Partner finden vs. Freunde finden, weitere Absurditäten der Gesellschaft

  • Eigentlich wollte ich da zu meinem Abtreibungsthema posten, aber ich denke separat ist das besser:


    Mir fällt gerade noch ein anderer heuchlerischer Aspekt des Datinglebens ein:
    Im Internet hat sich geradezu eine Industrie entwickelt Singels beizubringen, wie sie einen Partner finden, man kann sich persönliche Coaches mieten oder professionelle Dating Plattformen nutzen, und es gibt tausende Ratgeber in Buch oder Video Form, wie man den besten Partner findet. Alles scheint sich nur darum zu drehen, alle wollen ihn den einen Partner, einen Menschen, mit dem man Sex haben kann und der einem einen gesellschaftlichen Status verschafft.
    Aber ist euch mal aufgefallen, dass es all das nur in einem sehr geringen Maße gibt, um die richtigen Freunde zu finden, also Beziehungen auf platonischer Ebene, also nicht sexuellen Ebene??
    Nein, wenn man einsam ist und keine Freunde hat, sucht man nicht nach professioneller Hilfe, wenn dann gibt man sich mit komischen Menschen in seinem zufälligen Umfeld ab.


    Alle Menschen wollen wissen, wie sie eine Frau auf der Straße ansprechen, um eventuell eine Beziehung mit ihr eingehen zu können, oftmals kommt es bereits zu intimen Kontakt nach nur ein paar Treffen.
    Aber hab ihr schon man davon gehört, dass Leute wildfremde Menschen auf der Straße ansprechen, um Freundschaft mit ihnen zu schließen?
    Habt ihr das jemals in Betracht gezogen? Warum sind das derart unterschiedliche Herangehensweisen an ein ähnliches Problem?
    Man hört ja immer wieder, "ich habe meinen Partner übers Internet kennengelernt, weil wir beide über Partnerbörsen danach gesucht haben."
    Was man nie hört ist, "Ich habe meine besten Freunde bewusst im Internet gesucht, über eine Freundesbörse," gibt es sowas überhaupt?

    Noch so eine Sache ist ja, dass es für viele Menschen nicht möglich ist, Freunde vom anderen Geschlecht zu haben, entweder man will eine Beziehung miteinander und hat diese, oder man ist unfreiwillig in dieser "Friendzone".
    Aber wenn ich eine Frau in der Öffentlichkeit ansprechen, wird sie sich zu 100% sicher sein, dass was sexuelles von ihr will, dass ich nach einer Beziehung suchen, aber wohl kaum, dass ich nach neuen Freunden suche. Und wenn ich wildfremde Männer auf der Straße anspreche, ist die Merkwürdigkeit noch offensichtlicher, entweder er hält mich dann für schwul oder er findet es total komisch, dass ich ihn einfach so auf der Straße anspreche und ihn frage, ob wir vielleicht mal ein Bier trinken gehen wollen, weil ich ihn näher kennen lernen möchte und dann vielleicht eine gute Freundschaft zu ihm aufzubauen. Von so was habe ich noch nie gehört, ihr vielleicht??
    Nein, bei Freundschaften ist es eher so, dass man entweder keine hat und das halt akzeptiert oder es dem Zufall überlasst und eben die Menschen zu seinen Freunden macht, die gerade in seinem Umfeld ganz nett erscheinen. Und bei der Partnerwahl begibt man sich aufwendig auf die Suche.
    Vielleicht sind deshalb so viele Menschen einsam, weil es in dieser Welt keine Freundesvermittler gibt, sondern nur welche, die einen in eine sexuelle monogame Beziehung bringen können, und den Menschen oftmals gegen ihre Einsamkeit das völlig falsche Mittel sind.


