Ist ein Diskurs mit Linken heutzutage noch möglich?

  • @Lonewolf


    Oh, ich meinte jetzt nicht Parteien, sondern die echte radikale Linke ;-). Dass die SPD nicht dazugehört, ist doch wohl klar.


    Klar, Zusammenarbeit mit den rechten/islamistischen Islamverbänden usw. ist nicht nur Unsinn, sondern auch gefährlich. Dass das läuft, hat im Fall der Grauen Wölfe mit historischem Antikommunismus zu tun und im Bezug auf die diversen Islamverbände mit den starken Interessen der Kirchen hier, ihre Privilegien zu behalten, indem man sie auf den Islam ausdehnt.


    Grundsätzlich braucht man jetzt auch nicht für jeden Mord 'ne Demo, würde ich sagen, vor allem aus linker Perspektive. Das Problem mit der Islamismus-Frage ist doch, dass 'der Islam' doch im Prinzip nur ein Code für 'Ausländer, Araber, Türken usw. raus' ist. Wenn man sich stark und spezifisich auf den Islam kapriziert, landet man sehr schnell im rechten Lager. Schau dich mal um, wie schnell z.B. säkulare Flüchtlinge aus dem Nahen Osten von der Rechten instrumentalisiert oder vereinnahmt werden.


    Ich persönlich finde ja auch, dass 'antimuslimischer Rassismus' ein verdrehtes Konzept ist, weil es im Prinzip derselbe Rassismus ist, den wir vor 2001 hatten, nur jetzt garniert mit dem Schreckgespenst, dass 'die alle' uns in die Luft jagen und den Gottesstaat errichten wollen. Aus rechter/rassistischer Perspektive sind die Leute das Problem, nicht deren Religion. Was ja sehr einfach dadurch deutlich zu machen ist, dass die meisten Rechten kein Problem (oder ein geringeres/anderes) damit hätten, wenn ich zum Islam konvertiere als sie damit haben, wenn Leute aus dem arabischen Kulturkreis hier einfach auftauchen, gleichgültig wie fromm die sind.


    Ich glaube nicht, dass z.B. in linken feministischen Kreisen männliche Übergriffe kleingeredet oder verharmlost werden. Wie das mit der Situation in marginalisierten Gruppen ist, müssen die Leute selber sagen. Ich glaube jetzt aber nicht, dass in der Linken z.B. im Kurden-Türkei-Konflikt nicht klar Partei ergriffen wird. Und da ist's auch 'ne andere Hausnummer ob man sichtbar asiatisch oder schwarz ist oder nicht.


    Bei BLM hörst du dich fast an, wie so 'n Trump-Unterstützer. Historisch ist die amerikanische Polizei ja fast aus Anti-Sklaven-/Sklavenfänger-Trupps hervorgegangen, nicht wie in Europa aus Bütteln der Obrigkeit, die v.a. das Eigentum schützen. Das ist dort eine ganz andere Hausnummer, ein Staatswesen wo Lynchen durch offene und verdeckte Repräsentaten des Staates (und den netten Nachbarn) im 20. Jahrhundert noch üblich war.
    Es ist schlicht nicht der Job von marginalsierten/unterdrückten Gruppen, auch für Leute zu sprechen, die sie strukturell (mit)unterdrücken. Ich nehme nicht an, dass alle BLM-Aktivisten das kommunistische Wunderland anstreben ... aber das heißt jetzt nicht, dass sie nicht ein Recht haben in den herrschenden Verhältnissen weniger Rassismus (vor allem durch Staatsorgane) zu erfahren. Wenn man jetzt mit 'Aber Weiße erfahren auch Polizeigewalt' kommt, dann untergräbt und verdeckt man das strukturell viel gravierende Problem in dem Fall ... das eben der Rassismus ist, und nicht Polizeigewalt generell.


