UN- Sonderberichterstatterin für Behindertenrechte warnt vor neuer Eugenik

  • Hm, ich hab einige Linke in meinem Freundeskreis, die mit Behinderten und auch in Richtung Inklusion arbeiten. Auch die Linkspartei dürfte entsprechende Arbeitsgruppen haben. Insofern würde es mich wundern, wenn du hier keine Ansprechpartner findest.


    Kannst du vielleicht präzisieren, wo du die genauen Gefahren siehst und vor allem, welche Gegenmaßnahmen du vorschlagen würdest? Der verlinkte Text ist ja etwas allgemein gehalten. Ich lese da nur raus, dass Bedenken bezüglich pränataler Diagnostik und Sterbehilfe bestehen. Wie soll man diese Themenbereiche deiner Meinung nach angehen?

  • Bisher habe ich keine derartigen Gruppen gefunden. Wenn Du da konkret Kontakte hast, bitte ich Dich um Vermittlung. Noch nicht mal Behindertenvereine interessiert das Thema.
    Kirsten Achtelik und ein paar Einzelpersonen sind bisher die Einzigen, die es heutzutage thematisieren.


    https://www.akweb.de/ak_s/ak619/19.htm


    Ähmm, ich sehe die Gefahren konkret in der Eugenik! Es ist halt das Gleiche wie in der NS Zeit, nur nicht so offensichtlich. Befremdlich, dass ich das überhaupt beantworten muss , wo ich in der Eugenik das Problem sehe. (sorry ein emotionales Thema für mich)
    Ich finde, dass Behinderte Nichtbehinderten gleichgestellt sein sollten. Ich denke, dass es wichtig ist, Aufklärungsarbeit zu leisten so wie die Krüppelbewegung damals. "Im Juni 1989 sollte in Marburg ein internationales Symposium der "Lebenshilfe" über "Bio-Technik - Ethik- geistige Behinderung" stattfinden. Als Referent geladen war u.a. Peter Singer, ein australischer Ethikprofessor, der in seinen Veröffentlichungen seit Jahren für die Tötung behinderter neugeborener Kinder eintritt. Nur aufgrund massiver Proteste autonomer Behinderten- und Krüppelinitiativen, Frauengruppen u.a wurde Singer wieder ausgeladen und das Symposium wieder abgesagt. Die seitdem in einer breiteren Öffentlichkeit geführte "neue Euthanasiedebatte" ist jedoch nur die Spitze des Eisberges.Sie ist im Zusammenhang zu sehen mit dem flächendeckenden Ausbau humangenetischer Beratungsstellen, dem Boom der Gen- und Reproduktionstechnologien sowie einer Sozialpolitik, die auf die Ausgrenzung von unproduktiven, kranken und alten Menschen zielt. Die "neue Ethik" dient der Absicherung dieser Politik." (Quelle: Tödliche Ethik, Beiträge gegen Eugenik und "Euthanasie", Verlag Libertäre Assoziation)

  • Hm, ich bin absoluter Laie auf dem Gebiet, aber auch mir ist Peter Singer ein Begriff, insofern denke ich nicht, dass überhaupt kein Bewusstsein für Eugenik vorhanden ist. Über solche faschistoiden Extrempositionen hinaus stehen natürlich offene Fragen im Raum, für die die Gesellschaft sensibilisiert werden sollte. Ich will nicht unsensibel klingen, aber die Frage, welche Art von Leben man selbst in die Welt setzen will, ist meines Erachtens nicht so eindeutig zu beantworten, WENN man letztlich tatsächlich in der Verantwortung ist, hier eine Entscheidung zu treffen. Soll heißen: Ich denke, eine Frau sollte immer entscheiden können, ob sie ein Kind abtreibt oder nicht. Ich weiß nicht so ganz, was die Alternative sein sollte - außer der reaktionären Forderung nach einen Abtreibungsverbot. Insofern ist es eher als gesellschaftliche Aufgabe zu sehen, die Akzeptanz von Menschen mit Behinderung zu verstärken. Natürlich soll kein Druck aufgebaut werden, der eine Frau quasi dazu zwingt, ein behindertes Kind abzutreiben. Allerdings sollte eben auch kein Druck entstehen, es unbedingt austragen zu müssen, um nicht als faschistoides Monstrum dazustehen, mal etwas überspitzt formuliert. Das ist mir eben auf rein individueller Ebene etwas zu simpel, hier in jedem Fall von Eugenik zu sprechen. Wir reden hier immer noch von Ungeborenen.
    Wie gesagt, es würde mich interessieren, was genau die Lösungsansätze wären - überhaupt keine pränatale Diagnostik mehr zulassen, damit niemand mehr vor eine solche Entscheidung gestellt wird?

  • Bisher habe ich keine derartigen Gruppen gefunden. Wenn Du da konkret Kontakte hast, bitte ich Dich um Vermittlung. Noch nicht mal Behindertenvereine interessiert das Thema.

    Kontaktiere doch einfach mal die Organisator*innen der Aktionen gegen die Lebensmärsche, die werden ja in dem ak-Artikel konkret genannt.

