'Weg zur Brücke' von Christina Maria S.

  • Schräg, die meisten Leute in meiner Umgebung machen immer noch den selben Partylärm wie gehabt :whistle: Bescheuert :D

    Ja. Scheint so, daß er doch bloß negatives bewirkt, und für sie vielleicht nur ein weiterer Aufschub vom Suizid bedeutet hätte.
    Aber es ist noch nicht vorbei, und es kann noch viel passieren. Dieses Spiel dauert eben nicht nur 90 Minuten. Für Ina stand aber glaub ich schon fest: Verlängerung, Elfmeter, Haushoch verloren, Aus.
    Oder so ähnlich.. Müßig drüber zu mutmaßen.
    Was ich aber unheimlich gerne mache ist solche morbiden Texte zu lesen.
    Mich fasziniert daran, die einzelnen Gedanken in den Beschreibungen nachzuvollziehen.
    Vielleicht weil sie so kontemplativ -transzendental- fantasieanregend wirken. Das hat man ja verstärkt in der Poesie und sogar bei den kurzen Haiku Gedichten.
    Christina schreibt auch ungefähr, daß Musik und Gedichte das Leben ernst lohnend machen. Ich weiß auch nicht, aber ich hatte halt die schrägen Texte von Goethes Erben die mir halfen, und ebenso Rilke, der ja auch ab und zu düster daherkommt.
    Später bin ich dann im Kurs auf eine Meditation aufmerksam geworden, wobei man kurzzeitig immer wieder den Atemstrom anhält. Spätestens da merkt man, wie sehr man leben will. Oder man geht ins Hospiz, oder guckt sich ganz viel Elend auf der Welt an.
    Oder, oder... es gäbe so viel hilfreiches.
    Ich denke dass es bei ihr eine astreine Psychose war, aus der sie nicht mehr herausgekommen ist. Das körperliche Gift tut dann sein Übriges.

  • Christina schreibt auch ungefähr, daß Musik und Gedichte das Leben ernst lohnend machen. Ich weiß auch nicht, aber ich hatte halt die schrägen Texte von Goethes Erben die mir halfen, und ebenso Rilke, der ja auch ab und zu düster daherkommt.


    Ich hatte ihr damals einen Stapel gebrannter CDs geschickt, besonders gefiel ihr folgender Song, was bei den Lyrics keine Überraschung ist:


    https://www.youtube.com/watch?v=85Bg-lS5Yg4

  • Denkt ihr, daß wenn Jan ein entschiedenes Nein formuliert hätte, wäre sie allein gesprungen bzw hätte sie einen weiteren Versuch alleine unternommen ?
    Das ist schon wieder gemutmasst, ich weis.
    Jan hatte doch noch Pläne oder? Er war gerade im Studium.
    Was mir überhaupt nicht einleuchtet bei ihr ist einerseits der Draht zur Natur und ihre Wahrnehmung selbiger, und andererseits diese starke Rumination.
    In der Natur findet man zweifelsohne viel Tod vor aber auch viel Leben.
    Aber sie schreibt ebenso von ihrer Besessenheit nach LEBEN. Sie möchte lieber sterben, als nicht voll gelebt zu haben bzw sich voll zu spüren.
    Das kennt man ja vom erfrischenden Sprung ins kalte Wasser.
    Ich finde die Texte und ihre Fantasie echt gut, und genau deswegen erschließt sich mir nicht diese Sehnsucht nach dem Tod (als gesunder Mensch).
    Sie beschreibt auch Gefühle der Hingabe als sehr ekstatisch, aber anscheinend gehörte für sie als krönender Abschluss immer nur ein Sterben. Vielleicht hätte es ihr geholfen, ihren Körper wirklich mal wahrzunehmen, denn dort ist täglich einen Sterbe- und Alterungsprozess zu beobachten.
    Natürlich macht man kein Drama draus, wenn einem mal ein Haar ausfällt, aber wenn die Zellen dann alle auf einmal Ade sagen, ist es auch wieder nicht recht.
    Also hat die Natur eindeutig recht mit ihren langsamen Prozessen.
    Wenn man immer nur den 'Kick' in etwas sucht, darf man sich da nicht auch im weitesten Sinne zur Spassgesellschaft zählen?

