Fight Club - Die ultimative Kritik an der modernen Konsum-Gesellschaft

  • Unter Einbezug deines Plädoyers für eine genetisch modifizierte Menschheit, aus der auch männliche Toxine gänzlich weggezüchtet sind, komme ich zu dem Schluss, dass du echt zu viel Zeit in deiner politisch korrekten, von Femininist*innen regierten Uni-Blase verbracht hast :P

    Wenigstens hab ich mir nie von Hollywood einreden lassen, dass es Muttersöhnchen gibt, die ihr Selbstbild von Ikea-Möbeln abhängig machen...

  • Zumindest was die Motivation der unterschiedlichen Fight-Club-Teilnehmer angeht, wird ja gar nicht behauptet, dass die alle unbedingt dasselbe kompensieren. Bei dem Typen, der nicht mal die richtigen Stifte bestellen kann, kommt eher der Unterschicht-Faktor zum Tragen als irgendein Muttersöhnchen-Komplex. Auch die Rede "wir bringen euren Müll weg" etc. verweist eher auf den Klassenstandpunkt. Dass die Reichen und Schönen letztlich als eine Art Feindbild agieren, wird ja an mehreren Stellen deutlich, schon als den reichen Weibern die eigenen fetten Ärsche in Form von Seife verkauft werden. Dass das trotzdem kein Frauenroman ist, bezweifelt ja keiner.


    P.S. Palahniuk ist nicht Brecht, und das ist auch gut so ;)

  • Zumindest was die Motivation der unterschiedlichen Fight-Club-Teilnehmer angeht, wird ja gar nicht behauptet, dass die alle unbedingt dasselbe kompensieren. Bei dem Typen, der nicht mal die richtigen Stifte bestellen kann, kommt eher der Unterschicht-Faktor zum Tragen als irgendein Muttersöhnchen-Komplex. Auch die Rede "wir bringen euren Müll weg" etc. verweist eher auf den Klassenstandpunkt. Dass die Reichen und Schönen letztlich als eine Art Feindbild agieren, wird ja an mehreren Stellen deutlich, schon als den reichen Weibern die eigenen fetten Ärsche in Form von Seife verkauft werden. Dass das trotzdem kein Frauenroman ist, bezweifelt ja keiner.

    Du hattest doch behauptet Marla wäre irgendwie ein zentraler Charakter in dem Ding... Ich hatte das von Anfang an bezweifelt.


    Und, ja, das gibt's interne Widersprüche - 'auf den Nullpunkt kommen' ist doch eine quasi-metaphysische Erfahrung, die irgendwie jeden anspricht (deshalb hat ja auch jeder seine Laugennarbe auf der Hand und das ist enorm wichtig für die Initiation in die Sekte). Wieso will sich also nur die (gehobene) Mittelschicht/Unterschicht prügeln bzw. die Gesellschaft kaputthauen? Warum ist das für die Bullenchefs und die Bonzen oder deren Kinder nicht auch ansprechend?


    Das wird nie geklärt. Du hast theoretisch recht, dass die Zombies nicht alle Scheidungskinder/Muttersöhnchen sein können. Aber genau das ist doch der Aufhänger der Geschichte. 'Fight Club' ist ein Buch/Film für Leute, die mit Bernd H. gesprochen, 'ihre Männlichkeit wieder entdecken wollen'. Das Thema ist nicht politischer Kram, sondern männliche Unsicherheiten/Probleme mit dem Selbstbild. Oder anders: Politisch driftet das natürlich in faschistoide Strukturen ab. Konsumzombies sind doch Tylers Zombies in jeder Hinsicht vorzuziehen, oder?


    Der Hodenkrebs-Trottel bringt das auch auf den Punkt: Der dankt doch dem nächsten Stecher seiner Frau, dass er ihn ein Kind gemacht hat, was er nie konnte. Das ist der ultimative kastrierte Verlierer.


    Es ist ja auch sehr treffend, dass Tyler der potente Mann ist, der Marla klarmachen und befriedigen kann, während der Erzähler ein impotentes Würstchen ist (was im Comic sehr geil fortgeführt wird - da tauscht Marla die Pillen aus, damit Tyler wiederkommt, weil der Erzähler es im Bett einfach nicht bringt). Genauso wie Tylers Antwort auf das Problem seines Schöpfers sinnlose Zerstörung ist - das normale männliche Spiel um Macht und Einfluss und Status können die ja beide nicht spielen ... wenn der Erzähler kein Verlierer wäre, hätte er Tyler ja gar nicht erst erschaffen. Tyler ist ein Weg, für den Erzähler, aus seiner Verliererexistenz auszubrechen. Aber weil er ein Verlierer ist, kann aus seiner Wahnidee auch nichts Positives rauskommen.

