Anarchistische Charaktere in der Populärkultur

    • Offizieller Beitrag

    Ausgehend vom Post von Daryus im Filmthread, in dem er sich darüber beklagt hat, dass der Bösewicht im neuen Mission-Impossible-Film dämlicherweise als "Anarchist" bezeichnet worden ist, dachte ich, wir machen hier mal einen Thread auf, um über richtige anarchistische Charaktere (egal ob positiv oder negativ) in Filmen oder Büchern zu diskutieren.
    Welche fallen euch da spontan ein? Gab es vielleicht auch welche, die ihr bewundert habt, die in eurer Kindheit eine Vorbildfunktion für euch hatten oder euch inspiriert haben?


    Natürlich sind die Übergänge da fließend. Und die Frage ist auch, wie genau man "Anarchist" in diesem Zusammenhang nun definieren soll... ist "Anarchist" nur jemand, der sich aktiv politisch für eine anarchistische Gesellschaftsordnung einsetzt, oder sind auch Charaktere als anarchistisch zu bezeichnen, die es einfach ablehnen, sich irgendwelchen hierarchischen Strukturen und Regelwerken zu unterwerfen, ohne dabei aber andere aktiv zu irgendwas bekehren zu wollen?


    Tyler Durden aus "Fight Club" dürfte in jedem Fall ein Anarchist sein, auch wenn er strenggenommen ja ein hierarchisches Regime aufbaut (wobei seine Untergebenen aber in dem Sinne nicht unterdrückt werden, weil sie ja regelrecht darum betteln, von ihm angeleitet zu werden).


    Pippi Langstrumpf gilt vielen als Prototyp der anarchistischen Kindheitsheldin. Ich kann mich vage daran erinnern, dass sie alleine mit einem Pferd in einem besetzten oder leerstehenden Haus lebt, nicht zur Schule geht und ihr Vater irgendwo verschollen ist. Und sie hat irgendwelche Spießerkinder als Freunde, die sie dann dazu ermutigt, Abenteuer zu erleben und unsinnige Regeln zu brechen. Ist aber alles schon etwas zu lang her, in so fern kann ich gerade auch nicht sagen, ob Pippi Langstrumpf wirklich als anarchistisch zu bezeichnen ist, und ob der Pumuckl dann möglicherweise auch ein Anarchist ist.


    Dann gibt es die klassischen Outlaw-Charaktere wie Robin Hood oder Jack Sparrow, oder jeder beliebige andere Pirat oder Dieb. Wobei Robin Hood strenggenommen kein Anarchist ist, da er ja Richard Löwenherz als König wieder einsetzen möchte, und nur gegen den bösen Bruder des Königs kämpft, der es sich in der Zwischenzeit auf dessen Thron gemütlich gemacht hat. Aber er lebt eben so dieses Leben im Wald mit lauter Gleichgesinnten ähnlich einer Kommune, in der es keine Hierarchien gibt und jeder gleichermaßen wichtig ist. Den Gedanken daran fand ich schon als Kind sehr inspirierend.


    Kapitän Nemo aus "20.000 Meilen unter dem Meer" darf an dieser Stelle natürlich auch nicht unerwähnt bleiben... wobei ich nur die Verfilmungen kenne, in denen es eben mehr oder weniger so dargestellt wird, dass er dem Wahnsinn der Welt zu entfliehen versuchte, indem er unter Wasser sein Utopia errichtet. Eine Figur, mit der ich mich auch immer prima identifizieren konnte. Aber ist er wirklich Anarchist, oder einfach nur ein elitärer Eskapist? Ist alles schon zu lang her, als dass ich mich noch so genau daran erinnern könnte, wie konkret da Kritik am Herrschaftssystem geübt wird.


    Und um noch eine Figur zu nennen, die vermutlich nicht jedermann kennen wird: Snake Plissken. (aus dem Film "Die Klapperschlange" bzw. "Escape from New York"). Mir hat seine Fuck You all-Mentalität gefallen, zur Abwechslung mal ein Held, der sich weder um Moral schert noch um irgendwelche Vorgesetzten oder die Zukunft des Planeten. Als eine Art Light-Version davon könnte man auch Han Solo bezeichnen. Irgendwie waren mir solche Outlaw-Helden immer lieber als die strahlenden Superhelden oder fleißigen Cops, die sich für die Gesellschaft aufopfern, obwohl sie von der immer wieder Steine in den Weg gelegt bekommen.


    Ich könnte noch mehr aufzählen, aber ich lass jetzt besser mal andere zu Wort kommen. Welche Schurken/Helden/Protagonisten aus Film und Buch kennt ihr, die ihr als "Anarchisten" bezeichnen würdet?