    Vielleicht ist das ja alles nur meine verzerrte Wahrnehmung, denn eigentlich kann man ja auf Facebook in Gruppe gehen, mit seinen Interessen und dort Menschen finden, die die selben Interessen haben und theoretisch kann man diese dann fragen, ob sie mit einem Bier trinken und Freunde werden wollen, aber wer macht sowas, habe ich noch nie gehört. Hier im Forum wäre das ja auch möglich, aber wer hier hat denn eine persönliche Freundschaft zu einem hier aus dem Forum? Ernste Frage. Ich möchte das eigentlich nicht, da ich die Anonymität hier genieße und mir sicher sein kann, dass mich keiner hier persönlich kennt und ich damit sagen kann was ich will. Obwohl ich schon ganz gerne auch persönlich Freundschaft zu Leute wie denen hier hätte...


    Vielleicht sind deshalb die meisten Freundschaften zu oberflächlich und bedeutungslos.
    Vielleicht wären die Liebesbeziehungen auch gesünder, wenn man erstmal aufhört seinen Freundeskreis dem Zufall zu überlassen, und dann aus diesem bewusst aufgebauten Freundeskreis einen Partner aussucht.

  • PS, ja es gibt Freundesbörsen und Apps und Foren und mach anderen Kram, aber warum habe ich vorher noch nie an sowas gedacht, und warum ist das so selten. Alles in dieser Welt ist so komisch... ?(

    • Offizieller Beitrag

    Ich denke, das ist nicht nur deine verzerrte Wahrnehmung. Das war ja auch einer der Gründe, warum ich dieses Forum überhaupt aufgemacht habe... weil ich den Eindruck hatte, dass ich die Freundschaften, nach denen ich suchte, in der realen Welt einfach nicht finden konnte.
    Zu 90 Prozent finden Menschen ihre Freunde wohl dadurch, dass sie gemeinsam zur Schule gehen, gemeinsam einen Verein besuchen oder den selben Arbeitsplatz teilen, und dann eben irgendwann nach längerer Zeit auch mal privat ins Gespräch kommen. Sprich: Man findet seine Freunde üblicherweise dadurch, dass man regelmäßig gemeinsame Aktivitäten mit ihnen ausübt. Dummerweise ist die Auswahl, die man dabei hat, leider ziemlich begrenzt... wie viele Kollegen und Klassenkameraden hat man schon im Lauf eines Lebens? Und wenn man dann so wie ich damals das Pech hat, dass halt nie die richtigen dabei waren, dann bleibt man entweder einsam, oder man sucht sich halt irgendwelche "Notlösungen" als Kumpels, mit denen man eigentlich gar nicht so viel gemeinsam hat.
    Ist ja nicht so, dass ich es nicht probiert hätte. Aber in meiner Klasse damals waren echt fast nur Langweiler. Und die zwei, drei Personen, die etwas interessanter waren, mit denen hatte ich dann damals auch so was wie Freundschaft. Stellte sich nur eben im Lauf der Zeit dann heraus, dass man doch ziemlich unterschiedliche Interessen und Vorstellungen vom Leben hatte... und so hat sich das dann nach der Schule schnell wieder auseinandergelebt.
    Und am Arbeitsplatz war erst recht nix mit Freundschaften. Da galt ich eh als unkonventioneller Freak, der mit blauen Haaren in der Firma rumgelaufen ist, und den man eher gemieden hat. (Mal abgesehen davon, dass da auch niemand war, der mich interessiert hätte, weil die alle viel mehr Spaß an der Arbeit zu haben schienen als ich. ;-) )
    Und Vereine und dergleichen meide ich sowieso wie der Teufel das Weihwasser.
    Meine Hoffnung war früher eigentlich immer, dass ich mal Freunde oder meinen Seelenverwandten irgendwo nachts im Wald oder auf dem Friedhof treffen würde... aber ehrlich gesagt, habe ich nie jemand nachts auf dem Friedhof getroffen. Und wenn man sonst mal jemanden nachts trifft, sind die meistens a) stark alkoholisiert und b) in lauten, eng zusammenklebenden Gruppen unterwegs, so dass man da auch nicht gerade gut Kontakte knüpfen kann.
    Fremde Leute ansprechen habe ich auch schon probiert... habe aber den Eindruck, dass man dadurch sehr schnell in die Schublade "Verrückter" gesteckt wird, weil es ja einfach nicht normal ist, dass einen jemand Fremdes anspricht und dann gleich zu sich nach Hause einlädt. Auf diese Weise lernt man vermutlich nur Junkies kennen oder Leute, die halt mit jedem mitgehen, der ihnen eine warme Mahlzeit verspricht.


