Was bedeutet für euch Faschismus und faschistisches Denken und Handeln?

  • Also muss ich dochnochmal ran, aber es ist mir auch ein wichtiges Anliegen.
    Nein ich möchte denBegriff nicht komplett umdefinieren, wie ich ja schon versucht habeklarzustellen.


    Ich sehe ebensoeinen starken Bedarf Begriffe klar herauszuarbeiten, da hier eine großeKommunikationsblockade liegt.
    Und nein ich möchtehier niemanden umdrehen oder davon überzeugen, dass meine Definition richtigist.
    Ich habe in meinemLeben, schon weiß Gott, wie über Faschisten oder den Faschismus geschimpft undihn aufs schärfste verurteilt und bei den negativen Aspekten ist das immer noch der Fall.


    Deine Definition sehe ich auch durchaus als zutreffend an im herkömmlichen Sinn.
    Aber ich denke derandere Aspekt sollte auch beleuchtet werden.


    Mein Ambition istdabei eine Diskussion darüber zu starten und Nachdenken anzuregen.
    Philosophischversuche ich kindlich naiv und unvorbelastet an solche Begriffe ran zu gehenund zu verstehen was den Reiz daran ausmacht. Ich glaube nicht daran, dass esböse Menschen gibt, zumindest aus deren subjektiver Perspektive.
    Ich denke wenn mansein Denken und das Denken von anderen verändern will, ist es eben ein guter Wegdahin.


    Symbolen eine neueBedeutung zu geben, das Verständnis zu erweitern, denke ist eine guteStrategie.
    Die Nazis machen dasvor und man kann deutlich sehen, wie gut das funktioniert.
    Nimm z.B. dasHakenkreuz, eigentlich ein Sonnensymbol, in Indien wird es so noch verwendet.
    Symbole haben einestarke Wirkung sie strahlen etwas aus.
    Und werden mit einerBedeutung belegt.
    Warum sollten diese"kraftvollen" Symbole nur den Nazis vorbehalten sein? Manprivilegiert sie ja irgendwie geradezu damit.
    Hat das wasgebracht, ich glaube nein, die Rechte ist stark am Vormarsch.


    Wie schon versuchtdarzustellen sind meine Ambitionen:


    Das Nachdenkenanzuregen und das Denken zu verändern, zu erweitern.
    Strukturen heraus zuarbeiten, welche einen totalitären oder machtmissbräuchlichen Hintergrund habenoder dazu führen und ich finde das reicht auch als gemeinsamer Nenner undbringt mehr Klarheit. Eben eine anarchistische Haltung.
    Ich sehe es alsGegenstück zur Cancel Culture, diese bedeutet nur die Augen zu verschließen,also Zensur.


    Symboleumzudefinieren oder das Verständnis zu erweitern, bedeutet die dahinterliegenden Denkstruktur zu hinterfragen und zu verändern. Also eineWurzelbehandlung.
    Schwarz-weiß Denkenempfinde ich als zu undefiniert und führt zu starkem Lager Denken.
    Brücken zu schaffen,zwischen Menschen mit linker und rechter Gesinnung. So dass sie sich vielleichtin der Mitte treffen können.
    Gerade für Rechteliegt doch die Faszination eher an den positiven Aspekten, diese Ihnenabzusprechen führt nur zu einer Ausgrenzung und eben Lagerdenken. Und ja da gibt es wirklich hoffnungslose Fälle, aber bei den Linken auch.
    Ich denke, das istvielen Linke oder auch Anarchisten nicht bewusst, dafür möchte ich einBewusstsein zu schaffen.


    Anstatt mit demFinger zu zeigen, wäre es schön sich die Frage zu stellen, welche Muster zeigeich selbst und dann gezielt zu entscheiden ob das ein positiver oder einnegativer Aspekt ist.
    Also differenzieren.
    Gemeinsamkeitenschaffen, Reframing, eine ähnliche Technik wie beim Pick-up (Heißt nicht dasich Pick-up gut finde).
    Ich denke halt gern quer und ecke natürlich damit immer wieder an, aber ich sehe das positiv.
    Durch leichte Verwirrung einen kreativen Prozess starten um in diesem Fall mehr Klarheit zu schaffen. :evil::nono:
    Mein und das Bewusstsein zu erweitern. Ich sehe das in der ursprünglichen Definition als eine antifaschistische Aktion an.


    Ich möchte dem Wolfdie Zähne ziehen im Namen der Liebe und des Anarchismus ;)
    … so viel Text ichkriegs einfach nicht kürzer hin. :dead:

    -- Liebe macht frei, Arbeit nicht immer! --


    Steckt nicht in uns allen ein kleiner Anarchist, Spießer, Kapitalist, Faschist, Kommunist, Individualist und Querdenker?

