Die Neue Deutsche Welle (NDW)

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    Jetzt ist der gute Falco auch schon über 20 Jahre tot... kaum zu glauben, wie die Zeit vergeht.
    Hier mal ein paar nicht ganz so bekannte Songs von ihm:





    Ich frage mich, was er wohl über die heutige Zeit gesagt hätte...
    Er wäre jedenfalls einer der wenigen Promis gewesen, denen ich zugetraut hätte, auch heute noch Eier zu haben und gewisse gesellschaftliche Entwicklungen zu kritisieren, ohne wie Campino oder Grönemeyer als Vorzeige-Promi für den roten Teppich zu enden. Falco hatte immer ein oder zwei Skandale mehr als die anderen. Sowas fehlt irgendwie bei den ganzen braven, glattgebürsteten Künstlern von heute.
    Naja, aber vielleicht hat er es ja auch ganz richtig gemacht, rechtzeitig abzutreten. There's no time for revolution.


    Back in the sixties: They stand up and
    Fight, fight for the dreams, fight for the right
    In the seventies, flower power took all over the place
    Some went to San Francisco, some went far out the space
    In the eighties, I don't know
    Some did it for the money, Some did it for the show

    There's no time
    No time to remember these days
    No time to hold back in that size
    We don't have no time, no time, no time, no time ...
    No time for revolution


    In the nineties, there's a so-called lost generation
    But who is in charge for their situation, frustration
    About politicians – no ambitions
    Tell me what's the vision
    To be a winner is never ever a matter of how
    Political correctness is the word of now
    The spirit of the money is the sound of the time
    There's something coming up to change your mind

    • Offizieller Beitrag

    NDW hingegen ist der Inbegriff der Spassgesellschaft und Massenverblödung. Vorläuferepoche der Ballermann Hits.

    Das ist eben das, was im kollektiven Bewusstsein bis heute hängen geblieben ist. Aber das wird dem Gesamtphänomen NDW in keinster Weise gerecht.
    Wie bereits erwähnt, war der Anfang der NDW alles andere als knallbunt und spaßig, sondern die meisten Gruppen kamen in dieser ersten Phase eher düster und avantgardistisch daher.


    Dann kamen die großen Hits, die ja nicht umsonst auch teilweise im Ausland großen Erfolg hatten, weil es einfach gute, eingängige Songs waren... aber auch da würde ich sagen, war der größere Teil der Lieder noch durchaus auch textlich gelungen und sehr wohl auch gesellschaftskritisch. Egal ob jetzt "99 Luftballons", "Der goldene Reiter" oder "Die Wüste lebt"... das hatte alles noch mehr Gehalt als das, was heute so an deutschsprachiger Musik in den Charts ist.
    Und dann kam eben die Phase, in der von Sommersprossen über Tretboot-Fahren und der Müllabfuhr so ziemlich alles besungen wurde, hauptsache es war schön sinnbefreit und "lustig". Und viele erfolgshungrige Bands kamen in dem Fahrwasser nach und wollten eben auch ein Stück vom Kuchen abhaben, und um aufzufallen, haben sie nicht etwa versucht, bessere Texte oder bessere Melodien zu schreiben als die Konkurrenz, sondern einfach noch sinnbefreiter zu sein, weil "Sinn" ja sowieso als spießig angesehen wurde.
    Und so ist dann eben fast zeitgleich mit dem großen Videospiel-Crash 1983 (als die ganze Branche zusammenbrach, weil Atari und Co. zu viel Müll in die Regale stellten) , auch die NDW wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, weil einfach die totale Übersättigung eintrat und die Qualität immer dürftiger wurde.
    Ich weiß nicht, ob es schonmal ein Musikgenre gab, das innerhalb so kurzer Zeit aus dem Untergrund zum totalen Kommerz wurde, und dann gleich wieder komplett in sich zusammenbrach. Selbst beim Techno ist es nicht so dermaßen schnell gegangen... und vor allem frage ich mich: Warum passiert das heute nicht mehr? Warum werden die Menschen heute dem ganzen seelenlosen Müll nicht mehr überdrüssig, mit dem sie seit über zehn Jahre ohne erkennbare Weiterentwicklung berieselt werden?


    Zur Ehrenrettung der Spaß-Fraktion muss man aber auch sagen, dass es damals tatsächlich in gewisser Weise ein Akt der Rebellion war, sinnbefreite Nonsens-Musik zu machen... in einer Zeit, in der alle zum Lachen in den Keller gingen und selbst die dämlichsten Schlagertexte mit einer solchen Ernsthaftigkeit und Steifheit vorgetragen wurden, als würde es sich um eine religiöse Messe handeln. Und dann kamen da so junge Typen, die nicht wirklich singen konnten, mit selbstgebastelten Kostümen daher und machten sowas:

  • und vor allem frage ich mich: Warum passiert das heute nicht mehr? Warum werden die Menschen heute dem ganzen seelenlosen Müll nicht mehr überdrüssig, mit dem sie seit über zehn Jahre ohne erkennbare Weiterentwicklung berieselt werden?

