Ist Gewaltfreiheit möglich/sinnvoll?

  • Ich würde schon sagen, dass Anarchismus absolute Gewaltfreiheit bedeutet. Der Weg dorthin in diese "Gesellschaft", wurde natürlich von vielen Theoretikern, wie zB. Bakunin nicht gewaltfrei dargestellt. In einer anarchistischen Gesellschaft ist aber die Anwendung von Gewalt doch nur eine Machtdemostration und muss als solche komplett abgelehnt werden.

  • Na ja, ich habe den Verweis auf utopische Endzustände immer als Ausrede für unangenehme Fragen empfunden (z.B. hinsichtlich des Umgangs mit "Verbrechern"), insofern interessiert es mich nicht sonderlich, was "der Anarchismus" oder auch "der Kommunismus" an sich darstellen soll. Es führt meines Erachtens nirgendwo hin, immer die Gewaltfreiheit zu betonen. Vor allem wirkt es wenig aufrichtig oder glaubwürdig.

  • Wenn du den Weg zur Gewaltlosigkeit mit Gewalt pflasterst, dann ist das irgendwie genau das Gleiche wie in unserer Gesellschaft. Die Freiheit wird mit Kriegen verteidigt. Warum sollten Menschen sich für diesen Weg entscheiden, wenn er sich nicht von dem Jetzigen unterscheidet ? Sicherlich ist es einfacher, eine Gesellschaft aus dem nichts aufzubauen, indem man den Weg dahin einfach ignoriert. Aber die Ideale eines freiheitlichen und hierachielosen Zusammenlebens können nicht mit deren Gegensätzen erreicht werden. Die Vergangenheit liefert den besten Beweis dafür !

  • Die Vergangenheit - und die Gegenwart - liefert den Beweis dafür, dass selbst die kleinsten Errungenschaften wehrhaft verteidigt werden mussten bzw müssen. Im "kommenden Aufstand" wird es treffend ausgedrückt: Pazifismus ist die Theoretisierung der eigenen Ohnmacht. Ich bin immer wieder mit Friedensaktivisten in der Frage aneinander geraten, die schlichtweg keine plausible Antwort auf die Frage liefern können oder wollen, wie man Erscheinungen wie dem historischen Faschismus oder dem IS gewaltfrei begegnen soll. Das sind nur die drastischsten Beispiele. Aber auch hinter gewaltfreien Erfolgen steht oft zumindest der Schatten der Möglichkeit einer gewalttätigen Eskalation, die vermieden wird und in Zugeständnisse mündet.


    P.S. Menschen sollen sich nicht für Alternativen entscheiden, weil ihnen unglaubwürdige Utopien vorgegaukelt werden, sondern weil sie ihre Auffassung, wie Gesellschaften sozial und ökonomisch organisiert sein sollten, radikal in Frage stellen. Gewaltfreiheit ist kein Ideal, das ich anstrebe oder anderen verkaufe. Massive Reduzierung von Gewalt auf das Nötigste, sicherlich. Aber ich wehre mich gegen ideologische Verklärungen von Gewalt zu Herrschaft.

  • @ Lonewolf
    Ich würde es nicht als Ohnmacht sondern eher als bewusste Entscheidung sehen. Der Ohnmächtige neigt dazu, sich in Machtpositionen zu stürzen, um diese Ohnmacht zu überwinden und zu kompensieren.


    Beim gewalttätigen Kampf gegenüber Faschisten und religiösen Fundamentalisten bin ich mir halt nicht so sicher, ob damit Erfolge zu erringen sind. Den Krieg haben die Allierten zwar auf militärischer Ebene gewonnen, aber verschwunden ist der Faschismus dennoch nicht. Im Gegenteil. Mittlerweile hat dieser sich noch mehr im allgemeinen Bewusstsein festgesetzt und die Mitläufer von einst, sind heutzutage vielmals auch überzeugte Täter.
    Da es kein komplettes Erfolgsrezept bei beiden Ansätzen zu geben mag, vielleicht ist ja auch die fiktive Lösung aus einer Kombination von Beiden zu sehen. So eine Art Zuckerbrot und Peitsche. Der Kampf gegenüber religiösen Fundamentalisten lässt sich auf jeden Fall nicht nicht mit Gewalt, noch komplett gewaltfrei lösen. Der War on Terror ist ebenso sinnlos, wie das bloße Reden mit diesen geistig verblendeten Fanatikern.


    PS: Danke für den Verweis auf "Der kommende Aufstand".