  • Dass Marla eine Schlüsselfigur ist behaupte ich nach wie vor und hab dies auch überzeugend dargelegt, außerdem wird's ja auch genauso gesagt ;-)
    Was eben auch zeigt, dass die ganzen angesprochenen Punkte von Palahniuk bzw Fincher auch genauso beabsichtigt waren. Die stellen doch nirgends den ganzen Kram als anzustrebende Lösung dar, im Gegenteil. Insofern bietet der Roman bzw Film natürlich keine Antworten an, vielleicht mit Blick auf seine anderen Werke den Appell an die Reflexion der eigenen Fremdbestimmtheit. Es sind eben bissige Satiren auf die Konsumgesellschaft, nicht mehr und nicht weniger. Für mich stand das damals in einer Linie mit The Game oder auch American Beauty, die schlagen ja in ähnliche Kerben.
    Wie gesagt, Palahniuk ist nicht Brecht.

  • Dass Marla eine Schlüsselfigur ist behaupte ich nach wie vor und hab dies auch überzeugend dargelegt, außerdem wird's ja auch genauso gesagt ;-)
    Was eben auch zeigt, dass die ganzen angesprochenen Punkte von Palahniuk bzw Fincher auch genauso beabsichtigt waren. Die stellen doch nirgends den ganzen Kram als anzustrebende Lösung dar, im Gegenteil. Insofern bietet der Roman bzw Film natürlich keine Antworten an, vielleicht mit Blick auf seine anderen Werke den Appell an die Reflexion der eigenen Fremdbestimmtheit. Es sind eben bissige Satiren auf die Konsumgesellschaft, nicht mehr und nicht weniger. Für mich stand das damals in einer Linie mit The Game oder auch American Beauty, die schlagen ja in ähnliche Kerben.
    Wie gesagt, Palahniuk ist nicht Brecht.

    Wo wird denn gesagt, dass Marla 'ne Schlüsselfigur ist?


    Es ist klar, dass der Film kein Lösungsmodell anbietet - gerade deswegen ist, die Wahnvorstellung als Erlöser auch ein geiler Plotdevice -, aber was Palahniuk definitiv darstellt, ist, dass das Muttersöhnchen-Problem seiner Ansicht nach ein echtes Problem ist - deswegen hat der Würstchen-Erzähler ja Probleme und muss Tyler erschaffen.


    Und gerade das würde ich bestreiten.


    Der Film ist genauso emanzipatorisch wie eine Gruppe Nazis, die auf zufällig auf echte Probleme des Kapitalismus hinweisen. Der Konsumkritik-Quatsch in 'Fight Club' klingt cool, wird aber aus den falschen Gründen vorgebracht und ist nur ein Symptom des übergeordneten Selbstbild-Problems des Erzählers. Im Grunde geht's um die persönlichen Probleme, die Muttersöhnchen mit ihren abwesenden Vätern haben, nicht um irgendwelche gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten. Deswegen will Tyler ja auch das Spielbrett kaputtmachen anstatt mitzuspielen ... wie ein trotziges Kind.

  • Dass Marla der Schlüssel zu allem ist, wird schon in der Anfangssequenz festgestellt. Was ihre Funktion angeht, hab ich ja schon einiges dazu geschrieben (Aufbruch der Rückzugsräume des Protagonisten, eigentliche Seelenverwandte anstatt Tyler).
    Palahniuk trifft einen Nerv. Sein Hauptthema ist eben primär Selbstentfremdung und Konditionierung, und nicht unmittelbar Klassenkampf. Wenn dir das zu wenig emanzipatorisch ist, dann ist das eben so :-) Ich muss wirklich nicht alles durch die marxistische Brille betrachten.
    Wobei man Palahniuk auch nirgends reaktionäre Positionen unterstellen kann, im Gegenteil, solche Ansätze werden immer ironisch gebrochen. Zudem muss eben sein Gesamtwerk betrachtet werden und nicht nur Fight Club. Das kommt dann auch ohne Fights Clubs und dergleichen aus.


    Bitteschön: https://www.theguardian.com/bo…-parenting-incel-movement


    Palahniuk doesn’t see Fight Club as particularly gendered anyway. “It was more about the terror that you were going to live or die without understanding anything important about yourself.”


