Corona-Virus und die Folgen


  • Was verlange ich denn großartig? In Bezug auf dieses Forum des folgenlosen Meinungsaustausches doch nicht mehr als die Beibehaltung einer kritischen Haltung gegenüber staatlichen Autoritäten. Welcher Druck entsteht dadurch denn?


    Und in Bezug auf Leute, die irgendwelche Aktionen machen, eben eine klare Vermittlung, dass man sich gegen staatliche Krisenpolitik UND gegen rechte Antworten bzw Verschwörungsdenken richtet. Ich hab ja den Text von Ulla Jelpke verlinkt - mehr erwarte ich z.B. von linken Parlamentariern gar nicht, aber leider reicht es oft nichtmal zu solchen Statements.


    Komplex ist das Verhältnis zum 'Feind Staat' doch immer, denn von heute auf morgen können wir ihn nicht abschaffen oder bis zur Unkenntlichkeit in etwas Besseres transformieren. Ich warne lediglich davor, sich einer 'Politik der Notwendigkeiten' zu ergeben, die vermeintlich durch äußere Umstände diktiert wird. Hier sollte doch der Ort sein, an dem man genau dieses kritische Bewusstsein kultiviert, anstatt nur seine Schicksalsergebenheit zum Ausdruck zu bringen. Klar, nicht jeder hier sieht sich als Anarchist, aber ein bißchen mehr als 'alles ist unausweichlich' sollte dann eben schon kommen.

  • Na ja, du weißt ja jetzt, dass ich nicht den Staat als solchen verteidige ... ich meine, es ist doch klar, dass die sächsische Regierung AfD-/CDU-Wähler besser behandelt als linke Zecken. Das ist da doch kein Wunder.Aber das hat doch nichts damit zu tun, wie einzelne Maßnahmen bezogen auf die Pandemie zu bewerten sind. Das solche Dinge nicht im luftleeren Raum stattfinden und man die auch instrumentalisieren kann, ist doch klar.
    Bei Masken gibt's nur ein 'ja', da gibt's schlicht kein 'nein'.
    Und der Grund, weshalb die Linke halt nichts mit Spinnern und Verschwörungsidioten zu tun haben will, ist halt, weil man da in der Regel nicht wissenschaftsfeindlich ist. Und weil die meisten 'Argumente' aus der Querdenker-Fraktion halt sozialdarwinistisch-kapitalistisch sind, also darauf setzen, dass das Leben für 'die Mehrheit' normal weitergehen sollte, weil die Seuche ja nur Alte und Kranke betrifft, um die's ohnehin nicht allzu schade ist. Da wird dann mit den verschiedensten Scheinargumenten argumentiert - Virus gibt's nicht, ist nicht so schlimm, Tests bilden Situation falsch ab, Todesfälle sind/werden nicht so hoch usw.


    Ich meine, du vermischst da doch Positionen: In einer Pandemie-Situation ist 'no border'-Freizügigkeit halt tatsächlich nicht so geil. Aber das gilt doch nicht, wenn die Pandemie irgendwann mal wieder vorbei ist. Genauso gilt: Wenn ich heute sage, geh nicht ins Kino, dann heißt das doch nicht, dass ich selbst nicht wieder ins Kino gehen oder andere davon abhalten will, wenn das wieder gefahrlos möglich ist.

    Es gab und gibt gute Ansätze, die Krisenpolitik des Staates aus einer linken bzw herrschaftskritischen Perspektive zu kritisieren. In Stuttgart gab's zum Beispiel ganz am Anfang eine Kundgebung als Kontrast zu den Querdenkern, die aus den üblichen Gründen (keine Mobilisierungsfähigkeit außerhalb des eigenen Milieus) eher spärlich besucht war. Infolge hat man sich wohl darauf konzentriert, nur noch Querdenker-Demos anzugehen. Die Formulierung eigener Inhalte kommt zu kurz, und das gilt, so wie ich das sehe, auch für den Großteil der anderen Städte. Das Problem ist häufig eine reine Antifa-Identität, d.h. der Kampf gegen Rechts, der natürlich extrem wichtig ist, wird an die erste Stelle gesetzt und eigene Alternativen zum Bestehenden fallen dahinter zurück. Nix anderes kritisiere ich. Von Querfronten hab ich nirgends was geschrieben, im Gegenteil.
    Und 'no boders' hat eben am Ende keine Gültigkeit mehr, wenn man faktische Bedrohungen anerkennt, die unterschiedlicher Art sein können. Da sollte man eben auch ehrlich genug sein, sein sehr idealistisches Weltbild zu hinterfragen, wenn einem in der heutigen Situation auch nix anderes einfällt als die Einsicht in die Notwendigkeit.


