Reflektionen / Das Unity-Archiv

  • Neulich habe ich mich mal wieder etwas intensiver mit dem Unity-Archiv befasst, vor allem mit jenem aus der Zeit von 2004 bis 2007, und will euch meine Gedanken dazu nicht vorenthalten. (für alle, die es nicht wissen sollten: Einfach www.theunity.de und dann das jeweilige Archiv auswählen)


    Das Eine, was mir dabei aufgefallen ist, ist der lockere, freundschaftliche Umgangston, der damals im Forum geherrscht hat. Ok, in den letzten Monaten hat sich das Klima im Forum glücklicherweise wieder in diese Richtung hin entwickelt, was an dieser Stelle natürlich nicht verschwiegen werden sollte… aber davor waren ja viele Jahre lang erbitterte Grabenkämpfe im Gange. Jedenfalls habe ich daher, aufgrund der vielen innerforischen Auseinandersetzungen, auch die Zeit vor 2007 so in Erinnerung gehabt, dass da ständig schlechte Stimmung herrschte, und jeder über jeden hergezogen ist. Aber stimmt gar nicht… Ich war richtig überrascht, wie korrekt die Leute damals miteinander umgegangen sind, und zwar ohne, dass man sie dazu besonders gegängelt oder gezwungen hätte.
    Selbst User, die ich später vor allem als zynische Kotzbrocken und Verbreiter von schlechter Stimmung in Erinnerung hatte (ohne jetzt irgendwelche Namen zu nennen), waren in dem alten Forum noch freundlich und man konnte prima mit ihnen reden.


    Aber irgendwas muss dann schief gelaufen sein in der Zeit danach… irgendwann kam die schlechte Stimmung an Bord, und das steigerte sich immer weiter, bis es zu diversen Forenabspaltungen kam und das alles schließlich im Selbstmord zweier Ex-User und noch mehr gegenseitigen Vorwürfen gipfelte. Daher hat mich die Frage, wer oder was ab einem gewissen Zeitpunkt dieses Gift ins Forum gebracht hat, natürlich sehr beschäftigt
    War es schon immer in uns gewesen, dieses Gift? War es nur eine Frage der Zeit, bis es zum Ausbruch kam?
    Ich würde sagen, wir sind schon immer ein uneiniger Haufen gewesen, ein Schmelztiegel der unterschiedlichsten Meinungen. Aber so unterschiedlich wir auch waren… ich glaube, die meisten (zumindest die meisten von denen, die sich regelmäßig im Forum beteiligt haben), hatten genügend Abstand zu sich selbst und verfügten über die nötige Selbstironie, die dazu führte, dass Meinungsverschiedenheiten nicht überbewertet wurden und nicht eskalierten.


    Dann kamen ein paar wenige Individuen hinzu, die über diese Fähigkeit des Abstands zu sich selbst nicht verfügten… Menschen, die so verbissen oder fanatisch waren, dass sie komplett verlernt hatten, über sich selbst und ihre eigene Erbärmlichkeit zu lachen. Sie wähnten sich auf einer heiligen Mission, einem heiligen Krieg gegen den Staat, das Jobcenter, das Jugendamt, die Monogamie oder was auch immer.
    Ich will jetzt nicht ins Detail gehen und niemanden vorsätzlich beschuldigen oder anklagen.
    Ich stelle nur fest: Wann immer hier User aufgetaucht sind, die sich total verbissen in irgendwas reingesteigert haben, sei es in ihren Hass auf andere Gruppen/Personen oder in ihre heilige Mission, andere Menschen bekehren oder retten zu wollen… immer dann gab es Stress.
    Plötzlich wurden die Debatten immer erbitterter geführt, als ob es um Leben und Tod ginge. Und leider ließ sich auch manch anderer User, der früher lockerer drauf war, davon anstecken.
    So wurde das Stimmung immer gereizter, bis es irgendwann für einige unerträglich wurde und sie dem Forum den Rücken zugekehrt haben.


