Die Unity-Philosophie

  • - Wunsch nach mehr Abschottung und Abwehr 'unerwünschter Menschen'

    Wenn du es unbedingt als "Rechtsruck" bezeichnen magst, dann wird das wohl am ehesten auf diese Thematik zutreffen, dass ich ein paar meiner früheren Ansichten heute etwas differenzierter sehen würde. Aber ich muss dir ja nicht erzählen, aus welcher Zeit ich bzw. wir kommen, und wie das damals in den 90ern noch war, als Asylantenheim brannten und Skinheads durch die Straßen marschiert sind. Da fiel es wahrlich nicht schwer, sich zu positionieren und für eine Seite zu entscheiden, und es war selbstverständlich, als intelligenter aufgeklärter Mensch "gegen Nazis" zu sein.

    Seither hat sich viel geändert, und die Dinge sind eben doch ein bisschen komplizierter geworden, auf so vielen verschiedenen Ebenen,

    Vielleicht noch hierzu, auch vor dem Hintergrund der furchtbar überraschenden gegenwärtigen Entwicklungen in der AfD:

    Ich kenne einige Menschen im Osten, die die 'Baseballschlägerjahre' von Anfang bis Ende miterlebt haben und die u.a. an der Verteidigung von Zentren bzw Vierteln beteiligt waren. Es mag sein, dass wir heute nicht mehr in der Form mit rechter Straßengewalt konfrontiert sind, wie es in den 90ern der Fall war. Trotzdem würde keiner von den Leuten sagen, dass es heute 'besser' ist oder dass sich irgendwelche Fronten verschoben hätten. Wir erleben eine beispielslose Faschisierung breiter Teile der Bevölkerung, da kann die Front der Verharmloser (in deren Horn auch du bläst) so lange dagegen anreden, wie sie will. Es sind ja primär Konservative, die hier verharmlosen, da sie sich selbst eine 'Rückkehr zu den alten Werten' wünschen. Für Menschen, die ein Problem mit Autorität und 'überkommenen Wertvorstellungen' haben, sollte vollkommen klar sein, wo der Feind steht. Dass neue Probleme hinzugekommen sind, ändert daran überhaupt nichts. Auch mit dem Islamismus und der Gewalt durch migrantische Bandenstrukturen wird man angemessen umgehen müssen. Nur geht die politische Gefahr hierzulande nun mal eindeutig von Rechts aus, und nein, die Rechten haben in keiner Weise 'freiheitliche' Positionen vertreten, es sei denn, man ist so blöd, die Ablehnung von Masken zum elementaren Bürgerrecht zu verklären.

    Ich denke, wir sind über den Punkt weit hinaus, in dem der Fokus aus Überzeugungsarbeit liegen sollte. Natürlich kann bzw sollte man mit den Leuten reden, die politisch unentschlossen sind. Aber der rechten Symbiose aus Mob und Elite (eine Kerneigenschaft des Faschismus) muss die Stirn geboten werden. Und jemand, der sich selbst als 'Anarchist' begreift, sollte die legitime und notwendige Kritik an politischen Fehlentwicklungen nicht mit dem existenziellen Kampf gegen Faschismus und autoritäre Formierung auf eine Stufe stellen.

  • Wie gesagt, ich sehe bei dir eher viel 'Essenzialismus' , die Suche nach dem 'natürlichen', 'edlen' und 'freien' Individuum. Vielleicht so wie bei radikalen Reformern wie Thoreau, aber eben nicht im Sinne von Leuten wie Bakunin oder Machno ;)

    Naja, es gibt eben auch nicht DEN Anarchismus, sonst würde auf der Wikipedia-Seite über Anarchismus auch nicht der halbe Artikel nur von den Unterschieden zwischen den verschiedenen anarchistischen Strömungen handeln. ;) Irgendwelche anarchistischen Feminist*innen, die sich über kulturelle Aneignung und toxische Männlichkeit aufregen, haben mit Machno und Bakunin vermutlich auch nicht all zu viel gemeinsam, außer halt dem Grundegedanken, auf den man sich einigen kann, dass man eine Herrschafts- bzw. Hierarchielose Gesellschaft anstrebt. Und dann gibt's eben auch noch den Individualistischen Anarchismus, Zitat Wikipedia:

    Zitat

    Der individualistische Anarchismus ist eine im 19. Jahrhundert in Nordamerika entstandene Lehre, die das Individuum und seine Interessen als Mittelpunkt der Gesellschaft ansieht, der keinen Gegensatz zu den vorgenannten sozial orientierten Formen darstellt und in Opposition zum Kollektivismus steht. Die individualistische Strömung wurde in den USA vor allem von Benjamin Tucker entwickelt. In Deutschland vertrat ihn der Anarchist und Schriftsteller John Henry Mackay, der sich hauptsächlich auf Benjamin Tucker und Max Stirner berief.[19] Der Individualanarchismus wird häufig als Extremform des Liberalismus beschrieben.

    Der Gegensatz zwischen Individualismus-Egoismus und Kollektivismus-Altruismus stellt eine wichtige anarchistische Auseinandersetzung dar.

    Dass ich eher in diese Richtung tendiere, als in Richtung Anarcho-Syndikalismus oder ähnliches, sollte klar sein. Ich sehe mich nun aber auch nicht als radikaler Liberaler oder sowas, da dies ja meistens mit impliziert, dass man wirtschaftspolitisch für einen freien Markt ist und den Kapitalismus ganz gut findet, oder zumindest keine Probleme damit hat. Aber dass der Kapitalismus eine ziemlich kranke Scheiße ist, sag ich ja nun auch wirklich schon seit es das Forum gibt. Nur ist das Entwickeln von Alternativen dazu auch nicht unbedingt mein Spezialgebiet... aber Ansichten dazu geäußert habe ich ja durchaus hier und da mal.

