Fehlende emotionale Bindung

  • Heute mal etwas rein privates; ich weiß ja nicht wie das bei euch ist, und ich weiß auch nicht, ob das bei anderen Menschen so der Fall ist, da ich nie über so was mit anderen rede, aber ist es normal, wenn man keinerlei emotionale Bindung verspürt, vor allem zu seiner Familie??


    Würdet ihr behaupten oder gegenüber eurer Familie sagen, dass ihr sie liebt?
    Fangen wir mal bei meinem Vater an, der seit meinem fünften Lebensjahr nicht mehr bei mir lebt und den ich maximal 3-4 Mal im Jahr für einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen sehe. Ich habe nie das Bedürfnis ihn anzurufen und mit ihm zu sprechen, wenn dann ruft er an, auch wenn wir dann auch mal längere Gespräche führen. Er hat meistens auch immer seinen Unterhalt gezahlt, doch letztens hat er mir meinen Unterhalt um 200 Euro gekürzt, weil ich nicht das für meine Zukunft tue, was er für richtig hält. Aber ich hab ihn nie wirklich vermisst.
    Meine Mutter ist mir eigentlich da wichtiger und ich bin auch froh, dass ich bei ihr lebe, denn sie ist deutlich liberaler eingestellt und mischt sich nicht in meine Handlungen ein. Aber ich kann ihr auch nicht sagen, dass ich sie liebe, sowas macht man in meiner Familie auch irgendwie nicht, und wahrscheinlich würde ich es auch nicht machten, denn auch sie hab ich nie vermisst, wenn sie mal weg war, oder ich wünsche mir oft, dass sie einfach auch ohne ihre Kinder glücklich ist.
    Meine Geschwister: Mein erster Bruder ist in Kanada und ich vermisse ihn nicht, bin eher froh, dass ich meine Ruhe hab und er nicht mehr bei uns im Haus wohnt. Etwa das selbe mit meiner Schwester, die war auch ein Jahr lang weg, und wohnt schon lange nicht mehr hier, ich habe auch bei ihr kein Bedürfnis sie mal anzurufen, man sieht sich ab und zu mal aber sonst kommt man auch allein klar. Mein ältester Bruder war mir sowieso immer etwas fremd, denn erst war er auch einem Internat und später recht schnell aus dem Haus, und heute kommt er recht selten mal am Wochenende vorbei. Und ich streite mich wenn dann auch oft mit ihm weil er ein hoffnungsloser Kollektivist ist, der sich mit dem System arrangiert hat, nur weil er schon mal in Ländern war, die schlimmer sind als Deutschland. Und dann hängt er auch nur in meinem Zimmer rum. Mit meinen Großeltern hab ich auch wenig zu tun, mit meine Tanten und Onkeln erst recht, und deren Kinder kenne ich gar nicht. Und ich spüre auch kein Verlangen an diesem Umstand was zu verändern.


    Ich hasse meine Familie zwar nicht, aber wenn die weg wäre, wäre es vielleicht etwas ungewohnt, aber ich werde trotzdem wohl keine Sehnsucht nach ihnen haben. Ist das normal? Wenn man sein Leben mit einer festen Personengruppe verbringt, muss man doch wohl eine gewisse Beziehung aufbauen, oder nicht?
    Das selbe ist mit Freuden aus der Schule, die ich hatte und die dann gegangen sind und man hat sich nie wieder gesehen, und keiner hatte den Wunsch, dass man sich mal wieder sieht.
    Die Gefühle zu meinen Eltern sind vielleicht mit denen vergleichbar, die ich zu anderen Erwachsenden in meinem Freundeskreis hab, außer, dass meine Eltern natürlich immer was für mich übrig haben werden, aber man muss doch was FÜHLEN, wenn man an diese Personen denkt!
    Momentan kenne ich keine Person, die ich wirklich vermissen würde, wenn ich morgen man Somalia auswandern würde, also wirklich physisch und eben emotional, denn das war noch nie so bei mir und ich bin gespannt auf den Tag, an dem ich wirklich mal nach jemanden Sehnsucht haben werde.


