Die Illusion des Erfolgs

    • Offizieller Beitrag

    Es gibt ja viele Menschen da draußen, die unbedingt Erfolg haben möchten... Karriere machen, ganz viel Geld verdienen... und immer weiter expandieren, immer größer, immer höher, immer schneller.
    Auch im Internet meinen einige, der Wert eines Forums, einer Facebook-Seite oder eines Youtubekanals lässt sich an der Zahl der Fans ablesen, die man hat. Wenn eine Seite ein paar Millionen Aufrufe hat, ist es eine tolle Sache. Wenn es nur ein paar hundert sind, gilt es als Misserefolg.
    Ich bin zwar jetzt nie so mega-erfolgreich gewesen, aber ich denke, ich hatte auch Phasen, in denen es bei mir ganz gut lief, und wo meine Videos auf Youtube ziemlich weit oben verlinkt waren. 3000 Abonnenten und 280.000 Videoaufrufe sind jetzt zwar auch nicht die Welt, verglichen mit den ganz großen Youtubern... aber vom heutigen Standpunkt aus betrachtet kann man das schon als "Erfolg" werten.
    Und nun sitze ich hier und frage mich, was von diesem ganzen Erfolg geblieben ist. Was ich mir von den vielen Abonnenten, die ich damals hatte, kaufen kann. 3000 hatten meinen Kanal abonniert. Ein halbes Jahr war ich weg, und von den 3000 waren auf einmal nur noch 30 übrig, die es überhaupt interessiert hat, was ich mache. Mit anderen Worten: Nur ein Prozent dieser sogenannten "Fans" hat sich wohl wirklich aus tiefem Herzen mit meiner Kunst verbunden gefühlt... die anderen 99 Prozent waren vermutlich zu großen Teilen Mitläufer, Hater, und Leute, die das halt einmal anklickten, und mich dann wieder vergessen haben.


    Und nebenbei bemerkt: Als der Kanal gut lief, haben sie uns hier im Forum trotzdem nicht die Bude eingerannt vor Begeisterung. Da kam auch nur tröpfchenweise mal alle paar Monate ein interessanter User reingeschneit. Also der Werbe-Nutzen war auch nicht gerade übermäßig hoch.
    Was ich damit sagen will: "Erfolg" wird ziemlich überbewertet. "Erfolg" kann einem das schöne Gefühl geben, etwas wert zu sein, etwas geleistet zu haben, und der Welt etwas bewiesen zu haben. Aber in Wahrheit ist es nur eine Illusion, und die Welt schert sich einen Scheißdreck um dich oder das, was du tust.
    Die Welt dreht sich mit dir oder ohne dich.
    Und das sage ich jetzt nicht nur auf Youtube bezogen, sondern generell auch auf das reale Leben, wo die Menschen ihren Jobs oder ihren Geschäftsideen nachrennen und glauben, sich dadurch selbst zu verwirklichen, weil sie ganz viel Geld verdienen oder von vielen Menschen bewundert werden.
    Am Ende, wenn sie ihren Trip zu genüge genossen haben und vom Karussell des Erfolgs wieder absteigen, wird da die selbe Leere und die selbe Sinnlosigkeit sein, die schon da war, bevor man aufgestiegen ist.
    Ich sehe es ja an mir selbst. Ich habe fünf Bücher geschrieben. Ich habe Musik gemacht, ich habe mich wahrlich selbst verwirklicht und der Welt meine Gedanken offenbart. Doch zwanzig Jahre später habe ich plötzlich ein Deja Vu... laufe wieder allein durch den verschneiten Wald, wie schon damals vor zwanzig Jahren... frage mich, wo mein Platz ist in dieser Welt... und suche den einen Menschen, den es offenbar nur in meiner Fantasie zu geben scheint.
    Es hat sich rein gar nichts geändert. Der "Erfolg" hat gar nichts geändert.


