Der Weg des Kriegers

  • Magst du mal erzählen wie du dein Leben gerade umkrempelst? Ich könnte im Bezug auf: 'Lebe besser unbequem/ aus der Komfortzone heraustreten' derzeit etwas Inspiration gebrauchen.
    Ich möchte mir dazu aber nichts ansammeln müssen wie einen Kurs oder ähnliches. Hast du ganz einfache, praktische Tips, die ich leicht in meinen Alltag integrieren könnte ?

  • https://www.youtube.com/watch?…89aF_7xh0JLxX_kporo7jkuNg


    Ein inspirierendes Interview passend zum Thema, das aufzeigt, wie die verschiedenen Archetypen ineinander übergehen


    Warrior- Healer-Scholar-Priest

    Den finde ich sehr authentisch. Bei der Erzählung über seinen ersten Straßen-, eigentlich StrandKampf, hab ich mich zurückversetzt gefühlt in meinen ersten und einzigen reellen Kampf. Komisch, wie der Körper sofort den passenden Cocktail an Hormonen mixen kann um keinen Schmerz zu fühlen.
    Zurückblickend hab ich mich wie ein Tier gefühlt. Alles läuft wie in Zeitlupe ab und man spürt nichts, weil der Körper so mit Adrenalin überschwemmt ist.
    Ja, ich denke auch dass eine Mischung aus Qi Gong, Tai Chi, meditativem Budo und diversen Kampfsportarten hilfreich sein kann, um die Entwicklung vom 'wilden Tier' zum 'Meister der eigenen Auffassung' durch zu machen.
    Es sollte alles zur eigenen Kunst werden, dann fühlt sich sogar das Heckenschneiden wie Kalligraphie an, und der eigene Kampfstil wird zum Tanz.
    So verstehe ich auch die Kampfszenen in einem Film, wo sie in Zeitlupe durch die Luft fliegen als eine Art Koreographie, in der alles leicht und mühelos entspannt, überlegt aussieht.
    Was ich noch sehr toll in seiner Erwähnung finde, ist der Respekt vor dem Gegner. Ich kann kein Meister werden und nicht wachsen, indem ich meinem Gegenüber Verachtung entgegenbringe.
    Er geht genauso ein Risiko ein wie ich, und letztendlich entscheidet der 'State of Mind' über (m)eine Meisterschaft (aufs ganze Leben ausgedehnt).

  • Wo gibt es jetzt für euch Parallelen zwischen dem was Geoff Thompson lehrt, und dem was Harinder Singh lehrt?
    Ich hab mir dazu ebenfalls ein paar Gedanken gemacht, aber mich interessiert natürlich, was jemand mit mehr Erfahrung darüber denkt. :) https://www.youtube.com/watch?v=_ExGtroUjkc


    Beide sind leidenschaftliche Kampfkünstler, die über die Kunst hinaus die Frage gestellt haben, wie sich die "sterilen Techniken" mit der harten Realität in Einklang bringen lassen. Wobei ich jemandem wie Thompson da mehr Street Credibility zuschreiben würde. Der ist wohl der Archetyp des Dojo-Lehrers, der seinen Kram vor dem Hintergrund von zig Straßenkämpfen entsprechend angepasst hat und zum Pionier der Reality Based Self Defense wurde.
    Singh kommt aus der Bruce-Lee/Dan-Inosanto/Paul-Vunak-Linie, also den sog. Jeet Kune do Concepts (Zusammenführung verschiedener Stile). Die haben eine interessante Unterscheidung zwischen Self Preservation (dem harten Kern an Techniken für die Straße) und Self Perfection (der Kampfkunst in all ihren Facetten), wobei beides seinen Platz findet. Ich schätze, Thompson ist rein vom Technischen her mehr "down to Earth". Keine Asia-Tradition, sondern eher Boxen, Karate und Ringen bzw. Judo, an die Straße angepasst.


    Thompson hat in den letzten beiden Dekaden einen Schwenk zum spirituellen Coach vollzogen, wobei er seine eigene Motivation, überhaupt kämpfen zu lernen, kritisch reflektiert hat (Missbrauchserfahrungen, Depression, Ängste). Das blenden heute viele aus, die sich nur für den "frühen" Thompson interessieren. Ich denke, man muss das ganze Bild betrachten.
    Vor dem Hintergrund sind bei beiden philosophische, spirituelle und therapeutische Aspekte der Kampfkunst von großer Bedeutung. Also tatsächlich das, was man den Weg des Kriegers nennen könnte. Soll heißen: Was man lernt, muss funktionieren, aber man führt auch einen Kampf gegen seine inneren Dämonen.
    Für mich ist das gerade in Zeiten der Extreme (realitätsferne Kampfkunst auf der einen, Möchtegern-Kommandokämpfer und Straßenkampf-Fanatiker auf der anderen Seite) von großer Bedeutung.