    Und Einzelfälle in Leipziger Läden sind doch repräsentativ für gar nichts. Dass es Idioten und Dummköpfe gibt, wussten wir auch schon vorher - genauso wie klar ist, dass man sich in einer neuen Kultur als Kriegsflüchtling erstmal eingewöhnen muss. Was natürlich nicht heißt, dass man Leuten die Eingewöhnung erschweren sollte, indem man sie einfach mal machen lässt...

  • Das sind für mich eher Minderwertigkeitskomplexe, die einige Leute haben mögen, weil sie nicht einem bestimmten, von Hollywood geprägten Schönheitsideal entsprechen. Das gilt aber auch für Frauen mit kleinem Busen, für dicke Menschen, oder für Männer, die nur 1,60 groß sind, ohne dass man dabei dann von "Rassismus" oder "Diskriminierung" reden würde.Zumal uns ja auch die Film-, Werbe- und Musikindustrie seit geraumer Zeit eher einzureden versucht, dass Schwarze die cooleren Typen sind... zumindest seit den 70er- und 80er Jahren hat sich die Rolle der Schwarzen doch ziemlich gewandelt, davor ist das von den Medien vermittelte Bild des typischen Schwarzen tatsächlich ziemlich unschön und rassistisch gewesen. Heute sind wir von solchen Zuständen aber zum Glück weit entfernt.
    Besorgniserregender finde ich da beispielsweise das Bild der Homosexuellen in den Medien, das sich immer noch größtenteils darauf beschränkt, althergebrachte Klischees zu bedienen und höchstens mal eine meist tuntige oder trottelige Quoten-Schwuchtel einzubauen... und wir werden vermutlich weitaus eher einen schwarzen James Bond auf der Leinwand erleben, als einen schwulen James Bond. Wenn man das mal vergleicht, sieht man eigentlich, dass sich da schon einiges in den Köpfen der Menschen geändert hat im Lauf der letzten hundert Jahre, und dass die Hautfarbe nicht mehr den selben Stellenwert hat wie früher.


    Es gab auch bei uns in früheren Jahrhunderten Zeiten, da galt es als schick, eine möglichst blasse Haut zu haben... mit Rassismus hatte das aber eher wenig zu tun, weil die hellhäutigen Adeligen für gewöhnlich der selben "Rasse" angehörten wie die Bauern, die auf dem Feld schuften mussten und deshalb einen deutlich dunkleren Teint hatten. Es war eher eine Frage des sozialen Status. Wer es sich leisten konnte, blieb der Sonne fern, und man wollte das auch nach außen zeigen durch eine hellere Haut.
    Also ja... es gibt natürlich dieses Phänomen, dass Menschen eine bestimmte Hautfarbe mit bestimmten positiven oder negativen Eigenschaften assoziieren. Solche Vorurteile gibt es aber überall und in jeder Kultur... wer anders aussieht als der Rest, egal ob dunkler oder heller oder sonstwie anders, wird erstmal skeptischer beurteilt und muss sich doppelt so stark anstrengen, um sich Respekt zu verschaffen. Das ist nunmal so ein menschliches Phänomen, und das sollte man natürlich auch ansprechen und durch Aufklärung der jungen Menschen versuchen, solche dämlichen Vorurteile zu überwinden. Keine Frage.
    Ich halte es nur für eine gefährliche und letztlich auch ziemlich kontraproduktive Vereinfachung, wenn man das alles auf eine Art Rassenkampf reduziert, nach dem Motto: Die Weißen sind die Herren der Welt. Da kann man im Prinzip ja auch gleich sagen: Die Juden sind die Herren der Welt. Das wäre dann wiederum Rassismus, nicht wahr? Weil Juden ja eine verfolgte, schützenswerte Minderheit sind... während die Weißen die Mehrheit stellen. Es ist nur so, fürchte ich, dass global betrachtet die Weißen auch nur eine Minderheit sind... eine besonders erfolgreiche vielleicht (wie die Juden eben auch)... aber das macht sie ja nicht gleich zu den Herren der Welt. ;)