    Nun kann man das natürlich nicht verallgemeinern... man könnte ja auch einfach sagen: Ich hab mich eben dumm angestellt, hab zu wenig aus der kurzen Popularität gemacht, die ich hatte. Aber ich glaube, es ist schon ein generelles Problem, das sehr viele Menschen betrifft.
    In der Lebensphase, wo wir am motiviertesten sind, nutzen wir unsere Schaffenskraft vor allem dazu, um Illusionen aufzubauen. Wir identifizieren uns damit, wir spielen perfekt die Rolle des egozentrischen Künstlers, oder des fleißigen Geschäftsmanns, oder des braven Familienvaters, oder was auch immer. Wir spielen die Rolle so gut, dass wir ganz vergessen, warum wir sie einmal zu spielen begonnen haben. Wir spielen sie nur noch um ihrer selbst Willen.
    Aber das ewig Suchende in uns... das Tiefergehende... die Dämonen, die uns antreiben... es ist nicht weg, nur weil wir es jahrelang oder vielleicht auch jahrzehntelang ganz Erfolg-reich ausgeblendet haben.
    Was mich zu dem Gedanken bringt, dass man sich den Umweg über dieses ganze "Ich muss mich in der Welt selbstverwirklichen und unbedingt etwas erreichen" auch ebensogut gleich ganz sparen könnte. Welchen Sinn haben Erfahrungen, wenn sie einen am Ende nur wieder zurück zum Anfang bringen? Welchen Sinn macht es, dem IKEA-Nestbautrieb zu verfallen, weil man sich endlich vollständig fühlen möchte, wenn man am Ende dann doch realisiert, dass man nie vollständig sein wird... und dass man im Grunde viel freier war, als man noch jung und erfolglos gewesen ist?


    Ok, ich sag jetzt nicht, dass alle Erfahrungen sinnlos waren, die ich gemacht habe. Aber man sollte sie halt auch nicht überbewerten. Das, was ich heute bin, war ich damals eigentlich auch schon, nur eben in jung und in frisch. Und wenn ich wieder so jung wäre und so voller Pepp und Energie... dann würde ich vermutlich wieder genauso oder ganz ähnlich handeln wie damals, weil die Energie einfach da ist und irgendwie kanalisiert werden muss. :waah:
    Kommt mir gerade trotzdem irgendwie ziemlich bescheuert vor... dieses ganze Sandburgen bauen und Luftschlösser in den Himmel malen... wenn du dann früher oder später ja doch realisierst: Du bist nicht der Burgherr, der dazu bestimmt ist, bis in alle Ewigkeit glücklich in diesen Gemächern zu wohnen... du bist nur der Typ, der sie gebaut hat, weil ihm langweilig war.

  • Also ich seh das jetzt icht so tragisch wie du. Das leben hat ja keinen Externen sinn man muss selbst entscheiden was mann daraus macht und wenn man was im Leben erreicht hat dann kann man schon stolz auf sich selbst sein. Ich mein du hast so viel lebensenergie in deine Träume gesteckt ich kann mir nicht wirklich vorstellen das dich das nicht irgentwie mit stolz erfüllt. Du kannst das Leben entweder so leben wie der Durchschnitt, indem du einfach nur versuchst durch bestimmte aktionen wie party machen mit freunden unterwegs sein usw einen dopaminschub in deinem Gehirn zu aktivieren und so kurzzeitiges GLück zu erlangen was aber nicht lange anhält oder du investiert Zeit Geduld und Energie in etwas das dir vll nicht immer Spaß macht aber dich am ende des tages zufrieden macht das ist meine ansicht dazu.

  • Es gibt ja viele Menschen da draußen, die unbedingt Erfolg haben möchten... Karriere machen, ganz viel Geld verdienen... und immer weiter expandieren, immer größer, immer höher, immer schneller.

    Es ist auch nichts verkehrt daran, Ziele zu haben. Solange sie aus der eigenen inneren Mitte heraus entstehen und nicht von außen vorgegeben werden.

    und von den 3000 waren auf einmal nur noch 30 übrig

    Liegt das nicht daran, dass du einen neuen Kanal aufgemacht hast, anstatt den alten weiter zu benutzen? Das habe ich eh nicht ganz verstanden, was da passiert ist. Mit deiner Abwesenheit verschwand auch der 3000-Abo-Kanal und als du zurückkamst, hast du einen neuen aufgemacht. Das taurige dabei ist eben, dass deine vielen alten Abonennten jetzt nicht mehr über deine neuen Videos benachrichtigt werden und sie allgemein keine Chance haben, auf deinen neuen Kanal aufmerksam zu werden.

    Am Ende, wenn sie ihren Trip zu genüge genossen haben und vom Karussell des Erfolgs wieder absteigen, wird da die selbe Leere und die selbe Sinnlosigkeit sein, die schon da war, bevor man aufgestiegen ist.

    Die innere Leere lässt sich nicht durch äußere Dinge füllen. Kosum, Beziehungen, Karriere Geld, Aktivitäten usw. dienen nur dem Zweck um sich von der inneren Leere abzulenken. Ich weiß das aus eigene Erfahrung: Ich hatte eine Zeit lang alles was ich mir nur vorstellen konnte. Ich hatte alle Ziele erreicht, alles war optimiert. Und ich war trotzdem krass depressiv.

    laufe wieder allein durch den verschneiten Wald

    Da beneide ich dich ein wenig. Ich habe weder genug Zeit, genug Wald noch genug Schnee hier xD

    Was mich zu dem Gedanken bringt, dass man sich den Umweg über dieses ganze "Ich muss mich in der Welt selbstverwirklichen und unbedingt etwas erreichen" auch ebensogut gleich ganz sparen könnte.