    Also von daher muss ich wirklich sagen... ohne das Internet wäre ich echt arm dran, was persönliche Kontakte zu anderen Menschen angeht.
    Früher, als ich mit dem Forum hier angefangen habe, gab es auch noch ein anderes Forum, das sich "Forum für einsame Jugendliche" nannte. Das war so ein Angebot in der Art, wie du Saya es dir vielleicht vorstellen würdest. (war nur leider etwas vor deiner Zeit)
    Soweit ich mich erinnern kann, war da der Anteil an psychisch gestörten Leuten zwar auch überdurchschnittlich hoch, aber immerhin haben auch "normale" Menschen da gepostet... Also mit "normal" meine ich jetzt: Menschen, die eben einfach nur einsam sind und Freunde suchen, ohne gleich an Borderline zu leiden oder nachts die Stimme von Satan zu hören. :-D
    Dort habe ich auch dann meinen bis heute besten Freund kennengelernt. Also es kann sehr wohl funktionieren.
    Um so mehr verwundert es mich auch, dass es so wenig solcher Angebote gibt. Heute gefühlt noch weniger als damals, obwohl ja eigentlich heute viel mehr Menschen online sind.
    Irgendwie könnte man fast den Eindruck bekommen, Fickbörsen gibt es an jeder Ecke, weil Ficken nunmal für viele Menschen das Wichtigste im Leben ist, und weil es auch gesellschaftlich akzeptiert ist, gerade keine Beziehung zu haben und deshalb jemanden zum Ficken (oder nennen wir es meinetwegen "Liebe") zu suchen.
    Aber keine Freunde zu haben, das ist irgendwie ähnlich tabuisiert, wie ab einem gewissen Alter noch Jungfrau zu sein. Da wird einem das Gefühl vermittelt "Du bist doch nicht ganz normal, wenn du keine Freunde hast"... bzw. "Du musst selbst Schuld dran sein. Bist wohl eben ein totaler Nerd und einfach zu freakig oder zu ungeschickt, was zwischenmenschliche Dinge angeht."
    Also das ist so das Bild, was einem vermittelt wird, und was viele wohl dann auch irgendwann selbst glauben, und sich dann irgendwann auch dafür schämen.
    Dabei denke ich, dass es sehr wohl auch Menschen gibt da draußen, die nur deshalb keine Freunde haben, weil sie eben einen gewissen Anspruch haben, und weil für sie bei den wenigen Möglichkeiten, die ihnen das Schicksal zur Verfügung gestellt hat, einfach nichts passendes dabei gewesen ist.
    Aber wirklich viele Angebote für solche Menschen sehe ich nicht.
    Und ein Großteil der sogenannten "sozialen" Netzwerke dienen ja auch vor allem der Verwaltung eines bereits bestehenden Freundeskreises, anstatt dass sie dabei wirklich hilfreich wären, neue Leute kennenzulernen. Im Gegenteil, bei Facebook beispielsweise ist es ja so, dass viele schon gar keine "Freundschaftsanfragen" von fremden Personen, die sie nicht kennen, annehmen... weil sie eben nur Kontakt zu Menschen wollen, die sie bereits kennen. Weil sie eben auch alle schon ihre festen Freundeskreise haben, und auch neue Freunde dann üblicherweise nur über diesen bereits bestehenden Freundes- bzw. Bekanntenkreis kennenlernen.

