Fight Club - Die ultimative Kritik an der modernen Konsum-Gesellschaft

  • LW, hab erst eben die von dir verlinkte Rezension gesehen - an den misogynen Aspekt hatte ich mich gar nicht so stark erinnert. Inhaltlich ist das schon sehr stark was für männliche Babys, die weinen, weil Papi weggelaufen ist. Ist in der Hinsicht halt was für Scheidungskinder wie Palahniuk selbst - und da sieht man dann auch die Parallele zu Houellebecq.


    Der Aspekt dürfte dich damals nicht so dolle angesprochen haben, aber das ist halt schon das wesentliche Problem des Protagonisten.


    Wen's interessiert: Ich hab mir die englischen Comics beschafft, aber noch nicht gelesen. Könnte man ja auch mal drüber quatschen. Hilfe beim Beschaffen braucht hier wahrscheinlich niemand, oder?

  • Die Rezensentin hat den Film meines Erachtens nicht wirklich verstanden. Das ist schade, weil man tatsächlich eine fundierte feministische Sichtweise hier anwenden könnte. Streng genommen interpretiert sie ihn aber nur auf jener platten, oberflächlichen Ebene, die man eben den Männern unterstellen kann, die nur Machismo und Nihilismus mitnehmen.
    Ein wenig komplexer ist es dann schon mit Fight Club und den Rollenbildern.
    Tyler mag misogyn sein, der Film ist es nicht. Eine zentrale Aussage besteht darin, dass Marla der Schlüssel zu allem ist. Das sollte man schon ernstnehmen. Marla zerstört immer wieder die heilen Männerwelten und zwingt den Protagonisten dazu, sich weiterzuentwickeln und letztlich die Wahrheit zu erkennen. Sie verdrängt ihn aus seiner Männer-Selbsthilfegruppe, sie beschädigt die heile eingebildete Männerfreundschaft zwischen Tyler und 'Jack', und am Ende ist sie diejenige, die als erzählerische Instanz Jack die Wahrheit mitteilt, dass er und Tyler ein und dieselbe Person sind. So gesehen ist es die Frau, die ja immer wieder in ihrer Bedeutsamkeit verleugnet und zum Stück Fleisch degradiert werden soll, die den Protagonist aus seinem Männlichkeits-Kult, seiner Verantwortungslosigkeit und seiner psychotischen Ich-Bezogenheit rettet. Sie bzw seine Liebe zu ihr ist das Gegengift für seine 'toxische Männlichkeit', wenn man so will.
    SO hätte eine feministische Interpretation des Films aussehen können :-)


    P.S. Man kann noch auf mehr Ebenen die Ambivalenz des Films aufzeigen. Stichwort 'tough guy'. Natürlich baut es die kleinen Arbeiter zunächst auf, wenn sie im Fight Club ihr Gegenüber körperlich dominieren und sich wenigstens hier mal überlegen fühlen dürfen (wobei auch betont wird, dass es nicht ums Gewinnen oder Verlieren geht). Aber was macht Tyler? Er gibt ihnen die erste Hausaufgabe, die darin besteht, einen Kampf zu provozieren und zu verlieren (!). Ich würde sagen, dass die Überwindung des Ego ein zentrales Motiv bei Palahniuk darstellt. Das ist keine Anleitung für Macho-Gehabe, im Gegenteil. Die Szenen, in denen sich Tyler von dem Kneipeneigentümer zusammenschlagen lässt und Jacks Selbstgeißelung vor seinem Chef lassen sich hier auch nennen.

  • Ich schau das Ding die Tage irgendwann mal wieder an.


    Aber so wie ich das erinnere, ist Marla doch nicht wirklich ein Charakter, oder? Wir haben keine Ahnung, was ihre Probleme sind und es geht die ganze Zeit nur um die realen oder eingebildeten Probleme des Protagonisten. Im Prinzip ist sie doch 'ne bessere Wichsvorlage - sie ist da, damit der Protagonist in der Handlung/Entwicklung weiter, sozusagen zum Punkt (oder Schuss) kommt. Dazu kommt, dass Marla immer der weibliche Eindringling in geschlossene Männerwelten ist. Zwischen das Frauenbild von 'Fight Club', 'Spiel mir das Lied vom Tod und 'Die Leiden des jungen Werther' passt in der Hinsicht kein Blatt Papier... Im Prinzip nimmst du doch für Marla genau die Rolle in Anspruch, die Deborah Kerr als Lygia für Marcus Vinicius in 'Quo Vadis?' spielt - die der Frau, die dem Mann seinen Irrtum vor Augen führt. Das ist in keiner Weise progressiv. Frauen als passive Retterin/Inspiration für Männer gab's mindestens seit der schönen Helena.