    Ich rate auch jedem vorher den Weg der Selbstfindung zu gehen. Ohne Selbstfindung ist keine Selbstverwirklichung möglich. Man muss sich zunächst mal eine längere Zeit ist absoluter Einsamkeit mit der Frage "Wer bin ich?" auseinandersetzen.


    Um auf das eigentliche Thema zurückkommen: Ob Erfolg eine Illusion ist, hängt von der Definition ab.


    „Was bedeutet schon Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.“ [Bob Dylan]


    Mit der Definition kann man Erfolg als quasi-notwendige Bedingung für das Glücklich sein betrachten, d. h. wenn man glücklich ist, ist man automatisch auch erfolgreich. Die Umkehrung gilt im allgemeinen aber nicht. Ich zähle mich selbst zu den Menschen, die an gesellschaftlichen Standards gemessen sehr erfolgreich sein kann, aber trotz vieler Erfolge war ich dabei nie wirklich glücklich. Dazu habe ich mir schon ein paar nette Bücher besorgt, die ich über die Feiertage mal lesen werde (da ich jetzt dafür keine Zeit habe).


    Gruß
    Philosophillip

    • Offizieller Beitrag

    Ich mein du hast so viel lebensenergie in deine Träume gesteckt ich kann mir nicht wirklich vorstellen das dich das nicht irgentwie mit stolz erfüllt.

    Ich sag ja auch gar nicht, dass es falsch ist, Ziele zu haben und zu versuchen, diese auch zu verwirklichen. Aber oft sind diese Ziele einfach auch nur Mittel zum Zweck, und irgendwann vergisst man, warum man sie eigentlich erreichen wollte. Um mal als Beispiel zu nennen: Ursprünglich habe ich angefangen, Bücher zu schreiben, um damit Gleichgesinnte zu finden. Es ging mir nie darum, mich als Schriftsteller feiern zu lassen. Und doch war ich irgendwann in der Schublade "Schriftsteller" drin und habe mich auch genauso verhalten und fing an, so zu denken. Ich habe gewissermaßen diese Rolle angenommen... und ich bin schon auch stolz auf das, was ich geleistet habe, wenn ich mir meine alten Bücher durchlese. Aber Stolz allein wird dir keine Erlösung verschaffen. ;)
    Und so denke ich, verhält es sich auch bei vielen anderen Menschen, die irgendwas eigenes auf die Beine stellen oder Karriere machen. Ursprünglich geht es vielleicht nur darum, dass man von zuhause wegkommt und sich nicht mehr von den Eltern rumkommandieren lassen muss. Man will was eigenes. Eine eigene kleine Wohnung mit zwei Zimmern würde einem schon reichen, um glücklich zu sein. Und irgendwann hat man das, aber man ist nicht zufrieden damit, sondern man ist dann schon in dem Modus gefangen, immer mehr haben zu wollen. Man macht sich die nächsten Träume, setzt sich die nächsten Ziele, immer größer, immer mehr. Ein eigenes Auto. Ein Haus. Das, was man eigentlich wollte... Zeit für sich selbst... Unabhängigkeit... das verliert man irgendwann aus den Augen, weil man zwar jetzt nicht mehr von seinen Eltern abhängig ist, aber dafür von anderen Dingen... abhängig davon, dass regelmäßig Kohle in die Kasse kommt, abhängig von seinem Job, der zunehmend zum Selbstzweck gerät, abhängig von der Familie, die man ernähren muss.
    Das geht dann jahrelang gut, aber irgendwann fühlt man diese Leere in sich... die man heutzutage "Burn out" oder "Depression" nennt... und dann rätselt man, wie das sein kann, obwohl man doch eigentlich einen guten Job hat und viel Geld verdient und eine Familie. Aber vielleicht hat man sich im Lauf der Zeit einfach selbst verloren vor lauter Rollen, die man für andere zu spielen gelernt hat. Dann geht man zum Psychologen, und der sagt einem vielleicht, man soll sein inneres Kind wiederfinden... aber man findet es nicht mehr, weil es nicht mehr da ist. Weil es überschrieben wurde mit etwas anderem. Mit einer neuen Routine, die die alte längst ersetzt hat.

    Liegt das nicht daran, dass du einen neuen Kanal aufgemacht hast, anstatt den alten weiter zu benutzen? Das habe ich eh nicht ganz verstanden, was da passiert ist. Mit deiner Abwesenheit verschwand auch der 3000-Abo-Kanal und als du zurückkamst, hast du einen neuen aufgemacht.

