Troll-Analyse

  • Wie gesagt habe ich kein Interesse daran, immer wieder dieselben Diskussionen führen zu müssen. Deshalb wiederhole ich mich an dieser Stelle nur kurz: Wenn man sich von den doofen, voreingenommenen Lemmingen unterscheiden will, sollte man vielleicht einfach mal zu Themen schweigen, zu denen einem schlichtweg die Einblicke fehlen. (Und ja, im Gegensatz zu manchen Sesselpupsern und Internet-"Anarchisten" habe ich ein paar Eindrücke gewinnen können, wie die Realität in gewissen Landstrichen dieser Welt aussieht, in denen keine doofen linken Weltverbesserer zumindest ein paar Akzente setzen). Und ja, ich messe dem Internet hier tatsächlich nicht den Stellenwert zu wie du. Ich habe diverse Stürme im virtuellen Wasserglas gesehen, die sich dann letztlich als Sesselfurz erwiesen haben. Das Internet ist ein sozialer Multiplikator, was nicht bedeutet, dass es ursächlich ist für irgendwelche gesellschaftlichen Entwicklungen.


    Ich will hier auch überhaupt nicht rein destruktiv rüberkommen. Letztlich ist hier eben etwas verloren gegangen, was früher mal da war - und daran tragen wir sicher alle die Schuld. Hinsichtlich interessanter Gedanken geht unsere Wahrnehmung wohl etwas auseinander. Ich hab eher eine Abwanderung der interessanten Poster in den letzten Monaten und Jahren gesehen. Ich kann dabei auch nicht unbedingt in konkrete Worte fassen, worin das Manko besteht. Letztlich ist es wohl so, dass ich mir gewünscht hätte, dass vor dem Hintergrund der unwiderbringlichen Verluste an Menschen bzw menschlichem Potenzial, die dieses Forum gesehen hat, irgendeine "Neugeburt" oder zumindest Neuausrichtung stattgefunden hätte...

    • Offizieller Beitrag

    Das Internet ist ein sozialer Multiplikator, was nicht bedeutet, dass es ursächlich ist für irgendwelche gesellschaftlichen Entwicklungen.

    Sagen wir so: Durch das Internet wurden Dinge sichtbarer, die früher unter der Oberfläche vor sich hingegärt sind und daher auch besser unter den Teppich gekehrt werden konnten.
    Der anhaltende Erfolg von AfD und Pegida wäre ohne Internet kaum vorstellbar. Ohne Internet wäre es gewesen wie damals, als die Republikaner mal kurz eine Hochphase hatten, und dann schnell wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt wurden (allerdings wurden sie weniger durch die engagierten Proteste von Linksradikalen verdrängt, sondern vor allem durch das Bürgertum und dessen Medien, die damals mehr oder weniger die einzigen Medien waren, die die Massen erreichen und manipulieren konnten)
    Die Medien haben sich dann einfach entschieden, nicht mehr über "böse Ausländer" zu berichten, sondern über brennende Asylantenheime, Brandanschläge auf Türkenhäuser und Lichterketten, wodurch sich die rechte Welle Anfang der 90er auch recht gut in den Griff bekommen ließ.
    Heute schaue ich auf GMX oder sonstige Internet-Seiten und lese als erstes einen reißerischen Bericht über arme deutsche Mädchen, die von bösen Irakern vergewaltigt oder getötet wurden. Ich lese von IS-Terroristen, vereitelten Terroranschlägen und messerstechenden Asylbewerbern. Und ich behaupte, darüber berichten die, weil sie von den Rechten und deren Internetaktivitäten regelrecht vor sich hergetrieben werden und gezwungen werden, diese Themen groß auszuwalzen. (weil man ihnen sonst vorwerfen würde, sie verschweigen der Bevölkerung ganz wichtige Dinge)
    Es hat da schon ein Umdenken eingesetzt, bzw. ist noch dabei, einzusetzen... und das Internet hat so wie ich das sehe maßgeblichen Anteil daran. Was nicht heißen soll, dass es ohne Internet weniger doofe Menschen geben würde. Aber die doofen Menschen haben heute ein viel besseres Sprachrohr als früher. (die Klugen natürlich auch, aber die sind halt leider deutlich in der Unterzahl. ;-) )

