Selektive Abtreibung

  • Also bei manchen Zeitgenossen hätte ich auch bei Abtreibungen bis zu 60 Jahre nach der Geburt keine Bauchschmerzen. Davon abgesehen sehe ich keinen Grund, wieso ein Leben mehr "wert" sein sollte ein anderes, "behindert" oder nicht. Wert ist ein Begriff für den Supermarkt, es sei denn man nutzt ihn universell.
    Im Grunde geht's doch wieder um die Frage der Herrschaft, womit wir die Brücke zum Anarchie-Thread schlagen können. Institutionelles Töten von Individuen, die von den Herrschenden als nicht lebenswert angesehen werden - nee, das hatten wir schon oft in der Geschichte, unter anderem (!) auch von den Nazis. Dann lieber ein paar Typen umlegen, die ein ziemliches Arschlochverhalten an den Tag legen bzw die ich persönlich für extrem unsympathisch halte.

    • Offizieller Beitrag

    Ich sehe das ganze Thema eigentlich recht locker, und kann es gar nicht nachvollziehen, warum da in der Gesellschaft schon seit vielen Jahrzehnten so ein Trara drum gemacht wird. Für mich ist ein Mensch geboren, sobald er den Körper seines Wirtes verlassen hat. Davor ist er im biologischen Sinne zwar auch schon am Leben, aber eben noch nicht Teil dieser Welt, und sollte somit auch nicht der Gerichtsbarkeit dieser Welt unterliegen.
    Also warum überlässt man die Entscheidung nicht einfach der Frau, und zwar so lang, bis das Kind auf die Welt gebracht wurde? Zumal wir eh schon überbevölkert sind und jeder Nicht-Neugeborene eigentlich gefeiert werden sollte, weil dann für die anderen mehr Platz da ist.
    Aber nein... die christliche Moral, die nicht nur die Frommen erfasst hat, sondern eben auch fest in Politik und Rechtsverständnis unserer Gesellschaft verankert ist, sieht es nunmal vor, dass jedes Leben "heilig" zu sein hat, weil Leben ja grundsätzlich gut und ein Geschenk Gottes ist, und den will man schließlich nicht verärgern.


    Jedenfalls ist Abtreibung für mich so ein Fall wie Drogenkonsum oder Inzest... wo ich mir einfach sage: Lasst doch jeden selbst entscheiden, wie er es gern hätte. Dann spart man sich eine Menge Debatten und juristische Arbeit, und könnte die Energie, die dadurch frei wird, sinnvoller an anderer Stelle einsetzen. Möge jedes Individuum für sich selbst entscheiden, und dann eben auch mit den Konsequenzen und Schuldgefühlen leben müssen. Muss doch nicht alles vom Staat vorgekaut werden.

  • 1 Jahr nach Geburt ?Das ist Mord, da das Kind bereits geboren ist.


    Was Mord ist, ist Definitionssache (was ist zum Beispiel mit Frühchen? Wenn du sagst bis maximal 8 Monate, dann müsste doch ein Baby im Brutkasten das gerade im 7. Monat "zur Welt" kam, noch abtreibbar sein)


    Eine ausgewachsene Kuh ist weit intelligenter als der Zellhaufen, den wir nach der Geburt Baby nennen. Deswegen spricht da keiner von Mord.
    Und wenn du im Krieg deinen Feind über den Haufen knallst, würden das ebenso die wenigsten Mord nennen. Aber es können nicht beide Konfliktparteien behaupten, sie würden sich nur verteidigen, falls die Soldaten mit Notwehr argumentieren würden.
    Und Kollateralschäden zählen auch nicht als Mord. Wenn ein amerikanischer Bomberpilot mal wieder eine afghanische Hochzeitsgesellschaft dem Erdboden gleich macht, dann ist das ein Unfall. Wer kann denn ahnen, dass mehrere Tonnen Sprengstoff Unschuldige treffen könnten? So ein Witz. Wer Bomben wirft, rechnet damit, dass Menschen sterben werden und warum soll das nicht auch Mord sein? Er tötet doch vorsätzlich, nur eben die falschen.


    Natürlich hast du recht, wenn du sagst, wenn ich ein einjähriges Baby einschläfere, ist das nach aktueller Rechtsprechung Mord und die meisten, inklusive dir, finden diese Einordnung richtig so.


    Angesichts der Überbevölkerung, der Umweltverschmutzung, dem Leid an Tieren, die jedes einzelne Baby im Laufe seines Lebens im Durchschnitt zu verantworten haben wird, sehe ich aber nicht ein, warum es ethisch verwerflicher sein soll, das Kind friedlich einschlummern zu lassen als es auf die Welt loszulassen.