    • Offizieller Beitrag

    Falls jemand noch ein paar Devotionalien für seinen Ina-Altar benötigen sollte... ich hab tatsächlich noch zwei alte Fotos mit ihr gefunden. Ich denke, ich kann das an dieser Stelle hier durchaus posten, da die Bilder sowieso so pixelig sind, dass es kaum ihre Persönlichkeitsrechte beeinträchtigen dürfte. Außerdem ist sie tot und eine wichtige Person der Zeitgeschichte.
    Hier ein Foto von besagter Wanderung... und verdammt, das war steiler, als es auf dem Bild aussieht! Auf dem Foto wirkt das so, als ob ich zu blöd bin, eine kleine Böschung hochzukrabbeln. Aber das täuscht.


    Noch eine kleine Impression von der selben Wanderung:


    Und hier noch ein Foto, das Weihnachten 2006 auf der schwäbischen Alb entstanden ist, als sie bei mir zu Besuch war.

  • Ich denke dass es bei ihr eine astreine Psychose war, aus der sie nicht mehr herausgekommen ist.

    Hmm, meinst du bezogen auf die Gedanken? Ich finde zum Teil sind ihre Gedanken extrem tief und zusammenhängend, genau sowas, auf was ich gedanklich stehe (minus die Suizidkomponente eben, weil ich das Leben mag).


    @Dian Ich weiß ich kannte sie ja nicht und ich lese hier quasi alles zum ersten mal und so, aber finde den Ort vom Eindruck sehr toll, hat was verschollenes, urnatürliches. Und das mit den Pixeln ist schon verständlich klar, aber sie macht da nen ganz freundlichen Eindruck :) Jetzt verbinde ich vielleicht zu viel rein (ist ja gedanklich bei mir so hehe), aber krass, dass dieser Mensch nicht mehr unter uns ist. Die Zeit frisst auf ihrem Wege alles weg, was wem mal lieb war. :hmm:

  • Das ist ganz lieb, danke :)
    Der Pfad sieht ganz schön übel aus, und ich glaube dir dass du 'bergfest' bist.
    "Wichtige Person der Zeitgeschichte" :)
    -ja, das stimmt! Zumindest für meine Zeitrechnung momentan. Ist doch komisch, dass man sich i.d.R. vermehrt für das Leben einer Person interessiert sobald sie nicht mehr da ist. Ich finde es schön, das zeigt nochmal eine andere Seite von ihr, die sonst nur ihr kennengelernt habt.

  • Hmm, meinst du bezogen auf die Gedanken? Ich finde zum Teil sind ihre Gedanken extrem tief und zusammenhängend, genau sowas, auf was ich gedanklich stehe (minus die Suizidkomponente eben, weil ich das Leben mag).

    Ich hab den Begriff verwendet, weil er für mich bedeutet, daß man den Sprung aus der eigenen Tiefe nicht regelmäßig schafft (AbwärtsSpirale). Sie schreibt im Text auch was von Tiefe, und dass sie noch nicht ganz unten war...
    Je tiefer man in den eigenen Abgründen taucht, desto regelmäßiger sollte man auch wieder ans auftauchen denken.
    Du hast bestimmt schon was vom Tiefenrausch gehört. Höhenrausch /Tiefenrausch, die Faszination davon gibt es meiner Meinung nach auch in der Psychologie. Aber frag da besser jemanden vom Fach.

  • Ich weis nur daß Extremsportler den Kick brauchen, um sich total im Jetzt zu fühlen. Jeder Griff und Schritt entscheidet über Leben oder Sterben.
    Das sind demnach die Lebensjunkies.
    Ich frag mich ob sie vorher mal einen BungeeSprung probiert hatte. Sie äußert sich über das Schild irgendwie belustigend.
    Ohne Sicherung, sie wollte es eben doch endgültig machen.
    Was für eine Qual muss ihr Leben gewesen sein!