  • Ich habe eine persönliche Meinung (die ich niemandem ungefragt aufzwinge) zu selektiven Abtreibungen, da es für mich eine Ungleichstellung von Behinderten und Nichtbehinderten darstellt. Spätabtreibungen finde ich z.B. problematisch. Eine weitere Sache, die ich kritisch sehe, ist der Zwang zur Norm. Warum muss der Mensch alles normieren? Ist ein Leben echt eine Wunschbestellung? Bedenklich finde ich auch, dass 9 von 10 Ungeborene mit Trisomie 21 abgetrieben werden. Der Mensch greift hier in die Vielfalt ein. Mal schauen, welche Behinderungen in Zukunft noch vermieden werden können.


    Ich denke, um eine Entscheidung treffen zu können, sollte eine Frau die Möglichkeit bekommen, mehrere Perspektiven zu erfahren. Nicht nur die defizitäre Sichtweise über Behinderungen. Und es sollte mehr Unterstützung und Anerkennung für Frauen geben, die sich für ein Kind entschieden haben, das behindert ist. Isolation muss vermieden werden. Und Inklusion sollte nicht nur auf dem Papier stattfinden.


    Einer Frau, die sich gegen ein behindertes Kind entscheidet, sollte man keine Vorwürfe machen, ihre Entscheidung respektieren.


    Eine Frau sollte die Möglichkeit haben, sich wirklich entscheiden zu können, aber solange nur ein defizitäres Behindertenbild existiert, ist es eine einseitige Entscheidung. Und diese Einseitigkeit entsteht dadurch, dass Gelder gespart werden sollen. Dann ist von Lebenszeitkosten die Rede.



    https://www.deutschlandfunk.de…ml?dram:article_id=316351

  • Der Singer hatte ganz vernünftige Ansichten wie ich finde. Ich finde die ganze Pränataldiagnostik nicht nur aus gesundheitlichen Risikogründen sehr bedenklich. Zudem verunsichert und beeinflusst sie werdende Eltern, und greift damit erheblich in die persönliche Entscheidungsgewalt ein.
    Wenn das mal nicht! faschistoid ist. Aufklärung muss freiwillig bleiben und Pflicht -untersuchungen abgeschafft. Kinderkriegen ist doch kein Staatsakt, was soll die Kacke eigentlich. Pränataldiagnostik: Folgen von vorgeburtlichen Untersuchungen - DER SPIEGEL
    Unbedingt muss man auch noch den Faktor der körperlich-geistigen Belastung hinzufügen, wenn man ein "erwachsenes" Kind aufzieht, das niemals im Stande ist alleine auf Toilette zu gehen.
    Die Entscheidung nach der Geburt treffen zu müssen /können /dürfen finde ich viel wichtiger, sprich natürlicher und sollte nicht bestraft werden.
    Ein Abtreibungsverbot könnte in dem Bereich hinfällig werden, da die Mutter neun Monate lang einen Bezug zu dem Kind aufbaut, das in ihr heranwächst. Somit wäre die Entscheidung der anschließenden Euthanasie schon schwieriger, kann ich mir vorstellen. Es gäbe allgemein weniger "Tötungen" und Angstmache. Die Selbstbestimmtheit der Frau beim Gebähren hat sich ja auch ziemlich verändert zum Glück...

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  • Nur damit ich das nicht falsch verstehe, du befürwortest postnatale Abtreibung und findest Aufklärung faschistoid? :D

    Genau. Ich beziehe mich dabei auf den im Artikel genannten Punkt der PND (Prozeß der Pränataldiagnostik), und weis auch sonst woraus die sogenannte "ärztliche Aufklärungspflicht" üblicherweise so besteht.
    Es zielt alles auf eine Entmündigung (am eigenen Leib) und auf ein Abgeben der Verantwortung ab, und natürlich -wie sollte es anders sein -auf Moneten (die ein Krankhaltungssystem erst aufrecht erhalten)!
    Mit aufrichtiger Aufklärung habe ich kein Problem. Mit Behinderten erst recht nicht.

  • Naja wenn das Leben eines Säuglings ( ausserhalb des Körpers der Mutter, ein fertiger, fühlender Mensch) für dich weniger wert ist, als die Selbstbestimmung der Mutter über ihren Körper, würde ich dich aber auch nicht gerade als Anwalt behinderter Menschen betrachten... eijeijei

    Deswegen soll ja auch die Mutter entscheiden dürfen ohne bestraft zu werden (und nicht ich). Außerdem ist es in meinem Fall immer ein fühlendes Wesen, egal in welchem Monat, ob in- oder außerhalb der Matrix.
    Es geht mir hierbei auch darum, das bereits "bestehende Leben", sprich, die Mutter war zuerst da, mit einer extrem lang andauernden psychischen Belastung im schlimmsten Fall zu verschonen.
    Es ist ebenfalls von Euthanasie die Rede, und nicht, wie beim Abbort üblich, das zerhekseln des Fötus mittels Absaugspitze. Was ist denn da grausamer?
    Bsp.1) Das Kind in Würde austragen zu dürfen und sich von ihm zu verabschieden, oder Bsp. 2) Aufgrund einer Nachricht, deren Erstellung erst recht gewaltige Risiken zum Thema birgt, gewissenlos ein einstiges Wunschkind abzutreiben ?
    Jede Frau macht sich im Nachhinein Vorwürfe bei einer Abtreibung. Aber ein wenig überlebensfähiges Kind gehen zu lassen, nachdem ich es ausgetragen habe ist unnormal?
    "Wenn das die Lösung des Problems sein soll, will ich mein Problem zurück!"