    Das ist zu einfach, das auf Schönheitsideale runterzubrechen, gerade weil die halt im Prinzip ausschließlich das Weißsein pushen. Ein sehr krasses Beispiel wäre auch die Animékultur. Es ist kein Zufall, dass großäugige, blauäugige Blondies in Japan die prototypische Frau in Zeichentrickfilmen sind. Die Kultur kam mit dem Amis dahin, und man hat die eben nicht asiatisch adaptiert, obwohl der Kram erst vierzig Jahre später in der weißen Welt irgendwie ankam.
    Ist schon bizarr aus 'unserer' Perspektive nur anzunehmen, dass all unsere Zeichentrickfiguren schwarz oder asiatisch aussehen würden ... aber frag dich mal kurz, was das mit dir als Person und deinem Selbstbild machen würde, von der Kindheit an.


    Und, lol, Schwarze als die cooleren Typen? In Gangsterfilmen oder was? Da sind sie aber trotzdem ... Gangster, oder nicht? Echt toll, wenn das einzige positive Rollenvorbild für den schwarzen Jugendlicher der 'coole Gangsta-Rapper' ist. Als Weißer kann man mit schwarzer Kultur rumspielen, sich mal Dreads machen und die dann wieder abschneiden oder sich 'n schwarzes Gesicht malen ... aber als schwarze Person musst du damit fürs Leben 'gestraft'.


    Und, nein, blaublütige Adelige gehörten qua Geburt und Abstammung eben nicht derselben Rasse an wie der Pöbel. Eine Wurzel des Rassismus, die älteste, ist nämlich der 'biologische Unterschied' zwischen Adel und Pöbel. Oder glaubst der Adel hat nur die eigenen Kusinen geheiratet weil die alle so geil aussahen? Da ging's ums Reinherhalten des edlen Blutes ... was nicht möglich gewesen wäre, wenn man sich mit den Bauern gepaart hätte. In dem Sinne gehörten die definitiv eine anderen Rasse an.
    Die Idee von völkischen Rassismus ist damit verglichen bedeutend jünger. Sieht man auch daran, das Königsfamilien einander über Staatsgrenzen hinweg vorgezogen haben anstatt niederen Adel oder Bürgerliche aus den eigenen Ländern zu heiraten.


    Und, nein, historisch gibt's durchaus Evidenz dafür, dass Rassismus wie wir in kennen nicht 'natürlich' ist oder überall vorkommt. Den Schwarzen wird z.B. erst seit der Moderne das Menschsein abgesprochen. Sogar die Einsortierung von Menschen nach Hautfarben wurde erst in der Moderne systematisiert.

  • Jetzt wirds politisch korrekt Leute. Nen fetter Grund warum ich meinen eigenen Weg als linker/anarcho gehe, und nicht der scheiß polarisierenden Masse zustimme. Rölps.

    Ich steige normalerweise immer aus, wenn sich irgendwelche Leute als 'queer' bezeichnen, weil das so als Adjektiv/Label so überhaupt nichts aussagt.


    Die Idee, dass Männer irgendwie Angst vor 'männerfeindlichen Gruppen' haben müssen, ist aber schon putzig. Als ich das letzte Mal in die Welt hinaus geschaut hab, hat die schon noch mir und meinen weißen Cis-Männer-Kumpeln gehört. Es interessiert doch kein Schwein im Mainstream, was irgendwelche marginalisierten Randgruppen in ihren Blasen faseln.


    Männer regen sich nur sehr effizient und lautstark, wenn plötzlich Frauen, Schwarze, Schwuchteln und das andere Gesocks plötzlich meint, auch am Erwachsenentisch mitsprechen zu dürfen. Das wird nicht toleriert.


