Die weiße Rose und der Nationalsozialismus

  • Heyho an die Unity-Mitglieder/innen!


    Ich würde hier gerne ein Thema ansprechen, welches bei uns im Ethikunterricht kurz erwähnt wurde.
    Soweit ich weiß, war Sophie Scholl eine dominierende Leiterin einer deutschen Widerstandsgruppe, welche sich gegen die Diktatur des Nationalsozialismus im zweiten Weltkrieg einsetzte. Ich blende hier jetzt das 5. Flugblatt von ihr ein.



    Ich denke, ich bin hier richtig, um zu fragen was ihr davon haltet. Ihr Mut und die Zivilcourage, während sie unerschöpflich zu ihren Worten beigestanden ist, faszinieren mich. War das ein Friedensprozess? Was genau war eigentlich der Nationalsozialismus?

  • Es einen Friedensprozess zu nennen gefällt mir. Aktuell war es sicher eine notwendige Gegenbewegung, sprich ganz natürlich. Wo wären wir heute, wenn man Mund, Augen und Ohren gegen das Unrecht verschließt?
    Wenn es nur Gutes gäbe (was es nicht gibt), bräuchte es keinen Widerstand. Ein schlechter Mensch stellt sich nicht hin und fordert Ausgleich zum Guten, sondern er ist einfach blind gegenüber Werten, oder hat ein gestörtes moralisches Verhalten entwickelt.

  • Ihr Mut und die Zivilcourage, während sie unerschöpflich zu ihren Worten beigestanden ist, faszinieren mich

    Eine derartige Euphorie für Gerechtigkeit war schon damals unüblich und ist heute wie damals meist auch nur der Jugend geschuldet. Sophie Scholl starb mit 22 Jahren. Heute gilt das für Rebellen schon als alt. Die Hochphase hat man mit 16, dann kommt der Berufsberater ins Klassenzimmer und nimmt den meisten die Illusion.


    Man kann große Teile des Textes in die heutige Zeit übertragen. Geändert hat sich nicht viel. Sogar die Bevölkerung, an welche sie sich richtet, ist in großen Teilen die Gleiche. Auch 80 Jahre später muss man vor Nazis warnen und auf ihre Gräueltaten hinweisen. Schon wieder. Aber erschreckenderweise interessiert das kaum einen. Und schockieren tut es schon gar nicht. War vermutlich zur damaligen Zeit nicht anders. Da hatte jeder mit sich selbst zu tun. Und wenn wir heute in etwas gut sind, dann genau darin.


    Wer sich fragt, wie das damals passieren konnte, der lebt momentan genau in der richtigen Zeit.

    Einmal editiert, zuletzt von Unmensch ()

  • Ohne den Mut und das Opfer der Scholls in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, aber letzten Endes haben sie eben 'nur' Flugblätter verteilt. Das ist natürlich die Art und Weise von 'Widerstand', die die heutige bürgerliche Gesellschaft gerne sieht. An dieser Stelle sollte immer wieder an Georg Elser erinnert werden, für dessen Andenken und Anerkennung ja recht lange gestritten werden musste:
    LeMO Kapitel - NS-Regime - Widerstand im Nationalsozialismus - Attentat von Georg Elser


    Ganz zu schweigen von radikaler politischer Opposition, die ihr vermutlich nicht im Ethik-Unterricht thematisieren werdet:
    Schwarze Scharen – Wikipedia


    Tja, was war der Nationalsozialismus? Ich kann mich gut erinnern, wie ich zu meiner Schulzeit mit Geschichtsdaten berieselt wurde, ohne dass irgendwie näher darauf eingegangen wurden, wie der deutsche Faschismus überhaupt entstehen konnte. Und ich tue mir tatsächlich heute noch ein wenig schwer damit, das Schüler-gerecht zu erklären. Oft wird der Antisemitismus in den Vordergrund gestellt, aber ich denke, in seinem Wesenskern war der historische Faschismus - global betrachtet, nicht nur in Deutschland - eine Antwort auf die Ideen von Arbeiterbewegung, Klassenkampf, Revolution und sozialer Befreiung. Wenn man so will, also eine Art 'konservativer Revolution': Nationalismus statt Grenzenlosigkeit, Uniformierung statt Individualismus, Konkurrenzkampf statt Solidarität, Militarismus statt dem Bestreben nach Frieden.


