Partner finden vs. Freunde finden, weitere Absurditäten der Gesellschaft

  • Der von Dian beschriebene Zustand ist natürlich das Wunschideal. Einfach ankommen und sein. Allerdings läuft das halt komplett konträr zu einer Gesellschaft, die am meisten damit beschäftigt ist, sich ständig zu optimieren und neu zu erfinden.

    Trifft man so eine Person jedoch, kann man sich durchaus Zuhause und losgelöst von seinen Problemen fühlen (die ja zu einem großen Teil aus Unverständnis gegenüber den Mitmenschen bestehen und einem Alien-Status, den man auf der Strafkolonie Erde fristen muss).


    Betrachtet man jetzt aber Otto Normal, so scheint dieser ganze Partnerschaftskram eher aus einer angelernten Verpflichtung zu rühren, als aus einem wirklich innerem Bedürfnis. Man macht es halt, weil es alle machen, weil die Freunde schon so skeptisch nachfragen, und mache sogar tatsächlich, weil sie "im Alter mal nicht allein sein wollen".

    Wer so plant, ist definitiv nicht auf einer endgültigen Entwicklungsstufe angekommen.


    Unter der Prämisse kann es natürlich nur scheitern. Für Freundschaften gilt exakt dasselbe, wenn es lediglich Zweckkontakte sind, um jemanden zum shoppen zu haben oder aus anderen belanglosen Gründen, auf ich aber gerade nicht komme, weil ich so nicht denke.


    Man sollte immer versuchen so zu leben, dass man mit sich selbst im Reinen ist und niemanden braucht. Wenn doch jemand kommt, und bestenfalls mit demselben Mindset, dann wird das sehr wahrscheinlich sehr gut.

    Und spätestens dann gibt es keinerlei Bedarf mehr an irgendeinem "Wandel".

  • Und spätestens dann gibt es keinerlei Bedarf mehr an irgendeinem "Wandel".

    Ich glaube Wandel entsteht, unabhängig des Bedarfs. Keiner sagt, dass dieser weltbewegend sein muss.


    Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Mensch ein Entwicklungsende (außer den Tod) hat. Selbst wenn man "sich" gefunden hat und im Reinen ist, wird es immer noch Dinge/Situationen oder Ereignisse geben, die einen wachsen lassen. Wenn nicht im Inneren selbst, dann von außen.


    Das Leben ist ein Prozess ohne Ziel.


    Freundschaften ebenso.

    Ich habe tiefe Freundschaften (entgegen des Threadposts) beide aus dem Internet und das nicht, während meiner Schulzeit.

    Allein in meiner Community könnten sich Freundschaften entwickeln. Die heutigen Möglichkeiten in Internet sind vielseitig und nicht alles ist auf eine Beziehung ausgelegt. Es kommt auf die Intention an. Man kann in allem etwas Sexualisiertes sehen oder es einfach lassen.


    Der Zustand: Einer will Beziehung, der andere nicht (Friendzone), kommt natürlich auch vor. Kann man nicht ändern...


    Freundschaften sind flexibel. Mal intensiver, mal weniger. Mir gefällt das Konzept der Beziehungsanarchie.

    Es lebe die Freiheit, die Meinungsäußerung und der Respekt anderen gegenüber.


    Will man einen Menschen genauer beurteilen, so muß man die Geschichte seiner Kinder- und Jugendjahre kennen.

    - August Bebel

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Mensch ein Entwicklungsende (außer den Tod) hat. Selbst wenn man "sich" gefunden hat und im Reinen ist, wird es immer noch Dinge/Situationen oder Ereignisse geben, die einen wachsen lassen. Wenn nicht im Inneren selbst, dann von außen.

    Gemeint sind natürlich gravierende Veränderungen und Sichtweisen im Leben. Diese werden nicht mehr kommen, wenn man erst mal seine Mitte gefunden hat. Ich erlebe das an mir - es gibt nur sehr wenige Dinge, die ich bereue oder anders gemacht hätte.


    Oder betrachte es einfach mal politisch:

    So ziemlich alle Jugendlichen, die nicht zu dem Zeitpunkt bereits einen an der Klatsche hatten, waren einst mit einer linken Weltsicht gesegnet. Dann begann der Ernst des Lebens und weniger Radikalität passte einfach besser in die gehorsame Situation von Ausbildung und Geld verdienen. Hier kam die SPD ins Spiel (Gewerkschaften, Arbeitnehmerrechte, soziale Gerechtigkeit). Halt die Dinge, die einem wichtig sind, wenn man noch auf den untersten Hierarchien im Arbeitsmarkt verweilt.