    Und, klar, kann ja nicht angehen, wenn's irgendwo Gruppen gibt, wo normale Männer per se nicht willkommen sind ... oder wo die Leute da vielleicht Männer gar nicht toll finden. Ist ja nicht so, dass Männer die letzten paar Jahrtausende sich nicht wie Arschlöcher verhalten hätten, oder?

  • "Aber richtig scheiße wird es obendrauf, wenn man sich die eigenen Verbündeten vergrault nur weil sie männlich oder so sind."



    Das ist eine zentrale Aussage und eines der Hauptprobleme einer Identitätspolitik, die sich nur noch auf Minderheiten fokussiert und von einer weißen, männlichen Mehrheit Demutsgesten einfordert. Da fragen sich eben weiße 'Cis-Männer', wieso sie sich so sehr für die Belange anderer interessieren sollten, wenn sie eigentlich nix zu gewinnen und nur zu verlieren haben.
    Mein Credo war immer: Befreiung muss universell gedacht werden. Nur den Dienstleister für Minderheiten spielen zu wollen, ist ein undankbarer Job. Stichwort Flüchtlingssolidarität: Hilfe und Unterstützung beim Self-Empowerment, na klar, aber wieso man z.B. unbedingt Menschen helfen sollte, die nur ihr Stück vom kapitalistischen Kuchen haben wollen und einen Scheiß auf linke Überzeugungen geben, erschließt sich mir nicht.
    Zumindest der Anspruch einer freieren und gerechteren Welt für alle sollte in dem Kontext immer hochgehalten werden.


  • Das ist keine Glaubensfrage. Die Sachen im Conne Island sind keine tragischen Einzelfälle, ähnliche Vorfälle gab und gibt es auch anderswo.
    Weißen 'Cis-Männern' werden Übergriffe nicht verziehen, 'migrantisch gelesenen' mit Flüchtlingsbiografie schon eher. Da hilft es auch nix, darauf zu verweisen, dass man sich nicht an Themen rantraut, die von Rechts besetzt werden. Das ist ein Armutszeugnis, ebenso wie im Bereich des Islamismus.


    Man muss in dem Kontext Linke mit Migrationshintergrund wie Sevim Dağdelen hervorheben, die in der Hinsicht kein Blatt vor den Mund nehmen, ganz im Gegensatz zu so manchen 'Kartoffel-Linken'. Ich hab diverse türkische Genossen, die die Welt nicht mehr verstehen, wenn ihre linken Parteifreunde in der örtlichen Moschee auf Stimmenfang gehen.


    Trump wird bekannterweise auch von Minderheiten gewählt, denen Themen wie Konservatismus und Antikommunismus eben weitaus wichtiger sind als Antirassismus. Es ist eben verfehlt, progressive Politik mit Minderheitenfokus zu betreiben, anstatt lieber zu versuchen, Menschen unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft für fortschrittliche Ziele zu begeistern.

  • Weißen 'Cis-Männern' werden Übergriffe nicht verziehen, 'migrantisch gelesenen' mit Flüchtlingsbiografie schon eher.

    Konnte ich so nicht beobachten. Das ähnelt eher der Hetze der Rechten, nach denen "traumatisierte Kriegsflüchtlinge" alles dürfen, ein Deutscher aber schon bei einem partnerschaftlichen Faustschlag durch die Nachbarschaft gejagt wird.


    Die Linken, du hast das Conne Island erwähnt, fanden damals sehr deutliche Worte, als es innerhalb ihrer Mauern zu Übergriffen von Flüchtlingen kam.

  • Konnte ich so nicht beobachten. Das ähnelt eher der Hetze der Rechten, nach denen "traumatisierte Kriegsflüchtlinge" alles dürfen, ein Deutscher aber schon bei einem partnerschaftlichen Faustschlag durch die Nachbarschaft gejagt wird.
    Die Linken, du hast das Conne Island erwähnt, fanden damals sehr deutliche Worte, als es innerhalb ihrer Mauern zu Übergriffen von Flüchtlingen kam.