    Faschismus in 2 Minuten erklärt, allerdings auf Englisch:


    Kurz zusammengefasst: Angestrebt wird eine autoritäre, hierarchische Gesellschaft, die allerdings unbedingt einen Sündenbock - hier die Juden - benötigt, dem die Schuld für alle Übel gegeben werden kann, die der kapitalistischen Gesellschaft selbst entspringen.

  • ...und da wir hier im Unity-Forum sind, empfehle ich dir natürlich Unity 2: ;-)


    Unity 2 – Resistance | Dian The Saint


    Neben 'Gegenwelt' mit Sicherheit das Beste aus Dians Feder. Eine historische Abhandlung über den NS ist das natürlich nicht. Aber es ist mal ein tatsächlicher Widerstandsroman, in dem Opfer nicht nur Opfer bleiben, sondern auch zurückschlagen.

  • Die Hochphase hat man mit 16, dann kommt der Berufsberater ins Klassenzimmer und nimmt den meisten die Illusion.

    Beziehst du dich auf das heutige Leben? Was verstehst du unter der „Illusion”?


    Ganz zu schweigen von radikaler politischer Opposition, die ihr vermutlich nicht im Ethik-Unterricht thematisieren werdet:

    Nein, sicherlich nicht. Die Unterrichtsthemen basieren allesamt auf der gleichen Ebene, welche uns in eine Richtung lenkt (/manipuliert). Diese Diskussionen verlaufen stets sehr eingeschränkt, mit einem schematischen, bereits vorgegebenen Ziel. Keiner wird dort auf das Negative fokussiert und am besten spricht man eben das aus, was der Lehrer hören möchte. Alles andere identifiziert sich dann als reines „Unmoral”. Da fühlt man sich, wie in einer Sekte ...


    Vielen Dank für die Verlinkungen und eure Erklärungen. :)

  • Beziehst du dich auf das heutige Leben? Was verstehst du unter der „Illusion”?

    Heutzutage geht es uns relativ gut, so dass wir uns solche Flausen wie Rebellion und den Blick über den Tellerrand erlauben können. Plötzlich merkt man, dass es anderen nicht so gut geht. Man zieht vergleiche und empfindet Unrecht. Man versteht nicht, wie das die Alten alle nur abnicken können. Die Welt muss umgeworfen werden, und zwar jetzt sofort!


    Irgendwann findet man sich dann in Prüfungsvorbereitungen oder im Bewerbungsprozess. Man lernt beim Vorstellungsgespräch Männchen zu machen - mit dem Ziel, dass man sein restliches Leben in die Hände anderer legen darf. Den einzigen Einfluss, den man dann noch auf die Zukunft des Planeten hat, ist allenfalls ihm später einen neuen Erdenbürger zu schenken. Doch auch der wird im Strudel der Gesellschaft irgendwann verloren gehen. Zunächst noch im Ethik-Unterricht, später dann als braver Steuerzahler, der alle vier Jahre ein Kreuz machen darf.

    • Offizieller Beitrag

    Wir haben hier die reichlich absurde Situation, dass Lehrer ihren Schülern von mutigen Widerstandskämpfern erzählen, die in Flugblättern zum Sturz des Systems aufgerufen haben... während wir gleichzeitig in einer Welt leben, in der jeder, der in Flugblättern zum Sturz des Systems aufrufen würde, sofort als radikaler böser Extremist bezeichnet wird.
    Ich bräuchte den Text von dem Flugblatt nur ein bisschen anpassen, dann würde es klingen wie eine typische Aussage von Attila Hildmann. :P

    Zitat

    "Mit mathematischer Sicherheit führt Merkel das deutsche Volk in den
    Abgrund. Merkel kann den Kampf gegen Corona nicht gewinnen, nur noch verlängern!
    Ihre und ihrer Helfer Schuld hat jedes Maß unendlich überschritten.
    Die gerechte Strafe rückt näher und näher!"