    Dass es da nur um Männer geht, kann man ja gerade daran sehen, dass es keine Frauen im Fight Club gibt.


    Klar, das ganze Ding ist ironisch gebrochen oder kann so gesehen werden. Aber Chuck selbst sagt ja auch, dass es da irgendwie um Selbstermächtigung durch Leid/Schmerz/extreme Erlebnisse geht - und das ist halt auch ein klassisch männliches Ding. Man geht durch das Tal der Schmerzen, wie Jesus, danach ist man aber wer. Die Drohnen in Tylers Armee haben ja irgendeine 'Wahrheit' verstanden. Und die Rezensentin hat ja auch gerade damit recht - dass das Geheule in dem Film (bezogen auf den 'Verlust der Männlichkeit', nicht bezogen auf die 'Konsumkritik', aber den Aspekt klammert sie ja auch aus) absolut ungerechtfertigt ist, weil Männer zu jeder Zeit aggressiv und gewalttätig sein durften.


    Auf der Ebene trifft der Film halt exakt den Ton von Maskulisten und Co.


    Und auf der darstellerischen Ebene ist das natürlich sehr lächerlich, wenn man durchtrainierte, attraktive Kerle kämpfen sieht, nachdem gerade über dieses Ideal hergezogen wurde.


    Man muss sich schon fragen, wieso diese Vögel nicht einfach 'nen Marathon laufen oder sich am Iron Man versuchen, Bergsteigen gehen oder American Football spielen. Irgendwie wird da was mystifiziert, das überhaupt nichts Außergewöhnliches ist.


    Aber ich glaube gerade das dürfte auf heranwachsende Männer einen Reiz ausüben: 'Wow, Tyler sagt, dass Kloppen nicht einfach nur Kloppen sondern bedeutungsschwangeres Kloppen ist - COOL!'


    Von daher ist mir schon klar, wieso der Film einen Nerv getroffen hat.

  • Also ich kenne nur den üblichen Film, und welche Aufgabe Marla Singer übernimmt hab ich mich ebenfalls gefragt.
    Ich würde ihr keineswegs die Rolle als blosses (Sex-) Objekt zuordnen, am Anfang vielleicht schon, bis zu dem Punkt wo er sich in sie verliebt und ihm alles langsam dämmert.
    Das kommt dann erst deutlicher raus, als er sie zum Schluss in den Bus setzt, weil er sie beschützen will. Sie wird den Film über als emanzipierte Schlüsselfigur dargestellt, die ihr Ding durchzieht.
    Womit ich oft meine Probleme habe, ist die Einstellung von Männern wenn sie denken, dass Liebe und Zuneigung der Frauen sie igendwie abhängiger, unselbständiger und zerbrechlicher macht.
    Genau dieses Denken finde ich, lässt die Männerwelt im Gegensatz zerbrechlich und nicht emanzipiert erscheinen.
    An der Stelle drücken die Rollenklischees wohl wieder durch.
    Von Misogynie habe ich jetzt nichts mitbekommen. Von Homoerotik oder Machogehabe allerdings auch nicht. Da gehen die Auffassungen anscheinend doch weiter auseinander als gedacht.
    Marla hat sich eben einfach verliebt, sonst hätte sie ' Dr.Jeckyll und Mister Arschloch', oder wie sie ihn nennt, schon viel, viel früher verlassen.

  • Also ich kenne nur den üblichen Film, und welche Aufgabe Marla Singer übernimmt hab ich mich ebenfalls gefragt.
    Ich würde ihr keineswegs die Rolle als blosses (Sex-) Objekt zuordnen, am Anfang vielleicht schon, bis zu dem Punkt wo er sich in sie verliebt und ihm alles langsam dämmert.
    Das kommt dann erst deutlicher raus, als er sie zum Schluss in den Bus setzt, weil er sie beschützen will. Sie wird den Film über als emanzipierte Schlüsselfigur dargestellt, die ihr Ding durchzieht.