    Das Statement des Conne Island bestätigt exakt das, was ich beschrieben habe, ansonsten wäre diese Form der öffentlichen Rechtfertigung auch wohl kaum als notwendig angesehen worden:


    https://www.facebook.com/notes/conne-island/ein-schritt-vor-zwei-zur%C3%BCck/10154344670775862/


    'Immer wieder machen Betreiber_innen des Conne Islands und anderer Projekte aber auch die Erfahrung, dass unbeteiligtes Publikum zum Problem werden kann. In vorauseilendem Antirassismus wird Einlasspersonal zurechtgewiesen, wenn Personen mit Migrationshintergrund des Platzes verwiesen werden oder es werden kulturalistische Erklärungsmuster zur Verharmlosung sexistischer Übergriffe angebracht („Woher soll er wissen, dass man hier mit Frauen so nicht umgeht?“).'



    Ich rede hier ja nicht über 'alle Linke', sondern über Probleme und Fehlentwicklungen in der linken Szene. Und die werde ich aus Gründen der Solidarität sicher nicht verschweigen.

  • Verwende es bezogen auf mein Aussehen / Verhalten und Kleidung.
    Ich finde Gruppenhass primitiv.


    Ist doch nicht 'Gruppenhass', wenn man 'ne linke Splittergruppe oder 'ne Runde oder sonstwas hat, wo man keine Männer will. Da will man sich dann halt auf andere Dinge fokussieren oder vermeiden, dass Männer sich bei Themen in den Vordergrund spielen, von denen sie keine Ahnung.


    Ist doch im Trans-Kontext auch so. Wenn du jetzt 'ne Gruppe hast, wo's um Catcalling/Sexualisierung in Kindheit und Pubertät geht, oder um Gebärmuttertrouble im weitesten Sinn, dann weißt du da wahrscheinlich auch nicht Bescheid.


    Zitat

    Wenn du das so auffasst, also als ich noch Kerl war gehörte mir nichts. Aber wahrscheins bin ich schon immer so stark von der Norm abgeseilt und hatte nebenbei nie so viel Geld, dass ich wohl meine Sonderrechte schon in Kinderschuhen verlor.


    Geht nicht um 'echten Besitz', sondern darum, dass man als Cis-Mann zur 'Chef-Gruppe' gehört, selbst wenn man selbst nicht irgendein Chef ist. Uns als Gruppe gehört die Welt und wir machen die Regeln. Und das gilt in jedem Lebensbereich.
    Musst dich halt mal mit den Erfahrungsberichten von Frauen oder anderweitigen Minderheiten beschäftigen. Ich, z.B. hab im Prinzip nie auf der Straße Angst. Höchstens wenn mir mal 'ne Truppe besoffener Halbstarker entgegenkommt. Anders als Frauen folgen mir nachts keine Typen nach Hause, anders als Schwarze krieg ich keine rassistischen Anfeindungen draußen, die Bullen belästigen mich quasi nie usw. Gleichzeitig kann ich Frauen auf die Pelle rücken und Minderheiten runtermachen, ohne dass ich irgendwelche echten Konsequenzen zu fürchten habe.


    Mit 'Mainstream' meine ich, dass es im Prinzip egal ist, was Minderheiten sagen oder schreiben, solange das nicht von weißen Cis-Männern aufgegriffen oder ernst genommen wird. Frauen, Schwule, Transen usw. können sich in ihren Blasen fusselig faseln - solange 'die Herren der Welt' das nicht interessiert (oder einen signifikanten Anteil) kriegen die einfache keine Kuchenstücke ab.