  • Leute, in dem Zeug da ist schon ein guter Schuss Kunst. Das ist ästhetisch aufpoliert oder verzerrt, je nachdem wie man das sehen will.


    Und, klar, sie hatte 'ne krasse Depression - ist halt leider so, dass man sich da konstant einredet, das die Dinge scheiße sind, auch wenn sie das nicht sein müssten. Und, klar, der objektive Schluss 'nichts ist von Dauer/wichtig, weil wir ohnehin ins Gras beißen müssen' klingt halt doch sehr viel überzeugender wenn man subjektiv massive Probleme auf der Gefühlsebene hat.


    Ihre eigene Isolation sieht man halt auch gerade bei den Zerrbildern von Depressiven, die sie an der einen oder anderen Stelle entwirft - die sind nämlich nicht notwendig anders als sie und haben nicht unbedingt mit anderen Problemen zu kämpfen, auch wenn sie's nicht so schön ausdrücken können.


    Was Traumata angeht, so weiß ich nichts von landläufigen schlimmen Sachen - aber natürlich reicht's bei vielen Leuten schon, wenn man keinen Ansprechpartner im Umfeld hat und sich nicht als zugehörig empfindet. Vor allem, wenn man 'ne genetische Veranlagung hat (was wir natürlich nicht wissen). Sie war ein Einzelkind, mit der religiösen Mutter gestraft und hat das ganze Leben am untersten Ende der sozialen Leiter in 'nem Bergdorf verbracht. Letzteres hat wahrscheinlich auch mit dazu beigetragen, dass sie sich an der Uni nicht wohl gefühlt hat.


    Und natürlich ist man doppelt aus der 'normalen Masse' ausgehoben und fühlt sich fremd, wenn man verdammt schlau ist, Interessen hat, die der Rest nicht teilt, und sich auch noch mit niemandem emotional verbunden fühlt.


    Eine der lustigsten Anekdoten, die ich eben erinnere, war ihre Überraschung darüber, dass man anderswo nicht erst noch mit dem Busfahrer tratscht, wenn man einsteigt - fragt, wie's geht, sagt, wo man hin will, was man so macht usw. - das war bei ihr üblich und normal ;-).


    Wenn man mich fragt, dann hatte Jan eigentlich versucht, gerade nicht ihr Freitodgefährte zu werden - wieso das in die Hose gegangen ist, ist schwer zu sagen. Der hatte ja auch genug eigene Probleme. Und von seiner Seite gibt's eben deutliche Anzeichen, dass da auf der Rückfahrt auf seiner Seite Überredung/Überzeugung nötig war. Ob sich das nur auf Termin oder Ort und Art bezogen hat - die Brücke war ja dann doch Christinas und nicht sein 'Sehnsuchtsort' - oder ob das eine generellere Sache war, lässt sich jetzt nicht mehr klären. Man kann aber wohl sagen, dass Jan mit der Sache deutlich mehr gerungen hat, als Christina - zumindest so weit ich das mitbekommen habe.

  • Jan hatte wohl auch einen ausgeprägten Beschützerkomplex in Beziehungen, ich vermute, da konnte er sie nicht alleine gehen lassen. Dass er stark nach Verbundenheit gesucht hat, war schon deutlich. Am Anfang war auch die Suche nach (für ihn) glaubhaften sinnstiftenden Modellen noch latent, bevor er immer mehr seinen Nihilismus zelebriert hat. Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung. 'Wie kann man so leben' war eine seiner typischen Aussagen mir gegenüber (bezogen u.a. auf das Aufgehen in bestimmten philosophischen Gedankenkonstrukten). Was konkrete Traumata angeht, weiß ich auch in Bezug auf ihn nicht viel. Aber er hatte wohl einige Konflikte mit seiner Umwelt im Filstal. Das ist auch gesellschaftlich 'ne ziemlich ekelhafte, bigotte Ecke in Schwaben, zumindest so wie ich es erlebt habe, sowohl unter Einheimischen als auch Zugewanderten.