  • Die Freundschaft, das große Mysterium. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass die Suche nach Freunden in der Gesellschaft primär in der Jugend stattfindet. Wenn man sich umschaut, haben die meisten Menschen ihre besten Freunde bzw Freundinnen relativ früh kennengelernt. Darüber hinaus wird die Freundschaftssuche - bis jetzt- auch nicht groß thematisiert oder kommerzialisiert. Auf medialem Wege sucht man primär Beziehungen, Fickbekanntschaften oder vielleicht noch Leute mit ähnlichen Interessen.
    Vielleicht ist der Freundschaftsbegriff einfach in dem Maße entromantisiert, dass sich die meisten darunter nicht viel mehr vorstellen als eine Person, der man vertraut und die ähnliche Ansichten vertritt wie man selbst. Schaut euch einfach mal um und beobachtet, was Menschen, die sich als Freunde bezeichnen, in der Regel verbindet.


    P.S. Es gibt durchaus Orte wie Friedhöfe und alte Ruinen, an denen man nachts Menschen trifft. Allerdings weniger in der schwäbischen Provinz, sondern eher in Gothic-Hochburgen wie Leipzig.

  • Ein äußerst interessantes was mich auch schon sehr lange beschäftigt. Und auf jeden Fall stimme ich dir zu: Sex und Dating ist in "unserer" (lol) Gesellschaft wirklich ein wichtigeres Thema als Freundschaft. Alleine das sagt schon sehr viel über die Gesellschaft aus, oder? ;)
    Dabei frage ich mich gerade ob das früher nicht vielleicht einmal anderes war. Also das Verhältnis zwischen dem Freundschaftsbedürfnis und dem Beziehungs-/Sexbedürfnis. Weiß einer von euch die Antwort?


    Mir ist tatsächlich ein richtig gutes Buch zum Thema Freundschaft und Freunde finden untergekommen: 1983673072
    Ich hatte sogar geplant zu dem Buch auch einen eigenen Thread zu erstellen, aber ich bin noch nicht ganz durch. Ich verfolge Alexander Wahler schon ein paar Jahre auf Youtube und bin wirklich begeistert wie viel ich von ihm schon gelernt habe. Ich würde das Buch wirklich jedem ans Herz legen, der wahre Freunde oder Seelenverwandte sucht.



    Übrigens ist Freundschaft für mich das Fundament einer echten Liebesbeziehung. So wie es schon Dian in seinem Video Beziehungskatastrophen sagte: Man muss denken und fühlen können wie der andere und einfach auf der gleichen Wellenlänge sein. Andernfalls sind Beziehungen höchstwahrscheinlich auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt.

    Aber hab ihr schon man davon gehört, dass Leute wildfremde Menschen auf der Straße ansprechen, um Freundschaft mit ihnen zu schließen?

    So läuft das ja auch nicht. Man spricht Menschen an, wenn es sich gerade ergibt. Wenn es ein naheliegendes gemeinsames Eröffnungsthema gibt usw. Das läuft meistens über einen gemeinsamen Nenner hinaus.


    Aber wenn du wirklich wildfremde Menschen einfach so ansprechen willst, habe ich dennoch einen guten Tipp für dich:
    "Guten Tag meine Name ist Saya und ich führe im Autrag des Unity-Forums eine kleine Umfrage durch. Hätten Sie 30 Sekunden Zeit? Super, fangen wir gleich an:
    1. Was bedeutet für Sie der Begriff Anarchie?
    2. Wie ist im Jahr besuchen sie nachts Friedhöfe?
    3. Was denken Sie über DatingApps?
    ..."


    Die Fragen kannst du natürlich dann beliebig variieren. Am besten stellst du die Fragen so, dass du möglichst gut filtern kannst und somit möglichst schnell erkennst ob der / die andere auf deiner Wellenlänge ist oder eben nicht.


    Eine Freundesbörse im Internet gibt es in der Form meines Wissens noch nicht. Ich hatte ja mal ein ein so ähnliches Projekt vorgeschlagen... Nur ist die Umsetzung für mich alleine sehr aufwendig da ich mich erst in viele Dinge einlesen müsset und Mitstreiter habe ich noch keine gefunden. Zugegeben habe ich auch nicht aktiv weiter gesucht und habe auch noch nicht im Plateau angeklopft... Aber das Projekt hat für mich derzeit auch nicht Priorität. Aber die Umsetzung würde mich schon reizen. Nur kostet das eben wirklich viel Zeit, die ich einfach nicht habe bzw. aufrbringen will.

