Suizid

  • Ich möchte auf diese Frage aus dem 20 Fragen Thread gerne näher eingehen:
    Was denkt ihr über Suizid ? Habt ihr es schon mal geplant oder sogar in die Tat umgesetzt, was dann logischerweise gescheitert sein muss, um darüber berichten zu können?
    Oder habt ihr es geplant und dann doch sein lassen aus irgendwelchen Gründen?
    Bereut ihr es daß ihr es damals nicht durchgezogen habt? Wer oder was hält euch nun davon ab?
    In einer akuten Situation würde ich natürlich versuchen denjenigen daran zu hindern, falls ich gerade dazu stoßen sollte, aber wenn man die Möglichkeit hat vorher über die Beweggründe zu sprechen, so würde ich niemanden von seinem festen Willen abbringen wollen.

  • Bei mir war es damals so, daß ich meine Pläne meinem Bruder erzählte, und dieser mich dann (aus Gewissensgründen, logisch) verpetzt hat. Danach war das Thema für mich abgeschlossen.
    Es wurde aber leider weder in der Familie darüber gesprochen noch irgendwelche Hilfe von außen gesucht.
    Für mich selbst war es wie gesagt abgeschlossen, es war mein Plan, er wurde durchkreuzt und fertig.
    In meinem Bruder hat es genagt die ganzen Jahre über. Therapie beim Psychiater und AD haben nichts geholfen. Er hat sich zwar nicht im klassischen Sinn das Leben genommen, aber ein Tod zu erleiden wie James Dean war in der ganzen Clique beliebt.
    Gewissen Themen einfach ins Auge zu blicken und darüber zu sprechen kann helfen, und wenn sich jemand zeigt, in welche Richtung auch immer ist es gut, wenn man es nicht aus eigener Scham vielleicht von sich wegschiebt.
    Gerade Leute die hier aufschlagen, wissen schon warum sie es in einem "Selbsthilfe -Forum" nicht tun.

    • Offizieller Beitrag

    Das Forum hat ja nun schon so eine gewisse Geschichte, was Selbstmorde angeht... 3 User, von denen wir es wissen, und vermutlich noch ein paar, wo man es nie erfahren wird, weil es einem niemand mitgeteilt hat.


    Was mich persönlich angeht, habe ich den Nihilismus wohl nie so kultiviert wie gewisse andere Leute, sondern hab mir durch meine etwas spirituellere Sicht auf das Leben auch immer etwas positives bewahrt, an dem ich mich festhalten kann. Nennen wir es meinetwegen "Glauben". Glauben an Karma oder Schicksal. Ich glaube daran, bzw. möchte zumindest daran glauben, dass man irgendwann entschädigt werden wird für die harte Zeit, die man im Leben durchmacht. Ich glaube, wenn man nur lange genug durchhält und immer auf sein Herz hört und die richtigen Entscheidungen trifft, dann wird man eines Tages auch etwas zurückbekommen. Vielleicht nicht so, dass man die Uhr danach stellen sollte... und sowieso nicht dann, wenn man es erwartet. Aber irgendwann wird man etwas zurückbekommen, und dann wird man die eine oder andere tragische Begebenheit in seinem Leben vielleicht auch mit anderen Augen sehen.
    Beweisen kann ich das natürlich nicht. Und ich denke auch, dass das jeder für sich selbst entscheiden muss, ob sich ein weiterleben lohnt oder nicht. Ich denke nicht, dass man moralisch dazu verpflichtet ist, zu leben... das ist ja christlicher Quatsch, sowas zu denken... Wenn man sich sicher ist, dass einem das Leben nichts mehr gibt und nur noch Enttäuschungen für einen bereit hält, warum nicht? Aber die Frage ist halt: Kann man sich da wirklich sicher sein? Selbst wenn man glaubt, alles gesehen zu haben von der Welt?


