Freunde oder Familie

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    Ich möchte in dem folgenden Beitrag ein paar Gedanken zu den Themen Freundschaft und Familie niederschreiben, einfach weil mich das Thema immer noch beschäftigt und ich in letzter Zeit auch viel darüber nachgedacht habe, ob ich einfach nur komisch ticke, weil ich scheinbar so komplett andere Ansichten habe als andere Menschen, oder ob es die anderen sind, die komisch ticken.
    Es geht hier wohlgemerkt um meine persönlichen Gedanken zu diesem Thema… muss also jetzt nicht jeder gutfinden oder auch genauso sehen. Und ich sag auch nicht, dass sich alle nach meinem bevorzugten Lebensmodell richten sollten. Wie gesagt, ist nur meine persönliche Meinung. Soll jeder so leben, wie er es braucht.


    Wie ich schon verschiedentlich in meinen Videos erwähnt habe, waren mir die „normalen“ Freundschaften, die Gleichaltrige üblicherweise während ihrer Schulzeit miteinander pflegten, immer irgendwie zu wenig… nicht intensiv genug… nicht magisch genug.
    Ich war geprägt von Filmen und Büchern, in denen Freunde wie eine Familie waren, gemeinsam durch dick und dünn gingen, und notfalls alles andere aufgeben würden für ihre Freundschaft, um irgendwo anders komplett neuanzufangen.
    Das waren beispielsweise diese Heroic Bloodshed-Gangsterfilme aus Hong Kong, in denen sich alle „Bruder“ nannten und gemeinsam gegen eine große Überzahl an Feinden kämpften. Oder auch diverse Fantasy- und Ritterfilme, seien es nun die Ritter der Tafelrunde oder die 3 Musketiere. Immer ging es um Freundschaft und Loyalität, die stärker war als manche vergängliche Liebesaffäre.
    Oder, coolstes Ende ever: „A boy and his dog“, wo ein sprechender Hund der beste Freund des jugendlichen Helden ist. Und als der Hund schwach ist und zu sterben droht, killt der Held seine Geliebte (die ihn aber auch schon ein paar mal hintergangen hat), damit der Hund wieder was zu Essen hat und zu Kräften kommt. Wird natürlich nur angedeutet, aber das sind so seltene Momente in Filmen, wo ich innerlich dachte: Geil! Genau so hätte ich es an seiner Stelle auch gemacht, anstatt mit der egoistischen Schnepfe in den Sonnenuntergang zu reiten und den Hund sterben zu lassen. :thumbsup:


    Aber ich schweife ab. Eigentlich wollte ich damit nur sagen, dass mich solche Filme früher immer sehr angesprochen haben, und dass ich unbedingt auch in meinem realen Leben solche Freundschaften haben wollte.
    Doch was war die Realität in meinem realen Umfeld?
    Die Realität war, dass man Freunde hatte zum „Scheiße bauen“, „Scheiße labern“ und um halt irgendwas zusammen zu unternehmen, was alleine nicht so viel Spaß machen würde.
    Und auch wenn alle immer sagten, wie wichtig ihnen ihre Freunde waren, so waren sie bei den allermeisten Jugendlichen, die ich kannte, doch nie der wichtigste Lebensmittelpunkt. An erster Stelle stand dann doch für die meisten das Elternhaus. Wenn die Eltern zur großen Familienfeier riefen oder der Familienurlaub anstand, hatten sich die Freunde hinten anzustellen.
    Später, als die ersten ihre ersten Beziehungen hatten, war natürlich auch die Partnerin bzw. der Partner wichtiger als die Freunde.
    Und nach Ende der Schulzeit zählte sowieso eher die Frage „Wo will ich studieren?“, „Welcher Job ist der richtige für mich?“, und weniger die Frage „Wie kann ich auch später meinen Freunden möglichst nahe sein?“
    Damit möchte ich jetzt gar nicht sagen, dass alle Freundschaften heutzutage oberflächlich sind. Da gibt es sicher auch viele gute Gespräche und schöne emotionale Momente der Zusammengehörigkeit. (vor allem wenn man gemeinsam besoffen ist beer )
    Aber die Gewichtung ist doch bei den meisten klar:
    An erster Stelle kommt die Karriere, an zweiter Stelle die Beziehung (oder manchmal auch umgekehrt)… und dann an dritter Stelle kommen erst die Freunde.


    Wenn du das anders siehst, weil für dich das Zusammensein mit den Freunden das Wichtigste ist, dann bist du früher oder später dazu verdammt, in dieser Welt ziemlich auf die Schnauze zu fallen. Es sei denn, du hast das seltene Glück, dass deine Freunde das genauso sehen wie du.
    Das ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn die „Leitkultur“, in der die Menschen heutzutage aufwachsen, besagt nunmal ganz klar:
    Zusammenleben und alles teilen tut man mit einem Menschen vom (im Idealfall) anderen Geschlecht, den man sexuell anziehend findet, aber der einen nicht unbedingt immer verstehen tut.
    Und arbeiten und Geld verdienen muss man, um diese Form des Zusammenlebens (und die daraus resultierenden Kinder) finanziell absichern zu können.
    Die Zeit, die dann noch übrig bleibt, die sogenannte Freizeit, ist die Zeit, die man dann hin und wieder mit seinen Freunden verbringt.
    So leben es die Eltern vor. So wird es in den Medien gezeigt. Und so machen es die Kinder dann eben auch nach.
    Ist ja in Film und Fernsehen dann meist auch nicht viel anders. Siehe auch Harry Potter: Zuerst eine unzertrennliche Freundschaft während der Schulzeit, aber später heiratet er dann doch nicht etwa Hermine oder Ron, mit denen er durch dick und dünn gegangen ist, sondern Ginny, die eigentlich nix besonderes an sich hat und manchmal ein bisschen hilflos wirkt, aber halt vermutlich eine gute Hausfrau abgibt. :D
    Ich meine, das ist sicherlich realistisch... aber garantiert nicht die Entscheidung, die ich an seiner Stelle getroffen hätte.