    Noch so eine Sache ist ja, dass es für viele Menschen nicht möglich ist, Freunde vom anderen Geschlecht zu haben, entweder man will eine Beziehung miteinander und hat diese, oder man ist unfreiwillig in dieser "Friendzone".

    Echte Freundschaft mit dem anderen Geschlecht aufzubauen finde ich schon schwierig. Anfang des Jahres habe ich ein Mädel kennengelernt was absolut auf meiner Wellenlänge war, das war unglaublich. Aber noch ehe wir wirklich feste Freunde wurden haben wir uns unsterblich ineinander verliebt xD
    Zur sogenannten "Friendzone" kann ich nichts sagen außer dass ich diesen Begriff furchtbar finde. Aber das auszuführen spare ich mir mal an dieser Stelle.


    Zum Thema Seelenverwandten erkennen: Das ist eine Frage, die ich mir eben (aus gegebenen Anlass) auch schon gestellt habe: Wie erkennt man seinen Seelenverwandten wenn er / sie vor einem steht?
    Ein sicheres Kriterium ist meiner Meinung nach wirklich, dass man sich nahezu blind versteht. In einem Seelenverwandten findet man sich selbst wieder wie in keiner anderen Person. Das bedeutet nicht dass man die gleichen Hobbies, die gleichen Interessen oder so haben muss. Aber die Persönlichkeit ist sehr ähnlich, dass Weltbild ist ähnlich und als Konsequenz dieser beiden Eigenschaften ist auch die Vergangenheit sehr ähnlich.


    MfG
    Philo

  • Hach ja...der Friedhof bei Nacht war oft mein Wohnzimmer der Wahl ^^
    Ich hätte ordentlich doof geglotzt, hätte ich genau so eine versprengte Person wie mich dort angetroffen..Deswegen geht man doch auch nachts auf Friedhöfe, weil man alleine aber nicht einsam sein will :)
    Irgendwas ist wohl schief gelaufen in meiner Entwicklung..ich wollte schon immer gerne meine Ruhe haben, beim Bestatter oder im Hospiz arbeiten. Von anderen Städten wollte ich auch als erstes den Friedhof besuchen...
    Freunde habe ich nie gesucht, die kann man wirklich an jeder Ecke finden.
    Wirklich gute Gespräche habe ich mit sogenannten "Engeln" geführt. So nenne ich Menschen, die ur-plötzlich auftauchen und auch genau so schnell wieder verschwinden, noch bevor du dir bewusst darüber wirst daß wohl gerade ein Wunder passiert sein muss.
    Was mir im Hinblick auf Beziehungen einfällt ist, daß ich mich schon immer zu nem gewissen Grad habe verbiegen lassen..ich habe das aber nie als was schlechtes empfunden, wovor ich mich hätte besonders schützen müssen oder so.
    Na jedenfalls scheint das Thema Freundschaft viel intensiver zu sein als das Thema Beziehung. So ähnlich wie Trophäen, die man sammelt, und die Freundschaft muss ewig halten? Ich bin etwas verwirrt..

  • Hallo werte Forumsnutzer,


    verzeiht mir bitte die Grabschändung, jedoch empfinde ich die Grundfrage immer noch als aktuell (wenn nicht sogar als zeitloser menschlicher Begleiter)..


    Ich würde gerne ein paar Gedanken zur Partnersuche teilen, für ergänzende Gedankenströme wäre ich dankbar.



    Wenn ich mir meine eigene Gedankenwelt anschaue und auch die Kommentare von diversen Seiten (Youtube, Reddit...) durchlese, so habe ich das Gefühl, dass die Menschen (wahrscheinlich durch mediale Einflüsse verstärkt) ihren idealen Partner verschiedene Eigenschaften andichten, welche diverse empfundene und gelebte Defizite beheben sollen.

    Spezifisch meine ich damit die Idee, ein magischer Mensch könne einen quasi vor der bösen Welt (bzw. aus seinen dunklen geistigen Loch) retten und wenn man nur mit diesen zusammen bleibt (oder ihn findet) wird alles gut.