  • Das ist eine zentrale Aussage und eines der Hauptprobleme einer Identitätspolitik, die sich nur noch auf Minderheiten fokussiert und von einer weißen, männlichen Mehrheit Demutsgesten einfordert. Da fragen sich eben weiße 'Cis-Männer', wieso sie sich so sehr für die Belange anderer interessieren sollten, wenn sie eigentlich nix zu gewinnen und nur zu verlieren haben.
    Mein Credo war immer: Befreiung muss universell gedacht werden. Nur den Dienstleister für Minderheiten spielen zu wollen, ist ein undankbarer Job. Stichwort Flüchtlingssolidarität: Hilfe und Unterstützung beim Self-Empowerment, na klar, aber wieso man z.B. unbedingt Menschen helfen sollte, die nur ihr Stück vom kapitalistischen Kuchen haben wollen und einen Scheiß auf linke Überzeugungen geben, erschließt sich mir nicht.
    Zumindest der Anspruch einer freieren und gerechteren Welt für alle sollte in dem Kontext immer hochgehalten werden.

    Es geht nicht nur um Demutsgesten, sondern um das tatsächliche Aufgeben von Privilegien und Macht - sowohl im Kleinen, also z.B. von Mackern dominierte linke Splittergruppen, als auch im Großen, z.B. von postkolonialen/rassistischen Ausbeutungsmechanismen, von denen in Europa alle profitieren. Du bist halt strukturell weder Freund noch der Verbündete der Schneiderin in Bangladesch, die dir die T-Shirts näht. Gleichgültig für wie links du dich hältst.


    Und natürlich müssen Cis-Männer gerade auch Macht und Raum abgeben, damit Minderheiten sichtbarer werden und ihre Rechte einfordern können. Du klingst hier wie ein Südstaatler, der die Sklavenhalter unbedingt mitnehmen will: 'Die brauchen doch auch Gründe, um sich für die Abschaffung der Sklaverei zu engagieren bzw. sich dem nicht entgegenzustellen.'


    Nein, brauchen sie nicht. Ungerechte Strukturen gehören abgeschafft. Der erste Schritt dazu ist aber, dass man sich eingesteht, dass die Dinge zur Zeit nicht gerecht zugehen. Und da ist man halt als Cis-Mann doch meistens sehr farbenblind. Das kann man eigentlich nur versuchen, abzubauen, wenn man sich informiert, was Minderheiten und marginalisierte Gruppen tatsächlich erleben ... denn in unserer Position weiß man das schlicht nicht.


    Natürlich muss man auch rechte/autoritäre/rassistische usw. Überzeugungen in Minderheiten bekämpfen, aber das hat nichts mit strukturellen Ungerechtigkeiten/Benachteiligungen zu tun. Sowohl der migrantische Islamist als auch der migrantische Kommunist sollten beide keinen (strukturellen) Rassismus erfahren, oder?


    Das ist keine Glaubensfrage. Die Sachen im Conne Island sind keine tragischen Einzelfälle, ähnliche Vorfälle gab und gibt es auch anderswo.
    Weißen 'Cis-Männern' werden Übergriffe nicht verziehen, 'migrantisch gelesenen' mit Flüchtlingsbiografie schon eher. Da hilft es auch nix, darauf zu verweisen, dass man sich nicht an Themen rantraut, die von Rechts besetzt werden. Das ist ein Armutszeugnis, ebenso wie im Bereich des Islamismus.


    Man muss in dem Kontext Linke mit Migrationshintergrund wie Sevim Dağdelen hervorheben, die in der Hinsicht kein Blatt vor den Mund nehmen, ganz im Gegensatz zu so manchen 'Kartoffel-Linken'. Ich hab diverse türkische Genossen, die die Welt nicht mehr verstehen, wenn ihre linken Parteifreunde in der örtlichen Moschee auf Stimmenfang gehen.


    Trump wird bekannterweise auch von Minderheiten gewählt, denen Themen wie Konservatismus und Antikommunismus eben weitaus wichtiger sind als Antirassismus. Es ist eben verfehlt, progressive Politik mit Minderheitenfokus zu betreiben, anstatt lieber zu versuchen, Menschen unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft für fortschrittliche Ziele zu begeistern.