    Ich will aber an dieser Stelle jetzt gar nicht gegen dieses klassische monogame Lebensmodell schimpfen. Vielfalt ist etwas Schönes. Das Schlimme finde ich halt nur, dass gefühlt 99 Prozent der Bevölkerung so leben, und daher von „Vielfalt“ in unserer Gesellschaft eigentlich noch immer keine Rede sein kann, allem Toleranzgelabere zum Trotz.
    Meine Vorstellung vom Leben ist halt eine andere… Ich wollte mir immer eine Wahl-Familie zusammenstellen, mit der man dann auch zusammenlebt und alles teilt wie in einer echten Familie, nur dass die Basis dieses Zusammenleben eben Seelenverwandtschaft und geistige Verbundenheit ist, und nicht, weil man da eben ausversehen irgendwie hineingeboren wurde.
    Dabei hat mit Sicherheit auch eine Rolle gespielt, dass ich mich früher immer fremd und unverstanden in meiner „richtigen“ Familie gefühlt habe.
    Das waren zwar größtenteils alles nette, herzliche Leute… aber halt Leute, die ganz anders gedacht und gefühlt haben als ich.
    Und selbst untereinander wirkten sie oft irgendwie „zusammengewürfelt“. Egal ob meine Eltern oder bei den Onkeln und Tanten… bei den meisten hatte ich das Gefühl, die führen zwar eine Symbiose mit einem anderen Menschen, aber nicht, weil dieser Mensch ihr hundertprozentiger Seelenverwandter wäre, sondern weil es sich halt irgendwie so ergeben hat. Und damit es passt, hat jeder einen großen Teil seiner eigenen Interessen und Eigenarten aufgegeben, um mit dem Partner zu einer gleichförmigen Masse zu verschmelzen, die zwar irgendwie Harmonie ausstrahlt, aber eben zu einem hohen Preis… nämlich zu dem Preis, dass sie alle einen Teil von sich selbst verloren haben, als sie diese Art von Beziehung eingegangen sind, und jetzt irgendwie leer und ausgebrannt ihrem Ende entgegenleben.
    Also ich war umgeben von netten Menschen, die aber alle nicht so tickten wie ich und auch alle nur deshalb so gut miteinander klarkamen, weil sie gelernt hatten, ihre jeweilige Rolle zu spielen im großen Familienspiel, und nicht mehr der unangepasste freiheitshungrige Individualist zu sein, der sie irgendwann als Kind oder Jugendlicher vielleicht mal gewesen waren.


    Das waren für mich immer irgendwie abschreckende Beispiele, und irgendwann habe ich begriffen, dass ich nicht auch eines Tages so enden wollte. Allerdings wollte ich auch nicht bis ans Ende meiner Tage unverstandener Außenseiter bleiben.
    Deshalb brauche ich eben Seelenverwandtschaft. Und deshalb suche ich manchmal vielleicht auch etwas zu verbissen danach.
    Es scheint mir zumindest für mich das einzig denkbare Modell des Zusammenlebens mit anderen Menschen zu sein. Nur ist das eben schwierig, solche Menschen zu finden… vor allem, wenn 99 Prozent der potentiellen Partner schonmal wegfallen, weil sie sich bereits für ein anderes Lebensmodell entschieden haben. Das kann einen schon ziemlich frustrieren.
    Die Frage ist: suche ich überhaupt nach Freundschaft? Habe ich jemals danach gesucht, auch wenn auf meinen Büchern ja immer groß und fett geschrieben steht, dass es darin unter anderem um FREUNDSCHAFT geht…
    Aber ich glaube, es ging eigentlich immer mehr um FAMILIE.
    Freundschaft ist vielleicht wirklich nur das, mal zusammen ein Bier trinken zu gehen und da zu sein, wenn der andere gerade down ist, um ihn ein bisschen aufzumuntern oder so. Das hätte ich schon tausendmal haben können mit interessanten Menschen, hat mich aber nie so wirklich gereizt. Denn das was ich suche, geht darüber hinaus. Ich suche Familie. Nur eben nicht eine Familie, wo man viele Kompromisse eingehen muss und man sich ständig erklären muss, damit das Zusammenleben funktioniert, sondern eine Familie, wo ich nix erklären und keine Kompromisse eingehen muss, weil die anderen Familienmitglieder genauso ticken wie ich und mich notfalls auch ohne Worte verstehen können.


    Ist irgendwer da draußen, der meine Gedankengänge nachvollziehen kann?
    Und was denkt ihr, warum leben so wenige Menschen ein solches Lebensmodell gemeinsam mit einem oder mehreren Seelenverwandten? Warum leben sie scheinbar fast alle das übliche „Mann-Frau-und 2 Kinder-Schema“? Nur weil es eben Tradition ist und schon immer so war? Oder gibt es irgendwas, was ich übersehen habe? Ist der Gene-Weiterreichungs-und Vermehrungs-Trieb bei den allermeisten Menschen einfach stärker ausgeprägt als bei mir, weshalb ich einfach nicht ganz nachvollziehen kann, was für die meisten anderen Menschen etwas ganz Selbstverständliches ist?
    Mir erscheint meine Sicht der Dinge jedenfalls völlig logisch. Aber vielleicht bin ich ja einfach nur zu befangen, um zu sehen, dass ich im Unrecht bin und alle anderen Recht haben. :unknw_gif:

  • Ist irgendwer da draußen, der meine Gedankengänge nachvollziehen kann?