    Ja, und dabei ist sie eigentlich von Beginn an Jack's perfekte Seelenverwandte, was er nur nicht annehmen kann, da er zu sehr in seinen Minderwertigkeitskomplexen und seiner Beziehungsangst gefangen ist (I'm a 30 year old little boy). So muss sich erstmal sein Alter Ego der Sache annehmen, wobei gerade der männliche Chauvinismus hier als Ausdruck von Komplexen entlarvt wird.
    Natürlich haben wir keine Innenansicht von Marla oder wissen mehr über sie, aber sie ist nunmal auch nicht die Erzählerin der Geschichte. Und dass sie unterm Strich wesentlich tougher rüberkommt als z.B. Jack, wird ja durchgehend deutlich. Es gibt auch wieder diesen Palahniuk-typischen Lebenskünstler-Moment, als sie Wäsche im Salon klaut, um diese zu verticken. Solche Motive finden sich oft in den Romanen (in Choke sucht der Protagonist Einkaufszettel, geht dann in den Laden, holt sich die entsprechende Ware und tauscht sie an der Kasse um).
    Ich kann da beim besten Willen keine misogyne Botschaft in dem Film oder irgendwelche Parallelen zum Werther o.ä. entdecken. Im Gegenteil, Marla ist alles andere als eine Projektionsfläche für Jack - sie ist im Grunde der 'stärkere' - Part (sie hat ähnliche Probleme wie ihr männlicher Gegenpart, aber den ganzen Ich-Kult nicht nötig. Auch als Elends-Touristin ist sie wesentlich souveräner.), an den er sich bis zum Schluss nicht rantraut. Als er sie dann in Gefahr sieht, läuft er zur Hochform auf. Dass er sie als Schlüsselfigur erkennt, ist ja die grundlegende Erkenntnis des Films, die mit seiner Annahme der eigenen Verantwortung zusammenfällt - kurz darauf erschießt er sein Alter Ego.


    Was das Geprügel angeht, ist auch klar, dass der Fight Club nur der Anfang bzw Teil des Ganzen ist. Palahniuk hat hier auch einfach eigene Erfahrungen verarbeitet.
    Dem Film den gesellschaftskritischen Charakter abzusprechen klingt ein wenig nach dieser "Jetzt hab euch nicht so" oder "Was wollt ihr eigentlich"-Attitüde von denen, die mit dem gegenwärtigen neoliberalen Konstrukt völlig zufrieden sind. Gleichschaltung durch Internalisierung von Herrschaftsprinzipien - das Ich selbst ist ein Konstrukt neoliberaler Herrschaft, wobei die ganzen Folgen - Selbstentfremdung, Psychosen - bei Palahniuk schön dargestellt werden. Die Figuren in Fight Club reagieren eben erstmal mit Selbstzerstörung, weil ihnen nix Besseres einfällt. Wobei das Ende des Films natürlich im Gegensatz zum Buch aufgehübscht ist und Jack quasi seine Freiheit zurückgewonnen hat, auch wenn wir nicht wissen, wie das Ganze weitergehen wird.

  • Ja, den lebenskünstlerischen Part von ihr mag ich auch sehr gern ^^
    Daß der Typ Jack heißt ist mir sogar voll entgangen anfangs. Ich hab die psychische Störungen von ihm, als er aus seinen Aufzeichnungen vorliest, erst gar nicht mit ihm in Verbindung gebracht.
    Minderwertigkeitskomplexe würde ich ihm nicht unterstellen. Eher allgemeines Selbstmittleid und sonstige Probleme. Er versucht Marla frecherweise aus den Selbsthilfegruppen zu drängen. Das ist das nächste eingebildete Problem von ihm, wobei sie ganz andere Motive verfolgt, und ihm dabei gar nicht im Wege steht.
    Dass sie aus seinem 'Zentrum' nicht wegzudenken ist, zeigt eigentlich auch schön, daß das Interesse seinerseits von Anfang an da war, auch als er sich ihre Telefonnummer geben lässt.
    Marla bedeutet für ihn ebenfalls so etwas wie ein Anker, eine Art Fixum, auf das Man(n) sich verlassen kann.
    Ich denke, dass die anfänglichen Erfolge in den Gruppen nicht von Dauer gewesen wären ohne sie.
    Eigentlich schon ziemlich machohaft geschrieben, wenn ich so über ihre mikrige Rolle nachdenke.
    Aber das haben wohl Rollen von Schlüsselfiguren so an sich dass sie als Werkzeug dienen.
    "Du bist mein schlimmster Albtraum!" ^^
    Ich mag den Charakter sehr.

  • *Lieblingszitat von Marla: "Weist du, du hast so einen Schaden, da halt ich nicht mal ansatzweise mit."
    *"Ich bin Jack's vollkommenes Defizit an Überraschungen."
    *"Keine Angst, keine Ablenkung. Die Fähigkeit, das was ohne Bedeutung ist weggleiten zu lassen."
    Dann finde ich Track 16 vom OST noch ganz gut^^
    *ach eigentlich finde ich den gesamten Soundtrack ganz meditativ und geeignet fürs Training.