    Ich hab eher eine Abwanderung der interessanten Poster in den letzten Monaten und Jahren gesehen. Ich kann dabei auch nicht unbedingt in konkrete Worte fassen, worin das Manko besteht. Letztlich ist es wohl so, dass ich mir gewünscht hätte, dass vor dem Hintergrund der unwiderbringlichen Verluste an Menschen bzw menschlichem Potenzial, die dieses Forum gesehen hat, irgendeine "Neugeburt" oder zumindest Neuausrichtung stattgefunden hätte...

    Ich denke, dass du heute das Forum aus einer anderen Position heraus betrachtest, als du es damals getan hast. Damals warst du noch mehr Teil der Entwicklung und mit einigen Usern auch real im Kontakt... heute betrachtest du alles mehr von außerhalb, und nimmst durch diesen Abstand Dinge wahr, die dich früher vielleicht gar nicht so gestört hätten. Vielleicht hängt es auch mit deiner veränderten Lebenssituation zusammen.
    Für mich hat sich das Forum in den letzten Jahren nicht so dramatisch verändert. Sicherlich gab es einen gewissen Substanzverlust. Aber mal ehrlich: Wäre das Niveau im Forum früher tatsächlich so viel besser gewesen als heute, hätten sich ein paar User vor 11 oder 12 Jahren nicht in den Keller flüchten müssen. ;-)
    Das mit dem Wunsch nach einer Neugeburt bzw. Neuausrichtung kann ich aus deiner Perspektive schon nachvollziehen. Das, was dir am Forum am meisten bedeutet hat, ist nicht mehr da oder wurde auseinandergerissen. Daher wird es für dich immer einen faden Beigeschmack haben und nie mehr so unbeschwert sein können wie früher.
    Aus meiner Perspektive geht es mir eher um mich selbst und meinen Kampf, dieses Dasein überhaupt irgendwie ertragen zu können. Und da ist dieses Forum einfach etwas, was mir Halt gibt, und was mir auch gerade dadurch Halt gibt, dass es hier keine große Weiterentwicklung oder Neuorientierung gibt (außer vielleicht mal optisch). Ich brauche dieses vertraute Unity-Gefühl, und ich denke, das ist auch immer noch da. Auch die Auseinandersetzung mit Leuten, die mir erzählen wollen, warum das Forum nicht mehr so gut ist wie früher und warum wir Admins die falschen Entscheidungen treffen, ist ja in gewisser Weise Teil dieses vertrauten Gefühls, denn das begleitet uns jetzt auch schon seit vielen Jahren. Von daher sollte ich vielleicht dir und den Trollen danken dafür, dass sie so nett sind und mir das Gefühl geben, dass sich manche Dinge niemals ändern, und dass sie mir die Möglichkeit geben, auch heute noch genauso kämpferisch dieses Forum zu verteidigen, wie ich es auch schon vor 15 Jahren getan habe. :D

  • Was das Internet in jedem Fall verstärkt hat, sind gesellschaftliche Ängste, einfach durch die Reichweite von Katastrophenmeldungen. Gepaart mit einer sehr oberflächlichen Aufnahme und Weitergabe von Informationen ist das tatsächlich eine gefährliche Gemengelage.
    Im Umgang mit dem Rechtsruck sehe ich eine unglückliche Mischung aus liberalen Toleranztrotteln, die tatsächlich denken, Probleme ließen sich allein durch Debatte und Aufklärung beheben, und einem autoritären Lager, dass seine Zeit gekommen sieht, gesellschaftliche Stimmungen in Herrschaftspolitik zu übersetzen. Und ja, mit die einzigen, die in diesem gesellschaftlichen Irrsinn ein paar Dinge richtig machen, sind die radikalen Linken. Und jetzt Schluss mit dem Thema, es langweilt langsam ;)