    Die Frage ist: Was können wir daraus denn nun für die Zukunft lernen?
    Ich habe für mich jedenfalls die Erkenntnis erlangt, dass ich mit Fanatikern, die zu humorlos und verbittert an ihre „Mission“ herangehen, am besten gar nichts mehr zu tun haben möchte. Wer sich zu sehr in das ganze gesellschaftspolitische Zeugs reinsteigert… wer diskutiert, als ob es um sein Leben geht, wer nicht verzeihen kann und anderen penetrant seine Meinung aufzudrängen versucht… der ist einfach Gift für jedes soziale Gefüge, weil er nur Platz für sein eigenes Ego und seine eigenen Ansichten hat.
    Natürlich soll man eine eigene Meinung haben, wenn man hier schreibt, und im Idealfall vielen Dingen in dieser Gesellschaft kritisch gegenüberstehen… aber die sympathischsten Menschen waren mir immer diejenigen, die das trotz allem berechtigten Frust, mit einer gewissen Lockerheit und inneren Ausgeglichenheit tun… so wie ich es ja (hoffentlich) auch meistens getan habe.


    Das war das Klima, das mir früher an der Unity auch so gefallen hat… diese, ich nenne es mal, „Kiffer-Mentalität“… alles kann, nichts muss… erst mal easy einen durchziehen, bevor man an die Decke geht oder anderen Leuten an die Gurgel springt. Dieses unbeschwerte Lebensgefühl würde ich gern im neuen Forum wieder ein bisschen etablieren.
    Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine. Wie gesagt, es geht nicht darum, weniger radikal, weniger misanthropisch oder weniger kritisch zu werden… es geht darum, sich selbst ein bisschen weniger wichtig zu nehmen und alles ein wenig lockerer zu sehen, wenn einen hier mal ein anderer User ärgert. Wobei, in der letzten Zeit war das ja eigentlich alles kein Problem mehr, das Klima hat sich ja schon wieder deutlich verbessert in den letzten Monaten. Ich wollte diese Gedanken einfach nur mal erwähnt haben.


    Die andere Sache, die mir beim Stöbern in den alten Archiven noch aufgefallen ist, ist eher eine persönliche, die in erster Linie mich selbst betrifft.
    Denn ich habe festgestellt, dass auch ich bzw. meine Beiträge damals eine ziemliche Lockerheit und Leichtigkeit ausgestrahlt haben, die ich heute an mir gar nicht mehr kenne… nicht, dass das qualitativ unbedingt besser war, was ich damals verzapft habe, aber irgendwie merkt man beim Lesen schon, dass ich früher mehr Spaß an der Sache hatte.
    Die Streitigkeiten im Forum und die damit verbundenen Anfeindungen gegen meine Person haben sicher ihren Teil dazu beigetragen, dass diese Lockerheit flöten gegangen ist. Andererseits, Stress gab es auch im ganz alten allerersten Forum (von 2000 – 2003) mehr als genug, und das hab ich auch locker weggesteckt… das allein kann also kaum der Grund dafür sein.
    Und nur an den Ereignissen aus jüngster Zeit kann es eigentlich auch nicht liegen, denn es war schon 2009, dass ich unzufrieden war. Schon damals hab ich mich immer mal wieder verabschiedet, hab mehr oder weniger lange Auszeiten genommen und war unzufrieden damit, wie die Dinge laufen… und das, obwohl das Forum in der Zeit zwischen 2009 und 2012 im Nachhinein betrachtet ja gar nicht soooo schlecht gelaufen ist. (Außerdem habe ich in der Zeit viele coole Videos gemacht.)
    Und die Zeit von 2012 bis 2014 war irgendwie auch nicht so schlecht, denn da habe ich mit den Anarchonauten viele neue interessante Erfahrungen gesammelt.