    Einmal editiert, zuletzt von Igno von Rant ()

  • Falls ihr hin und wieder bewusstseinserweiternde Substanzen konsumiert und dabei gern spacige, gechillte Mucke hört, könnte das was für euch sein. :)
    Ist auch völlig umsonst, und kann man sich hier anhören und runterladen:
    The Incubation Period Of Dub | Radiodubtive

    Zitat aus FC:
    "Von Sauerstoff wird man high. Unter Stress im Katastrophenfall wird die Atmung tiefer als sonst. Ganz schnell wird man euphorisch, gefügig, akzeptiert sein Schicksal."
    (Komme an das andere was du meinst nicht ran, befinde mich aber in permanentem Stresszustand.)
    Thank you for the Music... :)

  • Also, ich hab den Film jetzt nochmal geschaut. Da ist echt nicht viel echtes emanzipatorisches Potenzial drin. Die Schlüsselszene ist ja eigentlich der Moment, als der Erzähler und Tyler sich im Bad über ihren abwesenden Vater unterhalten. Der ganze Mist - die Fake-Tyler-Persönlichkeit und alle anderen Probleme des Erzählers - geht zurück darauf, dass er ein Muttersöhnchen ohne starkes männliches Rollenmodell ist. Wenn sein Papi ihn nicht im Stich gelassen hätte, ging's ihm besser und er wäre nicht verrückt geworden.


    Das ist doch das Problem des Typen, aus dem alle anderen Probleme hervorgehen ... die ganze Konsumkritik ist letztlich davon abgeleitet. Und natürlich ist das nur 'ne Story für Männer - wenn das okay wäre, dass Frauen mitmachen, wären die ja auch im Fight Club oder beim Projekt Chaos dabei. Aber es ist ganz klar, dass es nur für Männer geil ist, sich sinnfrei zu kloppen. Überhaupt bricht der Film für mich zusammen, als die Brücke zwischen den individuellen Problemen des Erzählers und denen von anderen Männern geschlagen wird. Die können doch nicht alle Scheidungskinder sein, oder?


    Und Marla ist mal überhaupt kein Charakter ... wir haben nicht die leiseste Ahnung, was ihre Probleme sind, wieso sie sich umbringen will, warum sie zu den Selbsthilfegruppen geht, was genau der Erzähler an ihr findet usw. Sie kann ja gar nicht wirklich ein Charakter in der Geschichte sein, weil der Erzähler den halben Film über nicht wissen darf, dass er verrückt ist. Und sogar am Ende taucht sie erst auf, nachdem der Erzähler Tyler schon losgeworden ist.

  • Also, ich hab den Film jetzt nochmal geschaut. Da ist echt nicht viel echtes emanzipatorisches Potenzial drin. Die Schlüsselszene ist ja eigentlich der Moment, als der Erzähler und Tyler sich im Bad über ihren abwesenden Vater unterhalten. Der ganze Mist - die Fake-Tyler-Persönlichkeit und alle anderen Probleme des Erzählers - geht zurück darauf, dass er ein Muttersöhnchen ohne starkes männliches Rollenmodell ist. Wenn sein Papi ihn nicht im Stich gelassen hätte, ging's ihm besser und er wäre nicht verrückt geworden.


    Das ist doch das Problem des Typen, aus dem alle anderen Probleme hervorgehen ... die ganze Konsumkritik ist letztlich davon abgeleitet. Und natürlich ist das nur 'ne Story für Männer - wenn das okay wäre, dass Frauen mitmachen, wären die ja auch im Fight Club oder beim Projekt Chaos dabei. Aber es ist ganz klar, dass es nur für Männer geil ist, sich sinnfrei zu kloppen. Überhaupt bricht der Film für mich zusammen, als die Brücke zwischen den individuellen Problemen des Erzählers und denen von anderen Männern geschlagen wird. Die können doch nicht alle Scheidungskinder sein, oder?


    Und Marla ist mal überhaupt kein Charakter ... wir haben nicht die leiseste Ahnung, was ihre Probleme sind, wieso sie sich umbringen will, warum sie zu den Selbsthilfegruppen geht, was genau der Erzähler an ihr findet usw. Sie kann ja gar nicht wirklich ein Charakter in der Geschichte sein, weil der Erzähler den halben Film über nicht wissen darf, dass er verrückt ist. Und sogar am Ende taucht sie erst auf, nachdem der Erzähler Tyler schon losgeworden ist.


    Unter Einbezug deines Plädoyers für eine genetisch modifizierte Menschheit, aus der auch männliche Toxine gänzlich weggezüchtet sind, komme ich zu dem Schluss, dass du echt zu viel Zeit in deiner politisch korrekten, von Femininist*innen regierten Uni-Blase verbracht hast :P