    Mit Ina bin ich beispielsweise 2006 auf nem Konzert gewesen. Dass ich mal selber in einer Band spielen und Musik machen würde, war damals noch überhaupt nicht abzusehen. 2008 hat sie sich dann umgebracht, und hat damit nicht nur meine komplette Musiker-Karriere verpasst, sondern eigentlich auch die ganzen Videos auf Youtube. Ok, manche der Videos hätte sie wohl auch eher belächelt, vor allem die etwas idealistischeren... aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie an den Songs der Anarchonauten ihre Freude gehabt hätte. Und wer weiß... vielleicht hätte ich sie ja sogar überredet, mitzumachen und mal zu probieren, ob sie singen kann. Vielleicht hätten wir dadurch unsere fehlende weibliche Stimme bekommen.
    Das alles ist leider nie passiert. Und nichts davon hatte sie vermutlich auch auf dem Schirm, als sie sich umgebracht hat, weil man vermutlich, wenn man im Suizid-Modus ist, irgendwann nur noch das sieht, was ist und was einen runterzieht, und nicht mehr das, was vielleicht theoretisch sein könnte... all die Überraschungen, die das Leben vielleicht noch für einen bereithalten könnte.

  • Zitat von MiriOm

    Was denkt ihr über Suizid?

    Ich kann nicht wirklich die schlimme Verzweiflung nachempfinden, die jemanden zu diesem Schritt bewegt. Suizid durch schwere Erkrankung aber durchaus.

    Zitat von MiriOm

    Habt ihr es schon mal geplant oder sogar in die Tat umgesetzt, was dann logischerweise gescheitert sein muss, um darüber berichten zu können?

    Weiß ich nicht mehr genau, wann genau es war, aber ich war noch sehr jung (um die 18?), als ich nach Hamburg in eine Hochhaussiedlung aufbrach, weil ich mein Leben zur der Zeit nicht mehr ausgehalten habe. Ich saß dann in irgendeinem Hochhaus ganz oben im Treppenhaus, habe mich aber nicht überwinden können, zu springen. Ich bin dann nach einer Weile wieder nach Hause gegangen, und einige Zeit später hat sich die Verzweiflung wieder halbwegs aufgelöst. Es war alles sehr halbherzig und wenig durchdacht.

    Zitat von MiriOm

    Bereut ihr es daß ihr es damals nicht durchgezogen habt?

    Nein, ganz und gar nicht. Es war auch das erste sowie letzte Mal, dass ich mich umbringen wollte. Man denkt im Laufe des Lebens zwar ab und zu mal darüber nach, aber konkreter Suizidwille war nie mehr vorhanden gewesen.

    Zitat von MiriOm

    Wer oder was hält euch nun davon ab?

    Der Glaube/die Hoffnung, dass alles gut werden kann, egal wie schlimm die aktuelle Situation ist oder erscheint.

    Zitat von MiriOm

    In einer akuten Situation würde ich natürlich versuchen denjenigen daran zu hindern, falls ich gerade dazu stoßen sollte, aber wenn man die Möglichkeit hat vorher über die Beweggründe zu sprechen, so würde ich niemanden von seinem festen Willen abbringen wollen.

    Natürlich muss man immer den Willen einer Person sehen und respektieren. Würde aber dennoch so gut es geht versuchen, sie auf andere Gedanken zu bringen.


    Sonstige kurze Gedanken:
    Zum Glück hatte ich in meinem Umfeld noch nie einen Suizid oder jemanden, der nicht mehr leben wollte. So ist das Thema auch größtenteils nicht im Bewusstsein.

    Einmal editiert, zuletzt von Celdur ()

  • Ja cool, danke für eure Antworten erstmal. Ich finde es gut daß sowas nicht belächelt wird..
    Domian war zwar sicher für viele eine Hilfe in letzter Not, allerdings hätte mich die allgemeine Verarsche über ihn und das Thema entweder noch mehr runter gezogen oder eben abgeschreckt.
    Ich kannte Ina nicht, aber auch sonst hat mir noch niemand etwas über derartige Pläne erzählt. Bin mir ziemlich sicher dass sowas nicht im Affekt passiert, sondern lange im Hinterkopf präsent ist.
    Ich kann mir aber auch widerum gut vorstellen, dass man es in der aller letzten Sekunde gar nicht wirklich möchte, aber es kein Zurück mehr für einen gibt.
    Bei schwerer Krankheit ist das was anderes, aber sogar dort kannte ich auch wiederum nur Leute, deren Lebenswillen bis zuletzt vorhanden war.
    Tja, wie dem auch sei, gewünscht hatte ich mir auch ab und zu tot zu sein. Ich wollte es nur nicht "selber" machen; war zu "feige"...
    Ans Schicksal glaube ich auch iwi seit dem, weil es sich des öfteren gezeigt hat, daß es meinem Wunsch durchaus nachkommen würde, wenn ich das wirklich wollte. Seitdem gehe ich ein bisschen vorsichtiger mit meinen "Wünschen" um.
    Dann wünsche ich den Anarchonauten mal dass sie noch viele Herzen erfreuen werden.
    :)