    Deswegen würde ich die Obergrenze auf etwa ein Jahr und neun Monate nach der vermuteten Empfängnis setzen, bis zu der die Mutter (und nur die Mutter!) entschieden haben muss, ob das Lebewesen weiterlebt oder nicht. Man könnte das ganze auf behinderte oder kranke Babys beschränken (prinzipiell keine schlechte Idee), aber dann geht das wieder los, mit "Du bist ein Nazi!" und "Was ist überhaupt eine Behinderung? Ist ein etwas kürzeres Bein, ein Finger oder Zeh weniger schon eine Behinderung?" - Nee, das würd ich umgehen.


    Eine sehr liberale Obergrenze und die Frau entscheidet. Simpel und doch genial.


    Und zu eurer Beruhigung: Ich hätte dann kein Mitspracherecht, wenn es darum geht, ob das Kind lebt oder nicht!

  • "Wenn alle Menschen neurotypisch wären, dann säßen wir heute immer noch in Höhlen, aber wir würden den ganzen Tag miteinander darüber reden." Temple Grandin, Autistin

  • @Dian


    Ich bin nicht für eine staatliche Reglementierung, aber ich bin auch gegen eine Beeinflussung. Es kann nicht sein, dass Unwahrheiten über bestimmte Bevölkerungsgruppen verbreitet werden, auf deren Basis Frauen dann anders entscheiden, als sie es vielleicht sonst getan hätten.
    Ich bin gegen ein Abtreibungsverbot, aber ich bin auch Anti-Unterdrückung und Anti-Beeinflussung. Deshalb ist das Thema für mich ein schwieriges.


    Natürlich sind wir überbevölkert. Ich denke aber, dass die Natur sich in dieser Hinsicht selbst regulieren kann. Irgendein Super-Virus, Antibiotika-Resistenzen, selbstherbeigeführte Naturkatastrophen, Kriege können das auch ganz schnell ändern. Den Menschen wird es auch nicht ewig geben. Es geht ja jetzt schon in Richtung Abgrund. Mir wäre zwar ein Umdenken lieber, als sich auszurotten, aber davon sind wir wohl noch ziemlich entfernt.


    Ich wurde selbst geboren und müsste es verfluchen, hier zu sein (okay, das tu ich auch oft, aber eher aus Gründen der Inkompatiblität) und mich umbringen, um ein gutes Gewissen zu haben, nicht an der Überbevölkerung beizutragen. Ich bin ja selbst Teil der Überbevölkerung. Trotzdem vertraue ich da irgendwie der Natur. Die Dinosaurier sind ja auch ausgestorben.

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin nicht für eine staatliche Reglementierung, aber ich bin auch gegen eine Beeinflussung. Es kann nicht sein, dass Unwahrheiten über bestimmte Bevölkerungsgruppen verbreitet werden, auf deren Basis Frauen dann anders entscheiden, als sie es vielleicht sonst getan hätten.

    Ja, kann ich nachvollziehen. Aber die Beeinflussung erfolgt meines Erachtens ja aus beiden Richtungen.
    Einerseits natürlich die Beeinflussung durch die Gesellschaft, die auf Effizienz getrimmt ist und alles, was von der Norm abweicht, als "behindert" bezeichnet und stigmatisiert, so dass viele Frauen sich sicher zweimal überlegen, ob sie sich das wirklich antun wollen.
    Andererseits gibt es ja ebenso auch eine Beeinflussung durch die Moralapostel, die der Frau ein schlechtes Gewissen einreden, wenn sie abtreibt, und die ihr alle möglichen Versprechungen wie Kindergeld und Förder- und Betreuungsangebote machen, damit möglichst viele Menschen Kinder bekommen. Zugetextet mit gutgemeinten Ratschlägen wird man heutzutage so oder so von allen Seiten, ob man darum nun gebeten hat oder nicht.

  • Ich versteh halt den Unterschied nicht: Ein nichtbehindertes ungeborenes Kind darf nur bis 12 Wochen getötet werden, ein behindertes darüber hinaus. Und ohne religiös zu sein (was ja oft unterstellt wird, wenn man ein unborenes Kind nicht als Zellhaufen sieht), frag ich mich in wessen Geist das entstanden ist. Sind wir alle schon so abgestumpft, dass wir versuchen, Menschen wie Ware in nützlich oder vermeintlich nicht nützlich einzuteilen?

  • Sind wir alle schon so abgestumpft, dass wir versuchen, Menschen wie Ware in nützlich oder vermeintlich nicht nützlich einzuteilen?


    Bestimmt nicht alle. Ich zähle mich jedenfalls zu den Leuten mit Bauchschmerzen und finde die Frage sehr schwierig. Wenn dem Kind z.b. ein Leben voller Schmerz und Leid bevorstünde, fände ich solch eine selektive Abtreibung immer akzeptabel und ansonsten individuell zu regeln. Die Entscheidung würde ich grundsätzlich der Mutter überlassen. Aber spätestens ab einem gewissen Alter des Kindes(z.b sobald Überlebenschancen in einem Brutkasten bestehen), muss sein Geburtsrecht, unabhängig von Normvorstellungen der Gesellschaft respektiert und dem Willen der Mutter übergeordnet werden.