    Auch interessant:
    https://gen.medium.com/how-chu…t-and-antifa-6c2fe8a2d616



    Maybe it’s not your intention, but I think there are a lot of guys who have grown up reading ‘Fight Club’ and taking from it lessons on what it is to be a man.
    And I think there are a lot of women who have read it and taken lessons on what it is to be a human being, which is the larger message. I have a sofa pillow that a young woman knit for me that says, “The things you own end up owning you.” It sits in the middle of my sofa. And it wasn’t made by a man.

  • Wo sind die denn bitte Seelenverwandte? Der Erzähler kennt Marla doch nicht mal. Kann sein, dass er sie heiß findet (deswegen fickt 'Tyler' sie wahrscheinlich), aber die reden doch nie über irgendwas. Und Tyler IST einfach der Erzähler, der war niemals sein Seelenverwandter. Der ist 'ne Wahnvorstellung, nichts weiter. Was Tyler tut, ist Kram den der Erzähler selbst tun will, aber nicht kann, weil er keinen vernünftigen Vater hatte.


    Marla ist doch eher die Krankheit, die Tyler erst richtig zum Vorschein bringt, weil sie die Selbsthilfegruppen 'sabotiert' - wo man auch wieder sieht, wie kaputt der Typ ist, dass er meint, nur er dürfe sich als Totkranker ausgeben und hätte ein Reicht, die Frau zu zwingen, das nicht mehr zu tun.


    Im Film wird auch klar, dass Marla nicht bewusst beim Erzähler anruft bzw. sich nicht daran erinnert, ihn angerufen zu haben.


    In dem Fortsetzungscomic erinnert sich Chucks Lektor sehr genau, dass die Message, dass Männer ohne Krieg Weicheier werden, der selling point war, der ihn überzeugt hat, das Ding zu kaufen. Der ist auch der Idiot, dem wir es verdanken, dass Marla im Roman nur mit dem Erzähler quatscht, weil er der Ansicht war, wenn Tyler nicht existiert, könne Marla nicht mit beiden reden (was natürlich Quatsch ist, wenn der Protagonist irre ist und halluziniert).


    Und natürlich ist der Film nicht schlecht ... würde sogar sagen, dass der recht gutes 90er Kino ist. Aber das hier ist ja ein Thread darüber, dass das Ding irgendwie *mehr* sein sollte, oder nicht? Das würde ich halt bestreiten.


    Und, klar, Palahniuk ist jetzt nicht rechts ... ich wollte nur darauf raus, dass der Film nicht als emanzipatorisch oder links gelesen werden kann. Wer Tyler geil findet, findet letztlich 'nen Typen geil, der eine faschistoide Zombie-Armee aufstellt. Wenn das für dich ein Problem ist, ist das dein Problem ;-).


    Ich weiß auch, dass Chuck noch anderen Kram geschrieben hat, aber der wäre nur relevant, wenn ich gesagt hätte, das Chuck Palahniuk der Autor und sein Werk Faschisten sind. Aber das stand ja nie im Raum. Ich denke, ich lese die Tage auch mal den anderen Kram von ihm.


    Ganz grundsätzlich geht der Roman ja auf eine Kurzgeschichte zurück, deren Aufhänger war, dass Chuck mal in 'ne Schlägerei geraten ist, ein paar Blessuren davongetragen hat, und dann bei der Arbeit von niemandem darauf angesprochen wurde. Er fand das ungewöhnlich ... und intuitiv stimmt man dem auch zu. Aber als Mann wird man halt recht oft nicht auf Dinge angesprochen, von denen man denkt, dass andere die bemerken sollten. Kannst das ja mal beim Training testen. Lass dir ein paar blaue Augen hauen und checke dann, ob du von Halbfremden drauf angesprochen wirst. Danach kannst du's mit deiner Freundin testen ... ich wette, die wird bei der Arbeit oder auf der Straße mit anderen Reaktionen rechnen dürfen, wenn sie Blessuren hat, die darauf hindeuten, dass sie verprügelt wurde.


    Männer mit Blessuren, Narben usw. wirken gefährlich, Frauen wie Opfer. Schon allein daran kann man erkennen, dass der Roman jetzt nicht unbedingt 'geschlechtsneutral' geschrieben wurde.