    Wenn der Kanal mal endgültig gelöscht ist, ist er halt weg. Das kann man auf Youtube nicht mehr wiederherstellen. (ich glaube, früher ging das mal) Und ich hab ihn eben konsequent gelöscht, und nicht einfach nur auf "privat" geschaltet oder sowas. Natürlich wäre es cleverer gewesen, das anders zu machen. Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt echt nicht vorgehabt, zurückzukommen. Sollte eben diesmal wirklich ein endgültiger Schlußstrich sein.

    Das taurige dabei ist eben, dass deine vielen alten Abonennten jetzt nicht mehr über deine neuen Videos benachrichtigt werden und sie allgemein keine Chance haben, auf deinen neuen Kanal aufmerksam zu werden.

    Naja... ein bisschen Eigeninitiative wird man ja von den Leuten schon erwarten dürfen. Müssen sie halt mal ab und zu "DianTheSaint" eingeben bei Youtube... wenn es jemanden wirklich interessiert, ist das ja wohl nicht zu viel verlangt. Ich gebe schließlich auch ab und zu mal "Dude Karl" ein, um zu schauen, ob es ihn wieder gibt. Wer das nicht tut, dem war es vermutlich einfach nicht wichtig genug. Und genau das sage ich ja... dass du auf diese ganzen Likes und Abos einen Scheiß geben kannst, weil es dir das trügerische Gefühl vermittelt, für viele Menschen wichtig zu sein. Aber nur für die Allerwenigsten bist du es tatsächlich.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von Dian

    Ich hab mich eben dumm angestellt, hab zu wenig aus der kurzen Popularität gemacht, die ich hatte. Aber ich glaube, es ist schon ein generelles Problem, das sehr viele Menschen betrifft.


    Wegen den Abonennten-/Klickzahlen: Zu dem was bereits gesagt wurde, kommt noch hinzu, dass das Angebot an Unterhaltung heutzutage gigantisch ist. Im Jahr 2016 wurden jede Minute auf YouTube 300 Stunden Videomaterial hochgeladen. Von 2004 und 2016 kamen jedes Jahr über 70.000 neue Bücher heraus - alleine in Deutschland. 2017 wurden weltweit schätzungsweise über 10.000 abendfüllende Spielfilme gedreht. Und dazu kommen noch hunderte oder tausende neue Serien oder Serien-Staffeln; allein Netflix hat ein großes Angebot an Eigenproduktionen.


    Natürlich ist es keine große Sache, regelmäßig nachzuschauen, ob ehemalige YouTuber wieder aktiv sind. Aber ein halbes Jahr ist in der Medienbranche eine lange Zeit und in der kann man als Konsument so viele neue Dinge entdecken, dass man altes bis dahin wieder vergisst. Um im Gedächtnis zu bleiben, sollte man sich also irgendein Alleinstellungsmerkmal schaffen. Allerdings weiß ich auch nicht, wie groß die Konkurrenz in der links-anarchistischen gesellschaftskritischen YouTuber-Szene ist ;)






    Zitat von Dian

    Und irgendwann hat man das, aber man ist nicht zufrieden damit, sondern man ist dann schon in dem Modus gefangen, immer mehr haben zu wollen. Man macht sich die nächsten Träume, setzt sich die nächsten Ziele, immer größer, immer mehr.


    Ich denke, dieses nicht-zufrieden-sein, diese unbewusste oder bewusste Gier nach immer mehr ist ein Ergebnis unserer Erziehung. Wir werden seit einigen Jahrzehnten von Klein auf zu Konsumenten erzogen. Seit den "goldenen" 50er Jahren, als der Krieg vorbei war und die Arbeitsleistung immer mehr in Konsumgüter investiert und Werbung ein eigener, gigantischer Wirtschaftszweig wurde. Uns wird eingeredet, dass wir nur glücklich sind, wenn wir uns um uns selbst kümmern und Sachen kaufen.


    Ich habe hier ja schon ein paar Mal geschrieben: ich fand es eigentlich ganz befreiend, als ich für mich festgestellt habe, dass (großer) "Erfolg" oder das Jagen nach einem "Sinn des Lebens" nur eine Illusion ist, wie du es beschreibst. Es nimmt doch irgendwie den Druck weg. Ich muss kein Haus bauen, möglichst viele Nachkommen produzieren oder anderen beweisen, wie geil ich bin. In hundert Jahren bin ich tot und dann ist mir das sowieso scheißegal. Ich fühle deswegen auch keine innere Leere, die ich ausfüllen muss.