased weil ich nur eine sehr kleine Vergleichsgruppe habe, aber ich kann mir gut vorstellen dass der Anteil der gedanklich angepassten Herdentiere in der Jugend vielleicht nicht 99% sondern nur 95% oder so beträgt. Absolut gesehen kein großer Unterschied, relativ hingegen schon. Aber viele von denen sind offenbar einfach so sehr ins System eingebunden dass sie keine Möglichkeit haben mit irgendwem über ihre Gedanken zu reden. In diesem Zusammenhang würde ich übrigens auch gerne mal das MBTI-System erwähnen, dass ich im Zuge dieser Suche nach ähnlich denkenden fand und das mir seitdem sehr hilfreich ist um mich selbst und andere zu verstehen. Wäre sehr interessant falls jemand hier sich darüber beliest und auch mal so einen Test macht und seine Ergebnisse postet.


    Ok, was haltet ihr also von meiner Schlussfolgerung oder was habt ihr allgemein für Gedanken zu diesem Thema? Und wie könnte man solche "aufgeklärten" Jugendlichen besser vernetzen?

  • Bezüglich des MBTI System, hier mal mein Ergebnis:
    DEIN PERSÖNLICHKEITSTYP IST:
    “DEBATTIERER”
    (ENTP-T)
    Und zu deinem Text oben, oft denke ich, dass viele Menschen wissen, dass es scheiße läuft, und das zu merken ist ja auch nicht sonderlich schwer, und gerade beim Schulsystem kann man jeden Jugendlichen dazu bringen, darüber abzukotzen, auch wenn das normalerweise nicht das Thema ihres Freundeskreis ist.
    Leider bleiben viele Menschen einfach nur unzufrieden, ohne zu versuchen ihrer kritischen Gedanken in eine konstruktive Form zu bringen. Aber ich will auch mal versuchen wie viele von solchen Leuten ich finden kann, denn oft scheitert man daran, dass man selber ja viel zu oft nur Smalltalk verwendet, obwohl beide bereit wären über tiefere Gedanken zu reden.

  • Vor einiger Zeit habe ich mal so einen Indikator gemacht. Um etwas sicherer zu gehen habe ich den Test dann später noch einmal auf anderen Seiten wiederholt. Das Ergebnis lautete intj. Am Besten sind noch die bekannten Persönlichkeiten, die auf der Seite unten aufgezählt werden. Ich gleiche also Schwarzenegger, Putin, Nietzsche, Gandalf, 7o9 und Yennefer von Vengerberg? Nice. Ähnlich wie bei Horoskopen gilt aber auch hier vermutlich: https://de.wikipedia.org/wiki/Barnum-Effekt. Ich würde insgesamt auch nicht zu viel auf das Ergebnis geben, denn Menschen sind doch mehr, als dass man sie unter ein paar wenigen allgemeingültigen Kategorien abheften könnte. Außerdem wird dieser Test meiner Kenntnis nach fast ausschließlich im us-amerikanischen Personalbereich verwendet und nicht wirklich oft von ernsthaften Psychologen genutzt. Welcher Typ bist du denn?


    Letztes Jahr habe ich in der Bahn zwei junge Menschen gesehen, die höchstwahrscheinlich Anarchisten waren. Jedenfalls haben sie sich wütend über ihre Chefs unterhalten, Hierarchien kritisiert und an ihrer Kleidung waren mehrere Buttons mit anarchistischen Symbolen befestigt. Habe ich sie daraufhin dann fröhlich angesprochen? Nein. Denn auch wenn ich selten mal das Glück habe und mir zufällig kritische, "aufgeklärte" Menschen über den Weg laufen, heißt das noch lange nicht, dass mir diese auch irgendwie sympathisch sind oder ich abgesehen von der eher kritischen Haltung irgendetwas anderes mit ihnen gemeinsam habe.

  • Jugendliche neigen dazu, "Phasen" zu haben... In diesen Phasen probieren sie gerne verschiedene Rollen aus, um ihren Platz in der Welt zu finden. Und dazu gehört natürlich auch manchmal die Rolle des unangepassten Rebellen oder des kritischen Misanthropen.
    Den Fehler, aus ein paar vielversprechenden Ansätzen gleich zu schließen, dass dies ihrer wahren Persönlichkeit entspricht, habe ich schon oft genug begangen. Nur leider sind diese Phasen meist schnell wieder vorbei, und werden ersetzt durch andere Phasen, in denen dann plötzlich nur noch das jeweils andere Geschlecht wichtig ist, oder irgendein neues cooles Hobby, oder sonst irgendwas, was plötzlich interessanter erscheint als die doofen Frustrationsgedanken, die einen ja scheinbar doch nicht weiterbringen.