    Ich kann dich sehr gut verstehen. Ich denke ähnlich wie du. Mir sind meine Freundschaften auch teilweise "zu wenig". Wie du schon sagst. Die meisten Menschen kümmern sich zuerst um ihre eigene kleine Familie, was Beziehungen oder Eltern, Geschwister angeht, sowie um ihre Arbeit. Erst danach kommt die "Pflege" von Freundschaften. Aber dies geht meist nicht weiter als über triviale Gespräche hinaus. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass es so ist. Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, derart großartige Erwartungen zu diesem Thema zu haben. Ich meine, es klingt sehr fantastisch. Aber das hat mit der Realität wenig zu tun. Unsere Gesellschaft ist einfach nicht dafür ausgelegt, solche Freundschaften zu kreieren. Es kommt ab und zu einmal vor, aber es ist nicht der Normalzustand. Ich habe schon das Gefühl, dass sehr viele Menschen auf der Suche nach einem solchen Leben sind. Nach einer Familie, die bedingungslos für einen da ist, und für die der Zusammenhalt eines der wichtigsten ist. Zum Beispiel in Motorrad-Clubs oder ähnlichen Gruppierungen findet man diese "Ideale". Ich bin mir nicht sicher, ob es das ist, was sie vorgeben zu sein, aber "sie" sprechen ja unaufhörlich von Werten wie Gemeinschaft und Zusammenhalt. Der Club ist die Familie. In Religionen ist es fast ähnlich. Eine riesige Gemeinschaft, die nach Zusammenhalt sucht, und ihn vermeintlich in einem übersinnlichen Wesen gefunden hat, welches sie alle miteinander verbindet. Für mich wären beide Beispiele wohl eher nichts, da sie mir beide sehr illusorisch vorkommen. Mehr Schein als Sein.
    Wie gesagt, ich weiß nicht, inwieweit es "sinnvoll" ist, in dieser Gesellschaft solche Erwartungen zu haben. Klar, wer träumt, der lebt noch. Aber zu hohe Erwartungen können am Ende nur enttäuscht werden. Ist es das Ziel des Lebens, enttäuscht zu werden, weil man sein ganzes Leben mit Erwartungen verschwendet hat. Ich bin mir manchmal unsicher, worin überhaupt der Sinn des Lebens besteht. Da diese Frage mir zu philosophisch ist, schweife ich meistens bei dem Gedanken daran, etwas ab. Aber gelöst hat sie sich für mich damit trotzdem nicht.


    "Ich hole alles hoch - Ich schaue in mich rein


    Was für ein Abgrund! Ich lass es lieber sein!"
    [CHRIST of KATHER / MARKUS Maria HOFF - Analyse]

  • Die meisten Menschen haben Angst vor der Einsamkeit und sehnen sich nach Stabilität und Sicherheit in sozialen Beziehungen. Wenn (!) man das Glück hat, in einer liebevollen und toleranten Blutsfamilie aufzuwachsen, sind diese Faktoren schon mal erfüllt, auch wenn z.B. kein tiefergehendes geistiges Verständnis oder seelische Verbundenheit vorhanden sind.
    Insofern ist die Frage eben auch, wie man Familie definieren will. Kann man von seinen Eltern bspw. wirklich verlangen, einen in allen Punkten zu verstehen? Oder sollte man sich nicht "nur" mit Liebe und Toleranz zufrieden geben?


    Monogamie ist natürlich kulturell verankert. Sie hat sich aber auch durchgesetzt, weil menschliche Eitelkeiten eine hartnäckige Angelegenheit sind. Sich auf mehr als einen Partner zu fokussieren bzw Eifersucht außen vor zu lassen, ist für die meisten wohl zu viel.


    Was (vermeintliche) Seelenverwandtschaft angeht, hast du wohl auch die Erfahrung machen müssen, dass diese Konstellationen oft sehr brüchig sind - was wiederum dem genannten Anspruch nach Stabilität zuwider läuft. Zumindest ich muss rückblickend feststellen, dass tatsächlich die Familie im Gegensatz zu allem anderen eine Konstante war, während Beziehungen und Freundschaften, so intensiv und tiefgehend sie auch waren, immer wieder auseinanderbrachen.


    Für einzelgängerische Naturen gestaltet sich die Sache ja noch um einiges schwieriger. Man ist zwar ein soziales Wesen, stellt aber hohe Ansprüche an andere Menschen. Zudem neigt man dazu, letztlich undefinierte Sehnsüchte nach Vollkommenheit in Beziehungen hineinzuinterpretieren, also einem romantischen Ideal hinterherzujagen. Die ersehnte Seelenverwandtschaft wird somit - oft unbewusst - zum Beweis dafür, kein Fremder auf dieser Welt zu sein. Vielleicht ist das der Grund für die oft einsetzende Enttäuschung - man bewegt sich zu sehr in Projektionen.


    Ich habe ja in dem anderen Thread geschrieben: Unsere existentielle Herausforderung besteht darin, die Endlichkeit und die Einsamkeit zu akzeptieren. Letztlich sind Begegnungen tatsächlich oft schicksalhaft bzw zufällig, zumindest habe ich die Erfahrung gemacht. Insofern wäre es vielleicht tatsächlich der beste Ansatz, sich immer auch den genannten Herausforderungen zu widmen, während man seine wohl ebenso existentielle Veranlagung zur Zwei- oder Mehrsamkeit auslebt.

    • Offizieller Beitrag

    Zum Beispiel in Motorrad-Clubs oder ähnlichen Gruppierungen findet man diese "Ideale". Ich bin mir nicht sicher, ob es das ist, was sie vorgeben zu sein, aber "sie" sprechen ja unaufhörlich von Werten wie Gemeinschaft und Zusammenhalt. Der Club ist die Familie. In Religionen ist es fast ähnlich. Eine riesige Gemeinschaft, die nach Zusammenhalt sucht, und ihn vermeintlich in einem übersinnlichen Wesen gefunden hat, welches sie alle miteinander verbindet.