    Eine Ausnahme wäre vielleicht, bei meiner alten Freundin, in die ich echt doll verliebt war, sie würde ich heute noch gerne wiedersehen, aber das schiebe ich auf das Verliebt Sein, und die damit verbundenen Gehirndrogen, denn eigentlich kann sie mir nichts geben.


    Wie ist das bei euch, habt ihr nach einiger Zeit echte Sehnsucht nach Personen und freut euch richtig, wenn ihr sie wiederseht, oder fühlt ihr auch nichts dabei, ob sie jetzt da sind oder nicht?

  • Im Gegensatz zu einigen aus dem Forum oder meinem persönlichen Umfeld, kann ich nicht sagen dass ich jemals Hass auf meine Eltern gehabt hätte oder fundamental mit ihnen unzufrieden gewesen wäre. Als Kind muss auch mal eine relativ starke Bindung bestanden haben. Meine Eltern waren niemals wirklich schlecht zu mir, haben mich als einzige Menschen jemals bedingungslos geliebt und alles in ihrer Macht stehende getan damit es mir an nichts fehlt. Ich will meine Eltern daher auch erst gar nicht mit anderen Eltern oder irgendwelchen Wunschvorstellungen meinerseits vergleichen, denn das wäre ihnen gegenüber unfair. Ich kann nicht sagen dass ich ihre Ansichten und ihr persönliches Lebensmodell für besonders erstrebenswert halte, aber immerhin sind sie keine ehrgeizigen Karrieristen und keine dominanten Unterdrücker gewesen, die mein Leben zur Hölle gemacht hätten.


    Tiefe emotionale Bindungen konnte ich wohl noch nie wirklich aufbauen, ob es nun an mir lag oder an den anderen Menschen ist mir noch nicht ganz klar. Ich habe mich immer danach gesehnt eine solche tiefe gegenseitige Bindung zu einem anderen Menschen aufbauen zu können, mit dem ich mich blind verstehen würde.
    Leider kam es nie wirklich dazu und die letzte Person bei der ich solche Hoffnungen hegte und der ich mich daher öffnete und begann mich um sie zu bemühen wie noch nie, zeigt mir nun mit jedem weiteren Tag an dem ich mich danach sehne und mich um sie bemühe, wie verschwendet diese Mühe doch ist. Das führt nun zu bis dato ungeahnter Verzweiflung und beinahe täglich wiederkehrenden Selbstmordgedanken, nicht selten mit dem Hintergedanken was die Person wohl denken würde wenn ich mir das Leben nehme. Am nagensten ist wohl dieses Gefühl tiefschürfender Einsamkeit. Selbstgewählte Einsamkeit kein schön sein, wird sie einem jedoch von anderen aufgezwungen kann sie unerträglich werden.


    Ich bin zudem jemand der alles mit sich selbst ausmacht und über seine Gefühle nicht wirklich mit anderen reden kann, demnach kann ich anderen auch nur schlecht zeigen wie ich mich fühle. Ich bräuchte erst die tiefen emotionalen Bindungen um mich jemandem öffnen zu können, aber um diese Bindungen formen zu können müsste ich mich schon vorher stärker mitteilen, ein Teufelskreislauf.
    Wie ich aber jetzt aktuell feststellen musste, ist nichts schmerzhafter als sich zu öffnen und zu bemühen und dennoch abgewiesen zu werden. Erst recht wenn man nicht heftig oder mit Nachdruck weggestoßen wird, was zumindest auf irgendeinen Grund schließen ließe, auf irgendein kolossales Fehlverhalten welches man gezeigt haben könnte, sondern lediglich keine richtige Beachtung zu finden, vernachlässigt oder ignoriert zu werden. Das Gefühl bloß die zweite Geige zu spielen, sich bemüht zu haben und dennoch nicht zu genügen. Zwar durchaus als schätzenswerter Mensch zu gelten, dem man auch durchaus attestiert dass er Nett und liebenswert sei, aber eben auch nicht mehr. Nicht wichtig genug um darüber hinaus etwas ganz besonderes für diesen Menschen zu sein. Am quälendsten bleibt vielleicht die Ungewissheit darüber in welchen Bereichen es womöglich nicht gepasst haben könnte und woran es letztlich gescheitert sein könnte. Und das schlimmste wenn man nicht ausdrücklich abgewiesen wurde, ist die dämlich naive Hoffnung die man sich weiterhin macht...