    So gesehen war es im Nachhinein betrachtet ja eigentlich nie so schlecht, wie es mir zu dem jeweiligen Zeitpunkt immer vorgekommen ist. Oder anders formuliert: Man weiß die Dinge immer erst so richtig zu schätzen, wenn man sie irgendwann nicht mehr hat.
    (Nur 2016 war definitiv beschissen… das kann ich mir nicht vorstellen, dass ich dieses Drecksjahr jemals vermissen werde.)
    Jedenfalls hat mir das alles schon auch ein bisschen zu Denken gegeben und ich versuche, vielleicht mal wieder ein bisschen die jugendliche Lockerheit wiederzufinden, die mir im Lauf der Jahre abhanden gekommen ist, und die Depressionen der letzten Zeit wieder ein bisschen abzuschütteln. Im Selbstmitleid ertrinken kann ich auch prima noch in fünf oder zehn Jahren, wenn sich bis dahin an der Gesamtsituation nichts zum Positiven geändert haben sollte. Aber noch ist es vermutlich ein bisschen zu früh, um dauerhaft nur noch mies drauf zu sein und das Leben zu verfluchen. Zumal es dadurch ja auch nicht wirklich besser wird.
    Daher hab ich mir vorgenommen, die verbliebenen Kräfte zu mobilisieren und dann mit neuem Schwung ins neue Jahr zu starten. Der Neustart hier im Forum wird mir sicher auch ein bisschen dabei helfen, auf neue Gedanken zu kommen. Zumindest, wenn sich das Forum schnell mit Beiträgen füllt und nicht so lange in diesem leeren bemitleidenswerte Zustand verbleibt… und das wiederum liegt allein an euch (und auch an mir, natürlich)

  • Ich habe ab und zu gerne in den alten Foren (und auch im Keller) gelesen. Einige Charaktere (u.a. die beiden Selbstmörder, die du wohl meintest) fand ich sehr interessant und wäre gerne schon ein wenig früher dazugestoßen. Allerdings fand ich manche ultra-aggressiven Beiträge auch ein wenig abstoßend, das will ich nicht verschweigen.


    Wie dem auch sei: Ich bin sicher, dass die Zukunft mehr Gutes bereithält, wenn man sich nicht durch die Vergangenheit ausbremsen lässt. Eine Regel, die ich selber wohl auch mehr beherzigen sollte. Bald ist ja wieder die Nacht der guten Vorsätze, vielleicht wird es diesmal ja was.

  • warum sind die archive down und konntest du eventuell auch noch ein keller archiv erställen? Wäre seeeeehr freunldich. danke :)

    • Offizieller Beitrag

    warum sind die archive down und konntest du eventuell auch noch ein keller archiv erställen? Wäre seeeeehr freunldich. danke :)

    Es gab eine Umstellung in der Server-Technik, mit der die veraltete Software der Archive nicht mehr klar kam. Ist nun aber repariert, danke für den Hinweis!


    Ein Keller-Archiv kann ich mir mal auf die To-Do schreiben, kann wohl nichts versprechen. Muss da mal die Backups vom letzten Unity-Server durchschauen, obs noch dabei ist. Ansonsten schau dich mal im Plateau um, da hat afaik nemesus die letzte Keller-Version als pdf gecrawlt und online gestellt. (VirusTotal - Free Online Virus, Malware and URL Scanner ist dein Freund.)

  • Da ich erst seit kurzem da bin, kann ich natürlich noch nicht sehr viel darüber schreiben. Ich weiß aber auch, das viele sich gerade im Internet auskotzen, weil sie es im Realen Leben nicht können. Wichtig ist eigentlich für alle, das ganze mit gewissen Abstand zu betrachten. Niemand sollte sich das immer gleich persönlich nehmen, sondern einfach von außen betrachten. Meist wird dadurch vieles gar nicht zur Sprache kommen. Ernst, Ehrlichkeit und ein gewisse Regeln sollten dabei doch helfen, das ganze so zu sehen, das alles locker läuft.