    Ja, das Streben nach Verbundenheit und Gemeinschaft ist natürlich in vielerlei Variationen vorhanden... oft aber leider in Verbindung mit einem gleichmacherischen Aspekt, der dem ganzen einen bitteren Beigeschmack verleiht.
    Die Religionen wollen uns erzählen, wir sind alle gleich... gleich klein und unbedeutend vor dem großen Schöpfer... und daher sind die paar lächerlichen Charakterunterschiede zwischen den Menschen auch komplett vernachlässigbar, wenn wir uns nur alle schön an den Händen fassen und einen Stuhlkreis bilden. ;-)
    Rocker, Triaden, Yakuza und andere Gangs (oder auch die Fremdenlegion) sagen: "Ist uns egal, was du früher warst, oder was deine individuellen Charaktermerkmale sind. Bei uns sind alle gleich. Und so lange du unserem Credo folgst, sind wir alle deine Brüder."
    Ich hingegen halte die Unterschiede zwischen den Menschen nicht für vernachlässigbar... sondern ich glaube, dass wir Menschen (gerade auch die etwas "älteren" Seelen) sehr spezielle Puzzleteile sind, die nur zu sehr speziellen anderen Puzzleteilen kompatibel sind. Man kann so ein Puzzleteil natürlich auch mit Gewalt reindrücken, so lange bis es irgendwie passt, aber früher oder später wird es sich unbequem anfühlen, wenn man nicht mit den richtigen Puzzleteilen verbunden ist.
    Woran das liegt, dass wir so unterschiedlich sind, sei mal dahingestellt... vielleicht ist es nur die Prägung, vielleicht ist es die unterschiedliche Art, wie unsere Synapsen vernetzt sind, vielleicht ist es auch wirklich sowas wie eine "Seele", die über mehrere Leben, Planeten oder Paralleldimensionen hinweg existiert und sich daher auch nur in Gegenwart von Seelen aus ihrer Heimatwelt wirklich zuhause fühlen kann... also eben so Seelenverwandtschaft im wörtlichen Sinn.
    Meine Lebensphilosophie ist es jedenfalls, dass man nicht gleichmachen sollte, sondern versuchen sollte, Menschen zu finden, die nicht erst gleichgemacht werden müssen. Mag sein, dass ich da etwas überzogene Ansprüche habe, weil man nie jemanden finden wird, der hundertprozentig passt. Aber man kann ja zumindest versuchen, eine möglichst gute Annäherung an dieses unrealistische Idealbild zu finden.

    Was (vermeintliche) Seelenverwandtschaft angeht, hast du wohl auch die Erfahrung machen müssen, dass diese Konstellationen oft sehr brüchig sind - was wiederum dem genannten Anspruch nach Stabilität zuwider läuft. Zumindest ich muss rückblickend feststellen, dass tatsächlich die Familie im Gegensatz zu allem anderen eine Konstante war, während Beziehungen und Freundschaften, so intensiv und tiefgehend sie auch waren, immer wieder auseinanderbrachen.

    Familie ist eine Konstante, natürlich. Gerade deshalb ist sie auch vielen Menschen so wichtig als Halt in ihrem Leben. Andererseits können solche familiären Strukturen aber auch unflexibel und unnachgiebig sein. Manchmal sind Familienbande Wurzeln, die Kraft spenden... und manchmal sind es eher Fesseln, die einem die Luft abdrücken.
    Was wohl stimmt, ist, dass man in Familien eher geneigt ist, einander Fehler zu verzeihen, als unter Freunden. Du kannst deine Mutter scheiße behandeln, aber sie wird immer deine Mutter bleiben und dir verzeihen. Behandele einen Freund ein paar mal scheiße, und er ist weg.
    Andererseits stellt sich halt auch die Frage, wie ehrlich eine solche Verbindung dann ist, die in erster Linie nur auf Blutsverwandtschaft basiert. Meine Mutter würde mich auch lieben, wenn ich ein Nazi wäre. Und wenn ich statt der Unity-Philosophie ein Buch namens "Die Holocaust-Lüge" oder irgendsowas geschrieben hätte, würde sie das Buch auch begeistert lesen und stolz drauf sein, dass ihr Sohn so ein krasses Buch geschrieben hat. Und wenn ich Müllmann wäre, wäre sie stolz darauf, dass ihr Sohn den Müll wegbringt. Mit anderen Worten: Meine Mutter ist ein Fan von mir, egal was ich tue, und egal ob sie es überhaupt versteht oder nicht. Das ist ja einerseits auch schön, dass es (zumindest in intakten Familien) diese Gewissheit gibt. Aber noch schöner finde ich es ehrlich gesagt, wenn mich jemand liebt, nicht weil ich zufällig sein Sohn bin oder das selbe Blut in mir fließt... sondern wenn mich jemand liebt um meiner selbst Willen, aufgrund meines Wesens und meines Charakters, auch wenn ich eigentlich nur ein Fremder bin, mit dem er sich nicht verbunden zu fühlen bräuchte.

    Ich habe ja in dem anderen Thread geschrieben: Unsere existentielle Herausforderung besteht darin, die Endlichkeit und die Einsamkeit zu akzeptieren. Letztlich sind Begegnungen tatsächlich oft schicksalhaft bzw zufällig, zumindest habe ich die Erfahrung gemacht. Insofern wäre es vielleicht tatsächlich der beste Ansatz, sich immer auch den genannten Herausforderungen zu widmen