  • Ernsthafte Suizid-Gedanken hatte ich, abgesehen von kurzen Momenten des Selbstmitleids, noch nicht. Das Leben erscheint mir normalerweise ohnehin so kurz und zerbrechlich, dass sich mir der Gedanke, es frühzeitig zu beenden, nicht so schnell aufdrängt. Ich habe fünf Selbstmörder in meinem Umfeld erlebt, und aus meiner rein subjektiven Sicht hätten sich alle noch etwas Zeit lassen können. Ich verstehe, dass es Situationen gibt, in denen das Leben nicht mehr lebenswert ist bzw. erscheint. Für mich persönlich muss da aber einiges zusammenkommen, das bei den betreffenden Personen nicht gegeben war. So gesehen ist auch das frühzeitige Abtreten von Ina und Jan rückblickend sehr frustrierend. Ich habe mir damals gesagt, dass man zumindest konsequent sein sollte. Dementsprechend lasse ich keine nihilistischen Gedanken oder allgemeine Misanthropie mehr zu, ebenso wenig wie inkonsequente Formen der Selbstzerstörung. Auch der Krieger-Thread kann als Produkt dieses Entwicklungsprozesses gesehen werden.

  • @Lonewolf Was sind inkonsequente Handlungen der Selbstzerstörung für dich, hast du da ein Beispiel zur Hand?


    Selbstzerstörerische Gedanken und Ideologien, exzessiver Drogenkonsum, nur als Beispiele. Generell eine negative Haltung zu sich selbst und zum Leben. Hätte sich Jan/Benway nicht das Leben genommen, hätte man ihm wohl eine solche Inkonsequenz vorwerfen können... das Kunststück hätte darin bestanden, aus diesem Teufelskreis auszubrechen und den Keller wieder zu verlassen (die, die damals schon dabei waren, wissen wohl, was ich meine).

  • Weiß ich nicht mehr genau, wann genau es war, aber ich war noch sehr jung (um die 18?), als ich nach Hamburg in eine Hochhaussiedlung aufbrach, weil ich mein Leben zur der Zeit nicht mehr ausgehalten habe. Ich saß dann in irgendeinem Hochhaus ganz oben im Treppenhaus, habe mich aber nicht überwinden können, zu springen. Ich bin dann nach einer Weile wieder nach Hause gegangen, und einige Zeit später hat sich die Verzweiflung wieder halbwegs aufgelöst. Es war alles sehr halbherzig und wenig durchdacht.