    Jahre später sind viele kaum noch sie selbst, leben und denken wirtschaftlich und für die Belange der Firma. Angst um den Arbeitsplatz grassiert. Die Schlüsse, die früher gezogen wurden, dass das System an sich krank ist, existieren nun nicht mehr. Die Wirtschaft braucht lediglich einen starken Motor, dann wird es uns allen gut gehen. Zeit für die FDP!


    Irgendwann ist man dann Boomer, hat sich einen gewissen Lebensstandard aufgebaut und man hat es sich in seiner Trägheit bequem gemacht.

    Plötzlich kommt die Veränderung. Es rüttelt etwas an den Grundfesten, mit dem SUV die 500 Meter zum Zigarettenautomaten fahren zu können. Plötzlich will mir auch jemand mein gequältes Hähnchen aus Käfighaltung, der kleiner ist als die Sitzfläche für meinen mittlerweile beachtlichen Hintern, schlechtreden.

    Dann noch dieses Gendersternchen und der Aufschrei, wenn ich der Arbeitskollegin an den Hintern packe. Früher war das alles noch kein Problem. Da gab es auch keine Flüchtlinge. Jetzt hilft nur noch die afd!


    Wenn dann die Altersmilde einsetzt, wird es aber doch wieder die ruhigere CDU, da man mit deren traditionellen Werten jetzt viel mehr anfangen kann. Außerdem bekomme ich mehr Rente, wenn ich die wähle.


    Irgendwann ist man dann tot und alles was von einem langen Leben bleibt, waren die wenigen Jahre in Kindheit und Jugend, als man noch wirklich man selbst war (und auch das bleibt nur denen vorbehalten, deren Eltern ihre Mitte gefunden haben und ihren Nachwuchs nicht anhand von eingetrichterten Rollenbildern und gesellschaftlichen Normen geformt haben).

  • Gemeint sind natürlich gravierende Veränderungen und Sichtweisen im Leben. Diese werden nicht mehr kommen, wenn man erst mal seine Mitte gefunden hat. Ich erlebe das an mir - es gibt nur sehr wenige Dinge, die ich bereue oder anders gemacht hätte.

    Tja und woher weißt Du, dass Du die Mitte gefunden hast? Ich glaube trotzdem nicht daran, das man sich dann nicht weiterentwickelt. Vielleicht nicht mehr ganz krasse Sprünge, wobei das auch möglich ist. Es gibt Menschen, die in sich zufrieden sind, für einen Abschnitt des Lebens. Dann ändert es sich.

    Der Vater einer Freundin war so. Er hat sich geändert und tut es weiterhin.


    Für mich bleibt das Leben ein Prozess ohne Ziel, mit großen und kleinen Schritten.


    Ich z.B. bereue gar nichts. Weil es unlogisch wäre. Ich tue Dinge nicht mit dem Wissen, dass es schlecht ausgeht oder ähnliches. Vielleicht auch mal doch mit dem Wissen, aber nie grundlos. Nur weil ich hinterher "schlauer" war, kann ich den Weg dahin nicht bereuen / verteufeln. Sonst wäre ich nicht schlauer geworden, sonst hätte ich diese Entscheidung nicht getroffen. Auch Menschen, Begegnungen, egal wie gut/schlecht/schmerzhaft oder traumatisierend sie waren, bereuen würde ich nie etwas.


    Sehr pauschalisiert, dass mit der Politik. Glaube nicht, dass alle so denken.

    Für mich war das System schon immer krank. Und mit den Jahren wird es noch kränker - vielseitig kränker.

    Es gibt durchaus einige reflektierte und auch bewusste Menschen da draußen. Sie fallen einfach nie auf.


    Wie der stille, mittelmäßige Schüler. Da weiß der Lehrer nach einem halben Jahr noch nicht den Namen. Bei den Lauten und Störenden, nach wenigen Stunden.

    Es lebe die Freiheit, die Meinungsäußerung und der Respekt anderen gegenüber.


    Will man einen Menschen genauer beurteilen, so muß man die Geschichte seiner Kinder- und Jugendjahre kennen.

    - August Bebel

  • Tja und woher weißt Du, dass Du die Mitte gefunden hast?

    Weil ich mit mir zu 100 % im Reinen bin, eine Haltung habe und relativ unabhängig von der Existenz oder Nicht-Existenz dieser Welt leben könnte. Notfalls auf einer einsamen Insel nur mit einem Football. Vermutlich wäre es sogar das bessere Leben.

    Der Vater einer Freundin war so. Er hat sich geändert und tut es weiterhin.