    Damit hast du zweifellos recht. Das sollte ich wirklich mal machen. Aber die Endlichkeit zu akzeptieren fällt mir verdammt schwer... dafür bin ich schon einfach viel zu sehr in meine Fantasie und meine Tagträume verliebt, und kann die Vorstellung, dass das alles irgendwann nicht mehr da sein wird, nur schwer akzeptieren, weshalb ich mich meistens dann auch eher mit dem esoterischen Gedanken tröste, dass es eine unsterbliche Seele gibt, oder dass zumindest irgendeine Art von Transformation stattfindet, so dass die wirklich wertvollen Dinge in uns nicht komplett verloren gehen.
    Die Einsamkeit zu akzeptieren ist mir mal einigermaßen leicht gefallen. Hey, immerhin bin ich derjenige, der den Song "Einsamkeit" geschrieben hat. ^^ "Und die Einsamkeit hat meinen Geist befreit, hat mir Kraft gegeben, für ein neues Leben... denn nur in Einsamkeit, hat man genügend Zeit, um durchzublicken, wie sie dich von klein auf ficken." *sing*
    Aber irgendwie hat mich die Einsamkeit auch gelehrt, dass ich im Grunde meines Herzens ein Rudeltier bin. Ich suche nur noch nach dem richtigen Rudel. Und bis ich das gefunden habe, bin ich eben aus Überzeugung auch ein einsamer Wolf. bzw. so ganz alleine bin ich ja nicht. Aber ich habe eben immer das starke Gefühl, dass da draußen irgendwo noch ein oder zwei Wesen gefunden werden wollen, die ins selbe Rudel gehören wie ich.
    Ist schwierig zu erklären, dieser Widerspruch... einerseits überzeugter Einzelgänger zu sein, der immer kompromisslos seinen eigenen Weg geht... und doch eine Sehnsucht zu empfinden nach einer Art von echtem Zuhause. Einer geistigen Heimat. Einer Familie von Seelenverwandten.

  • Dian: Du lebst das Leben eines Träumers. Verstärkt wird das durch genannte Bücher und Filme. Doch auch die bilden nicht die Realität ab, sondern sind Geschichten. Genau genommen erdachte Geschichten, damit die Autoren und Schauspieler damit ihren Lebensunterhalt in einer Welt verdienen, die eben ganz und gar nicht so ist, wie sie es vor der Kamera vorleben. Eher das ganze Gegenteil. Eine Welt, in der Geld dein bester Freund ist und man möglichst viel von diesem Bündel Papier anhäufen muss, damit man mit IHM tolle Dinge erleben kann.


    Darauf baut letztendlich alles auf und deshalb haben die Menschen auch "wichtigeres" zu tun, als sich echten Freundschaften und tiefen Verbindungen hinzugeben. Das bisschen Zeit, was fernab vom täglichen Rollenspiel übrig bleibt, reicht eben nicht für solch hohe Ansprüche wie du sie stellst - oder wie sie generell jene haben, die eben nicht in einer Scheinrealität leben, sondern sich der Authentizität verschrieben haben. Ich zähle mich da übrigens auch zu und kann deine Sehnsucht sehr gut nachvollziehen. Im Grunde teile ich sie. Und damit auch all die Enttäuschungen, die damit früher oder später einhergehen.


    Solange die Menschen nicht frei sind, wird dir nie jemand 100 % von sich geben können. Er hat diese 100 % ja noch nicht mal selber über sein eigenes Leben. Im Zweifel sind die Worte und Wünsche des Chefs wichtiger, als die eines guten Freundes. Das ist dann eher etwas für den Feierabend, wo man dann aber blöderweise weder den Elan, noch die Kraft dazu hat. Und dann ist man da ja noch selber, der auch sein Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung hegt nach einem harten Arbeitstag unter permanenter Fremdbestimmung.
    Wo soll da also die Kraft, geschweige denn die Zeit oder das Bedürfnis auf Seelenvierwandschaft herkommen? Das ist nicht machbar. Dabei habe ich noch gar nicht mögliche Kinder oder Partner, krankheitliche Probleme oder sonstige private Sorgen aufgezählt, die einen zusätzlich in Beschlag nehmen.


    Man kann sich also, wenn überhaupt, nur an ähnliche Aussteiger halten, wie man das meist selber ist, wenn einem solche Sehnsüchte plagen. Das verringert dann aber auch die Summe der in Frage kommenden Personen beachtlich. Blöderweise sind Individualisten immer auch sehr individuell und deshalb ist es hier noch mal eine besondere Herausforderung, im selben Takt zu schlagen. Und wenn man dann noch, wie auch der Gegenpart, ziemlich einzelgängerisch veranlagt ist, dann wird man wohl nie aufeinander treffen, was zu guter Letzt auch dadurch noch mal erschwert wird, da sich solche Wesen eher in kleinen Orten aufhalten, als eng in der Großstadt vernetzt zu sein. Im Grunde bleibt also nur das Internet, was dafür aber praktischerweise den Vorteil mit bringt, dass man in die Gedankenwelt und das Moralverständnis der Menschen leichter reinschauen kann, als bei einem wildfremden Menschen auf der Straße. Das erleichtert die Suche nach einem Zwilling wiederum beachtlich.


    Trotzdem bleibt es alles in allem ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen. Zumal die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass man seinen Lottogewinn, so man ihn denn doch erlangt, auch schnell wieder verspielt. Einfach aus fehlender Erfahrung aufgrund dieser Exklusivität, und natürlich auch aufgrund der weiterhin vorherrschenden Anspruchshaltung, die sogar noch mal maximiert wird, weil man ja nun richtig aufblüht, da man meint, jetzt endlich keine faulen Kompromisse mehr eingehen zu müssen. Die Erwartungen steigen also nahezu ins Unermessliche. Und damit auch die Wahrscheinlich des Scheiterns.