    Zum zweiten Punkt: Dass sich meine Perspektive verändert hat, hoffe ich. Ich will nicht an dem Punkt stehen bleiben, an dem ich vor 15 Jahren stand. Insofern ist das vielleicht das Problem: Adressaten dieses Forums sind wohl primär zornige Jugendliche und junge Erwachsene, die mitbekommen, dass eine Menge falsch läuft, die ihren Platz aber noch nicht gefunden haben. Und da noch sehr individualistische, um nicht zu sagen egozentrische Eigenschaften hinzukommen, fällt es den meisten wohl schwer, sich überhaupt irgendwo wiederzufinden, auch in Gruppen und Bewegungen, die den Status quo bereits angehen. Überall wird "Herdenmentalität" entdeckt, wobei es wahscheinlich für manche einfach durch Veranlagung ein Ding der Unmöglichkeit ist, irgendwelche Kompromisse einzugehen.( Ich bin selbst auch immer ziemlich egozentrisch gewesen, habe aber auch gelernt, mein Ego zurückzunehmen und "den Job zu erledigen". Meinen Idealismus habe ich begraben, ich brauche ihn auch nicht.)


    Ich finde es schön, dass du so ehrlich bist, zuzugeben, dass das Ganze hier eigentlich nur deine Ego-Nummer ist. Und solange das oben genannte Klientel sich damit zufrieden gibt, hier seinen Frust auszukotzen und seinen Elitismus zu spiegeln, ist das doch toll, es gibt verwerflichere Arten, das Internet zu nutzen.

    • Offizieller Beitrag

    Adressaten dieses Forums sind wohl primär zornige Jugendliche und junge Erwachsene, die mitbekommen, dass eine Menge falsch läuft, die ihren Platz aber noch nicht gefunden haben.

    Bin mir nicht sicher, ob es überhaupt ein gutes Zeichen ist, wenn man in einer Welt wie dieser seinen Platz gefunden hat. Vielleicht wäre es konsequenter, für immer ein Suchender zu bleiben.
    Aber natürlich sehnt man sich auch nach einer Art Heimathafen und einem Ort, an dem man sich zuhause fühlen kann. Keine Ahnung, ob das wirklich eine Frage des Alters ist. Bei mir zumindest nicht. Ich bin ja eigentlich auch kein "zorniger Jugendlicher" mehr.
    Wobei... ich kann auch nicht garantieren, dass ich immer noch hier wäre, wenn ein paar Dinge in den letzten Jahren etwas anders gelaufen wären. Hätten meine Pläne funktioniert, mir mit anderen Leuten was komplett anderes aufzubauen außerhalb dieses Forums, dann wäre ich vielleicht inzwischen auch schon längst nicht mehr hier, oder würde nur noch so wie du ab und zu mal sporadisch vorbeischauen und mich wundern, warum die Leute hier alle so negativ sind. :unknw_gif:

    Überall wird "Herdenmentalität" entdeckt, wobei es wahscheinlich für manche einfach durch Veranlagung ein Ding der Unmöglichkeit ist, irgendwelche Kompromisse einzugehen.( Ich bin selbst auch immer ziemlich egozentrisch gewesen, habe aber auch gelernt, mein Ego zurückzunehmen und "den Job zu erledigen".