    @ Sammy Jankis
    Wenn Hollywood auf den heimischen Märkten floppt, und es für China nur anzubieten ist, wenn gewisse Szenen entfernt wurden, heist das ja nicht automatisch, dass in Zukunft alle Filme gleich so konzipiert werden, dass sie auch in China gezeigt werden können. Das jetzt vermehrt solche Produktionen aufkommen, bedeutet nicht, dass der Trend komplett in diese Richtung läuft und gerade am Ende des verlinkten Videos wird gesagt, dass es die Gewinne im Endeffekt nicht wirklich drastisch verbessert und so würde ich mich nicht wundern, wenn dieser Trend rückläufig wird. Im Endeffekt ist das nun auch nicht die Schuld der Chinesen, sondern die Hollywoods. Ihr Schrott ist einfach nicht mehr interessant genug für das heimische Publikum. Das China eine extrem konservative Sicht auf Kinofilme hat und es in diesen versucht seine altherbrachten "Werte" zu verteidigen, ist eine ganz andere Adresse und natürlich zu verurteilen.

  • @ Lonewolf




    Beim gewalttätigen Kampf gegenüber Faschisten und religiösen Fundamentalisten bin ich mir halt nicht so sicher, ob damit Erfolge zu erringen sind. Den Krieg haben die Allierten zwar auf militärischer Ebene gewonnen, aber verschwunden ist der Faschismus dennoch nicht. Im Gegenteil. Mittlerweile hat dieser sich noch mehr im allgemeinen Bewusstsein festgesetzt und die Mitläufer von einst, sind heutzutage vielmals auch überzeugte Täter.

    Große Preisfrage: Wer hat Auschwitz befreit und den Holocaust beendet? Und wer hat den IS an den Rand seines territorialen Untergangs getrieben? Sind das etwa keine massiven Erfolge? Dass Strukturen und Ideologien dennoch fortleben ist ein seltsames Argument gegen die Notwendigkeit gewaltsamer Intervention als solcher. Insofern finde ich die Frage nach dem Erfolg schon ziemlich weltfremd. Und was den aktuellen Bezug angeht, weiß ich sehr genau, wie es in vielen Ländern und Regionen aussehen würde ohne den Einsatz von Gewalt gegen Reaktionäre unterschiedlicher Art. An keiner Stelle habe ich - oder jemand anders - behauptet, dass sich eine freiere Gesellschaft allein auf Gewalt stützen kann.
    Allerdings ist der "Verzicht" auf Gewalt in den allermeisten Fällen ein Privileg von Menschen, die sich darauf verlassen können, dass andere für sie die Drecksarbeit erledigen. Und da ich an diesem verlogenen Getue nicht teilhaben will, habe ich mich auch u.a. von der Zusammenarbeit mit Teilen der Friedensbewegung verabschiedet.

  • Das ist ja halt die Frage, ob die militärische Lösung als großer Sieg zu feiern ist. Bei Auschwitz und dem Holocaust magst du vielleicht Recht haben, aber beim IS sehe ich diese massiven Erfolge halt nicht. Ihr Territorium mag sich verkleinert haben, aber die Ideologien wirst du mit bloßer Gewalt nicht beenden. Diese Gruppen sind auf den Guerillakampf spezialisiert und du wirst mit einer herkömmlichen Herangehensweise und Waffengewalt keinen Erfolg erzielen. Solange solche Gruppen, wie IS und Al Quaida sowie auch faschistische Putschversuche von internationalen Kapitalisten unterstützt werden, wird es sowieso schwierig sein, hier Erfolge zu erzielen.
    Insgesamt habe ich ja auch nicht Gewalt als Mittel der Wahl komplett ausgeschlossen. Ich habe gesagt, dass es nicht als alleiniges Erfolgsrezept gelten kann und oftmals die Lage nur noch verschlimmert. Gewalt erzeugt immer Gegengewalt. Eine Gewaltspirale ist als Status Quo nur für wenige Beteiligte sinnvoll. Für diejenigen, die daran profitieren. Die Waffen und die Rüstungsindustrie.
    Im Endeffekt ist es sowieso leicht im nachhinein die Lage zu beurteilen und dann zu sagen, was nun besser für gewisse Situationen gewesen wäre. Was du über die Friedensbewegung sagst, so kann ich dir nur Recht geben. Mir sind große Teile dieser Zusammenkunft auch mittlerweile sehr zuwider, was ich beim neuen erstarken dieser Bewegung anfangs noch nicht sehen konnte oder vielleicht auch nicht sehen wollte.

  • Das ist ja halt die Frage, ob die militärische Lösung als großer Sieg zu feiern ist. Bei Auschwitz und dem Holocaust magst du vielleicht Recht haben, aber beim IS sehe ich diese massiven Erfolge halt nicht.