    Am ehesten ist eine gute familiäre Bindung noch die Light-Version des eigenen Wunschtraums. Letztendlich ist das zwar eher so ein gesellschaftliches Ding, was über die Jahrhunderte sich etabliert hat, aber eigentlich kann man froh sein, dass zumindest hier dieses bedingungslose Urvertrauen noch vorhanden ist, weil man es wohl sonst nie kennenlernen würde.
    Ein Grund ist, dass es in einer funktionierenden Familie so etwas wie Egoismus nicht gibt. Eine Sache, die total widersprüchlich ist zur allgemein bekannten Tatsache, dass Menschen VERDAMMT egoistisch sind. Und das wiederum ist auch einer der Gründe, wieso die wenigsten Menschen eine tiefe Freundschaft anstreben. Es bedeutet Arbeit. Man müsste sich in andere hineinversetzen, müsste uneigennützig handeln und im Zweifel sich auch mal krumm machen. Alles jetzt keine Dinge, die ich als besonders anstrengend empfinde, andere hingegen schon. Und wofür das alles? Damit man dasselbe doppelt und dreifach zurück bekommt? Tja, blöd nur, dass es die meisten Menschen überhaupt nicht reizt. Die machen sich überhaupt nicht solche Gedanken, honorieren das nicht, sondern leben in ihrer kleinen sorgenfreien Scheinwelt und wenn es Probleme gibt, dann trinkt man sie weg. Unternehmen tut man dann gemeinsam Freitagabend etwas auf dem McDonalds-Parkplatz nach der Disco. Später verlagert sich das dann auf Kindererziehung und Abends eine Serie bei Netflix oder vielleicht mal einen Spieleabend.


    Woher soll man es auch anders kennen, wenn es die eigenen Eltern schon so vorgelebt haben, die Gesellschaft es ihnen tagtäglich vor Augen führt, und sie selbst nicht die Fantasie und Sehnsucht besitzen, um etwas anderes zu wollen?

    • Offizieller Beitrag

    Du lebst das Leben eines Träumers. Verstärkt wird das durch genannte Bücher und Filme. Doch auch die bilden nicht die Realität ab, sondern sind Geschichten. Genau genommen erdachte Geschichten, damit die Autoren und Schauspieler damit ihren Lebensunterhalt in einer Welt verdienen, die eben ganz und gar nicht so ist, wie sie es vor der Kamera vorleben.

    Mag sein, dass das meiste davon nur berechnendes Kalkül ist, um mit den Sehnsüchten des zumeist jugendlichen Publikums gutes Geld zu verdienen. Aber diese Sehnsüchte nach Freundschaft und tieferem Zusammenhalt sind ja nun keine Erfindung von Hollywood... die gab es auch schon zu Schillers Zeiten, und vermutlich auch schon lange davor.
    Vielleicht ist der Menschheit etwas verloren gegangen, seit die Menschen nicht mehr mit dem ganzen Clan (egal ob blutsverwandt oder nicht) die selbe Höhle teilen und nebeneinander am Lagerfeuer sitzen, sondern sich in blutsverwandte Familien aufgeteilt haben und jede ihre eigene Hütte bezogen hat, Zäune drum herum gebaut hat und die Türen abschloss.
    Vielleicht sehnen sich viele Menschen insgeheim nach einem Zustand zurück, als es noch nicht "deinen Besitz" und "meinen Besitz" gab, "deine Frau" und "meine Frau"... sondern nur ein "wir". So wie es bei manchen indigenen Völkern im Urwald auch heute noch ist. Und die zählen ja bekanntlich zu den zufriedensten Menschen.
    Aber ist das wirklich nur Utopie? Oder nicht eher ein Teil von uns, den die modernen Zivilisationsmenschen im Lauf der Jahrhunderte nur perfekt zu verleugnen gelernt haben?
    Ich meine, alles was du schreibst und deine ganzen Bedenken sind natürlich nicht von der Hand zu weisen. Natürlich ist es um so schwieriger, je "spezieller" man ist, jemanden zu finden, der auf eine ähnliche Art von der Masse abweicht. Natürlich kann man echte Freundschaft wohl nur mit jemandem leben, der noch genügend Platz frei hat in seinem Herzen und nicht schon einen übervollen Terminkalender und tausend andere Bekannte und gesellschaftliche Verpflichtungen besitzt. Natürlich ist das alles sehr unwahrscheinlich, weil solche Menschen ohnehin schon ziemlich selten sind in Zeiten wie den heutigen, wo fast jeder ausgelastet und sozial eingespannt ist und kurz vor dem Burnout steht.
    Das alles macht es ja auch für mich wahnsinnig schwer, eine geeignete Person zu finden. Aber ich würde es deshalb nicht als realitätsferne Träumerei abtun, nur weil es schwierig ist. ;-)

    Am ehesten ist eine gute familiäre Bindung noch die Light-Version des eigenen Wunschtraums. Letztendlich ist das zwar eher so ein gesellschaftliches Ding, was über die Jahrhunderte sich etabliert hat, aber eigentlich kann man froh sein, dass zumindest hier dieses bedingungslose Urvertrauen noch vorhanden ist, weil man es wohl sonst nie kennenlernen würde.

    Gut, was die Verbindung zwischen Eltern und Kind angeht, vielleicht auch noch zu den Großeltern, mag das stimmen. Da ist eben auch der starke biologische Aspekt vorhanden, die Gewissheit der Eltern, dass ihr Kind aus dem eigenen Samen gezeugt wurde... schon allein deshalb werden die Eltern ihr Kind im Normalfall immer in Schutz nehmen, weil das Kind ja gewissermaßen ihr eigenes Produkt ist. Und wer will sich schon eingestehen, dass das Produkt, das man selber produziert hat, missraten ist?
    Und die Kinder wiederum sind den Eltern gegenüber vor allem deshalb ergeben, weil es nunmal die frühesten Bezugspersonen sind, die sie im Leben hatten, und daraus resultiert einfach ein starker Gewöhnungseffekt. (jetzt mal ganz nüchtern betrachtet)
    Sobald man aber im etwas weiteren Verwandtschaftskreis nachschaut, ist es mit der Loyalität und dem bedingungslosen Urvertrauen dann meiner Erfahrung nach aber auch schnell wieder vorbei. Schon Brüder und Schwestern können einander ja teilweise komplett hassen oder sich ignorieren und einander völlig fremd sein.
    Von Onkeln und Tanten etc. ganz zu schweigen. Da habe ich im Familienkreis eher eine ziemliche Oberflächlichkeit der Beziehungen erlebt... dass man alle paar Monate oder Jahre mal zusammenkommt und miteinander lacht, aber hinterher lästert man dann wieder über diese Personen und ist froh, dass man sie nicht ständig um sich haben muss. Also auf solche "Familienbande" kann ich dann auch gern verzichten. Und auch der Versuch der Menschen, starke Familienbindung inklusive bedingungslosem gegenseitigem Vertrauen künstlich zu erzwingen, indem sie ein Formular unterschreiben und ein albernes Ritual veranstalten (sprich "heiraten"), geht oft genug nach hinten los. Dazu muss man sich nur mal die hohe Scheidungsrate anschauen.
    Also ich gebe dir Recht im Bezug auf die enge Bindung von Eltern und Kind. Aber die Verbundenheit zu sämtlichen sonstigen Verwandten ist meistens auch nur eine vergängliche Momentaufnahme, wie die meisten Freundschaften eben auch, ohne Bestandsgarantie und ohne Gewissheit.