    Wenn ich irgendwo Kompromisse eingehen muss, ist das kein Ort, an dem ich gerne sein möchte, und keine Bewegung, der ich mich zugehörig fühlen könnte.
    Natürlich kann man argumentieren: Wenn das jeder so sehen würde, dann würde sich keiner mehr für irgendwas engagieren.
    Man kann aber auch sagen: Wenn sich keiner mehr irgendwo engagieren würde und jeder nur sein Ding durchziehen würde, ohne mit irgendeiner Gruppe mitzumarschieren, hätten wir vielleicht längst eine bessere Welt. Vielleicht auch nur eine kaputte Welt voller Egoisten. Aber schlimmer als es jetzt ist kann's ja eigentlich kaum noch werden. Ok, wenn man sich andere Länder anschaut, etwa Syrien, dann kann es natürlich sehr wohl noch schlimmer werden. Aber ich glaube, auch in Syrien liegt das Hauptproblem nicht darin begründet, dass es dort zu wenig engagierte Menschen gibt. rocketlauncher

  • Ich halte hier zwei Dinge auseinander, die sicher zusammenhängen, aber nicht deckungsgleich sind. Das eine ist das Gefühl, nirgends dazuzugehören, und das andere ist der desolate Zustand der Gesellschaft(en). Hier entsteht die Sehnsucht, dass durch Veränderung der Außenwelt auch ein Platz entsteht, an dem man sich selbst heimisch fühlen kann. Tatsächlich denke ich aber, dass es für manche Menschen - mich eingeschlossen, und dich wohl auch - immer nur die Perspektive des distanzierten Beobachters geben wird, weil immer ein gewisses Gefühl der Fremdheit vorhanden sein wird. Das muss man nicht allzu tragisch nehmen. So oder so haben wir als Menschen mit den beiden größten existenziellen Problemen zu kämpfen: die Endlichkeit akzeptieren, und die Furcht vor der Einsamkeit verlieren.


    Was ich sagen will: Es ist nicht (nur) die Schuld der Außenwelt, wenn man sich in der Gesellschaft unverstanden und unbeheimatet fühlt. Nicht falsch verstehen, es ist auch nicht die eigene Schuld. Manche Dinge sind einfach nicht kompatibel miteinander.
    Ich bin nicht sonderlich in dieser Gesellschaft engagiert und sehe, wie schon gesagt, manche Dinge eher als "jobs to be done". Und gerade weil wir jede Menge Arschgeigen und "Lemminge" um uns herum haben, wäre es meines Erachtens fatal, diesen einfach das Feld zu überlassen.
    Ich will nicht in ein paar Jahren in einer Gesellschaft aufwachen, in der ich tatsächlich überhaupt nicht mehr leben kann oder will. Und hierfür muss man eben, wie in jeder Form gemeinschaftlicher Organisierung, auch Kompromisse eingehen. Wenn ich von "Anarchisten" höre, dass sie eigentlich nur "in Ruhe gelassen werden wollen", frage ich mich schon: In welcher Welt lebt ihr eigentlich? Scheinbar in einer anderen als ich, denn die Welt, wie ich sie sehe, erfordert langfristig wahlweise einen Schlacht- oder einen Fluchtplan (oder beides).

  • Ich finde es sogar ausgesprochen gut, dass es noch Menschen gibt, die sich selbst ein Bild von der Welt machen und nicht ständig nachplappern, was ihnen mal beigebracht wurde oder was in irgendwelchen Büchern steht. Es geht doch darum, sein eigenes Leben zu leben. Niemand kann das für mich tun. Wenn ich nicht die Weltbilder aus irgendwelchen Büchern oder gar "Vorbildern" annehme, macht es doch nicht gleich mein Weltbild zu etwas Minderwertigem.
    Und wer weiß, ob die Leute, die vorgeben, alles zu kennen, nicht selbst im Dunkeln tappen und sich dabei noch überragend vorkommen.


    Weiter sehe ich es auch so, dass nicht alle Inhalte von Linken unbedingt etwas mit meinen Ansichten zu tun haben müssen. Ich muss schon noch gewisse Sachen hinterfragen dürfen und auch nicht alles gut finden müssen. Ich hasse dogmatischen Müll. Egal, wo er herkommt.


    Es gibt ein gutes Sprichwort: "Wenn Du die Welt verändern willst, geh erst dreimal durch Dein eigenes Haus. "