    Dazu kommt noch, dass Jugendliche (vermutlich schon immer, aber dank Smartphone-Technologie heutzutage in besonderem Maße) extremst kommunikationsgestört sind. Ein vernünftiges längeres Gespräch zu führen ist IMHO fast unmöglich. Dazu müsste man sie wohl vorher auf einem Stuhl festbinden und ihnen alle anderen Ablenkungsmöglichkeiten und ihre zwanzig Handys wegnehmen, damit sie einem Gesprächspartner die ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen lassen würden, wie sich das eigentlich gehört.
    Ich hab's wirklich oft genug versucht, aber so wie es aussieht, betrachten die meisten sowas nur als Lückenfüller, wenn gerade Ferien sind oder sie sonstwie Langeweile haben.
    98 Prozent von denen, wo du denkst, dass sie was Besonderes sein könnten, entpuppen sich in ein paar Monaten oder Jahren als total normal, und sie werden irgendwann so enden wie ihre Eltern und deren Eltern.
    Die Menschen, die wirklich dauerhaft von ihrer Persönlichkeit her komplett anders und inkompatibel zur Masse sind, die sind nochmal deutlich seltener zu finden, und ich glaube nicht, dass sie massenhaft in irgendwelchen Foren rumhängen (vermutlich nichtmal hier in diesem. :huch: )

  • Dians Beschreibung der Jugendlichen trifft nach meiner Beobachtung in ähnlichem Maße auch auf Erwachsene zu. Etwa vor 10-15 Jahren begann mit dem Erscheinen der "Trutherszene" eine Welle des "Blinzelns". Viele Menschen stellten ihr bisheriges Leben in Frage und ein Teil dieser wollte komplett aus dieser Lügenwelt raus. Sie riefen sinngemäß: "Ihr könnt mich alle am Arsch lecken! Ich laß' mir das nicht länger gefallen!".


    Aber was ist davon heute noch übrig?
    Vor ca. 5 Jahren ist diese Welle wieder abgeebbt und die meisten, die vorher laut "Nein" gerufen haben, sind wieder kleinlaute Jasager innerhalb ihres Sklavensystems, welches sie wie Kettenhunde verteidigen.


    Als Begründung lieferten sie einen dicken Katalog an faulen Ausreden wie
    "Zum Träumen ist das Leben zu hart", "Ich bleibe lieber realistisch", "Aus dem System kommt eh niemand raus", "Bis zum Zusammenbruch des Systems kann es noch Jahrzehnte dauern", "Das Leben ist kein Ponyhof", "Arbeiten gehen heißt, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen", "Wenn ich jetzt alles hinschmeiße, komme ich nie mehr auf die Beine", "Wovon soll ich denn leben?", "Was soll ich denn im Alter ohne Rente machen?", "Meine schöne, große Wohnung will ich nicht hergeben", "Ich bleibe bei meinem Beruf, den ich erlernt habe", "Soll ich jetzt wohl alles aufgeben, was ich mir mühsam erarbeitet habe?", "Ich kann doch meine Familie nicht einfach so im Stich lassen", "Wenn ich jetzt abhaue, brauche ich mich daheim nicht mehr blicken lassen", "Was sollen denn die Leute denken?", "Wer soll denn das Haus meines schwer arbeitenden Freunds putzen und ihm das Essen machen?", "Ich bleibe bei meinem Freund, da ich hoffe, daß er eines Tages aufwacht", "Im System kann ich viel mehr tun als außerhalb", "Das System ist nicht durchweg schlecht", "Ich vertraue auf das Gute in allen Menschen", "Ich gehe mit Licht und Liebe auf die Arbeit", "Mit Meditation kann ich mir den Alltag erleichtern", "Bald wird alles besser", "Jesus wird mir helfen", bla, bla, bla ...


    Alle meine damals systemkritischen Ex-Bekannten arbeiten heute in Normaljobs, versuchen ihr Glück mit Online-Werbung, mit Esoterik oder allem miteinander. Einer, der damals am liebesten auf einer Almhütte leben wollte, kandidierte sogar 2014 für den CDU-Gemeinderat.


    Wo sind denn die paar Leute, Junge wie Alte, die bis heute bei ihrem Nein geblieben sind? Ich vermute, viele, die nicht von Hartz IV o.ä. leben, leben womöglich in Bauwägen oder in abgeschiedenen Hüttendörfern in Spanien oder Portugal, meist ohne viel Technik. Viele versuchen auch, als Weltenbummler für Kost und Logis auf Bauernhöfen irgendwie durchzukommen.

    Aber da wird man meist nur rücksichtslos ausgenutzt - was viele dieser Weltbenbummler veranlaßt, wieder ins Geldsklavensystem zurückzukehren mit der Begründung: "Für die gleiche Arbeit habe ich ein viel besseres Leben".


    Also ich vermute stark, daß die Neinsager in allen Altersgruppen ähnlich gering vertreten sind. Die paar jungen Leute, die vorgeben, sie würden die Welt zum Positiven verändern können, kann man allesamt in der Pfeife rauchen. Sie sind keinen Deut anders als der große Rest.