    Jedoch werden mit dieser Haltung verschiedene Sachverhalte in den Hintergrund versetzt.

    Einerseits erzeugt dies eine Erwartungshaltung, derer ein Partner eher nicht gerecht werden kann und man hat die Beziehung schon von Anfang an sabotiert.

    Ich möchte mich auch den Gedanken annähern, dass man mit einer Erlöser-Suche wahrscheinlich selbst innerlich ,,stehen" bleibt und sich nicht mehr wirklich weiterentwickelt, da das Seelenheil äußerlich gefunden und nicht innerlich entwickelt/kultiviert werden muss (so die Überzeugung).


    ...............

    Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass jeder Menschen, jeden Tag sein Bestes gibt (auch wenn dies nicht so aussehen mag).

    (Diese Überzeugung speist sich nicht unwesentlich aus dem Buch ,,In the Realm of Hungy Ghost" (von Gabor Mate)).


    Um so tragischer finde ich den Umstand, dass die Eltern und andere prägende Menschen, welche uns als ein Rollenmodel für Beziehungen mit anderen dienen so häufig das Nachsehen haben und diese Unfähigkeit sich auszuleben an ihre Schützlinge weitergeben, welche durch die Unzulänglichkeiten ihrer Erzieher nicht richtig genährt werden und auch beginnen den seelischen Mangel der dadurch entsteht zu leben.

    .................


    Zur Freundschaft möchte ich nur ein paar Sätze schreiben.

    Allgemein würde ich sagen, vor allem wenn man stark vorbelastet ist durch diverse geistige Traumata, ist es besser sich Menschen zu suchen die ähnliches erlebt haben.

    Mir fiel vor geraumer Zeit auf, dass die Erfahrung extremer Umstände und die Prägung durch diese , einen automatisch von nicht ,,Eingeweihten" distanziert bzw. diese einen nun abstoßend empfinden können, auch wenn diese schon jahrelang Freunde waren.


    In letzter Zeit überkommt mich der Gedanke, ob Freundschaft nicht grundlegend etwas flexibles ist, welche mal entsteht, sich vertieft und dann auch vergeht, weil man sich auch durch die unterschiedlichen Aufmerksamkeitsbrennpunkte von einander entfernen kann ohne das böses Blut geflossen sein muss.


    Häufig denkt man auch darüber nach, ob diese Fixierung vom festen Freundesrepertoire (vor allem im hohem Alter) nicht eine Umklammerung aus Angst (vor allem geprägt durch Idealbilder) ist und dadurch Menschen sich dulden, die sich eigentlich nichts mehr zu sagen haben.


    Aber vorerst genug damit.



    Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen

    Kartenspieler

  • Selten so einen tiefsinnigen Startpost gelesen. Willkommen in der Runde!


    Idealisierung gehört zum Menschsein dazu. Die hatte man schon in der Kindheit, als man dachte, wenn man dieses eine Spielzeug hat, dann könnte man etwas ganz besonderes erschaffen (was auch immer man als Kind erschaffen wollte, aber für einen selbst ergab es halt Sinn).

    Und schon vor der Geburt meinten die Eltern natürlich, dass ihr Kind später mal etwas ganz besonderes wird. Und auch der Akt der Zeugung lag der Idealisierung zugrunde, dass damit ihr Glück perfekt sei.


    Insofern sehe ich eine Idealisierung als nichts anderes als das, was man mit sich im Kopf ausmacht. Ohne bösen Hintergedanken, sondern aus einer Sehnsucht nach Gutem, meinetwegen auch einem Sinn im Leben. Den definiert zwar jeder anders, doch die Grundrezeptur ist jedes Mal dieselbe.

    Ich nehme es also niemanden übel, wenn er bei der Zubereitung statt Besitztümer oder möglichst viel Geld, sich stattdessen für den Faktor Mensch entscheidet. Das kommt tatsächlich auch unserer Existenz wesentlich näher, als irgend eine goldene Armbanduhr oder der Verschuldung für die nächsten Jahrzehnte, damit man ein Dach überm Kopf hat.