    ''Everyone around me, they feel connected to something. Connected to something, I'm not.''
    Motoko Kusanagi

  • Bei dem Thema muss ich irgendwie daran denken, wie ich mal zwei Leute aus dem Forum zu Besuch hatte (ist schon ewig her), und ich dann zu ihnen sagte: "Entschuldigt mich kurz, ich muss mal ganz schnell meine Mutter trösten. Mein Vater ist gerade gestorben." :D Denen war die Situation vermutlich unangenehmer als mir.


    Ich denke, diese kleine Anekdote zeigt jedenfalls recht schön, wie ich so drauf bin und wie es mit meiner emotionalen Bindung der Familie und den meisten anderen Menschen gegenüber aussieht.
    Dabei kann ich mich über meine Familie eigentlich nicht beklagen. Die paar, die noch am Leben sind, sind ganz ok, und mein Vater war übrigens auch ok. Aber so die tiefe Bindung konnte ich (mal abgesehen vom Kindesalter) nie zu ihnen aufbauen, weil ich das irgendwie nur mit Menschen kann, die ähnlich denken und fühlen wie ich.
    Also derjenige darf mir nicht fremd sein, und die meisten Menschen sind mir nunmal von ihrem Wesen her ziemlich fremd... selbst meine Mutter, auch wenn sie eine warmherzige nette Frau ist, ist mir doch von ihrer Art her komplett fremd.
    Ich habe es daher schon immer vorgezogen, mir lieber eine Wahl-Familie zu suchen, anstatt mehr Zeit als unbedingt nötig mit der Blutsverwandtschaft zu verbringen. Dort, im kleinen Kreis derer, mit denen ich mich geistig verbunden fühle und die die Welt mit ähnlichen Augen betrachten wie ich, kann ich dann auch sehr emotional sein, und an denen hänge ich dann auch ziemlich (manchmal auch mehr, als mir gut tut)
    Bei allen anderen finde ich es vielleicht schon irgendwie schade, wenn sie eines Tages nicht mehr da sind... aber mehr halt auch nicht. Also nicht dass ich trauern würde oder sowas. Solche starken Gefühle empfinde ich wirklich nur bei ganz ganz wenigen Menschen.

  • Ich habe die ersten Sätze gelesen und habe gedacht ... Mensch, das bin ja ich ... Ich hatte einen Vater, den ich nie als Vater sah. Ich habe eine Mutter, die ich absolut als meine Mutter sehe ... einfach, weil sie sich mir gegenüber nie als Mutterfigur war. Bei den Geschwistern inzwischen ist es genauso, ja ich habe sie, aber ich weiß nicht, wie ich zu denen stehe, weil sie mir absolut nicht nahe sind.
    Deshalb kann ich dich sehr wohl verstehen. Genauso ist es mit allem anderen auch. Tanten, Onkels ... Selbst meine Schwiegereltern sind für mich eher "Ballast" ... Ich kann nichts mit denen anfangen, einfach, weil sie nicht in meiner Welt sind. Sie wollen das auch gar nicht, solange es nicht in ihren Kram passt. Und ich habe absolut keine Lust mich wegen Menschen, die mich nicht so, wie ich bin, zu akzeptieren. Umstellen werde ich mich deshalb auch nicht.