  • Die Geschichte lehrt uns, was Faschismus ist, obgleich jedes faschistische Regime Eigenheiten hat. So ist der klerikale Faschismus, der gerade in Polen besteht, nicht derselbe, den bspw. die AfD in Deutschland gerne hätte.


    Die Sprache ist im Wandel, nichtsdestotrotz gibt es klare Anhaltspunkte.

  • Was versteht ihr unter Faschismus?

    Ein oder mehrere Anführer scharen eine Masse folgsamer Menschen um sich, die alle Gegner und Nichtmitglieder der auf Befehl und Gehorsam aufgebauten Gruppe als minderwertig einstuft und letztendlich vernichtet. Interne Kritik und Probleme werden unterdrückt und äußeren Feindbildern zugeordnet, die von den Anführern erdacht oder bei den Mitgliedern gefördert werden. Gedankliche (Fehl)Konstrukte der Anführer werden nicht hinterfragt, als absolute Wahrheiten verklärt und zur Rechtfertigung grausamer Taten genutzt. Der einzelne Mensch betrachtet die Ideologie und den Fortbestand der Gruppe als größer und wichtiger als sein Leben und gibt nebenbei die Verantwortung für sein Handeln ab.


    Ich möchte dem Wolfdie Zähne ziehen im Namen der Liebe und des Anarchismus

    Ich hab mir gerade ein Video über autonome Kampfroboter angeschaut, ich glaube das wird nix mit dem Sieg der Liebe. Da kann ich meine Liebe für die Menschheit genauso gut in eine neue PS5 stecken und lernen, wie man die Scheisse steuert. ;)

    Gegen die Sinnlosigkeit des Lebens kommt man nicht an, aber man kann drüber lachen und dem Universum stolz den ausgestreckten Mittelfinger zeigen.

  • Es gab und gibt verschiedene Formen autoritärer Herrschaft, aber der Faschismus ist meines Erachtens vor allem durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Es handelt sich um eine politische Bewegung, die in modernen Gesellschaften entsteht, mit dem Ziel


    a) die bürgerliche bzw mehr oder weniger liberale Demokratie durch eine Diktatur zu ersetzen
    b) eine Revolution von links zu verhindern. Für den Faschismus ist linkes Denken im weitesten Sinn die Ideologie des Feindes, egal ob dieses je nach Kontext als Bolschewismus, Kulturmarxismus, 'Liberalism' etc bezeichnet wird, es geht immer darum, gegen 'Gleichmacherei', 'Werteverfall', eine soziale Wirtschaftspolitik usw. zu intervenieren.


    In dem Sinne ist Faschismus eine Art 'konservativer Revolution'. Welche konkreten Formen er annimmt und welche Ideologien Verwendung finden, kann im Einzelfall unterschiedlich sein. Letztlich sind auch die Ideologien hier Mittel zum Zweck, weshalb es auch im Gegensatz zu Marxismus oder Anarchismus keinen bestimmten Kanon an Texten gibt (was jetzt nicht heißt, dass der Faschist nicht von dem überzeugt ist, was er tut). Hauptfunktion der faschistischen Ideologie ist die Stabilisierung der Gemeinschaft, z.B. durch mythische Verklärung (Schicksalsdenken, Blut und Boden, Religion) oder die Projektion eines ewigen Feindes (Antisemitismus).
    In Bezug auf Punkt b) ist Ideologie also ein Ablenkungsmanöver: Über die gesellschaftlichen Widersprüche des Kapitalismus wird der Schleier des Obskurantismus gelegt.


    Wie gesagt, Gewaltherrschaft gab es schon immer, und vermutlich haben schon unsere Vorfahren mit Keulen und Speeren Andersdenkende unterdrückt und Völkermorde angerichtet. Daher habe ich auch ein Problem damit, wenn entweder ahistorisch oder unangemessen von 'faschistischen Methoden' gesprochen wird.
    Es geht mir jetzt sicher nicht darum, linke Diktaturen bzw autoritären Sozialismus gegen Kritik zu verteidigen. Nur sollte man meines Erachtens eben hier mit klarer Trennschärfe der Begriffe und Definitionen vorgehen, um die jeweiligen gefährlichen Entwicklungen identifizieren und dagegen vorgehen zu können.


    Oben genannte Herangehensweise würde ich als 'historisch-kritisch' bezeichnen. Im Ausgangsthread wurde ein Ansatz gewählt, den ich als 'etymologisch' bezeichnen würde, d.h. der Begriff als solcher rückt in den Fokus. Das halte ich für wenig zielführend, da die 'fasces' eben eher zufällig als Symbol gewählt wurden. Es trägt, um einen Vergleich zu ziehen, ja auch nicht zum Verständnis des Jakobinismus bei, über die Herkunft des Namens Jakob zu debattieren.

  • Ich finde es Klasse, dass du gleich klare Definitionen lieferst. Und einen Teil der Problematik gleich klar erfasst hast.



    Das Wort wird für so viele Dinge benutzt, dass es für mich und vielleicht auch für andere schwierig ist, es klar einzugrenzen.