  • Die Selbstreflexion finde ich bei Thompson, entsprechend seines Schicksals, auch recht beeindruckend. Das wäre für mich eine Präferenz wenn ich mir einen Lehrmeister aussuchen müsste/ dürfte/ könnte.
    Singh's Stil ist halt mehr etwas fürs "Auge", und kommt deswegen bestimmt besser bei den Leuten an.
    Mich interessiert da eher die persönliche Entwicklung und die damit verbundene Erfahrung.
    Thompson ist einfach prädestiniert und seine Arbeit verdient großen Respekt.
    Finde es auch immer wichtig, auf dem Boden zu bleiben und seine Erfahrungen miteinzubeziehen, und über den "therapeutischen" Weg damit anderen zu vermitteln/zu helfen, ein friedfertiger Krieger zu sein, d.h. das eigene Schicksal zu überwinden zu Gunsten anderer, und letztendlich auch für sich selbst. (?)

  • Magst du mal erzählen wie du dein Leben gerade umkrempelst? Ich könnte im Bezug auf: 'Lebe besser unbequem/ aus der Komfortzone heraustreten' derzeit etwas Inspiration gebrauchen.Ich möchte mir dazu aber nichts ansammeln müssen wie einen Kurs oder ähnliches. Hast du ganz einfache, praktische Tips, die ich leicht in meinen Alltag integrieren könnte ?


    Da gibt es bessere ratgeber als mich. ^ ^
    Ich kann dir da keine ratschläge geben, denn mein leben ist chaos.und in diesem chaos versuche ich ordnung zu bringen.Ich bin schon lange gefallen, deswegen mein ratschlag ; such dir bessere lehrer.

  • Hier eine kleine Erklärung einer der Techniken aus dem Wing Chun. Im Unterschied zu anderen Kampfkünsten wird hier der Schwerpunkt auf Entspannung gelegt. Ich kann das aus meiner Arbeit mit schweren Gartengeräten den ganzen Tag lang gut nachvollziehen. Auch im Unterschied zu anderen Kampfkünsten oder des Strassenkampfes habe ich auf Anhieb nichts vergleichbares finden können. Da das Wing Chun von einer Frau entwickelt wurde, ist es für den Nahkampf sicher eine der effektiveren Methoden (für mich).


    Wenn ich als Frau erstmal darauf hoffen muss, dass mein Gegener den Abstand oder die Flucht allein durch mein Schreien ergreift, bin ich durch die Ausschüttung meines zusätzlich produzierten Adrenalins dermaßen blockiert in dem Moment, dass ich mir ebenfalls vorstellen könnte, über zu reagieren und vielleicht einen entscheidenden aber vermeidbaren Fehler zu begehen.
    Verhältnismäßig zu handeln und cool zu bleiben, erscheint mir in jeder akuten Ausgangssituation ersteinmal für angemessen. Man darf eben nicht vergessen, daß es sich hierbei um Selbstverteidigung handelt und nicht um ein Killerkommando oder so was.
    Desweiteren will ich meinen Körper nicht mehr dem tagelangen, schmerzhaften Adrenalinabbau aussetzen, wo mir schon ein schiefer Blick, eine schlechte Nachricht die Schrauben in meiner Grundspannung unnötig anzieht.


    https://www.youtube.com/watch?v=0POu0pxzO28

    2 Mal editiert, zuletzt von Igno von Rant () aus folgendem Grund: Einiges noch ausgeführt, wofür ich vorher keine Ruhe hatte.

  • Hier eine kleine Erklärung einer der Techniken aus dem Wing Chun. Im Unterschied zu anderen Kampfkünsten wird hier der Schwerpunkt auf Entspannung gelegt. Ich kann das aus meiner Arbeit mit schweren Gartengeräten den ganzen Tag lang gut nachvollziehen. Auch im Unterschied zu anderen Kampfkünsten oder des Strassenkampfes habe ich auf Anhieb nichts vergleichbares finden können. Da das Wing Chun von einer Frau entwickelt wurde, ist es für den Nahkampf sicher eine der effektiveren Methoden (für mich).