  • Ich hatte auch immer sehr romantische Vorstellungen von Freundschaft. Genau genommen geht es mir um Loyalität, die den durchschnittlichen Freundschaften oft fehlt.
    Teilweise habe ich resigniert, wurde andererseits aber auch schon positiv überrascht. Übrigens habe ich vor allem hier in der Unity unheimlich loyale Menschen kennengelernt.

  • Mag sein, dass das meiste davon nur berechnendes Kalkül ist, um mit den Sehnsüchten des zumeist jugendlichen Publikums gutes Geld zu verdienen. Aber diese Sehnsüchte nach Freundschaft und tieferem Zusammenhalt sind ja nun keine Erfindung von Hollywood... die gab es auch schon zu Schillers Zeiten, und vermutlich auch schon lange davor.

    Ja. Nur sehen sich die Leute das scheinbar lieber auf der Leinwand an, als es in der echten Welt besitzen zu wollen. Das ist schon paradox. Andererseits ziehen wahrscheinlich auch nur die Menschen ihre "Bestätigung" aus diesen Büchern oder Filmen, die ohnehin dafür brennen. So wie ein Freund fremder Kulturen sich verliert in Dokumentationen über Asien oder den Urwald von Südamerika. Alle sind sie Träumer. Aber sie sind nicht viele, weshalb das ganze Freundschafts-Genre eher ein Nieschendasein fristet. Aufgrund der Thematik schaut es sich wohl wirklich nur ein Bruchteil an, die Meisten dann doch eher weil auch noch krasse Action passiert oder irgendwelches blutrünstiges Gemetzel.


    Ich glaube, anders als du, nicht daran, dass die Menschen sich insgeheim ein Wir-Gefühl zurückwünschen. Allerhöchstes dann, wenn man darüber sinniert, dass früher alles besser war. Weil es damals noch so etwas wie eine Gemeinschaft gab. Ob das wirklich so war, ist allerdings zweifelhaft. Das Gehirn blendet gern die Dinge aus, die schlecht waren und so suggeriert es uns eine scheinbar perfekte Welt, die aber so nie existiert hat. Ganz nüchtern betrachtet half man sich früher auch kaum der Ritterlichkeit wegen, sondern weil eine Hand die andere wusch und nicht alles immer verfügbar war.
    Heute ist das anders und so baute sich jeder nach und nach seine eigene Höhle, in die er Gäste allenfalls nach Einladung kurz hinein lässt. Meist auch nur, um den neuen Flachbildfernseher vorzuführen, was die blanke Ironie ist, wenn dem einstigen besten Freund jetzt der neue beste Freund stolz präsentiert wird. Und der wiederum will dann auch so einen neuen besten Freund haben und kauft ihn sich.

    Zitat von Dian

    Das alles macht es ja auch für mich wahnsinnig schwer, eine geeignete Person zu finden. Aber ich würde es deshalb nicht als realitätsferne Träumerei abtun, nur weil es schwierig ist.

    Ich bin mittlerweile einfach desillusioniert und sehe es mit klaren Augen, als dass ich mich einem Wunschtraum hingebe, der letztendlich sowieso unerfüllt bleibt.
    Natürlich habe ich trotzdem nicht die Flinte ins Korn geworfen und harre weiterhin der Dinge, die noch kommen werden. Das ganze Leben ist ein einziges Warten. Aber ehe ich wie andere auf meine Beförderung warte oder dass das Traumauto endlich gekauft werden kann und das eigene Reihenhäuschen gebaut und abbezahlt ist, so warte ich doch lieber auf einen Seelenverwandten, der letztendlich tausend Mal mehr wert ist, als dieser ganze irdische Dreck zusammen.


    Es kann natürlich sein, dass dieses Warten vergebens ist und mein Nachbar bis dahin gebaut hat, täglich mich mit seinen röhrenden Sportwagen aus dem Schlaf holt und auch sonst nicht weiß wohin mit seinem Geld,
    während ich immer noch auf einen Beweis für die Existenz von Karma warte. Aber dann ist es eben so. Ich werde deshalb nicht alles, woran ich immer geglaubt (und nicht geglaubt habe), komplett umwerfen und mich irgendwas beugen. Zu allerletzt der bitteren Realität. Das ist dann halt mein persönlicher Sinn des Lebens.


