Ich versuche folglich das System von Innen zu verbessern. Damit aus meinen Schülern mal keine Lemminge werden ...
Ein löbliches Ziel! Und ich will dir das auch gar nicht ausreden. Aber du solltest vielleicht in etwas kleineren Maßstäben denken. Wenn es dir gelingt, dass sich auch nur ein einziger Schüler pro Klasse durch die Begegnung mit dir anders entwickelt, als er es ohne dich getan hätte... dann wäre das schon ein riesiger Erfolg, den du dir einrahmen und übers Bett hängen kannst. ;-)
Ich war ja auch mal kurz davor, diese Richtung einzuschlagen und Lehrer zu werden.
Naja, "kurz davor" ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Ich hätte noch einen langen Weg vor mir gehabt, wenn ich nicht im zweiten Semester schon hingeschmissen hätte. Aber zumindest hab ich ein bisschen "Lehrerluft" geschnuppert. Und ich habe schon damals bei einem Pratikum an einer Hauptschule realisiert, dass es verdammt schwierig werden würde, meine Vorstellungen vom Lehrersein in die Realität umzusetzen.
Für das, was ich vorhatte, hätte ich viel näher an den Schülern dran sein müssen... wesentlich näher, als es das System überhaupt zulassen würde. Ich hätte mich mit ihnen quasi verbrüdern und nachts "um die Häuser" ziehen müssen. (Was natürlich ein Skandal gewesen wäre.)
Ich habe jedenfalls damals schon den Eindruck bekommen, dass die meisten jungen Leute schon so dermaßen viel Dreck im Kopf haben... durch die Medien, durch die Family... durch die ganze Umgebung, in der sie aufwachsen. Diesen Dreck kriegst du nicht in 45 Minuten aus ihnen heraus. Und auch nicht in einem Schuljahr.
Die Erfahrungen, die ich dann in den letzten Jahren als Foren-Guru mit anderen jungen Menschen gemacht habe, haben mich in meiner Sichtweise eigentlich nur noch weiter bestätigt. Die meisten jungen Menschen erreichst du gar nicht mehr. Die sind schon so versaut von ihrer Prägung... selbst wenn sie glauben, sie hätten sich davon befreit. Ich kannte jemanden, der hatte eine ziemliche Wut auf seine Eltern, und er hat sich frühzeitig von Zuhause aus dem Staub gemacht, um sein eigenes Leben zu leben. Aber das, was ihn in den ersten Jahren seines Lebens geprägt hat, das hat er mitgenommen... und obwohl er seine Eltern verachtet, ist er auf dem besten Weg, genau so zu werden wie sie. Er kriegt das selber gar nicht mit, wie er Schritt für Schritt die selben Fehler begeht, die seine Eltern auch begangen haben.
Es ist wirklich total krass, wie gewaltig der Einfluss des Dreckslochs ist, in dem die Menschen aufgewachsen sind... und wie gering im Vergleich dazu der Einfluss eines Lehrers oder Gurus ist, der erst viele Jahre später in ihr Leben tritt.
Ich behaupte einfach mal, 80 oder 90 Prozent der Menschen kannst du "später" schon überhaupt nicht mehr erreichen. Was bleibt, ist eine kleine überschaubare Zahl an verzweifelten Menschen, die ihren Weg noch nicht gefunden haben... die noch auf der Suche sind nach sich selbst. Nach ihrer Rolle in diesem Leben. Diesen kleinen Teil kann man vielleicht noch erreichen und in eine positive Richtung beeinflussen. Aber ganz ehrlich: Die meisten Menschen sind schon im Teenager-Alter selbstverliebte, arrogante Arschlöcher, die glauben, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Vielleicht merkt man es da noch nicht so, weil sie noch keine Macht haben wie später als Erwachsene. Doch ein Großteil von ihnen ist charakterlich schon irreversibel verdorben... und jedes kluge Wort, das man ihnen schreibt oder sagt, wird ungefähr so viel bewirken wie ein Wassertropfen auf einer kochenden Herdplatte. Es wird verdampfen im Nichts. Nur jemand, der gerade aus der Wüste gekommen ist und der tagelang nichts zu trinken hat... dem wird dieser eine Wassertropfen, den du oder ich geben können, vielleicht das Leben retten. Und er wird es verstehen und dafür dankbar sein. Aber das ist wirklich nur die absolute Minderheit der Menschen. Den Großteil kannst du schon nicht mehr erreichen, meiner Beobachtung nach. Den hätte man viel früher aus seinem Umfeld entführen müssen.
Aber wie gesagt, ich will dich überhaupt nicht entmutigen. Ich find's geil, dass jemand wie du tatsächlich Lehrer geworden ist! Ich empfehle dir nur, dich auf Einzelne zu konzentrieren, die es wert sind, und für den Rest der Klasse einfach der Arschloch-Lehrer zu sein, den sie verdient haben. Aber vielleicht ist das auch nur der zynische elitäre Kommentar eines von den Menschen enttäuschten ehemaligen Humanisten. ;-)