    In meiner suizidalen Phase entschied ich mich auch irgendwann für ein sehr hohes Gebäude. Ich hatte das alles über lange Zeit geplant, mir Häuser und Brücken angesehen und mich emotional mit der komischen Vorstellung über Wasser gehalten, dass ich mich ja jederzeit umbringen kann, wenns mir zu schlecht geht. Das funktionierte eine Zeit lang, verbesserte aber nicht gerade meinen Blickwinkel aufs Leben und zog das Elend nur in die Länge. Als die Verzweiflung irgendwann am größten war, brach ich alle Kontakte ab, kündigte meine Wohnung und hab es dann doch nicht durchgezogen, sondern bin stattdessen in eine Psychoklinik gegangen (bzw. gegangen worden :D) . Ich wollte nicht wirklich sterben, sondern fand aus meinem negativen Gedankentunnel keinen Weg für ein besseres Leben und war zu lange zu stolz, ein Mitglied der "Drecksmenschheit" um Hilfe zu bitten. Der Klinikaufenthalt stellte dann den absoluten Nullpunkt in meiner Biografie dar, weil ich wirklich alles außer einem vagen Funken Hoffnung auf Besserung verloren hatte. Mit der Zeit ging es mir aber immer besser, weil die Verzweiflung langsam durch eine Art positive Gleichgültigkeit nachdem Motto: "Was soll schon schlimmeres passieren?" ersetzt wurde, durch die ich mich unabhängiger und stärker fühlte. Außerdem war es angenehm mit Menschen in Kontakt zu kommen, die ähnliche Problem wie ich hatten und mich nicht mit dem üblichen Smalltalk langweilten. Obwohl ich keine Medikamente nahm und mich von den freundlichen Therapeuten nicht wirklich verstanden fühlte, war ich nach ein paar Monaten so gut drauf, dass ich einen Wohngruppenplatz ablehnte und stattdessen eine Wg mit einem Mitpatienten gründete.
    Meine damaligen Suizidgedanken sind also letztendlich positiv für mich ausgegangen, weil sie für dringend notwendige Veränderungen sorgten und mir die nachhaltige Erfahrung brachten, dass ich solche Abstürze überstehen kann. Es wäre nur schön gewesen, wenn ich diese Erkenntnis auf schnellere und elegantere Weise erlangt hätte. Jedenfalls kann ich mir heute nicht vorstellen, mich jemals wieder dermaßen selbst ins Knie zu ficken.

    Gegen die Sinnlosigkeit des Lebens kommt man nicht an, aber man kann drüber lachen und dem Universum stolz den ausgestreckten Mittelfinger zeigen.

  • Ich stelle mir oft vor, was ich für ein Gefühl diesem Jemand gegenüber gehabt hätte. Ich meine jemanden, dem ich etwas bedeutet hätte. Was hätte ich gesagt, getan usw.oder einfach nur zugehört.
    Es gibt aber auch ungeklärte Todesfälle, wie der von dem Gitarristen von Madrugada, der am Tag zuvor glücklich war. Ich weis nicht, ob du das damit in Verbindung bringen wolltest oder einfach nur deren Musik für sich sprechen lassen wolltest.
    Jedenfalls kannte ich nur Leute, deren "Termin" wohl nahe war, sie ihren Tod nicht selbst herbeiführten, aber dennoch intuitiv ihren Frieden mit sich und der Welt vorher machten. Ich möchte da immer gerne unterscheiden zwischen dem Hineinsteigern in etwas, oder ne zutiefst gefühlte Sehnsucht, die (sowieso) iwann Wirklichkeit wird.
    Z.b.mag ich auch gerne düstere Musik und Texte, aber dieses suizidale Verhalten und das Hineinsteigern in etwas in der Szene habe ich nie wirklich verstehen können.
    Wenn es demjenigen die Zeit erlaubt, würde ich ihm immer das Reisen in Kriegsgebiete empfehlen.
    Mit Leuten zu quatschen die auf Augenhöhe mit dem Tod leben der dort allgegenwärtig ist, und Menschen zu helfen die betroffen davon sind.
    Um einen klassischen Suizid zu begehen, denke ich, braucht es viel Zeit um darüber nachzudenken, Zeit, die (eigentlich) nur wenige von uns haben.
    Vorwerfen möchte ich niemandem etwas, aber man sollte sich im Klaren darüber sein, welche Auswirkungen der eigene Suizid auf andere haben könnte.
    Als Kind war mir klar, daß später, je mehr Leute mich kennen lernen und mögen würden, es gewissenstechnisch immer schwieriger werden würde, die Verantwortung allein der Trauer um meine Person als Erwachsene zu tragen.


    @Humus Humanus :D
    "Ins Knie ficken" tut sich auch nur der Mensch. So ein verwerfliches Verhalten hab ich im Tierreich oder im Krieg (Ausnahme Selbstmord Attentäter) noch nicht beobachtet.
    Trotzdem versuche ich hier die Gedankengänge nachzuvollziehen.


    Einmal editiert, zuletzt von Igno von Rant ()