  • Na ja, Marla hat ja offenbar auch einen ziemlichen Knacks, da hätten sich die beiden von Beginn an gut ergänzt. Das Beste wäre es für den Erzähler wohl gewesen, wenn er von Anfang an mit Marla durchgebrannt wäre. Wenn ihm der Wahnsinn nicht dazwischen gekommen wäre, hätte er sich die ganze Fight Club/Projekt Chaos-Episode wohl sparen können. Es sei denn, man liest das als Entwicklungsroman auf dem Weg zur Selbsterkenntnis, was ja ins Palahniuk-Raster passt. Ist mir eben bei 'Choke' aufgefallen, im Grunde ist das 'Fight Club' ohne den Fight Club.
    Emanzipatorisch, links etc. ist das natürlich nicht. Ich hab nur einen interpretatorischen Ausflug unternommen, nachdem diese Vice-Rezensentin den Film aus feministischer Perspektive ziemlich verrissen hat, was eben meines Erachtens am Thema vorbeigeht.
    Dass es als Männer-Roman/Film gedacht war, heißt ja auch nicht, dass das Werk nicht die Intention seines Schaffers transzendieren kann.


    Was man allerdings wohl tatsächlich sagen muss, ist, dass das eben typisches 90er Jahre Kino war. Rückblickend können wir festhalten: Mann, was waren das noch für Luxus-Probleme. Natürlich ist das im Grunde schon noch aktuell. Aber eine der zentralen Reden wurde eben wiederlegt: 'Wir haben keinen großen Krieg, keine große Depression usw.'
    Das ist Prä-9/11-Kino, und es wird ja alles aus amerikanischer Sicht immer schlimmer. Krieg, PTSD, Krise, extreme Spaltung des Landes, Pandemie, vielleicht bald Bürgerkrieg - da erscheinen die 'Fight Club'-Probleme tatsächlich etwas albern. Wobei interessant ist, dass Buch und Film nach wie vor zitiert werden - es sind eben moderne Klassiker. Wenn Palahnuk betont, dass sowohl Alt-Right als auch Antifa sich positiv auf ihn beziehen, zeigt das natürlich, dass dahinter keine bestimmte politische Agenda steht, auch wenn der Autor natürlich glaubhaft nix mit Faschos oder Incels zu tun haben will.
    Aber so gesehen war Fight Club schon auch Ausdruck des Zeitgeistes der späten 90er. Entpolitisierte junge Menschen im konsumistischen Dämmerzustand, die keine radikalen gesellschaftlichen Situationen erleben mussten und sich nach dem großen Kick sehnten. In diesem Sinne ist Fight Club natürlich perfekte Fin-de-siecle-Literatur.
    Dass die Welt hinter der heilen Fassade ziemlich kaputt und der American Dream tot ist, ist ja ein zentrales Motiv der damaligen Filme und Literatur. Aus heutiger dystopischer Sicht würde wohl keiner mehr das Gegenteil behaupten.

  • Zwei Punkte würde ich zusammenfassend als typisch männlich benennen. Und zwar das Säure Experiment und das Projekt Chaos an sich. Beide Male wird die Fähigkeit 'aufzugeben' (Kapitulation) oder das 'Loslassen' (des Kontrollverhaltens) gefordert.
    So gesehen könnte es sich durchaus um eine persönliche Entwicklung handeln (mit überspitzten Konsequenzen für die Gesellschaft).
    Zum Schluss findet er seine persönliche Erleuchtung und Frieden im Kopfschuss.
    Es geht um das Gefühl entbehrlich zu sein, was für das männliche Ego anscheinend schwerer hinnehmbar ist.
    Menschliche Probleme im Allgemeinen ändern sich auch im Kriegsfall nicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Igno von Rant ()

  • Interessant, den meisten würden wohl primär die Kämpfe als typisch männlicher Initiationsritus einfallen. Die Gewalt gegen sich selbst zu richten wird ja meist eher als weibliche Eigenschaft verstanden.
    Wobei schon in den Kämpfen der Aspekt der Selbstaufgabe zum Tragen kommt, als Tyler seine Weltraumaffen auffordert, einen Kampf zu provozieren und zu verlieren, was direkt auf die Episode mit Lou dem Barbesitzer folgt, in der sich Tyler von diesem zusammenschlagen lässt.
    Hier zeigt sich eben die Ambivalenz der Motive in Film und Buch, die sicher einige Zuschauer überfordert hat.


    Was das Projekt Chaos angeht, ist das allerdings wohl tatsächlich ein primär männliches Phänomen, wie man auch an Riots weltweit sehen kann. Natürlich gibt es auch weibliche Militante, aber diese nihilistische Lust am Kaputthauen scheint schon zumeist mit männlicher Sozialisation einher zu gehen.