Unfähige Regierung?

  • Aktuell wird ja wieder viel über die Regierung geschimpft und darüber, dass die Ampelkoalition keinen gemeinsamen Nenner findet und Otto Scholz ein unfähiger Kanzler ist.

    Der Eindruck kann natürlich entstehen. Und das ist vermutlich auch ganz normal, wenn Parteien gemeinsam zu regieren versuchen, die so wie FDP und Grüne kaum gemeinsame Nenner haben (außer den Wunsch, unbedingt regieren zu wollen...)

    Andererseits frage ich mich auch, ob es jemals besser war. Waren frühere Regierungen etwa nicht unfähig? Und wie weit muss man in der deutschen Geschichte zurück gehen, bis man eine fähige Regierung findet?

    War Merkel fähig, oder hat sie nur die CDU ruiniert?

    War Schröder fähig, oder hat er nur die SPD ruiniert?

    War Helmut Kohl fähig, oder hat er nur die DDR ruiniert? etc.

    Ist es vielleicht am Ende sogar relativ irrelevant, was Einzelpersonen denken oder entscheiden, weil sie letztlich alle nur Spielball einer globalen Dynamik und des Zeitgeists sind? Und wenn du Glück hast, regierst du eben gerade in ruhigen Zeiten und kannst dich darauf beschränken, an Kleinigkeiten herumzudoktern und dich über irgendwelche Mini-Reförmchen zu zerstreiten. Aber wenn du Pech hast, kommt eine globale Krise nach der nächsten, und man kann da im Grunde nur die falschen Entscheidungen treffen und wird immer von einer Hälfte der Bevölkerung als unfähig bezeichnet werden, wie etwa bei Corona. Handelt die Regierung zu streng, hagelt es Kritik von der einen Seite... doch hätte sie kaum Maßnahmen ergriffen, wäre die Gegenseite genauso laut geworden und hätte ihnen Vorwürfe gemacht, dass sie die Menschen zu wenig geschützt hätten.


    Was ist eure Meinung dazu? Ist die aktuelle Ampel-Regierung einfach nur normal unfähig, oder außergewöhnlich unfähig?

  • Die Kombination aus SPD, Grün und FDP ist eben weder Fisch noch Fleisch. Grundlegendere soziale Veränderungen, z.B. bei der Grundsicherung, werden eben ausgebremst. Zudem ist die derzeitige Regierung in einem Ausmaß mit Krisen konfrontiert, die in der Form schon sehr lange (bzw noch nie) nicht präsent waren.

    Ich sehe mich zudem bei grundlegenden Punkten (Ukraine, Nahost) weitaus näher an den Positionen der Regierung als an irgendwelchen oppositionellen Stimmen. Von linker Seite kommt hier ja kaum was vernünftiges oder akzeptables.

    Zudem ist diese Regierung (bzw das Innenministerium) die erste in der Geschichte, die zumindest gegen ein paar der rechten Terrorgruppen hierzulande vorgeht. Abstriche hinsichtlich Sympathiepunkten gibt es natürlich für parallele Verfolgung von Antifaschisten, die auch ein Ausmaß angenommen hat wie vielleicht zuletzt in den 70ern (und da gab es Anschläge und Entführungen und nicht das SEHR zurückhaltende Vorgehen der militanten Linken wie heute).


    Das waren die positiven Punkte. Negative lasse ich mal außen vor, da ich, wie gesagt. nicht davon ausgehe, dass irgendeine Alternative es besser machen würde.

  • Zitat

    Was ist eure Meinung dazu? Ist die aktuelle Ampel-Regierung einfach nur normal unfähig, oder außergewöhnlich unfähig?

    Ich denke das liegt immer auch im Auge des Betrachters und hängt stark davon ab was man darunter versteht. Es gibt ja durchaus auch Leute die allen Unkenrufen zum Trotz weiterhin der Ampel ein gutes Zeugnis ausstellen würden, auch wenn diese Leute sicherlich mittlerweile eher in der Minderheit sind. Am fähigsten werden Politiker doch immer dann eingeschätzt wenn sie noch gar nicht am regieren sind und lauter tolle Ideen vorbringen und Versprechungen machen, was dann dazu führt gewählt zu werden. Am Anfang sind die Erwartungen dann noch relativ hoch nehmen dann aber immer weiter ab und schlagen irgendwann in Ernüchterung um. Es ist halt leichter aus der Opposition heraus die amtierende Regierung zu kritisieren und die Wähler mit vollmundigen Absichtserklärungen zu ködern, aber zum Regieren gehört halt mehr als über schöne Pläne zu fabulieren.