    Pardon, aber das ist wieder so eine Bewertung aus dem sicheren Nest heraus, die ich mir persönlich nicht anmaßen würde. Die SDF-Verbände erleiden massive (!) Verluste in diesem angeblich fragwürdigen militärischen Kampf. Wie würde denn eine Alternative zur militärischen Zerschlagung des IS aussehen? "Verhandeln", wie es ernsthaft einige Vögel aus der Deutschen Friedensgesellschaft vorschlagen? Dass die Bekämpfung der Ideologie eine Generationen-Aufgabe ist, ist klar. Aber dafür müssen erstmal die Bedingungen geschaffen werden - auch mit militärischen Mitteln.
    "Gewalt führt immer zu Gegengewalt" ist wieder so eine Phrase, die ich nicht mehr hören kann. Wo hat denn die Zerschlagung des Hitler-Faschismus zu Gegengewalt geführt? Es ist ganz banal: Menschen und Gruppen mit Vernichtungsideologien wirst du nicht gewaltfrei stoppen können. Wir können gerne über Sinn und Unsinn sehr vieler militanter Aktionen sprechen, da läuft natürlich vieles schief. Aber die Ideologisierung der Gewaltfreiheit ist so dumm und fahrlässig, dass man sich eigentlich nur noch die Haare raufen kann.

  • Was haben die Verluste der syrischen Truppen damit zu tun, dass ich den Kampf gegen den IS als aussichtslos betrachte. Es gibt so einige Sachen, die ich für unsinnig halte, aber bei denen ich auch keine richtige Alternative dazu sehe. Das ist doch aber nicht paradox. Das Kind ist halt schon in den Brunnen gefallen und nun muss "man" diese Situation ausbaden. Die Amerikaner haben geglaubt, dass sie mit der Unterstützung von Saudi Arabien und dem IS es schaffen können, Baschar Al Assad entgültig loszuwerden und nun werden sie die gerufenen Geister nicht mehr los. So lief die amerikanische Außenpolitik oftmals in den letzten Jahrzehnten ab. Sie hinterließen einen Scherbenhaufen und wunderten sich danach, warum ihre Strategie schiefgelaufen ist. Das ihre in Thinktanks erbrüteten Strategien auch fehlerhaft sein könnten, hat sich keiner vorstellen können. Im Endeffekt kann es aber keine militärische Lösung gegenüber Gotteskriegern geben. Wie willst du einen Feind bekämpfen, der schon mit dem Leben abgeschlossen hat und auf 72 Jungfrauen im Paradies wartet, in welches er als Märtyrer eingehen wird, sobald er für seinen Glauben gefallen ist. Solange dieser Kampf mit Drohnen und Bodentruppen gekämpft wird, ist das Öl in ein riesiges Feuer.
    Ich habe gesagt, "dass es mit Gewalt nicht klappt und ohne Gewalt auch nicht". Punkt ! Das ist halt ein Dilemma, indem sich die Menschheit befindet. Und das seit Anbeginn unserer Spezies.

    Menschen und Gruppen mit Vernichtungsideologien wirst du nicht gewaltfrei stoppen können.

    Bisher wurden sie halt auch nicht mit Gewalt gestoppt. Es ist lediglich eine Unterbrechung. Von einer erfolgreichen Strategie erwarte ich halt andere Ergebnisse und nicht einen endlosen Kampf ohne Aussicht auf Verbesserung.
    Die Gewalt des Hitlerfaschismus und deren temporäre Beendigung hat insgesamt zu 55 Millionen Toten in Europa geführt. Ist das nicht genug Gegengewalt ?
    Ich sehe es halt so. Es gibt Situationen, in denen Gewalt wahrscheinlich die bessere Option ist, aber bei den weitaus häufigeren Umständen ist sie es halt nicht. Meine Ansicht.

  • Massive Reduzierung von Gewalt auf das Nötigste, sicherlich. Aber ich wehre mich gegen ideologische Verklärungen von Gewalt zu Herrschaft.

    Hierbei gebe ich dir in gewissen Sinne recht und wiederum auch nicht. Es kommt halt auf die Sichtweise drauf an.
    Solange du die eigenen Interessen als sinnvolle Tugenden betrachtest und Gewalt somit legitimierst, um diese zu verteidigen und zu schützen, bist du damit im Recht. Sobald du aber anfängst, die gleiche Situation aus Sicht deines Gegenspielers zu betrachten, sieht die Sache wieder anders aus. Aus seiner Sicht ist deine Gewalt gegenüber ihm eine Ausübung von Herrschaft und eine Machtdemonstration. Der Hitlerfaschismus endete in Deutschland 45 insoweit, dass die Nazis die Macht über das deutsche Reich verloren und die Allierten die Macht übernahmen.
    Auch wenn man diese Gewalt als eine notwendige Gewalt ansieht, so ist sie dennoch von Herrschaft geprägt.