    P.S. Ich hab nix gegen Masken und versteh nicht, wieso ständig auf dem Thema rumgeritten wird. 'Masken runter/alles auf' bezog sich auf die schwachsinnige Unterstellung, dass man genau darauf abzielt, wenn man es wagt, den Sinn staatlicher Maßnahmen infrage zu stellen.


  • Komplex ist das Verhältnis zum 'Feind Staat' doch immer, denn von heute auf morgen können wir ihn nicht abschaffen oder bis zur Unkenntlichkeit in etwas Besseres transformieren. Ich warne lediglich davor, sich einer 'Politik der Notwendigkeiten' zu ergeben, die vermeintlich durch äußere Umstände diktiert wird. Hier sollte doch der Ort sein, an dem man genau dieses kritische Bewusstsein kultiviert, anstatt nur seine Schicksalsergebenheit zum Ausdruck zu bringen. Klar, nicht jeder hier sieht sich als Anarchist, aber ein bißchen mehr als 'alles ist unausweichlich' sollte dann eben schon kommen.

    Na, aber man kann doch Alternativen nur entwickeln, wenn man sich auf das maßgebliche Wissen bezieht. Man muss doch wissen, wie sich so ein Virus (höchstwahrscheinlich) verhält. Wie man selbst dazu steht, ist doch eigentlich eher irrelevant.


    Und 'no boders' hat eben am Ende keine Gültigkeit mehr, wenn man faktische Bedrohungen anerkennt, die unterschiedlicher Art sein können. Da sollte man eben auch ehrlich genug sein, sein sehr idealistisches Weltbild zu hinterfragen, wenn einem in der heutigen Situation auch nix anderes einfällt als die Einsicht in die Notwendigkeit.

    Hm, aber niemand würde doch sagen, dass 'no borders' jetzt heißt, dass Leute in einen Landstrich gehen, wo 'ne Hungersnot herrscht ... oder dass sie, wie im gegenwärtigen Fall, rumlaufen sollen, um eine Krankheit zu verbreiten bzw. zu bekommen. Analog würde ja auch niemand jemanden auffordern, irgendwo hinzugehen, wo gerade ein heftiger Vulkanausbruch ist, ein Erdbegen tobt usw.


    Du musst da echt zwischen Extrem-/Ausnahmesituation und Normalzustand differenzieren.

  • Aha, und in einer Ausnahmesituation sind also alle Grundsätze über Bord zu werfen und dem Staat ist ein Persilschein auszustellen? Ich glaube, wir reden hier etwas aneinander vorbei. Dass du es dir so einfach machst bzw. einfach machen willst, denke ich jetzt mal nicht. Das Problem scheint mir tatsächlich in einer falschen Dichotomie zu liegen, siehe dazu unten verlinkten Text:


    "In Europa war dies viel komplizierter, da die Regierungen der Mitte versuchen, eine andere Dichotomie darzustellen, indem sie Austerität, Gehorsam und Leben mit Widerspenstigkeit, Protest und Tod gegenüberstellen – und Freiheit mit Verantwortungslosigkeit verbinden, selbst wenn sie das Leben für die Armen fast unmöglich machen, und Präzedenzfälle schaffen, um weitreichende und invasive neue Formen der staatlichen Kontrolle zu legitimieren."


    Im Übrigen gilt auch in Zeiten der Pandemie: Der Souverän ist derjenige, der über den Ausnahmezustand bestimmt.


    Ein interessanter Text aus anarchistischer Perspektive: CrimethInc. : Zweite Welle: Ein weiterer Lockdown, eine weitere Rebellion : Was die Aufstände in Südeuropa uns über die Pandemie und den Staat erzählen

    • Offizieller Beitrag

    Was ist das denn bitteschön für ein dämlicher Lockdown?
    Handwerker machen immer noch Hausbesuche, im Industriegebiet werden überall LKW's ein und ausgeladen (keine Lebensmittel, sondern Möbel und so Zeugs), und bei einer Firma hab ich die komplette Belegschaft bei der Mittagspause rumstehen sehen, wie sie sich miteinander unterhalten und ihre Zigaretten geraucht haben. Vor Bäckereien und Metzgereien stehen die Menschen Schlange bis weit auf die Straße hinaus und blockieren die Gehwege, weil man ja irgendwo was zu Essen finden muss, wenn die normalen Restaurants geschlossen haben.
    Aber wenn ich nach 20 Uhr joggen gehe, bin ich ein ganz böser Gefährder, der Schuld daran hat, dass sich das Virus immer weiter ausbreitet. :dash::dash::dash:


    Daran sieht man mal wieder recht schön, dass diese Maßnahmen eben nicht auf wissenschaftlichen Fakten basieren, sondern auf purer Willkür der Politiker. Da verhängt man lieber erstmal eine Ausgangssperre und verbietet Menschen das Treffen mit ihren Freunden, als dass man mal der Industrie komplett das Arbeiten verbieten würde, oder den Kirchen ihre scheiß Gottesdienste. Man macht denen eben ein paar Auflagen, und verlässt sich dann ganz selbstverständlich darauf, dass die ihre Auflagen erfüllen und sich eigenverantwortlich verhalten. Selbst dem Tönnies vertraut man noch und lässt ihn eigenverantwortlich seinen Betrieb weiterführen.
    Aber dem normalen Durchschnitts-Bürger vertraut man nicht, dass er eigenverantwortlich die Abstandsregeln einhalten kann, sondern man stellt pauschal jeden, der nachts irgendwo hingeht oder sich einen Glühwein holen will, unter Generalverdacht. Hieran sieht man doch, wie mit zweierlei Maß gemessen wird, und dass eben nicht erst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, ehe man sich an der Freiheit der Menschen vergreift, sondern dass die individuelle Freiheit ziemlich schnell eingeschränkt wird, weil es dafür eben auch keine besonders große gesellschaftliche Lobby gibt. (Nichtmal die FDP, denn dem Lindner geht's ja auch nur darum, dass die Wirtschaft brummt. Ob man nachts joggen gehen darf oder nicht, ist dem auch komplett scheißegal, genau wie so ziemlich jedem anderen Politiker, rechts wie links)
    Jedenfalls muss man kein großer Viren-Experte sein, um sagen zu können, dass die Fallzahlen auf diese Art nicht all zu schnell sinken dürften.
    Aber wenn es dann in ein paar Wochen immer noch viele Neuansteckungen gibt, gibt man sicher trotzdem wieder den partyfeiernden, unsozialen Querdenkern und der verantwortungslosen egoistischen Jugend die Schuld an der Misere.

  • Das mit den Kirchen fällt unter die Religionsfreiheit. Dass der Staat nicht da auch noch eingreift und gegen das Grundgesetz verstößt, sollte eigentlich in deinem Interesse liegen. Schon in der DDR waren es die Kirchen, die außen vor waren bei Repressalien vom Staat, und sie boten dann Raum für Andersdenkende, z.B. in Form von Auftrittsmöglichkeiten für Bands, die anderswo direkt von der Stasi einkassiert worden wären.


  • Nur Maloche, null Spaß - die Grundessenz des Kapitalismus :D Wobei ich mal bezweifle, dass in der schwäbischen Provinz so viele Ordnungshüter und Blockwarte unterwegs sind, dass die überwachen könnten, ob man nachts unterwegs ist. Man kann das ja auch sportlich sehen - zumindest besteht die Chance, dass deine Lieblingsplätze an Silvester und auch sonst nicht alle von besoffenen Dorfjugendlichen bevölkert sind. Tagsüber hat Corona tatsächlich zu einem massiven Zuwachs an Menschen geführt, die einem in der Natur über den Weg laufen.

    • Offizieller Beitrag

    Wobei ich mal bezweifle, dass in der schwäbischen Provinz so viele Ordnungshüter und Blockwarte unterwegs sind, dass die überwachen könnten, ob man nachts unterwegs ist. Man kann das ja auch sportlich sehen

    Den Spaß werde ich mir sicher noch gönnen, in der einen oder anderen Nacht. Aber irgendwie merke ich auch, dass ich älter werde... die jugendliche Freude am Regelbrechen, nur um des Regelbrechens Willen, ist irgendwie nicht mehr so stark ausgeprägt, wie es vielleicht noch vor zehn Jahren der Fall gewesen wäre. ;) In den letzten Nächten hat dann doch die Bequemlichkeit gesiegt.
    Aber stimmt schon, so menschenleer und ruhig wie es jetzt nachts ist, wird es vermutlich nie wieder sein. Diese friedliche Atmosphäre sollte ich mir nicht entgehen lassen.

  • Die LKWs beladen die wegen mir, weil ich gerade das Internet leer kaufe. Alles andere führe ich auf die allgemeine Idiotie der Menschen zurück. Nächtliche Ausgangssperren sollen wohl dafür sorgen, dass mangels Alternativen keine Corona-Partys veranstaltet werden. Finde ich aber auch total übertrieben. Man bin ich froh, dass ich nicht unter Schwaben leben muss, dann wäre ich bestimmt überzeugter Misanthrop. Und du bist total ungebunden, musst nicht in der Industrie oder sonstwo arbeiten, könntest überall leben und bleibst freiwillig unter ihnen, haha ;-)

    Gegen die Sinnlosigkeit des Lebens kommt man nicht an, aber man kann drüber lachen und dem Universum stolz den ausgestreckten Mittelfinger zeigen.