    Den "Erlöser" suchen meiner Ansicht nach nur jene, die nicht gerade damit glänzen, in ihrem Alltag "täglich ihr Bestes" zu geben. Alle Anderen definieren es nicht als Erlöser, sondern als Ergänzung, um noch eine höhere Stufe der inneren Zufriedenheit zu erreichen. Ich kann das niemanden verübeln, denn auch so ist der Mensch nun mal gestrickt. Die ganzen hormonellen und körperlichen Bedürfnisse sind da noch gar nicht mit eingerechnet, verstärken es aber natürlich noch zusätzlich.

    Freundschaft ist wiederum nichts anderes, als was ich eben beschrieben habe, nur eben ohne diese Bedürfnisse. Der menschliche Bezugspunkt hingegen bleibt.


    In Sachen Traumata und Schicksalsschläge stimme ich soweit zu. Es ist natürlich hilfreicher mit Seinesgleichen zu interagieren, so wie sich ein Kaninchen ja auch nicht mit einer Schlange einlässt. Hier bleibt allerdings der Punkt mit der Flexibilität zweifelhaft. Wenn man eine Art Seelenpartner gefunden hat, schmerzt es halt schon, wenn er plötzlich die Seelenverbindung löst und sich anderen Dingen zuwendet. Natürlich kann die Freundschaft trotzdem weiter bestehen, aber die tiefe Verbindung ist dann weg. Und ich kann es verstehen, dass, wer einmal tief eingetaucht ist, später nicht mehr im Planschbecken verweilen will. Hier trägt dann nicht eine falsche Idealisierung Schuld, sondern der Wandel, dem wir alle unterliegen. In einer Freundschaft vermutlich sogar mehr als in einer Partnerschaft, da man frei ist und alles tun und lassen kann, was man will. Ein allabendlicher Abgleich findet nicht statt. Das ist gleichzeitig sehr gut, aber für manche Belange eben auch ziemlich schlecht.

    • Offizieller Beitrag

    verzeiht mir bitte die Grabschändung

    Das alte Frankenstein-Problem...

    Für die einen ist es Grabschändung, für die anderen ein verzweifelter Reanimierungs-Versuch. Ich persönlich bin für beides offen. :crazy:

    Spezifisch meine ich damit die Idee, ein magischer Mensch könne einen quasi vor der bösen Welt (bzw. aus seinen dunklen geistigen Loch) retten und wenn man nur mit diesen zusammen bleibt (oder ihn findet) wird alles gut.

    Ich bin da etwas zwiegespalten. Einerseits bin ich ein notorischer Einzelgänger... ich kann mich prima allein beschäftigen, irgendwelchen Nerd-Scheiß sammeln und damit glücklich werden. Habe auch einen Großteil meiner Jugend so verbracht.

    Andererseits bin ich in gewisser Weise wohl auch ein Herdentier. Nur eben keines, das mit jeder x-beliebigen Herde mitlaufen würde. Aber ich brauche schon auch gewisse "magische" Menschen um mich rum, die meinem Dasein so etwas wie einen höheren Sinn geben. Wie gesagt, ich komme notfalls auch prima alleine klar. Aber doch war da immer das Gefühl, dass irgendwas fehlt... etwas, was mir auch nicht jeder Mensch geben kann, sondern nur ganz ausgewählte, exklusive Menschen, die verdammt selten sind in dieser Welt.

    Das heißt jetzt nicht, dass diese Menschen irgendwie perfekt oder gottgleich sein müssen. Nur sie müssen eben "perfekt" sein für mich.

    Um mal ein doofes Beispiel zu nennen: (und nein, das bezieht sich jetzt nicht auf mich persönlich... ist mir nur gerade so eingefallen...)