    Ich würde dir auch nicht unterstellen, dass du einen freien Markt oder den Kapitalismus toll findest (wobei wir durchaus mal über dein Kapitalismusverständnis sprechen könnten ;)). Wenn du eher nach einem radikalen Liberalo als nach einem Anarchisten klingst, dann deswegen, weil in der praktischen Konsequenz der bürgerliche Staat für dich letzten Endes immer den Bezugsrahmen bildet. Sieht man ja schön an deiner Themenwahl im Forum (Wahlen; Was macht die Regierung falsch? Forderung nach Grundeinkommen etc.) und vor allem auch an der Art und Weise der Politikerschelte (siehe AfD-Debatte), nach dem Motto 'Die Politiker hören dem einfachen Volk nicht zu' etc., was dann wieder zu Verständnis für Populisten führt.

    Das sind bürgerliche Reflexe. Ich persönlich lege ja keinen großen Wert mehr darauf, mir ein Label wie 'anarchistisch' anzuheften, aber versuche schon größtenteils, nicht dieser Logik zu erliegen. Soll heißen: In der Art und Weise, wie wir mit den Krisen und Problemen umgehen, sollte der Blick doch auf die eigenen Möglichkeiten gerichtet sein, anstatt darauf, dass andere gefälligst alles für uns zu regeln hätten. Anarchismus heißt nicht nette Gedankenspiele über utopische Zustände anzustellen, sondern Verantwortung zu übernehmen, sich jenseits der Logik von Macht und Herrschaft zu bewegen. Es heißt übrigens auch nicht nachzuplappern, was man irgendwo bei Stowasser oder Graeber gelesen hat ;-)

  • Verzeiht, dass ich mit geringfügiger Verzögerung antworte. Hier ist meine Kritik zu "Der Fremde".


    Ich mag Geschichten, in denen das normale Leben als etwas Seltsames und Fremdartiges betrachtet wird. Ich habe mich als Kind selbst einmal zum Außerirdischen erklärt und diesen Planeten zu einem rückständigen Ort, an dem ich nicht wirklich zuhause bin. Und ich kann diese Entscheidung heute noch vollkommen nachvollziehen. Momentan wieder ganz besonders. Deshalb trifft die Prämisse von "der Fremde" schonmal einen Nerv.


    Obwohl mir visuelle Beschreibungen wichtig sind, finde ich es hier passend, dass das Aussehen des Fremden oder seines Raumschiffes nicht beschrieben wird. Es soll ja nicht die Fremdartigkeit des Fremden betont werden, sondern man soll seine Perspektive einnehmen. Da er seinen persönlichen Eindruck von einer Welt erläutert, die er nicht kennt, sind Unsachlichkeiten diesbezüglich nicht so schlimm, auch wenn ich ähnliche Probleme sehe, wie im ersten Teil des Buches. Trotzdem ist es unterhaltsam. Ich frage mich, wie lange der Fremde sich auf der Erde aufhält. Hat er genug Vorräte dabei? Ist ja nicht so, dass man auf dieser Welt einfach so an lebensnotwendige Dinge kommt. Für alles braucht man Dokumente, Genehmigungen, Ausbildungen.


    Dass er nachts auf dem Hügel ein verständnisvolles Mädchen trifft und keinen besoffenen Penner oder misstrauischen Ordnungshüter, kann auch nur in einer fiktiven Geschichte passieren.


    Interessant sind die Beschreibungen seines Heimatplaneten. Die Individualität, die sich im Aussehen der Leute, ihren Beziehungen und der Gestaltung ihres Lebensraumes ausdrückt finde ich sehr erstrebenswert. Genau so ist das in meiner Idealwelt auch. Was mir auch gefällt, ist die allgemeine Achtung vor den Bedürfnissen der Menschen, dass alle als gleichwertig anerkannt werden, dass auch Kinder ein Mitspracherecht haben, dass auf Rehabilitation statt auf Strafe gesetzt wird. Und dass Bildung und Arbeit locker gehandhabt werden, ohne Konkurrenzkampf, Karrierismus und Bürokratie. Allerdings machst du es dir sehr einfach, der Computer bringt einem schnell mal alle nötigen Fähigkeiten bei, die Kanalisation wird im Vorbeigehen gereinigt...Manche Arbeit ist tatsächlich anstrengend und schmutzig oder erfordert eine lange Ausbildung und viel Erfahrung. Manches ist auch widersprüchlich, z.B. wird aggressives Verhalten geächtet, aber Könige köpfen und Schulen abbrennen ist in Ordnung. Ich glaube in so einer Gesellschaft würden die Leute ihre Wut nicht an Gebäuden auslassen, sondern einfach alle geschlossen nach hause gehen und den Lehrer dumm aus der Wäsche gucken lassen. Aber so eine brennende Schule hat natürlich Symbolkraft und ist eine befriedigende Vorstellung, wenn man in seinem Kämmerlein sitzt und seinen Frust über die Gesellschaft zum Ausdruck bringt. Ich mache das auch ständig.


    Ob es wirklich nichts bringen würde, wenn Außerirdische, die tatsächlich wohlmeinend sind, öffentlich auf der Erde landen, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Dafür gibt es ja keine Vergleichswerte. Darüber Spekulationen anzufangen, führt mir jetzt aber zu weit.


    Von all deinen Geschichten ist es diese, in der ich am ehesten leben wollte. In den anderen ist ja immer alles am Arsch und die Protagonisten müssen sich als Untergrundkämpfer durchschlagen. Spannend zu lesen, aber für mich als ausgewachsene Sofakartoffel wäre das nichts.