    Sind das Militär, die Polizei oder auch Sicherheitsdienste strukturelle faschistisch?


    Wie sieht es bei Unternehmen aus, ab wann können diese als faschistisch bezeichnet werden?


    Also sind Hierarchien generell faschistisch?


    Ab wann sind sie das?



    --- was ich hier etwas mit rein gemischt habe ist die Frage nach den eigenen faschistischen Tendenzen. Aber darüber kann man ja erst wirklich diskutieren wenn man die Definition eingegrenzt hat. Also wo weisen meine eigenen Denkweisen und Verhalten faschistische Tendenzen auf oder wo haben sie diese zur Folge und wie sind diese zu beurteilen sind im negativen aber vielleicht auch im positiven Sinn.

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  • Ich habe heute denThread nochmal gelesen und ich denke ich hab den Titel unglücklich gewählt,deshalb habe ich ihn jetzt geändert in:
    Was bedeutet füreuch Faschismus oder faschistisches Denken und Handeln?

    Ist am Titel zu sehen ;)


    Andreas Kemper zitiert übrigens in seinem Vortrag zur AfD von Sabaton verlinkt den Briten Roger Griffin,
    zum Thema faschistischer Ideologie mit folgen Worten.


    Faschsitische Ideologie = Palingentischer Ultranationalismus


    Palingenese_(Sozialwissenschaften)


    Das Video stellt zu diesem Thread auch eine sehr gute Informationsquelle dar. Kemper hat dazu schon öfter gesprochen,
    aber finde, hier ist er noch ausführlicher als sonst.


    Wiki zu Roger Griffin: Roger D. Griffin (* 31. Januar 1948) ist britischer Professor für Zeitgeschichte an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Oxford Brookes University in England und zählt zu den weltweit beachtetsten Faschismusforschern der Gegenwart.

  • Es trägt, um einen Vergleich zu ziehen, ja auch nicht zum Verständnis des Jakobinismus bei, über die Herkunft des Namens Jakob zu debattieren.

    Jakob, ein jüdischer Name ... Wenn da mal nicht mehr dahinter steckt


    Jakob – Wikipedia


    Dreht den Kopf um 720° und schaut verwirrt drein :pillepalle:

  • Da kommt ja eine sehr produktive Diskussion zu Stande, das freut mich sehr. Leider habe ich aktuell keine Zeit mehr mich weiter damit zu beschäftigen. Ich hoffe ich finde später nochmal etwas Zeit auf den einen oder anderen Punkt ein zu gehen.

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  • Wie gesagt, ich finde es etwas schwierig, die Frage nach 'faschistischen Tendenzen' zu beantworten, da wir hier sehr schnell in den Bereich der Polemik und der unscharfen Definitionen rutschen. Wir erleben das ja gerade in Bezug auf 'Schwurbelnazis' oder 'Quernazis' bzw häufig verfehlte Antisemitismus- oder Rassismus-Vorwürfe, die nicht unbedingt zu einer kritischen Einordnung beitragen und oft eher verharmlosend wirken.


    Ich versuche es trotzdem mal.


    zu Frage 1: Gewissermaßen ja, besonders natürlich in Ländern mit faschistischer Vergangenheit und entsprechenden Kontinuitäten in Behörden und Bevölkerung (z.B. Deutschland, Italien, Griechenland, Spanien). Weshalb man die genannten Behörden immer an die Leine legen und verhindern sollte, dass diesen mehr Macht als absolut nötig zugesprochen wird.


    zu Frage 2: Siehe Punkt b), natürlich hatten und haben kapitalistische Unternehmen ein Interesse daran, eine linke Revolution oder Einflussnahme zu verhindern. Dementsprechend ist die Vorstellung einer radikalen Liberalisierung der Märkte auch problematisch, wenn sich dadurch gesellschaftliche Widersprüche so sehr verschärfen, dass im Grunde nur noch zwei Optionen übrigbleiben: 1) Rückkehr zum Sozialstaat oder Sozialismus oder 2) autoritäre Verteidigung des Kapitalismus, z.B. durch den Faschismus. Das wäre auch mein Argument gegen sogenannte Anarcho-Caps - es klingt nach 'libertärem' Denken, trägt aber den Faschismus in sich.


    zu Frage 3 und 4: Nicht grundsätzlich, Hierarchien sind ja erstmal die Folge von Unterschieden und Aufgabenteilung. Tendenziell faschistisch ist die Idee einer organischen Gemeinschaft, in der Hierarchien quasi naturhaft und/oder gottgegeben sind. Zumindest in der heutigen Zeit, ich will jetzt nicht wiederum ahistorisch werden und z.B. das christliche Mittelalter als faschistisch bezeichnen. :)



    Ups, ich sehe gerade, dass die Fragen gar nicht an mich gerichtet waren - sei's drum ;)