    Da ist ein Mensch, der sich zu dicken Menschen hingezogen fühlt, diese faszinierend und/oder erotisch findet, aber für diese Vorliebe von allen nur ausgelacht wird. Angenommen, dieser Mensch findet nun jemanden, der dick ist, sich aber für sein Dicksein schämt bzw. daran verzweifelt, dass ihn scheinbar alle anderen hässlich finden. Wenn diese beiden Menschen nun zusammenkommen, könnten sie eine perfekte Symbiose bilden, und sie würden es vielleicht tatsächlich als "magisch" empfinden, dass sie einander gefunden haben, obwohl die große Mehrheit der Menschen diese gegenseitige Faszination vielleicht niemals nachvollziehen kann.

    In dieser Hinsicht glaube ich schon daran, dass alles gut werden kann, wenn man sein perfektes Gegenstück findet, das einen ideal ergänzt und einem genau das liefert, was man so lange vermisst hat in seinem Leben.

    Ob es einen dann wirklich dauerhaft glücklich macht, wenn man das gefunden hat, ist wiederum eine andere Frage... theoretisch kann es natürlich auch so passieren wie in dem von Unmensch genannten Beispiel mit dem Spielzeug, das nur so lange idealisiert wird, wie es unerreichbar scheint... und sobald man es dann tatsächlich hat, wird es nach ein paar Tagen langweilig.

    In letzter Zeit überkommt mich der Gedanke, ob Freundschaft nicht grundlegend etwas flexibles ist, welche mal entsteht, sich vertieft und dann auch vergeht, weil man sich auch durch die unterschiedlichen Aufmerksamkeitsbrennpunkte von einander entfernen kann ohne das böses Blut geflossen sein muss.

    Wenn wir davon ausgehen, dass sich Menschen im stetigen Wandel befinden, und bei jedem von uns eine nie endende Entwicklung stattfindet, dann mag diese Überlegung zutreffen.

    Viele betrachten es ja auch als eine Art Ideal, sich immer weiter zu entwickeln, um nicht auf der Stelle zu treten.

    Aber ist das wirklich der Idealzustand? Oder ist der Idealzustand, den man anstreben sollte, nicht eher der, dass man sich selbst gefunden hat und auch in zwanzig oder hundert Jahren noch die selben Interessen und Vorlieben hat, weil man sozusagen sein "wahres Ich" entdeckt hat? Was natürlich die Frage aufwirft, ob es dieses "wahre Ich" überhaupt gibt. Aber mal angenommen, es gibt sowas wie einen Idealzustand, zu dem wir uns hinbewegen und der, wenn wir ihn einmal erreicht haben, dann auch dauerhaft erhalten bleibt... dann sehe ich keinen Grund, warum man nicht mit anderen Menschen, die diesen Zustand ebenfalls erreicht haben, eine Freundschaft eingehen könnte, die wirklich von Dauer ist, und sich nicht ständig verändert, weil sich irgendwelche "Aufmerksamkeitsbrennpunkte" verlagern.

    Ich kann jedenfalls von mir behaupten, dass sich zwischen meinem besten Freund und mir seit zwanzig Jahren nicht all zu viel geändert hat, was das Verbundenheitsgefühl zwischen uns angeht. (Vielleicht ja auch deshalb, weil wir uns beide in gewisser Weise nicht all zu sehr weiterentwickelt haben seit zwanzig Jahren.) Und ich bin mir relativ sicher, dass sich daran auch die nächsten zwanzig Jahre nicht all zu viel ändern wird.

    Mit anderen Menschen wiederum hat es nicht so gut funktioniert, und man hat sich irgendwann auseinandergelebt, trotz aller guten Vorsätze. So gesehen kann ich auch nicht so wirklich sagen, woran es liegt, dass es manchmal funktioniert und manchmal nicht. Aber wenn ich mal so grundsätzlich auf die letzten Jahrzehnte und alle Bekanntschaften, die ich nicht zuletzt durch das Unity-Forum gemacht habe, zurückblicke, dann würde ich sagen: Verzweiflung und gemeinsame politische Ansichten sollte nicht alles sein, was einen miteinander verbindet.... sonst besteht die Gefahr, dass man irgendwann realisiert, dass das auf Dauer ein bisschen zu wenig ist.