    So wie du den Fall hier beschreibst, fanden es Gäste in der Lokalität da nicht geil, wie da mit Flüchtlingen umgegangen wurde. Das ist nicht 'die linke Szene', das sind Einzelfälle. Und natürlich sollte man, wenn man gerade in einem linken Laden sieht, das Leute, von denen man vermutet, dass sie vielleicht aus rassistischen, fremdenfeindlichen usw. Gründen rausgeschmissen wurden, da vielleicht einschreiten. Das erwartet man eigentlich.


    Strukturell sieht man da halt durchaus das Klischee vom 'guten Flüchtling/Holocaustüberlebenden' usw. demzufolge man sich als traumatisierter Überlebender/Hilfesuchender usw. im fremden Land möglichst nett und opfermäßig verhalten sollte ... aber das ist halt eine dämliche Erwartung.


    Und natürlich kann man bis zu einem bestimmten Punkt tolerant mit Leuten aus einem anderen Kulturkreis sein, die nur wegen Krieg und Chaos nach Europa gekommen sind und sich nie mental auf die Welt hier vorbereitet haben. Das geht natürlich nur bis zu einem bestimmten Punkt, aber es macht keinen Sinn zu verlangen, dass die sofort geschliffene Manieren haben.


    Aber dass weißen Cis-Männern Übergriffe nicht verziehen werden, ist doch rechte Scheiße. Natürlich werden die das. Weiße Cis-Männer fallen immer auf die Füße, vor allem wenn sie Geld haben. Weinstein ist zur Zeit ja wohl nicht obdachlos, während das rechte Standardnarrativ doch ist, dass sämtliche südländischen Männer eine 'Gefahr' für 'unsere Frauen' darstellen ... was sowohl zeigt, dass man auch hier Frauen als Besitz ansieht, als auch, dass es für 'unsere Frauen' nicht okay ist, sich mit Schwarzen und Südländern einzulassen.


    Und da's kein richtiges Leben im Falschen gibt, ist's natürlich auch schwer bis unmöglich, eine geile neue Welt zu bauen, wenn man strukturelle Ungerechtigkeiten nicht abbaut. Du verwendest da im Prinzip dasselbe ekelhafte Argument, das damals (auch) von Linken gegen's Frauenwahlrecht geführt wurde: 'Die sind alle konservativ und würden uns gar nicht wählen, wenn sie wählen dürften.'

  • Aber dann darfste nicht überrascht sein, wenn das auf die Stufe von chauvinistischen Herrenkneipen / Clubs gestellt wird, die ich absolut genauso dämlich und unnötig finde.
    Aber wers halt so bitter nötig hat, soll sich an mir nicht stören :D Nur zu. Doch ich hab damit als Queer/Transe nix zu tun gell.

    Aber das ist doch nicht dasselbe. (Cis-)Männer will man doch in manchen Zirkeln nicht haben, weil die da - zurecht - als Bedrohung/Problem empfunden werden bzw. Konflikte geschürt werden. Ist halt jetzt nicht soo geil, sich über Erfahrungen von Übergriffen u.ä. mit potenziellen Tätern auszutauschen.


    Und natürlich sind die Interessen gerade da auch nicht deckungsgleich. Als Mann hat man nicht notwendigerweise das gleiche Interesse, das Patriarchat abzuschaffen als als Frau ... und man prioritisiert das auch nicht so hoch, weil man von den Strukturen ja aktiv und passiv profitiert. Und das gilt natürlich analog auch für den ganzen anderen Kram.


    'Ne Chauvi-Kneipe ist natürlich auch problematisch, aber da ist doch ein ganz anderes Machtgefälle vorhanden. Minderheiten/marginalisierte Gruppen brauchen im Zweifel Schutzräume, um sich überhaupt mal auszutauschen und zu finden, während Männer im Prinzip überall wo sie sind den Ton angeben.