    Verteile das mal an deiner Schule, dann wird der selbe Lehrer, der vorher noch Sophie Scholl gelobt hat, dafür sorgen, dass du mächtig Ärger bekommst. :D Und nein, damit will ich jetzt in keinster Weise die Bösartigkeit des Dritten Reiches verharmlosen, oder den mutigen Kampf der Widerstandsgruppen im Dritten Reich mit dem Aufbegehren irgendwelcher spinnerter Reichsbürger gleichsetzen.
    Auch wird heutzutage niemand für ein solches Flugblatt zum Tode verurteilt.
    Doch ich sehe schon gewisse Parallelen... vor allem im Bezug auf die "Alternativlosigkeit", mit der das heutige System verteidigt wird. Wo ist der Unterschied zwischen den Nazis, die ihren Kindern beigebracht haben, dass nur der Nationalsozialismus die einzig wahre Ideologie ist, und einer Rede von Merkel, wo es heißt, dass ihre Politik "alternativlos" ist und jeder, der unsere heutige politische Grundordnung in Zweifel zieht, ein gefährlicher Extremist ist?


    Es gibt Mechanismen in unserer Gesellschaft, die auch heute noch (in abgeschwächter Form) ganz ähnlich funktionieren wie zu Adolfs Zeiten.
    Darüber sollte man zumindest mal nachdenken. Am Besten schon in der Schule. Aber so wie es aussieht, ist der Unterricht zu dem Thema heute noch genauso eindimensional wie er es zu meiner Schulzeit auch schon war. So nach dem Motto: "Alles was ihr wissen müsst, ist folgendes: Nazis = böse, und Juden = arme, unschuldige Opfer, mit denen ihr Mitleid zu haben habt... und wehe ihr habt es nicht, dann gibt's Strafarbeit!" Also so war das zumindest bei mir an der Schule damals. Und das Ergebnis war dann halt, dass es die Lehrer geschafft haben, mit ihrer Doppelmoral mit dazu beizutragen, dass aus ein paar meiner Mitschülern später überzeugte Neonazis geworden sind. :=

  • Ich bin im Nachhinein ganz froh darüber, dass sich die Führer, ehm ich meine die Lehrer, im Geschichtsunterricht auf die Lippen gebissen haben und lediglich ein paar Jahreszahlen rausgehauen haben.
    Für minderbemittelte Nazis hat jede Geschichte heroischen Touch, und auch wenn der Krieg verloren wurde, hatte man wenigstens etwas wofür oder wogegen man "zusammenstehen" konnte. Lehrer werden ist nicht schwer, (ein wahrer) Lehrer sein dagegen sehr! Schule ist halt doch nur Theorie. Die wahren Lehrer finden sich jedoch draußen und zwar in guten Aktionen.

  • Heutzutage geht es uns relativ gut, so dass wir uns solche Flausen wie Rebellion und den Blick über den Tellerrand erlauben können. Plötzlich merkt man, dass es anderen nicht so gut geht. Man zieht vergleiche und empfindet Unrecht. Man versteht nicht, wie das die Alten alle nur abnicken können. Die Welt muss umgeworfen werden, und zwar jetzt sofort!


    Irgendwann findet man sich dann in Prüfungsvorbereitungen oder im Bewerbungsprozess. Man lernt beim Vorstellungsgespräch Männchen zu machen - mit dem Ziel, dass man sein restliches Leben in die Hände anderer legen darf. Den einzigen Einfluss, den man dann noch auf die Zukunft des Planeten hat, ist allenfalls ihm später einen neuen Erdenbürger zu schenken. Doch auch der wird im Strudel der Gesellschaft irgendwann verloren gehen. Zunächst noch im Ethik-Unterricht, später dann als braver Steuerzahler, der alle vier Jahre ein Kreuz machen darf.

    Wenn ich zuviel von dir lese, bekomm ich noch Depressionen :D
    Als ob es nichts im Leben gäbe, wofür man sich engagieren kann...


    Wie wäre es denn mit: Doch ein paar wenige, blitzgescheite Geister, bewahren ihr Feuer der Jugend und führen die verblödeten Massen aus der Finsternis! *einhornglitzerstreu*

    Gegen die Sinnlosigkeit des Lebens kommt man nicht an, aber man kann drüber lachen und dem Universum stolz den ausgestreckten Mittelfinger zeigen.