    Und was die familiäre Bindung angeht: Ich meinte damit natürlich nicht die gesamte Familie und jeden Schwippschwager, der da irgendwie mit dran hängt. Aber im meisten aller Fälle hat man Mutter, Vater, je zwei Omas und Opas und wenn man dann noch mehrere Geschwister hat, dann ist meist auch einer dabei, der nicht total missraten ist. Alternativ zählt auch ein ferner Onkel, mit dem man gut kann. Sowas kommt immer mal wieder vor. Und das sind dann nach meiner Rechnung bereits sieben Menschen, die einem sehr nahe sind, von denen man Loyalität erwarten kann und die einen nicht aus rein egoistischen Motiven brauchen.
    Und selbst wenn man keinen Vater mehr hat oder nicht mehr alle Großelternteile vollzählig sind, so hat man dennoch meist eine knappe Handvoll vernünftige Leute, die einen das Gefühl vermitteln, nicht ganz allein wie ein Alien auf einem fremden Planeten gestrandet zu sein. Dass diese Personen nicht für immer da sind und auch aus Altersgründen nie dieselben Interessen wie man selbst teilen werden, das steht natürlich auf einem anderen Blatt. Vielleicht sucht man deshalb nach der jungen Version dieser Vertrauten. Denn man hat es, meist als Kind, kennen und schätzen gelernt hat, dann will man das auch weiterhin so beibehalten.


    Bei Anderen hingegen wird ein Schalter umgelegt und die sind dann wie ausgewechselt. Wenn man dann noch Kontakte sucht, dann meist aus sehr niederen Beweggründen. Oft wird auch gar nicht gesucht, sondern das ergibt sich einfach so. Ich habe das nie verstanden. Aber beneidenswert ist es irgendwie schon, wenn es so einfach geht. Kann und will ich aber nicht. Bin bei so etwas nun mal sehr verkopft. Nicht zuletzt eben durch meine Erwartungshaltung an die Sache.


    Feststeht, dass es immer auch erhellende Momente gibt. Dann wenn man plötzlich merkt, doch nicht total fremdartig zu sein, sondern es Gleichgesinnte gibt. Vielleicht nicht in unmittelbarer Nähe, nicht im selben Alter, und manchmal erwischt man sich gegenseitig auch auf dem völlig falschen Fuss, aber allein solche Momente halten das Feuer in einem am brennen. Ich habe das schon erlebt. Und auch die Unity ist ja die beste Motivation daran zu glauben, dass doch noch nicht alles verloren ist. :)

    • Offizieller Beitrag

    Ich glaube, anders als du, nicht daran, dass die Menschen sich insgeheim ein Wir-Gefühl zurückwünschen. Allerhöchstes dann, wenn man darüber sinniert, dass früher alles besser war. Weil es damals noch so etwas wie eine Gemeinschaft gab. Ob das wirklich so war, ist allerdings zweifelhaft.

    Ich denke, es gab zumindest mal eine Zeit, als die Menschen noch weniger abgelenkt waren. Als sie den Freunden, mit denen sie zusammen waren, noch ihre volle Aufmerksamkeit gewidmet haben, und nicht nebenher noch irgendwas ins Handy getippt haben und immer auf der Suche nach der nächsten Ablenkungsmöglichkeit waren. Ich stelle mir die Zeit früher auf jeden Fall beschaulicher vor, und dass man generell mehr Zeit hatte für andere Menschen, oder auch für sich selbst. Das, was man getan hat, hat man gewissenhafter getan. Man hat anders Musik gehört. Aufmerksamer. Heute ist alles Berieselung. Musik genauso wie die Freunde, mit denen man rumhängt.

  • Andererseits stellt sich halt auch die Frage, wie ehrlich eine solche Verbindung dann ist, die in erster Linie nur auf Blutsverwandtschaft basiert. Meine Mutter würde mich auch lieben, wenn ich ein Nazi wäre. Und wenn ich statt der Unity-Philosophie ein Buch namens "Die Holocaust-Lüge" oder irgendsowas geschrieben hätte, würde sie das Buch auch begeistert lesen und stolz drauf sein, dass ihr Sohn so ein krasses Buch geschrieben hat. Und wenn ich Müllmann wäre, wäre sie stolz darauf, dass ihr Sohn den Müll wegbringt. Mit anderen Worten: Meine Mutter ist ein Fan von mir, egal was ich tue, und egal ob sie es überhaupt versteht oder nicht. Das ist ja einerseits auch schön, dass es (zumindest in intakten Familien) diese Gewissheit gibt. Aber noch schöner finde ich es ehrlich gesagt, wenn mich jemand liebt, nicht weil ich zufällig sein Sohn bin oder das selbe Blut in mir fließt... sondern wenn mich jemand liebt um meiner selbst Willen, aufgrund meines Wesens und meines Charakters, auch wenn ich eigentlich nur ein Fremder bin, mit dem er sich nicht verbunden zu fühlen bräuchte.

    Nun, die Maßstäbe der Verbundenheit sind eben andere. Nicht jede zwischenmenschliche Beziehung kann bzw muss auf einem tiefen inneren Verständnis beruhen - ich bin im Gegenteil ganz froh, dass es noch simplere Formen der Loyalität gibt, die auch unabhängig von einer hohen Selbstbezogenheit bzw einem ausgeprägten Idealismus funktionieren. Insofern würde ich hier nicht von "Unehrlichkeit" sprechen. Verbundenheit beruht auch auf Erfahrungen und Erinnerungen, und letztlich doch immer auch auf Projektionen.


    Inwiefern die Art unserer sozialen Beziehungen nicht immer kulturell tradiert ist, ist die Frage. Ist die romantische Liebe und Seelenverwandtschaft vielleicht auch nur ein Produkt einer individualisierten Neuzeit? Waren Menschen in früheren Zeiten einfach pragmatischer im Umgang mit anderen?


    Was mich persönlich angeht, habe ich ja schon angedeutet, dass meine Sehnsucht nach romantischer Verbundenheit früher vor allem auch ein Versuch war, mich in dieser Welt zu beheimaten und quasi den Beweis zu erhalten, dass ich nicht "auf einem fremden Planten" gelandet bin, um es mal mit deinen Begrifflichkeiten zu formulieren. Darüber hinaus romantisiere ich das Zwischenmenschliche nicht mehr.
    Würdest du (immer noch) so weit gehen, den Sinn des Lebens mit der Suche nach Freundschaft/Seelenfamilie gleichzusetzen? Oder hat inzwischen ein gewisser Pragmatismus Einzug gehalten?