    Wenn ich als Frau erstmal darauf hoffen muss, dass mein Gegener den Abstand oder die Flucht allein durch mein Schreien ergreift, bin ich durch die Ausschüttung meines zusätzlich produzierten Adrenalins dermaßen blockiert in dem Moment, dass ich mir ebenfalls vorstellen könnte, über zu reagieren und vielleicht einen entscheidenden aber vermeidbaren Fehler zu begehen.
    Verhältnismäßig zu handeln und cool zu bleiben, erscheint mir in jeder akuten Ausgangssituation ersteinmal für angemessen. Man darf eben nicht vergessen, daß es sich hierbei um Selbstverteidigung handelt und nicht um ein Killerkommando oder so was.
    Desweiteren will ich meinen Körper nicht mehr dem tagelangen, schmerzhaften Adrenalinabbau aussetzen, wo mir schon ein schiefer Blick, eine schlechte Nachricht die Schrauben in meiner Grundspannung unnötig anzieht.


    https://www.youtube.com/watch?v=0POu0pxzO28


    Dass Wing Chun von einer Frau entwickelt worden sein soll, fällt vermutlich eher in den Bereich der Legende. Wirklich gesichert sind diesbezüglich meines Wissens keine Entstehungsgeschichten. Ich vermute eher, dass es ein Hong-Kong-typischer Straßenkampfstil der letzten 100-150 Jahre ist. Ist aber, wie gesagt, nur eine Vermutung.
    Die Idee der völligen Entspannung habe ich vor allem in den russischen Stilen kennengelernt. Wobei ich für mich nicht abschließend die Frage klären konnte, ob das unter Stress so umsetzbar ist. Der Körper ist dann angespannter, ist einfach eine natürliche Reaktion, die sich schwer abstellen lässt.
    Die Stärke des Wing Chun besteht meiner Erfahrung nach gerade in dem kurzen, explosiven "Overkill" auf sehr kurze Distanz - weich oder flexibel ist das eher nicht. Und meines Erachtens ist das (nicht das System, sondern die Vorgehensweise) auch die Chance, die eine körperliche schwächere Person gegen eine stärkere hat.


    Die Idee der Entspannung ist natürlich generell für den Alltag und die gesunde Bewegung von sehr großer Bedeutung. Das klingt sehr simpel, ist es aber nicht. Wir sind in der Regel so voller Blockaden, dass man Jahre braucht, um das wegzubekommen.

  • Meinst du mit russischen Stilen die 'Systema' Methoden? Ein Warm up Video hat mich sehr an Yoga Haltungen erinnert, und die Geschichte davon (daß es verboten wurde), macht das ganze um so interessanter für mich.
    Natürlich hört sich das mit den Energien erstmal total verrückt an, aber genau darum geht es im Eigentlichen denke ich. Wenn der Körper genug Entspannung aufweist, also neben der normalen Spannung zur Aufrechterhaltung, hat die Energie des Körpers irgendwie ihre eigene "Intelligenz".
    Ich weis nicht, ob man das so sagen kann, aber ich vermute, es hat etwas damit zu tun, sich in jegliche Situation iwi "hinein entspannen" zu können bzw zu lernen.
    Ähnlich den Yoga Haltungen, wo man die Blockaden im Körper durch tiefes Atmen und in den Schmerz hinein dehnend, auflösen kann.
    Vertrauen spielt dabei eine große Rolle. Was mir oft widerstrebt sind eben die starren Bewegungsabläufe und Übungen am "Holzmann", die ich bestimmt in akuten Gefahrensituationen vergesse, wie ein Blackout beispielsweise.
    Wahrscheinlich muss jeder seine ganz individuell eigene Variante finden, gemixt aus den Techniken die es gibt, und dem, was der eigene Körper/Geist Mechanismus in der jeweiligen Tagesverfassung so hergibt.
    * Achso, was ich noch dazu sagen wollte im Bezug aufs Lernen und Körper-Intelligenz.
    Alles, was ich mühsam erlernen muss, geht bei mir auch schnell wieder verloren. Deswegen setze ich oft auf "unlearning" und habe damit ein besseres Gefühl für den Moment. Ich kann mir auch keine bessere Methode vorstellen, als mit so etwas seine Sinne zu schärfen. Danke für den Hinweis, das hört sich für mich jedenfalls nach einem sehr sympathischen 'System' an.

    Einmal editiert, zuletzt von Igno von Rant ()

  • Ja, ich meinte die 'ballistischen' Methoden des Schlagens und auch Werfens z. B. im Systema. Ich sehe darin aber eher eine Methodik zur Bewegungsoptimierung. Um das anzuwenden, muss das schon mit etwas mehr Druck eingeübt werden, das hat dann auch nix mit Hokus Pokus zu tun:


    Was mir daran gefällt, ist vor allem die Spontanität, es sind eben keine festgelegten Abfolgen oder 'dead patterns', die da abgefeuert werden. Genau für diesen 'Flow' sind die ganzen teils etwas merkwürdig aussehenden Vorbereitungsübungen gedacht.


    Geoff Thompson sagte mal so schön: Worum es letztlich geht, kann man auf die Rückseite eines Bierdeckels schreiben: 'Learn to hit fucking hard'. Aber das hat keine Bedeutung, wenn man nicht selbst die Systeme durchsucht nach der Methodik, die für einen selbst Sinn macht.