    Wäre interessant zu wissen, was das für eine Änderung gewesen ist. Wer mit dem Rauchen aufhört und plötzlich viel Sport macht, ist trotzdem noch derselbe Mensch. Man kann sich auch von seiner unglücklichen Ehe lösen, und doch passiert mit einem selbst nicht zwangsläufig viel.


    Wer bei sich Bedarf festgestellt hat, dass er sich noch weiter optimieren muss, der soll es meinetwegen tun. Ist halt nur schade, wenn man vor lauter Veränderung den Menschen, den man an Punkt X war, abstreift, weil die nächste Häutung ansteht.

    Wenn ich mir die Alten heute so anschaue, habe ich jedenfalls den Eindruck, dass die im erhöhten Lebensjahr nicht ihren Zenit erreicht haben (wovon man ja eigentlich ausgehen müsste nach dieser Level-Theorie), sondern ihn lange überschritten haben und sie nur noch ein Abziehbild ihrer früheren Existenz sind.

    Ich z.B. bereue gar nichts. Weil es unlogisch wäre.

    Womöglich wirst du so nie besagte Mitte erreichen. Einfach weil dich Erfahrungen nicht prägen werden. Allenfalls kurzzeitig, bis zum nächsten Fehltritt. Das mag Vorteile haben, aber im ungünstigsten Fall läufst du halt zeitlebens im Kreis und jagst wie ein Hund deinem eigenen Schwanz hinterher. Das wiederum finde ich sehr unlogisch.

    Nur weil ich hinterher "schlauer" war, kann ich den Weg dahin nicht bereuen / verteufeln. Sonst wäre ich nicht schlauer geworden, sonst hätte ich diese Entscheidung nicht getroffen.

    Doch natürlich. Die Reue kommt ja nicht von ungefähr, sondern aus der Erkenntnis einer vormals genauso getroffenen Entscheidung. Nur mit dem Unterschied, dass man sich hinterher selbst ganz ehrlich eingesteht, dass das richtig dämlich war und man so nie mehr sein will.

    Sehr pauschalisiert, dass mit der Politik. Glaube nicht, dass alle so denken.

    Stimmt, "denken" tut so niemand. Sie durchlaufen es einfach und erst hinterher blicken sie zurück und sehen die vielen Fußspuren im Schnee, die kreuz und quer, und letztendlich wieder zurückgeführen, ohne je das Ziel erreicht zu haben.


    Natürlich war das auf Politik gemünzte Beispiel auch stark vereinfacht, das gebe ich zu. Ich denke trotzdem, dass du weißt, worauf ich hinaus wollte.

  • Einfach weil dich Erfahrungen nicht prägen werde

    warum den nicht?

    Die Reue kommt ja nicht von ungefähr, sondern aus der Erkenntnis einer vormals genauso getroffenen Entscheidung. Nur mit dem Unterschied, dass man sich hinterher selbst ganz ehrlich eingesteht, dass das richtig dämlich war und man so nie mehr sein will.

    richtig. Deshalb muss ich es nicht bereuen. Ich muss dieses 'Gefühl' nicht haben um mir ehrlich zu sagen, dass es dumm war. Das weiß ich hinterher ohnehin.

    Solange ich aber nicht verstehe/erkenne, warum ich das so getan habe (welche Beweggründe, Motovation oder Wünsch dahinter steckt) laufe ich immer Gefahr, es wieder so oder so ähnlich zu tun.


    Deshalb lege ich mehr wert auf die Reflektion.

    Es lebe die Freiheit, die Meinungsäußerung und der Respekt anderen gegenüber.


    Will man einen Menschen genauer beurteilen, so muß man die Geschichte seiner Kinder- und Jugendjahre kennen.

    - August Bebel

  • richtig. Deshalb muss ich es nicht bereuen.

    Ich glaube, du verstehst unter dem Begriff etwas anderes als ich. Gemeint ist keineswegs, dass man nicht mehr ruhig schlafen kann, unendliche Schuldgefühle hat und für seine Sünden Buße tragen will, sondern schlicht Reue im Sinne von: Erfahrung gemacht, draus gelernt, wird nicht mehr passieren.

  • okay, ja kann sein, dass wir uns da etwas falsch verstanden habe.


    Ich interpretiere Reue als ein furchtbares eingeschlichenes Gefühl, dass untergrundig Schuldgefühle aktiviert und es einem schlecht geht, wegen einer eigenen Entscheidung.


    Aber joa, ich hab's eh nicht so mit Gefühlen...

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    - August Bebel