  • also der absolute prototyp eines anarchisten ist und bleibt für mich "hagbard celine" aus der "illuminatus!" triologie von robert anton wilson und robert shea. sowieso ist die ganze roman-reihe darauf aufgebaut sich aus politischen systemen zu befreien und auch noch seine, wenns sein muss, eigene religion zu erfinden. witzigerweise sieht der IFA präsident (internationale anarchistische föderation) michel némitz eben so aus wie der kapitän nemo nachfahre hagbard in seinem goldenen unterseeboot...


    Konferenzen-Der-Organisator-des-Anarchisten-Treffens-Michel-Nemitz-von-der-Anarchisten-Internationalen-Foederation.jpg


    ... der gleichzeitig auch das grösste treffen europäischer anarchisten im schweizerischen jura organisierte. nächstes mal bin ich hoffentlich dann doch mit dabei.



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  • Das Känguru, welches zusammen mit diesem Kleinkünstler Mark Uwe Kling wohnt, ist ein
    waschechtes anarchistisches Beuteltier !

  • Spontan fallen mir da die Anarchisten aus Pans Labyrinth ein. Klar, der konkrete historische Bezug ist da, wobei die Anarchisten gar nicht als solche benannt werden. Aber die Ideologie kommt gut rüber, ebenso wie der faschistische Gegenpart.


    Was Literatur angeht, sind besonders einige Werke der SciFi und des Cyberpunk zu nennen.
    Beispielsweise John Shirleys Eclipse-Trilogie, die den Kampf einer Gruppe von Widerständlern gegen ein faschistisches Zukunftsregime thematisiert. Die Typen sind dementsprechend ein bunt zusammengewürfelter Haufen gesellschaftlicher Außenseiter, angeführt von einem Ex-Mossad-Spezialagenten.
    Wer es noch nicht kennt, sollte zudem unbedingt Ursula Leguins "The Dispossessed" lesen (mittlerweile gibts verschiedene deutsche Übersetzungen). Wohl der SciFi-Klassiker schlechthin in Bezug auf die Errichtung einer anarchistischen Gesellschaft mit allen potentiellen Gefahren und Fallstricken.

  • hier wird deutlich dass es wieder einmal/immernoch an einer aufklärung zum begriff anarchismus fehlt. es wird so viel unsinn über das thema verbreitet das mir fast schon übel wird wenn ich sätze wie "jeder der gegen geltende gesetze verstösst sei anarchist" oder "leute die nichts miteinander zusammen zu tun hätten und in einen topf geworfen werden" lese. als wenn der begriff "anarchie" so etwas wie die definition zu "philosophie" wäre den jeder quasi so auslegen kann wie er gerade möchte, also nach tagesform.


    an-archie (vgl. zB mon-archie) ist die abwesenheit von herrschaft einer oder weniger über den rest der leute um sich herum. das heisst nicht dass es keine gesetze geben kann und jeder macht worauf er bock hat (ted bundy anarchist?! what the fuck...). selbstverwaltung ist nicht chaos. und leute die versuchen so ein system zum wohle aller zu erreichen in dem sie sich über (meistens asoziale) gesetze die von einigen wenigen aufgestellt wurden hinwegsetzen nennt man anarchisten. und dazu gehören virtuelle archetypen wie pipi langstrumpf und hagbard celine genauso wie reale personen ala michail bakunin und guy fawkes.


    und das ist nicht meine meinung sondern halt eine tatsache. wer serien wie "sons of anarchy" sieht und gewöhnliche gewaltbereite kriminelle mit echten anarchisten verwechselt, der hat eben nicht bakunin gelesen, sondern geht nur einfach "staatspropaganda" gegen eine gefährliche emanzipatorische idee auf den leim. die bombenphase liegt doch längst hinter uns ;) hehe

  • "SoA" ist in diesem Zusammenhang allerdings interessant. Es wird an einigen Stellen der Serie angedeutet, dass sich die erste Generation der "Sons" durchaus mit anarchistischer Theorie auseinandergesetzt hat, was wohl auch eine Referenz hinsichtlich des Zeitgeistes der 60er/70er sein soll, bzw. ein Verweis auf die verlorenen und verratenen Ideale. Was von dem Club und dem "Easy Rider Mythos" dann übrig bleibt, ist ein brutaler, streng hierarchischer, und - das zeigt die Serie sehr schön - kapitalistisch organisierter Verein. Wobei gleichzeitig auch auf den Rassismus der ersten Generation verwiesen wird, meines Erachtens auch ein Bezug zu den alteingesessenen MC's wie den Hells Angels, die ebenfalls abseits aller Verklärung ein ziemlich reaktionärer Haufen waren.


  • Das ist das, was ich an der Serie ganz gut finde. Der Konflikt zwischen diesen beiden Ansichten und die Entscheidung des Protagonisten sowie sein Weg zu dieser Entscheidung.