    Vermutlich weil die Menschen mittlerweile selbst so geworden sind. Es ist nicht mehr einfach nur Musik, es ist mittlerweile ein Lebensgefühl; der Soundtrack ihrer Existenz. Und mir scheint es auch so, dass man sich daran klammert, weil man so nicht als alt gilt. Denn alt will niemand sein. Wer nicht mehr dabei ist, hat den Anschluss verloren. Deshalb bleibt man weiterhin dabei, statt etwas neues zu versuchen.


    Alternative Erklärungsmöglichkeiten: auch die heutige Partymusik will nur ausbrechen und raus aus den Zeiten zwischen Anfeindung und kollektivem Gegeneinander. Lasst uns alle eine große Party feiern. Olé Olé!


  • Ich habe das Interview gelesen. Darin beklagt ein Millionär, der Jaguar fährt, ein Landanwesen besitzt und Schuhe für mehrere hundert Euro trägt, dass die Jugend heute Luxus für schick hält. Damals, in seiner Jugend, war Kommerz noch Teufelszeug. Das habe sich mittlerweile ins Gegenteil gekehrt. Wie auch bei der Musik. Heute habe sie etwas "Kaugummi-Mäßiges" und ihr fehle jeglicher Tiefgang.


    Hyper, Hyper!

    • Offizieller Beitrag

    Ja, das ist in der Tat ein bisschen schizophren, was der Herr Baxxter da von sich gibt. Zumal er ja auch seinen Teil dazu beigetragen hat, dass die Texte immer dämlicher geworden sind. Ich schätze ihn aber so ein, dass er sich durchaus bewusst ist, dass er Scheiße für die Massen produziert. Weil er einfach gemerkt hat, dass es funktioniert, und dass man mit einem Lied, das man in 15 Minuten am Computer dahingerotzt hat (und dabei noch von anderen DJ's klaut), mehr Geld verdienen kann als mit anspruchsvollerer Musik.


    Was die Jugend in den 80ern anging... die war vermutlich auch nicht viel intelligenter als heute. Da haben die Jungs auch alle rumgepost und wollten der coolste Stecher auf dem Mofa sein, und die Mädels haben die BRAVO gelesen und ihre Stars angehimmelt. Aber die Jugendkultur hatte eben noch nicht so die Massenmedien übernommen, sondern fand noch etwas mehr abseits der Erwachsenenwelt statt, und war schon allein deshalb deutlich spontaner, und weniger kommerziell und durchgeplant als heute. Jugendliche waren auch noch nicht so relevant für die Werbeindustrie.
    Schon allein, wenn man bedenkt, was es für ein Akt war, damals an seltene Platten ranzukommen, oder die neuesten Songs aus dem Radio aufzunehmen auf Kassette... das hat noch richtig die Kreativität und den Forscherdrang gefördert. Heute machst du einen Mausklick, und kannst dir hunderttausend Lieder anhören, und siehst sogar gleich noch, was deine Freunde gutfinden, da brauchst du praktischerweise gar keinen eigenen Geschmack mehr entwickeln...
    Also ich denke einfach, dass sich die technologische und gesellschaftliche Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte nicht gerade positiv auf die Gedankenwelt und die Psyche der jungen Menschen ausgewirkt hat. Es hat die Menschen träge werden lassen und unkreativ. Und leider auch ziemlich unkritisch im Bezug auf die kapitalistische Welt der Alten, weil junge Menschen heute den Kapitalismus nicht mehr als etwas Fremdes und Unnatürliches empfinden, was ihnen von den Alten aufgezwungen wird, sondern weil es zu ihrem Selbstverständnis schon dazugehört, teure Abos abzuschließen und ein Markenbewusstsein zu besitzen. (was es zwar früher auch schon gab, aber noch lange nicht in einem solch extremen Ausmaß wie heute)

    • Offizieller Beitrag

    So, ich war jetzt vorgestern tatsächlich auf einem Konzert der EAV anlässlich ihrer Abschiedstour... :)
    Es war eine nette Mischung aus Kindheitserinnerungen, als man die Typen und ihre Lieder einfach irgendwie witzig fand, ohne dass da immer ein tieferer Sinn dabei sein musste... aber andererseits hat die EAV auch viele nachdenklichen Songs und bezieht klar Stellung gegen rechts, gegen unfähige Politiker und religiöse Spinner etc.
    Auch die Bühnenshow war richtig gut. Was Kulissen und Kostüme angeht, haben die alten Herren sich mehr Mühe gegeben als die meisten anderen Bands, die ich in den letzten Jahren gesehen habe.
    Also das ist durchaus eine Empfehlung wert. Schade, dass sie aufhören, denn ich glaube, solche unkonventionellen Bands braucht man heute mindestens genauso sehr wie damals.