    Vielleicht sind es ja auch die Wähler die am unfähigsten sind, denn in einer Demokratie hängt es ja von ihrem Urteilsvermögen ab, sie wählen aber immer wieder die gleichen Gaukler, weil diese ihnen immer aufs neue genau jene Märchen erzählen welche sie hören möchten, obwohl jeder insgeheim ahnen muss, dass in aller Regel nichts wahr sein kann was zu schön klingt um wahr zu sein. Aber solche bedenken schlägt der geneigte Wähler schnell wieder in den Wind wenn er an all die schönen Wahlgeschenke denkt. Es wird sich ja häufig über bestechliche Politiker aufgeregt und das auch zurecht, aber wenn ich so darüber nachdenke sind die Wähler doch die ersten in dieser Bestechlichkeitskette, es scheint einigen gar nicht so wichtig zu sein ob da irgendwelche charakterlosen Machtmenschen und dilettantische Hochstapler in den Bundestag gewählt werden, solange man sich dabei auch Vorteile für die eigene Klientel verspricht und man die eigenen Interessen dabei gewahrt sieht.


    Es befinden sich ja innerhalb einer jeden Regierung immer alle möglichen Ministerien miteinander im Wettstreit, es wird um Steuergelder gekämpft und um Befugnisse gestritten und zusätzlich befinden sich dann noch die verschiedenen Koalitionspartner in ständiger Konkurrenz zueinander und dann wird noch ein ständiger Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition ausgefochten. Dazu kommen noch die vielen Beschlüsse aus Brüssel und man muss sich noch mit den Vertretern anderer EU Mitgliedsstaaten einig werden und mit den Regierungschefs der außereuropäischen Staaten abkommen schließen. Und anschließend muss man all das auch wieder dem eigenen Volk schmackhaft machen und sich wieder mit den Koalitionspartnern absprechen und gegen die Opposition behaupten, die aus allem was man tut oder unterlässt immer neue Munition für weitere Anfeindungen generiert, während die Ministerien sich erneut im Wettstreit um mehr Geld und Befugnisse Zanken und gegenseitig blockieren.

    Ich möchte ehrlichgesagt wirklich kein Politiker sein, höchstens um möglichst viel Kohle dabei abzugreifen. Aber wie soll eine Regierung auch kompetente Politik machen können, wenn keines der Glieder in der Kette bereit ist sich bei den anderen einzuhaken und an einem Strang zu ziehen.


    Aber über Richtig und Falsch lässt sich ohnehin lange streiten und da ist sich ja ohnehin keiner wirklich einig. Den einen liegt die Wirtschaft am Herzen während andere den Erfolg der Regierung eher an sozialen Errungenschaften für die Bürger festmachen. Für manche misst sich der Erfolg der Regierung daran wie viele Menschen aus armutsgeplagten und krisengeschüttelten Ländern bei uns Zuflucht suchen und wie gut sie hier versorgt werden können, für andere misst sich der Erfolg am genauen Gegenteil. Die einen wollen Klimaneutral werden, die anderen fürchten um den Verlust von Wohlstand. So zieht sich halt ein Keil durch alle möglichen Bereiche der Politik und jeder betrachtet ein anderes vorgehen als zielführend.

    Ich finde es sollte viel mehr der Konsens zwischen den verschiedenen Positionen gesucht werden und und ein komplementärer Ansatz gefunden werden, aber wie das genau funktionieren soll ist mir auch ein Rätsel. Derzeit verhält sich doch die gesamte Menschheit eher wie ein Organismus bei dem alle Organe und Zellen gegeneinander Vorgehen. Ich glaube die Unfähigkeit geht weit über das Versagen der Politik hinaus, es ist das Scheitern unserer gesamten Spezies und die Absurditäten innerhalb der Politik sind nur eines von vielen Symptomen davon.

    ''Everyone around me, they feel connected to something. Connected to something, I'm not.''
    Motoko Kusanagi