    Zitat

    That's not the same.


    Na ja, als Transmann (?) bist du schon männlich sozialisiert und damit durchaus ver


    Doch, schon. Mein Punkt war ja nie, dass alle möglichen Leute Auschließeritis betreiben sollen, sondern nur, dass es prinzipiell nicht falsch oder 'männerfeindlich' ist, wenn Männer nicht überall dabei sein dürfen bzw. müssen. Vor allem in Bereichen, wo sie keinen Plan haben. Ist hier ja auch lustig, wenn Dian uns Rassismus erklärt, oder wo der jetzt nun ganz besonders stark ist. Das weiß man als betroffene Person im Zweifel einfach besser.


    Ich hab ja auch keinen Plan von den Problemen, die Transpersonen im Alltag haben ... zumindest solange ich mich da nicht aus erster Hand informiere.


    Zitat

    Heh nachts würde ich auch als Mann nicht gern durch dunkle Gassen schlendern, sofern ich mir das Kämpfen nicht zutraue, denn gesichert bist du bei einem Angriff auch als Mann nicht. Aber als Transe hab ich bisher nur sporadisch negative Erfahrungen geerntet (ich kleide mich jetzt nicht immer/überall trans, muss ja nicht jeder Pfosten ausm Dorf alles erfahren)


    Geht jetzt nicht um echte Auseinandersetzungen, sondern einfach um das Gefühl. Ich hab keine Angst von den Bullen, vor irgendwelchen Minderheiten oder Leuten die mir krumm kommen könnten, einfach weil mir im Prinzip nie jemand krumm kommt. Frauen überlegen sich ja, ob sie nachts überhaupt (allein) rausgehen, ob sie allein Taxi fahren wollen. Darüber kann ich als Mann nur lachen.


    Und die Angst ist halt da, weil die konstant beschissene Erfahrungen machen. Und analog mit dem Rassismus usw. Und Transfeindlichkeit gibt's doch auch genug, oft bis zu direkten Angriffen mit Todesfällen (da hört man doch einiges in England und den USA).


    Zitat

    Also du bist der Meinung, dass es inhaltlich nicht von belange ist, warum nen feedback deiner meinung nach spärlich ausfällt? Also kommts für nicht nicht in die Kiste, dass die Art und Weise wie Informationen sich präsentiert, die Sprache und Wortwahl darauf einfluss hat?
    Mein Standpunkt dazu ist, wenn es eine queere Bewegung gäbe die sich von scharfer Militanz distanziert und nen Tick weniger Abwertungen raushaut, dann wäre die Resonanz größer.


    Ich meine, dass im wissenschaftlichen und politischen Feld es im Prinzip vollkommen egal, was irgendwelche Feministinnen oder Schwulenaktivisten dazu in den 70ern geschrieben haben ... wenn die Männer das nicht interessiert, dann bleibt das zahn- und wirkungslos. Merkt man ja auch u.a. daran, dass Männer in der Regel keine Ahnung haben, welche Probleme entsprechende Minderheiten haben ... obwohl die das schon seit Jahren oder Jahrzehnten zu kommunizieren versuchen.


    Zitat

    Oder meinst dass nen cis Mensch etwas mit Queer anzufangen weiß, wenn man ihn erst mal kräftig damit begrüßt, wie scheiße er/sie eigentlich ist? :chrome:


    Na ja, wie man damit bei der normalen Landbevölkerung ankommt, weiß ich nicht. Wie gesagt, ich weiß ja nicht mal was genau mit dem Queer-Label gemeint ist. Und man muss sich nicht getroffen fühlen, wenn 'Männlichkeit' als Problem oder problematisch betrachtet wird. Man muss sich ja jetzt nicht unbedingt extrem mit Geschlechterstereotypen und -rollen identifizieren.