  • In der Marktgemeinde, in der ich seit Mitte 2015 wohne, war die Bahnhofsunterführung mit Sprüchen unter der Gürtellinie so vollgeschmiert wie eigentlich sonst alle Unterführungen. Keine Besonderheit.


    Eines Tages aber entdeckte ich was ganz neues. Inmitten diverser Äußerungen mit niedersten Beweggründen prangten folgende Worte:


    "Mind Controlled! Sexkranke Jugend ohne Liebe!


    Seitdem frage ich mich, wer das wohl geschrieben haben könnte. Ein Jugendlicher? Oder eher ein frustrierter Opa?


    Kürzlich wurden die Fliesen dieser Unterführung gereinigt und ich bin gespannt, was als nächstes kommt.

  • Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, fällt mir tatsächlich kaum jemand ein, der nicht letztlich ziemlich normalen, langweiligen Lebensentwürfen angehangen hat. Typisch war das brave Lehrerkind, das im Sportverein aktiv ist und keinen großen Gedanken an gesellschaftliche Zusammenhänge verschwendet hat. Insofern stehen auch meine ehemaligen Schulkameraden, soweit ich es überblicke, heute alle "mit beiden Beinen fest im Leben", verdienen gutes Geld und haben, insofern ihnen die Karriere nicht dazwischengekommen ist, Familien gegründet. Politisch schwankt das alles zwischen SPD und CDU, politische Ausreißer gab's da nicht, nichtmal irgendwelche vermeintlich rebellischen subkulturellen Phasen.
    Und wenn ich heute mit Bekannten spreche, die mit Jugendlichen arbeiten, bestätigt sich dieses Bild letztlich. Fun und Konsum seht an erster Stelle, und wenn man mal etwas gegen die gesellschaftliche Norm anschwimmt, dann äußert sich das vielleicht in Fußball-Hooliganismus oder ähnlichem.


    Gegenbeispiele hab ich schon ein paar getroffen, zumeist in politischen Zusammenhängen. Das sind allerdings dann Idealisten und Menschen der Tat, die sicher nicht in Foren wie diesen ihre Zeit zubringen oder viel für soziophobe Unity-Kellerkinder übrig hätten ;-) Die trefft ihr in sozialen Zentren oder in politischen Zeltlagern, und statt schwermütig über den Sinn des Lebens zu philosophieren, machen die sich eher Gedanken, wie sie soziale Bewegungen tatkräftig unterstützen können -sei es durch Menschenrechtsbeobachtung in Chiapas oder Aufbauhilfe in Rojava.


    Man sollte sich eben darüber klar werden, was man will. Vertraute Wesen finden, Seelenverwandte, die sich ebenso fremd hier fühlen wie man selbst - das ist wohl der Kern des Unity-Gedankens. Sich gegenseitig zu retten und aufzufangen, damit die unselige Tendenz der Unityaner, frühzeitig aus dem Leben zu scheiden, ein wenig abgebremst wird - das ist auch ein hehres Ziel.


    Ein Problem hab ich immer ein wenig, wenn ich sehe, wie hier Überlegenheitsdünkelei gemeinsam kultiviert wird. Depressionen und soziale Unzulänglichkeiten sind an sich noch kein Beleg für "Aufgeklärtsein", auch wenn es viele herausragende Individuen geben mag, die eben gerade deshalb verzweifeln, weil sie sich sich von ihrer Umwelt nicht verstanden fühlen. Dabei würde ich mich fragen, was genau einen denn nun vom Rest unterscheidet. Dass hier wirklich jemand aus dem gesellschaftlichen Kreislauf ausbricht, sehe ich zumindest nicht (mich eingeschlossen).

  • Lonewolf, ich danke Dir vielmals für Deine Ausführungen! Da hast Du was angestoßen, was mal bei mir aktiv, aber in den letzten Jahren verschüttet war aufgrund diverser Erfahrungen, die ich lieber an anderer Stelle behandeln möchte.


    Meiner Meinung nach fehlt in diesem Forum eine wichtige Rubrik:


    LÖSUNGEN


    Daß jeder mehr oder weniger als Einzelkämpfer unterwegs ist und ständig seinen Frust irgendwo abläßt, kann auf Dauer keine Lösung sein, finde ich. Das bringt niemanden wirklich weiter.


    Vielmehr würde ich es begrüßen, wenn es eine eigenständige Rubrik mit diversen Unterrubriken gäbe, in denen jeder seine Theorien bzw. Erfahrungen einbringt, aus denen Einzelne, diverse Gruppen oder sogar alle gemeinsam einen Nutzen ziehen können.
    Gerade Jugendliche in der Orientierungsphase könnten aus diesem Pool schöpfen, um ihren individuellen Weg zu finden.


    Bevor ich mein Anliegen bei Änderungswünsche/Verbesserungsvorschläge poste, wäre ich an der Meinung der anderen Foris hier interessiert.