  • Was, die gibt's/gab's echt noch? EAV sind wohl meine erste musikalische Erinnerung. Ich weiß noch, wie ich mir Watumba damals auf Kassette beim Müller gekauft habe, das war wohl mein erster musikalischer Kauf überhaupt, wenn ich mich recht entsinne.


    Der kritische Unterton einiger Songs ist mir damals noch entgangen, gefallen hat mir eher das hier ;-)


    https://www.youtube.com/watch?v=fm-6p_ExFUg

  • Natürlich gibt es die EAV noch ... sie haben sogar in der letzten Zeit ein neues Album raus gebracht ^^ ... Die Texte von denen ist mehr ans zum nachdenken gebracht .

    • Offizieller Beitrag

    Was, die gibt's/gab's echt noch? EAV sind wohl meine erste musikalische Erinnerung. Ich weiß noch, wie ich mir Watumba damals auf Kassette beim Müller gekauft habe, das war wohl mein erster musikalischer Kauf überhaupt, wenn ich mich recht entsinne.

    War witzigerweise auch bei mir so. Nicht das Watumba-Album, aber die Vorgänger von '85 und '87. Diese beiden Kassetten waren auch für mich damals mein erster Kauf... und ich hab die als kleiner Knirps echt rauf und runter gehört. Die hatten eben damals was, so dieses schwarzhumorige, österreichische, leicht makabre, was wohl die eine oder andere Kinderseele angesprochen hat.
    In der Pubertät war es dann schon wieder uncool, sowas zu hören, und in den 90ern ließen dann auch der Erfolg und die Medienpräsenz der EAV deutlich nach. Ich hatte die dann auch ziemlich aus den Augen verloren für viele Jahre.


    Politisch war die EAV schon immer. Die haben ja schon Ende der 70er-Jahre angefangen, bevor es die Neue Deutsche Welle überhaupt gab, und das war schon ziemlich anarchisch und definitiv nicht massenkompatibel, was die damals gemacht haben.
    Beispielsweise das hier:


    Aber in der Phase, als sie ihre größten Erfolge hatten, haben sie das politische dann ziemlich runtergefahren, und es brach nur so gelegentlich aus ihnen heraus. Aber größtenteils war das schon eher massenkompatible Spaß-Musik mit ein paar versteckten kritischen Untertönen, was ihnen damals so viel Erfolg eingebracht hat.
    Irgendwann in den 2000er-Jahren scheinen sie sich dann aber wieder verstärkt darauf besonnen zu haben, dass sie auch eine Message rüberbringen wollen.
    Und dann kamen auch solche Songs dabei raus wie "Rechts 2 3"... schade nur, dass sie heute nicht mehr die mediale Präsenz von damals haben, und es die Leute, die es eigentlich hören sollten, sowieso nicht an sich ranlassen werden...

    • Offizieller Beitrag

    Jetzt ist Gabi Delgado, der Sänger von DAF, auch tot. Vielleicht hätte ich doch mal auf ein Konzert gehen sollen, so lange es noch die Möglichkeit gegeben hat. Bin aber nie dazu gekommen... auch weil ich mir immer gesagt habe, dass es live sicher interessantere Bands gibt, weil der Sound von DAF ja doch ziemlich monoton ist, und ich die Befürchtung hatte, dass bei einem Konzert vielleicht die Abwechslung etwas zu kurz kommen könnte. Nun ist es zu spät. *seufz*


    Gerade die Monotonie war natürlich auch das Geniale an ihnen, was damals 1980 auch noch völlig neu war. Gab ja noch lange kein Techno oder Trance oder sowas.
    Also DAF haben schon ganz viele Bands inspiriert, und natürlich auch die Anarchonauten, auch wenn ich es nie geschafft habe, so einen richtig monotonen Song im DAF-Stil zu schreiben... ich habe es ein paar mal versucht, aber ich denke da wohl einfach zu poppig. Irgendwie dachte ich immer, da fehlt noch was. Also hier noch nen Synthie dazu, da noch ein paar Vocals eingefügt, und schon ist es halt auch nicht mehr monoton und klingt nicht mehr so wirklich nach DAF. Mal sehen, vielleicht probier ich es irgendwann mal wieder.
    Aber es ist eben auch gar nicht so einfach, etwas Monotones zu erschaffen, was aber trotzdem nicht belanglos oder beliebig wirkt. Und das hatten DAF einfach raus.
    (Und provozieren konnten sie auch ganz gut.)





    Hier noch ein interessantes Interview mit den beiden: